TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/27 VGW-152/089/6842/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2019
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Entscheidungsdatum

27.05.2019

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
19/05 Menschenrechte

Norm

StbG 1985 §39
StbG 1985 §41
StbG 1985 §42 Abs3
StbG 1949 §9 Abs1 Z2
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Braun über die Beschwerde des Herrn A. B. (geb.: 1940) gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 21.02.2019, Zl. ..., mit welchem gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 StbG 1985, BGBl. Nr. 311/1985, von Amts wegen festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführerin die mit Geburt kraft Abstammung erworbene österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 des bis 30.06.1996 in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verloren hat und damit nicht österreichischer Staatsbürger ist, zu Recht:

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 vom 21.02.2019, Zl. ..., wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch um den Zeitpunkt des Verlustes der Staatsbürgerschaft ergänzt wird, sodass dieser zu lauten hat wie folgt:

„Herr A. B., geboren am ...1940 in C., Deutschland, wohnhaft in D., Großbritannien, hat die mit Geburt kraft Abstammung erworbene österreichische Staatsbürgerschaft gem. § 9 Abs. 1 Z 2 des bis 30. Juni 1966 in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 (StbG 1949) zu einem unbekannten, jedenfalls aber im September 1963 liegenden Zeitpunkt verloren, da er freiwillig in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates getreten ist. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger.“

II.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.   Verfahrensgang:

1.1.    Mit Schreiben vom 06.02.2018 ersuchte die Österreichische Botschaft in London um Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers.

1.2.    Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 StbG von Amts wegen fest, dass der Beschwerdeführer die mit Geburt kraft Abstammung erworbene österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 des bis 30.06.1966 in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verloren hat und damit nicht österreichischer Staatsbürger ist, weil er freiwillig in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates getreten ist. So sei der Beschwerdeführer von September 1963 bis August 1964 am „E.“ Schullehrer für …, und von September 1964 bis August 1966 am „F.“ Dozent für …, und ab September 1965 Leiter der Abteilung … gewesen. Bei der Schuleinrichtung, in der der Beschwerdeführer von September 1963 bis August 1964 als Lehrer tätig gewesen sei, habe es sich um eine staatliche Anstalt gehandelt, die zu den Schuleinrichtungen der Stadt D. gehört habe und von dem E. verwaltet worden sei.

1.3.    Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen vorbringt, dass seine im Lebenslauf angeführte Beschäftigung als „Schullehrer“ keine echte Lehranstellung gewesen sei, sondern ein verpflichtetes Probejahr (offensichtlich gemeint: Praxisjahr) als Anwärter zur Vervollständigung seines Lehrerdiploms. Das Praxisjahr hätte an einer normalen Schule absolviert werden müssen und habe an der „G.“ stattgefunden. Daraus folge, dass der Beschwerdeführer damals nicht im öffentlichen Dienst angestellt gewesen sei und damit die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren habe. Ergänzend führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde aus, er habe niemals durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik beschädigt.

1.4.    Mit Schreiben vom 10.05.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vor.

2.   Feststellungen

2.1.    Der Beschwerdeführer wurde am ...1940 als Sohn der österreichischen Staatsbürgerin H. I., geboren am ...1916, und des österreichischen Staatsbürgers J. I., geboren am ...1913, in C. (Deutschland) geboren.

2.2.    Der Beschwerdeführer hat die österreichische Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach seinem ehelichen Vater J. I. gemäß § 1 lit. b des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949 erworben.

2.3.    Nach der Scheidung seiner Eltern ist der Beschwerdeführe mit seiner Mutter im August 1951 nach Großbritannien übersiedelt. Am 03.11.1958 erwarb der Beschwerdeführer über Antrag seiner Mutter die britische Staatsbürgerschaft. Durch den Erwerb der britischen Staatsbürgerschaft hat der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren.

2.4.    Der Beschwerdeführer absolvierte von September 1963 bis August 1964 an der „G.“ sein Praxisjahr als Anwärter zur Vervollständigung seines Lehrerdiploms und war zu diesem Zweck in der genannten Schuleinrichtung als Schullehrer für … tätig. Diese Schuleinrichtung war eine staatliche Anstalt und wurde von dem „E.“ verwaltet.

2.5.    Der Beschwerdeführer verbrachte seine gesamte berufliche Laufbahn in Großbritannien. Er hält sich seit 1951 durchgehend in Großbritannien auf. Weiters hat der Beschwerdeführer in Großbritannien eine Familie gegründet. Am ...1968 hat der Beschwerdeführer in K. (Großbritannien) L. M. geheiratet. Am ...1968 kam sein erster Sohn, N. B., am ...1970 der zweite Sohn, O. B., zur Welt. Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. An Familienmitgliedern in Österreich hat der Beschwerdeführer einen Bruder, P. I., und eine Schwester, Q. I..

3.   Beweiswürdigung

3.1.    Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten, Würdigung des Parteienvorbringens sowie der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

3.2.    Die Feststellungen zur Geburt und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers ergeben sich zum einen aus dem Inhalt des unbedenklichen Verwaltungsaktes und zum anderen aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen zahlreichen Eingaben an die belangte Behörde.

3.3.    Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer von September 1963 bis August 1964 an der „G.“ sein Praxisjahr als Anwärter zur Vervollständigung seines Lehrerdiploms absolvierte und zu diesem Zweck in der genannten Schuleinrichtung als Schullehrer für … tätig war, sowie die Feststellung, wonach diese Schuleinrichtung eine staatliche Anstalt war, die vom „E.“ verwaltet wurde, gründen zum einen auf dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Lebenslauf und zum anderen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in diversen Eingaben an die belangte Behörde, insbesondere auf seinem E-Mail an die belangte Behörde vom 21.08.2018.

3.4.    Die Feststellungen betreffend die berufliche Laufbahn und den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Großbritannien sowie jene zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen ebenfalls auf den diesbezüglichen eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seinen zahlreichen im Verwaltungsakt befindlichen Eingaben an die belangte Behörde, von deren Richtigkeit auszugehen war.

4.   Rechtliche Beurteilung:

4.1.    Die für die Rechtssache maßgebliche Bestimmung des Gesetzes vom 10.07.1945 über den Erwerb und Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1945 – StbG 1945) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 9 (1) Durch Ausbürgerung verliert die Staatsbürgerschaft, soweit nicht wehrgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen:

1. wer eine fremde Staatsbürgerschaft erwirbt; die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft kann vom Staatsamt für Inneres im Einvernehmen mit der Staatskanzlei aus triftigen Gründen bewilligt werden;

2. wer freiwillig in den öffentlichen Dienst oder Militärdienst eines fremden Staates tritt. Der Verlust der Staatsbürgerschaft tritt nicht ein, wenn der Staatsbürger die Stelle eines Hochschullehrers im Auslande antritt und wenn nach den Gesetzen dieses Staates mit dem Antritt des Hochschullehramtes der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft nicht verbunden ist.

[…]“

4.2.    Die für die Rechtssache maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. Nr. 311/1985, idF BGBl. I Nr. 61/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„ABSCHNITT IV

BEHÖRDEN UND VERFAHREN

§ 39. (1) Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist unbeschadet des § 41 die Landesregierung zuständig.

(2) Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat, sonst die Landesregierung, in deren Bereich die Evidenzstelle (§ 49 Abs. 2) liegt. Die Zuständigkeit zur Erstreckung der Verleihung richtet sich nach der Zuständigkeit zur Verleihung der Staatsbürgerschaft.

§ 41. (1) Von Fällen des Abs. 2 abgesehen, ist zur Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge jene Gemeinde (Gemeindeverband) zuständig, an die (den) sich der Antragsteller im Inland wendet.

(2) (Verfassungsbestimmung) Liegt der Hauptwohnsitz dieser Person nicht im Gebiet der Republik, so ist das österreichische Berufskonsulat, wo jedoch ein solches nicht besteht, die österreichische diplomatische Vertretungsbehörde zuständig, in deren Bereich der Hauptwohnsitz liegt. Die Vertretungsbehörden haben hiebei das AVG, BGBl. Nr. 51/1991, anzuwenden; über die Berufung gegen einen Bescheid, womit der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung abgewiesen wird, entscheidet die Landesregierung.

(3) Ergibt sich auch aus Abs. 2 erster Satz keine örtliche Zuständigkeit, so ist die Evidenzstelle (§ 49 Abs. 2) zuständig.

(4) Erwirbt ein im Bundesgebiet aufhältiger Fremder die Staatsbürgerschaft anders als durch Abstammung, so hat die Behörde (§ 39) hievon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 zuständige Landespolizeidirektion und die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Aufenthaltsbehörde in Kenntnis zu setzen (§ 30 Abs. 6 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, § 105 Abs. 4 FPG und § 37 Abs. 2 NAG). Die Behörde hat hiebei den Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Adresse und bisherige Staatsangehörigkeit des Betroffenen anzuführen und das Datum des Erwerbs der Staatsbürgerschaft mitzuteilen.

§ 42. (1) Außer den in den §§ 38 und 58c besonders geregelten Fällen ist ein Feststellungsbescheid in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zu erlassen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 22)

(2) Ein Feststellungsbescheid ist weiters zu erlassen, wenn dies der Bundesminister für Inneres beantragt. In diesem Fall hat der Bundesminister für Inneres im Verfahren Parteistellung. (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 33)

(3) Ein Feststellungsbescheid kann von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht.“

4.3.    Die ErläutRV 497 BlgNR X. GP lautet auszugsweise wie folgt:

„Zu § 33:

Nach § 9 Abs. 1 Pkt. 2 des geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verliert die Staatsbürgerschaft auch, wer freiwillig in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates tritt. Eine Ausnahme ist lediglich für Personen statuiert, welche die Stelle eines Hochschullehrers im Ausland antreten, hierdurch aber die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates nicht erwerben.

Da jedoch viele Staatsbürger gezwungen sind, zur Sicherung ihrer Existenz oder zu ihrer beruflichen Fortbildung eine ausländische Staatsstelle anzunehmen, bedeutet der unbedingte Verlust der Staatsbürgerschaft im Einzelfall oft eine unbillige Härte oder sogar eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen. Denn vielfach haben die Betroffenen die Absicht, nur vorübergehend im Dienst eines fremden Staates tätig zu sein und dann wieder in die Heimat zurückzukehren. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 1959 auf den Umstand verwiesen, dass Künstler und Fachkräfte, aber auch andere Personen teilweise auch zur Einschulung und zu Studienzwecken im Auslande arbeiten. Mit Rücksicht auf die umfassenden Verstaatlichungen sei auf die naheliegende Gefahr Bedacht zu nehmen, dass bei einer derartigen Beschäftigung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren geht. Der Verwaltungsgerichtshof hält es daher für dringend geboten, solchen Personen die Möglichkeit zur Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu eröffnen. Eine solche Regelung würde aber nach Ansicht der Bundesregierung nicht nur zusätzliche Verwaltungsmehrarbeit bewirken, sondern auch die Gefahr heraufbeschwören, dass ein Staatsbürger, dem die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Eintrittes in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates bewilligt wurde, später in diesem Dienst zum Nachteil Österreichs tätig ist, ohne dass etwas dagegen unternommen werden könnte. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, dass der Eintritt in den Dienst eines fremden Staates - vom Militärdienst abgesehen - nicht mehr den ex lege-Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach sich zieht, diese aber in besonders krassen Fällen entzogen werden muss; nämlich dann, wenn ein Staatsbürger, der im Dienst eines fremden Staates steht, durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik erheblich" schädigt. Hierbei soll es rechtlich ohne Bedeutung bleiben, ob dieses schädigende Verhalten mit dem Dienst im fremden Staat in einem Zusammenhang steht oder nicht.

Nach der geltenden Rechtslage führt nur der Eintritt in den "öffentlichen Dienst" zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Unter dem Begriff "öffentlicher Dienst" ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur die Tätigkeit in der Hoheitsverwaltung, nicht aber die in der Privatwirtschaftsverwaltung zu verstehen (so vor allem das Erkenntnis vom 27. April 1954, Slg. Nr. 3386 A). Nun haben sich aber im modernen Wirtschaftsstaat die Grenzen zwischen diesen beiden überlieferten Gruppen der Verwaltung längst verwischt. Dazu kommt noch dass auch die Tätigkeit in der Privatwirtschaftsverwaltung eines fremden Staates den Interessen Österreichs zuwiderlaufen kann. Der Gesetzentwurf spricht daher nur mehr vom Dienst eines fremden Staates schlechthin und will damit sowohl die Hoheits- als auch die Privatwirtschaftsverwaltung erfassen. Der Begriff "Dienst" darf hierbei nicht eng ausgelegt werden: Es soll darunter nicht nur ein pragmatisches Dienstverhältnis fallen, sondern jedwede - auch privatrechtliche - Bindung an einen fremden Staat. So wird zum Beispiel, auch das die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigende Verhalten eines Staatsbürgers, der für einen fremden Staat als Konsulent tätig ist, einen Entziehungsgrund bilden.

Eine Ausdehnung des in Rede stehenden Verlusttatbestandes auf andere öffentlich-rechtliche Körperschaften des Auslandes (zum Beispiel auf ausländische Gemeinden) wäre an sich zweckmäßig, würde aber der bereits erwähnten Bestimmung des Artikels 8 Abs. 3 lit. a Punkt i der UN-Konvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, widersprechen.“

4.4.         Zur Zulässigkeit des gegenständlichen Feststellungsverfahrens:

§ 42 StbG ordnet an, unter welchen Voraussetzungen die Durchführung eines Feststellungsverfahrens in Staatsbürgerschaftssachen zulässig ist. Nach § 42 Abs. 3 StbG kann ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Das Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehörige ist, stellt ein öffentliches Interesse dar, das gemäß § 42 Abs. 3 StbG die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides rechtfertigen kann (z.B. VwGH 15.3.2010, 2007/01/0482). Die Einleitung des gegenständlichen Feststellungsverfahrens war sohin rechtmäßig.

4.5.    Gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 des bis 30.06.1996 in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verliert durch Ausbürgerung die Staatsbürgerschaft, soweit nicht wehrgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen wer freiwillig in den öffentlichen Dienst oder Militärdienst eines fremden Staates tritt.

Sinn und Zweck dieser Bestimmung war es, zu verhindern, dass ein österreichischer Staatsbürger im Ausland staatliche Funktionen im fremden Namen und Auftrag ausübt (VwGH 24.03.1954, Zl. 3121/53).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verliert ein Staatsbürger auch dann seine Staatsbürgerschaft durch den freiwilligen Eintritt in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates, wenn er Angehöriger dieses Staates ist (VwGH 10.10.1960, Zl. 2439/57).

Gegenständlich ist daher zunächst die Frage zu klären, ob – wie von der belangten Behörde angenommen - der Beschwerdeführer tatsächlich in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates eingetreten ist. In einem weiteren Schritt ist sodann zu klären, ob der Eintritt in den öffentlichen Dienst freiwillig erfolgt ist.

4.5.1.           Zum Eintritt in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates:

4.5.1.1. Wie den getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, absolvierte der Beschwerdeführer von September 1963 bis August 1964 an der „G.“ sein Praxisjahr als Anwärter zur Vervollständigung seines Lehrerdiploms und war zu diesem Zweck in der genannten Schuleinrichtung als Schullehrer für … tätig. Den getroffenen Feststellungen ist ebenfalls zu entnehmen, dass die „G.“ damals eine staatliche Anstalt war.

4.5.1.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter dem Begriff „öffentlicher Dienst“ die Verwendung als Bediensteter bei einer staatlichen Dienststelle, die behördliche Aufgaben und damit Aufgaben der Hoheitsverwaltung zu besorgen hat, zu verstehen. Hierbei war es nach der damaligen Rechtslage unerheblich, ob der Betroffene in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum fremden Staat stand und ob es sich um ein definitives oder zeitlich begrenztes Dienstverhältnis handelte (VwGH 24.03.1954, Zl. 3121/53). Ebenso unerheblich war, ob der Betroffene nur untergeordnete Dienste verrichtete. So sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein Österreicher, der freiwillig in ein, wenngleich nur privatrechtliches, Dienstverhältnis zu einem fremden Staat tritt, hierdurch die österreichische Staatsbürgerschaft verliert, und zwar auch dann, wenn er bei einer Dienststelle des fremden Staates, die öffentliche Aufgaben zu besorgen hat, als Schreibkraft nur untergeordnete Dienste leitstete (VwGH 27.03.1963; Slg. 5999A).

4.5.1.3. Gemäß Art. 14 Abs. 1 B-VG ist das Schulwesen Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Die Erteilung des Unterrichts an öffentlichen Schulen zählt zu den hoheitlichen Tätigkeiten. Zur Hoheitsverwaltung zählt dabei nicht nur der eigentliche Schulunterricht wie die Abhaltung von Unterrichtsstunden, sondern auch Unterrichtspausen, Förderstunden und diverse Schulveranstaltungen (Ziehensack, Amtshaftungsgesetz, Praxiskommentar Rz 1734 ff).

4.5.1.4. Damit steht für das erkennende Gericht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer durch Aufnahme seiner Lehrtätigkeit – wenngleich in Form eines Praxisjahres – an der „G.“ im September 1963 in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates (Großbritanniens) eingetreten ist. Auf die konkrete Art des damaligen Anstellungsverhältnisses (öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches) kommt es dabei aufgrund der - oben unter Punkt 4.5.1.2. - zitierten Rechtsprechung nicht an.

Diese Rechtsansicht findet überdies Deckung in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. So sprach der Verwaltungsgerichtshof bspw. mit seiner Entscheidung vom 18.11.1959 aus, dass der Eintritt eines Österreichers in ein privatrechtliches Dienstverhältnis als Lehrer an einer staatlichen Mittelschule in Jugoslawien den Verlust der Staatsbürgerschaft nach sich zieht (VwGH 18.11.1959, Slg 5116 A). Ferner hat der Verwaltungsgerichthof entschieden, dass der freiwillige Eintritt eines Österreichers in den öffentlichen Volksschuldienst eines Landes der BRD den Verlust der Staatsbürgerschaft nach sich zieht (VwGH 11.11.1959, Slg 5109 A).

4.5.2. Zur Freiwilligkeit des Eintrittes in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates:

Für das erkennende Gericht haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, wonach der Eintritt in den öffentlichen Dienst Großbritanniens durch den Beschwerdeführer nicht auf Freiwilligkeit beruhen hätte sollen.

 

Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in gewissen Fällen eine (finanzielle) Notlage derart auswirken, dass von einer „Freiwilligkeit“ des Eintrittes in den Dienst eines fremden Staates nicht mehr gesprochen werden kann, insbesondere wenn zur Beseitigung oder Vermeidung einer Notlage für den Betreffenden nur der Weg des Eintrittes in den Dienst eines fremden Staates offenstand (VwGH 28.06.1961, SLg. 5599 A).

Ein derartiges Vorbringen hat der Beschwerdeführer jedoch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens erstattet. Wenngleich die Absolvierung eines Praxisjahres für die Ausbildung eines Lehrers erforderlich ist, so kann aus diesem für seine Ausbildung verpflichtenden Umstand nicht geschlossen werden, dass die Aufnahme der Lehrtätigkeit – wenngleich in Form eines Praxisjahres – an der „G.“ im September 1963 durch den Beschwerdeführer nicht auf freiwilliger Basis beruhte. Dieser Umstand ist mit der von der Judikatur herausgearbeiteten Notlage nicht vergleichbar.

Zusammenfassend steht für das erkennende Gericht sohin unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer zu einem unbekannten, jedenfalls aber im September 1963 liegenden Zeitpunkt durch Aufnahme seiner Lehrtätigkeit an der„G.“ freiwillig in den öffentlichen Dienst Großbritanniens, sohin freiwillig in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates iSd § 9 Abs. 1 Z 2 des bis 30.06.1996 in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, eingetreten ist.

4.6.    Nach den getroffenen Feststellungen verbrachte der Beschwerdeführer seine gesamte berufliche Laufbahn in Großbritannien, hält sich seit 1951 durchgehend in Großbritannien auf und hat in Großbritannien auch eine Familie gegründet. An Familienmitgliedern in Österreich hat der Beschwerdeführer einen Bruder, P. I., und eine Schwester, Q. I.. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen in Österreich niedergelassenen Geschwistern wurde nicht vorgebracht und ist auch nicht zu erkennen (VwGH 13.9.2016, Ra 2015/22/0171).

Daraus ergibt sich, dass die gegenständliche Entscheidung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers darstellt, zumal ein Familienleben in Österreich tatsächlich nicht besteht und auch in der Vergangenheit nicht bestanden hat. Der Beschwerdeführer hat seit 1951 sein gesamtes Leben in Großbritannien verbracht und ist in Großbritannien (und eben nur dort) integriert, wohingegen zu Österreich – abgesehen von gelegentlichen Besuchen seiner Geschwister – keine gewichtigen Beziehungen bestehen. Eine vom erkennenden Gericht durchgeführte Abwägung des öffentlichen Interesses am Verlust der Staatsbürgerschaft mit den gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers fällt sohin zu Lasten des Beschwerdeführers aus.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides um den Zeitpunkt des Verlustes der Staatsbürgerschaft, welcher zu einem unbekannten Zeitpunkt im September 1963 (Aufnahme der Lehrtätigkeit) stattfand, zu ergänzen war.

4.7.    Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das erkennende Gericht von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, weil bereits die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht beantragt.

4.8.    Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Staatsbürgerschaft; Verlust der Staatsbürgerschaft; Feststellungsverfahren; Eintritt in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates; öffentlicher Dienst; Eintritt; Freiwilligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.152.089.6842.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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