TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/26 L512 2144759-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2019
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Entscheidungsdatum

26.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L512 2144759-1/20E

L512 2144748-1/21E

L512 2144763-1/18E

L512 2144753-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Verein XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Verein XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Verein XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge entsprechend der Reihenfolge im Spruch als BF1-4 bezeichnet), Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, brachten nach illegaler Einreise am 12.11.2015 (BF1 und BF3) und am 03.10.2016 (BF2 und BF4) bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachten der BF1 und BF3 am 13.11.2015 bzw. die BF2 am 03.10.2016 zusammengefasst Folgendes vor:

Der BF1 führte zu seiner Person an, er sei am XXXX geboren, sei verheiratet, Moslem/Schiit und habe zuletzt als Taxifahrer gearbeitet. Vor zwei Jahren habe der BF den Entschluss gefasst seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Er habe den Iran illegal verlassen. Er sei in XXXX von den Behörden angehalten/untergebracht worden. Sie seien jedoch dort nicht gut behandelt worden.

Zum Fluchtgrund führte der BF1 aus, er glaube nicht mehr an den Islam. Er habe die Religion wechseln wollen. Dies sei jedoch im Iran verboten und strafbar. Als er erfahren habe, dass die Grenzen offen seien, habe er beschlossen, dass er und seine Familie flüchten. Im Falle einer Rückkehr in den Iran habe er Angst, ins Gefängnis zu kommen, wenn er seine Religion wechselt.

Die BF2 brachte vor, sie sei verheiratet, sei Schiitin und gehöre der Volksgruppe der Perser an. Zuletzt habe sie als XXXX gearbeitet. Sie sei zusammen mit ihrem Sohn, BF4, mit einem gefälschten Reisepass per Flugzeug aus dem Iran über XXXX nach XXXX gereist.

Zum Fluchtgrund führte die BF2 aus, sie habe den Iran verlassen, weil ihr Ehegatte und ihr Sohn bereits in Österreich seien. Sie selbst habe keine Probleme; nur ihr Ehegatte. Die BF2 brachte als gesetzliche Vertreterin für den BF4 keine eigenen Fluchtgründe vor.

Der BF3 brachte vor, er sei am XXXX geboren, sei Moslem/Schiit, habe 12 Jahre lang die Schule im Iran besucht und habe zuletzt keinen Beruf ausgeübt.

Zum Fluchtgrund führte der BF aus, dass er selbst keine Probleme im Iran gehabt habe. Er habe aber mitbekommen, dass sein Vater Probleme gehabt habe, weil dieser gesagt habe, sie müssen den Iran verlassen. Der Vater habe gesagt, er würde alles erklären, wenn sie in Österreich seien. Im Falle einer Rückkehr habe er vor nichts Angst. Er habe keine Probleme.

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachten die BF1-3 am 13.10.2016 im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF1 führte zusammengefasst aus, dass er mittlerweile noch kein Deutsch spreche oder verstehe. Bis dato hätte er noch keinen Deutschkurs besucht. Seit ca. 17 Monaten sei er Christ. Im Iran sei er schon Christ gewesen. Er sei am XXXX geboren.

Zum Fluchtgrund gab der BF an, er habe eine Frau namens XXXX kennengelernt. Sie sei immer mit seinem Taxi gefahren. Der BF1 sollte diese Frau jeden Tag nach Hause bringen. Der BF1 habe gewusst, dass diese Frau Christin sei und sich dort, wo er sie abgeholt habe, ein Wurstgeschäft gewesen sei. Nach einiger Zeit habe er die Frau gefragt, wo er Schweinefleisch bekommen könne und habe sie ihn gefragt, ob er kein Moslem sei. Der BF1 habe nein gesagt. Die Frau habe ihm danach Schweinefleisch gebracht. Die Frau habe den BF1 gefragt, warum er kein Moslem sei. Er habe gesagt, dass er kein Interesse am Islam habe, weil er nicht alles richtig finde, was im Koran stehe. Bei der Heimfahrt mit dem Taxi habe sich die Frau mit dem BF1 über das Christentum unterhalten und ihn gefragt, ob er Interesse habe, Christ zu werden. Der BF1 habe zu der Frau gesagt, dass er sich das überlegen müsse. Sie habe ihm eine Bibel gegeben. Diese Bibel habe der BF1 im Taxi gehabt und wenn er alleine gewesen sei, habe er sie gelesen. Nachher habe die Frau den BF1 mit einigen Leuten bekannt gemacht und ihn in einer Hauskirche vorgestellt. Dann sei der BF1 jeden Montag in diese Hauskirche gegangen. Die Frau sei sonntags in die Kirche gegangen und nachher habe sie sich mit dem BF1 über das Christentum unterhalten. Die Frau habe die wichtigsten Sachen notiert, als sie in der Kirche gewesen sei und dann den BF1 während den Taxifahrten informiert. Nach diesen Gesprächen und nachdem er die Bibel gelesen habe, habe der BF1 echtes Interesse am Christentum bekommen. Der BF1 habe einige Zeit die Hauskirche besucht und dann habe der BF1 die Frau ersucht, ob auch beim BF1 zu Hause eine Hauskirche stattfinden könne. Dann sei einige Male die Hauskirche beim BF1 zu Hause gewesen. Normalerweise fange der BF1 jeden Tag zu arbeiten an. Er fahre jeden Tag um diese Zeit Taxi. Am XXXX habe der Vater des BF1 den BF1 angerufen und ihn gefragt, warum Beamte bei ihm zu Hause seien. Der BF1 habe seinen Vater gefragt, woher er das wisse. Sein Vater habe dem BF1 gesagt, dass es ihm die Nachbarn gesagt hätten. Der BF1 habe dann mit Frau XXXX Kontakt aufgenommen. Sie habe dem BF1 erzählt, dass der Hausbesitzer der früheren Hauskirche festgenommen worden sei und alle verraten worden seien. Aus einer Telefonzelle habe der BF1 mit seinem Sohn XXXX (BF3) Kontakt aufgenommen. Sein Sohn sei damals Student gewesen. Der BF1 habe sein Auto dort stehen lassen und sei mit einem anderen Taxi zu seinem Sohn gefahren. Der BF1 sei mit seinem Sohn zu einem Freund gefahren. Zuerst habe er mit seinem Freund telefonisch Kontakt aufgenommen und diesem gesagt, dass er zu ihm kommen wolle. Unterwegs habe der Freund auf den BF1 gewartet und seien sie dann zu diesem nach Hause gefahren. Sie seien einige Tage bei diesem Freund gewesen. Sein Freund sei zum Vater des BF1 gegangen, habe von diesem Geld bekommen und einen Schlepper gefunden. Dieser habe die XXXX aus dem Iran organisiert. Erst später habe er erfahren, dass die Beamten seine Ehegattin (BF2) mitgenommen haben. Bevor die BF2 aus dem Iran ausgereist sei, habe sie ihn angerufen und erzählt, dass die Beamten die Wohnung versiegelt hätten. Die Beamten hätten wissen wollen, wo sich der BF1 aufhalte, hätten aber keine Bücher oder Unterlagen gefunden. Die BF2 sei nur eine Nacht bei den Beamten gewesen und sei am nächsten Tag nach Hause geschickt worden.

Die BF2 erklärte zusammengefasst, dass sie der Volksgruppe der Perser angehöre und Schiitin sei. Sie sei keine gläubige Muslimin. Sie habe noch nicht darüber nachgedacht Christin zu werden, aber sie denke schon. Die BF2 habe im Iran die Hauskirche besucht, die in der eigenen Wohnung Zusammenkünfte hatte.

Zum Fluchtgrund gab die BF2 an, sie sei wegen ihrem Ehegatten (BF1) und ihrem älteren Sohn (BF3) nach Österreich gekommen. Diese seien spontan ausgereist. Sie persönlich werde nicht verfolgt. Ihr Ehegatte und älterer Sohn würden verfolgt werden. Ihr Sohn werde verfolgt, weil er Student gewesen sei und die Universität und das Land verlassen habe.

Der BF3 führte zusammengefasst aus, dass er mittlerweile ein bisschen Deutsch spreche. Er lerne Deutsch über das Internet. Kommende Woche werde er einen Deutschkurs besuchen. Er gehöre der Volksgruppe der Perser an und sei Christ. Getauft sei der BF noch nicht. Er habe im Iran ca. 5 Monate mit einigen Christen Kontakt gehabt.

Zum Fluchtgrund führte der BF3 im Wesentlichen aus, dass sein Vater (BF1) eine Frau namens XXXX kennengelernt habe und mit der Frau sowie mit einigen anderen Leuten Kontakt gehabt habe. Der Vater des BF3 habe sich einige Male in einer Wohnung getroffen. Der BF3 sei nicht dabei gewesen. Sie hätten sich dort versammelt, gebetet, über das Christentum gesprochen und gelernt. Einige Male seien diese Veranstaltungen auch in der Wohnung der BF1-4 abgehalten worden. Der Vater habe mit dem BF3 gesprochen und ihm gesagt, dass er an diesen Veranstaltungen teilnehmen könne, wenn er Interesse habe. Der BF3 habe einige Male an diesen Veranstaltungen teilgenommen. Einmal, als der BF3 an der Universität gewesen sei, habe sein Vater mit ihm Kontakt aufgenommen und gesagt, dass er zur Haltestelle XXXX kommen solle und von dort abgeholt werde. Er sei dort hingegangen und habe ihn sein Vater dort abgeholt. Sein Vater habe ihm gesagt, dass die Behörde herausgefunden hätte, dass sie ihre Religion wechseln hätten wollen und dass sie in ihrer Wohnung eine Hauskirche gehabt hätten. Sein Vater habe ihm erzählt, dass sie nach XXXX zu einem Freund fahren würden. Dann hätten sie nicht mehr darüber gesprochen.

Für den BF4 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Der BF1 brachte auf die Frage, ob seine Kinder Christen seien hinsichtlich des BF4 vor, dass er dies für den BF4 nicht entscheiden wolle. Der BF4 solle später selbst wählen, welche Religion er angehöre.

I.2. Die Anträge der BF1-4 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm 3 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF 1-4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige XXXX 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF1-4 als unglaubwürdig. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die BF1-4 aufgrund mehrerer Widersprüche und Unplausibilitäten nicht glaubwürdig darlegen hätten können bzw. , dass die Hinwendung zum christlichen Glauben des BF1 und des BF3 auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruhe.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige XXXX bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung der Bescheide erfolgte am 30.12.2016.

I.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.3.1. Die BF1-4 beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge,

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die angefochtenen Bescheide der Erstbehörde dahingehend abändern, dass den Anträgen der BF1-4 auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt werde;

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in eventu die angefochtenen Bescheide beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die erste Instanz zurückverweisen;

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in eventu den BF1-4 gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Iran zuerkennen;

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sowie die gegen die BF1-4 gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufheben;

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eine öffentliche mündliche Verhandlung von dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen, um ihre Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen persönlich und unmittelbar schildern zu können und glaubhaft machen.

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Herrn XXXX als Zeugen laden und einvernehmen.

I.3.1. In der Beschwerde wurde eingangs darauf hingewiesen, dass die BF1-4 bei den Befragungen und Einvernahmen ausführlich Stellung zu ihren Asylgründen genommen hätten und auch jederzeit bereit gewesen wären, detailliertere Antworten zu geben. Den Iran hätten die BF1-4 auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Der BF1 habe als Taxifahrer für den Lebensunterhalt der Familie sorgen können und sei sein Vater darüber hinaus wohlhabend. Die BF1-4 hätten auch nicht die "offenen Grenzen" genutzt, sondern den Iran wegen ihrem Interesse am Christentum sowie der Konversion verlassen. Im Weiteren wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und das in Österreich fortgesetzte Interesse am Christentum dargelegt. Zur XXXX wurde dargelegt, dass die BF2 und 4 eine Woche nach dem BF1 und 2 in die XXXX gereist seien und sie dort getrennt worden seien. Die XXXX sei auch nicht von langer Hand geplant gewesen und seien die BF1-4 nie persönlich bedroht worden, weil der BF1 und 3 sofort ausgereist seien. Die BF2 und 4 hätten nach der Rückkehr in den Iran bei der Mutter der BF2 in ständiger Angst gelebt, weshalb sie den Iran verlassen hätten. Weiters wurde auf Berichte zu Apostasie im Iran sowie zu Hauskirchen im Iran verwiesen. Das Haus der BF1-4 sei behördlich versiegelt worden, weshalb den iranischen Behörden offensichtlich bekannt sei, dass dort eine hauskirchliche Vereinigung stattgefunden habe. In Österreich würden die BF1-4 regelmäßig Gottesdienste der XXXX Kirche besuchen und sich mit dem Pfarrer über das Christentum unterhalten, um mehr über diese Religion zu erfahren. Die weltoffene Einstellung würde den BF1-4 besonders gefallen und ein wichtiger Grund für den Beitritt zu dieser Gemeinschaft sein. Bei einer Rückkehr in den Iran würde den BF1- 4 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tod drohen. Der Vater des BF1 sei ein streng gläubiger Moslem und könnten die BF1-4 ihren Glauben vor ihm nicht verbergen. Außerdem sei die Wohnung der BF1-4 in Zusammenhang mit der Abhaltung von hauskirchlichen Veranstaltungen aufgefallen und sei der Abfall vom Islam im Iran hinlänglich bekannt. Das BFA sei auch seiner Verpflichtung, Nachforschungen vor Ort durchzuführen, nicht nachgekommen, obwohl die BF1-4 ihre Zustimmung dazu erklärt hätten. Verwiesen wurden zum Konventionsgrund "Religion" schließlich auf Putzer, Leitfaden Asylrecht2 (2011) Rz 80ff, und ausgeführt, dass im Iran die Konversion zum Christentum verboten sei. Der Abfall vom Islam und die Hinwendung zum Christentum hätten die BF1-4 bereits im Iran vollzogen und sei die endgültige Konversion mit der christlichen Taufe abgeschlossen worden. Nach iranischem Recht hätten die BF1-4 eine Straftat begangen, welche mit der Todesstrafe belegt werden könne. Die BF1-4 würden sich nicht verstecken wollen und sei eine freie Ausübung ihres Glaubens im Iran im Privaten und öffentlich unmöglich (EuGH vom 05.09.2012, C-71/11 und C-99/11; Y und Z gg. Deutschland). Die iranischen Behörden würden sie in keinster Weise schützen, sondern gehe die Verfolgung von den iranischen Behörden aus. Letztlich wurde noch auf die Integrationsbemühungen der BF1-4 verwiesen und das Geburtsdatum des BF1 berichtigt.

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Den Verfahrensparteien wurden mit der Ladung vom 13.08.2018 Länderberichte zur Lage im Iran zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am XXXX wurde XXXX , als Zeuge befragt. Der BF1 bestätigte seine Ausführungen zu seiner Identität und führte aus, dass er - bis auf eine 15 bis 20 Jahr zurückliegende Augenverletzung - gesund sei, sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und keine Medikamente nehme. Der BF1 hatte darüber hinaus die Möglichkeit zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

Die BF2 bestätigte in der mündlichen Verhandlung am XXXX ebenfalls ihre Ausführungen zu ihrer Identität und korrigierte ihr Geburtsdatum. Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes brachte sie vor, dass sie seit einem Jahr regelmäßig Medikamente nehme, weil sie wegen Bluthochdruck an Depressionen leide. Die BF2 hatte darüber hinaus die Möglichkeit zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

Der BF3 bestätigte in der mündlichen Verhandlung am XXXX ebenfalls seine Ausführungen zu seiner Identität. Der BF3 führte zudem aus, dass er gesund sei und hatte der BF3 darüber hinaus die Möglichkeit zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

Für den BF4 führte der BF1 als gesetzlicher Vertreter aus, dass dieser die Schule besuche und am XXXX getauft worden sei. Der BF4 habe dies selber gewollt und sei dies die Entscheidung des BF4 gewesen.

Der Zeuge, ein Pfarrer, tätigte Aussagen zum Kennenlernen der BF1-4, zum Kontakt bzw. zu den Treffen mit den BF1-4 und schilderte seinen persönlichen Eindruck zur von den BF1-4 vorgebrachten Konversion.

I.6. Mit Schreiben vom 04.10.2018 wurde eine Stellungnahme zu dem den BF1-4 übermittelten Länderinformationsblatt zur Lage im Iran erstattet. Darin wurde auszugsweise die einschlägige Berichterstattung zur Situation von Konvertiten im Iran zitiert und ausgeführt, dass die BF1-4 nicht mehr zum Islam zurückkehren könnten. Im Iran sei für gebürtige Muslime die Ausübung christlicher Glaubenspraxis nicht möglich und wurde diesbezüglich auf Art. 10 Abs 1b RL 2011/95/EU verwiesen. Angesichts des Abfalles der BF1-4 vom Islam sei - vor dem Hintergrund der Berichtslage zur Situation von gebürtigen Muslimen, die den Islam verlassen haben - davon auszugehen, dass die BF 1-4 im Iran einer realen Gefahr unmenschlicher Behandlung und asylrelevanter behördlicher Verfolgung ausgesetzt seien. Hinzu trete die Gefahr einer mittelbaren Verfolgung durch fanatische Muslime, zumal nach islamischem Recht Konvertiten von allen Muslimen getötet werden dürften.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die Beschwerdeführer

Bei den BF1-4 handelt es sich um iranische Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Perser, welche die Sprache Farsi sprechen. Der BF1 und die BF2 haben am XXXX im Iran geheiratet und entstammen dieser Ehe zwei gemeinsame Söhne (BF3-4).

BF1:

Der BF1 besuchte im Iran acht Jahre die Grundschule, hat eine Ausbildung als XXXX absolviert und zuletzt als Taxifahrer gearbeitet.

Im Iran sind nach wie vor der Vater, drei Brüder sowie zwei Schwestern des BF1 aufhältig. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Vater des BF1 XXXX im Iran.

Im Oktober 2015 reist der BF1 mit dem BF3 aus dem Iran aus und im November 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither hält sich der BF1 durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der BF1 leidet an XXXX in Folge einer Verletzung seines linken Auges vor 15 bis 20 Jahren. Eine Besserung dieses Zustandes ist nicht möglich. Ansonsten ist der BF1 gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber und verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel.

Am XXXX wurde der BF1 im XXXX zu den Sakramenten der Eingliederung (Zulassung zur XXXX Taufvorbereitung) zugelassen. Am XXXX wurde der BF1 in der XXXX Kirche formal getauft. Der BF1 besucht regelmäßig die Sonntagsmesse und ca. zweimal im Monat (persische) Katechesen. Der BF1 pflegt soziale Kontakt zur Personen aus der Pfarre und hilft bei pfarrlichen Arbeiten mit.

Der BF1 hat 2016, 2017 und 2018 mehrmals gemeinnützige Tätigkeiten für die Marktgemeinde XXXX verrichtet (Mithilfe beim Kirtag 2017 und 2018, Humuserde in Säcke füllen, Mithilfe Sozialflohmarkt 2017, Reinigungsrunde im Ort).

Der BF1 besuchte in Österreich mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen, spricht auf dem Niveau A1 die deutsche Sprache und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

BF2:

Die BF2 besuchte im Iran zwölf Jahre lange die Schule und nach der Matura zwei Jahr lang eine Universität. Die BF war nie berufstätig. Sie war Hausfrau.

Im Iran leben nach wie vor die Mutter, ein Bruder sowie fünf Schwestern der BF2. Der Vater der BF2 ist bereits verstorben.

Im Oktober 2016 reiste die BF2 mit dem BF4 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und ist seither ununterbrochen in Österreich aufhältig.

Die BF2 ist arbeitsfähig, in Österreich strafrechtlich unbescholten und geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Die BF2 nimmt Medikamente ein, welche bei depressiven Erkrankungen und Angststörungen bzw. Bluthochdruck angewendet werden.

Die BF2 bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber und verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Die BF2 besuchte mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen und spricht auf dem Niveau A1 die deutsche Sprache.

Am XXXX wurde die BF2 in der Pfarrkirche XXXX zu den Sakramenten der Eingliederung (Zulassung zur XXXX Taufvorbereitung) zugelassen. Die BF2 wurde am XXXX in der XXXX Kirche formal getauft. Die BF2 besucht regelmäßig die Sonntagsmesse und ca. zweimal im Monat (persische) Katechesen. Die BF2 pflegt soziale Kontakt zur Personen aus der Pfarre und hilft bei pfarrlichen Arbeiten mit.

Die BF2 hat bei " XXXX " an dem Projekt " XXXX " teilgenommen.

Die BF2 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

BF3:

Der BF3 wurde im Iran geboren und reiste im Alter von XXXX Jahren gemeinsam mit dem BF1 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither lebte er ununterbrochen in Österreich, absolviert derzeit eine Lehre XXXX und spricht auf dem Niveau B1 die deutsche Sprache.

Am XXXX wurde der BF3 im XXXX zu den Sakramenten der Eingliederung (Zulassung zur XXXX Taufvorbereitung) zugelassen. Der BF3 wurde am XXXX in der XXXX Kirche formal getauft. Der BF3 besuchte bis XXXX regelmäßig die Sonntagsmesse. Seit dem Beginn seiner Lehre im XXXX kann der BF3 nicht mehr jeden Sonntag die Messe besuchen. Wenn es die Arbeit erlaubt, besucht der BF3 den Gottesdienst in XXXX . Der BF3 pflegt soziale Kontakte zu Personen aus der Pfarre und hilft bei pfarrlichen Arbeiten mit. Ca. zweimal im Monat besucht der BF3 (persische) Katechesen.

Der BF3 hat 2016, 2017 und 2018 mehrmals gemeinnützige Tätigkeiten für die Marktgemeinde XXXX verrichtet (Mithilfe beim Kirtag 2017, Humuserde in Säcke füllen, Mithilfe Sozialflohmarkt 2017, Reinigungsrunde im Ort).

Von März 2016 bis März 2018 hat der BF3 wöchentlich an deinem Gitarrenkurs teilgenommen und hat zweimal im Rahmen eines " XXXX " gespielt.

Der BF3 ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

BF4:

Der BF4 wurde im Iran geboren und reist im Alter von XXXX Jahren gemeinsame mit der BF2 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither lebt er ununterbrochen in Österreich. Der BF4 besucht in Österreich eine Neue Mittelschule, ist nicht berufstätig und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.

Am XXXX wurde der BF4 in der Pfarrkirche XXXX zu den Sakramenten der Eingliederung (Zulassung zur XXXX Taufvorbereitung) zugelassen. Der BF4 wurde am XXXX in der XXXX Kirche formal getauft. Der BF4 besucht regelmäßig die Sonntagsmesse in XXXX und ca. zweimal im Monat (persische) Katechesen. Der BF4 pflegt soziale Kontakt zu Personen aus der Pfarre und hilft bei pfarrlichen Arbeiten mit.

Der BF4 ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind im Iran einfach erhältlich. Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft im Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der Botschaft nicht möglich. Die Überprüfungen von Dokumenten im Wege des Vertrauensanwaltes mussten eingestellt werden, da ihm seitens iranischer Stellen dies eindringlich nahegelegt wurde. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund des Datenschutzes nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen im Iran auszustellen (ÖB XXXX 9.2017).

Quellen:

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ÖB XXXX (9.2017): Asylländerbericht

Am 19.5.2017 wurde der als moderat geltende Präsident Hassan Rohani im Amt bestätigt. Er setzte sich gegen den Konservativen Ebrahim Raisi durch. Seine Wahl gilt als Signal, dass die iranische Bevölkerung seinen Kurs der internationalen Öffnung des Landes unterstützt (Zeit 21.5.2017).

Als Verlierer der Wahl sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Obersten Führer Ali Khameini, da der Verlierer Raisi sein Kandidat war. Raisi war vor der Abstimmung als möglicher Nachfolger des kränkelnden Khamenei genannt worden. Das Amt des Präsidenten, hieß es, werde für Raisi im Falle eines Wahlsieges nur ein Zwischenschritt sein. Diesen Plan hat die Jugend in Irans Städten mit ihrem Ruf nach mehr Freiheit durchkreuzt. Das Votum zeigt: Der Oberste Führer ist nicht allmächtig. Amtsinhaber Rohani hat ein starkes Mandat erhalten, seine Politik der Öffnung des Landes fortzusetzen. Ein Grund zum Jubeln ist das aber noch lange nicht. Schon die erste Amtszeit Rohanis hat gezeigt, dass ihm die Kraft fehlt, um die von ihm versprochenen Freiheiten und Reformen durchzusetzen. Mit großer Härte ist die Justiz auch in den vergangenen vier Jahren gegen Regimekritiker vorgegangen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit bleiben eingeschränkt. Die Sittenpolizei patrouilliert weiter, wenn auch weniger aggressiv als unter Rohanis Amtsvorgänger. Wenn Irans Reformer sich dennoch entschlossen haben, Rohani abermals mit ihrer beachtlichen Wählerbasis zu unterstützen, liegt das nicht daran, dass Rohani selbst ein Reformer wäre. Vielmehr haben sie ihre Hoffnungen, dass ein schneller Wandel möglich wäre, spätestens seit der Niederschlagung der Protestbewegung von 2009 aufgegeben. Auch die von Rohani verkündete Annäherung an den Westen kommt nur in kleinen Schritten voran. Einer Normalisierung der Beziehungen zum Westen steht zudem Irans militärisches Vorgehen in der Region entgegen. XXXX hat Tausende Milizionäre nach Syrien entsandt, um Diktator Baschar al-Assad an der Macht zu halten. Es finanziert und bewaffnet die libanesische Hizbollah und die palästinensische Hamas, die beide Israel bedrohen. Präsident Rohani wird daran auch in seiner zweiten Amtszeit nichts ändern. Nicht er bestimmt die Sicherheitspolitik, sondern der Oberste Führer. Wirkliche Veränderungen werden im Iran erst möglich sein, wenn Ali Khamenei nicht mehr Oberster Führer ist (FAZ 22.5.2017).

Am selben Tag der Präsidentschaftswahl fanden auch Kommunalwahlen in XXXX statt. Die Vertreter einer gemäßigten Politik haben auch den Stadtrat von XXXX erobert - alle 21 Sitze gingen an Kandidaten des moderaten Lagers. Damit verloren die Konservativen zum ersten Mal seit 14 Jahren die Macht im Stadtrat der iranischen Hauptstadt. Das Ergebnis der Kommunalwahl in XXXX ist eine schwere Niederlage für den amtierenden konservativen Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf. Er hatte seine Kandidatur für das Präsidentenamt kurz vor der Wahl zurückgezogen, um Raisi zu unterstützen. Ghalibaf war zwölf Jahre lang Bürgermeister von XXXX , er folgte 2005 dem ultrakonservativen Hardliner Mahmud Ahmadinedschad (Zeit 21.5.2017).

Quellen:

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.5.2017): Präsidentenwahl in Iran. Kein Grund zum Jubeln, http://www.faz.net/aktuell/politik/praesidentenwahl-in-iran-kein-grund-zum-jubeln-15025515.html, Zugriff 22.5.2017

* Zeit (21.5.2017): Moderates Lager gewinnt Mehrheit in XXXX , http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/iran-wahl- XXXX -stadtrat-hassan-rohani, Zugriff 22.5.2017

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf vier Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6.2016a, vgl. ÖB XXXX 10.2016).

Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB XXXX 10.2016).

Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).

Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:

Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz XXXX an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2015 ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB XXXX 10.2016).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion XXXX eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (6.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2017

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FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 25.4.2017

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IPG - Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!

http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/, Zugriff 13.3.2017

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ÖB XXXX (10.2016): Asylländerbericht

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Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani, Zugriff 13.3.2017

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt XXXX , erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.5.2017b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 10.5.2017

-

BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 10.5.2017

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2017): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 10.5.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB XXXX 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Dan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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