TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 L512 2132166-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L512 2132169-1/17E

L512 2132166-1/28E

L512 2132171-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom

XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom

XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge entsprechend der Reihenfolge im Spruch als BF1-3 bezeichnet), Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, brachten nach illegaler Einreise am 24.01.2016 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachten der BF und die BF2 am 25.01.2016 zusammengefasst Folgendes vor:

Die BF1-2 hätten Interesse am Christentum. Sie hätten im Iran zum Christentum konvertieren wollen. Zweimal hätten sie heimlich an einem Gottesdienst teilgenommen. Davon habe aber ein Nachbar erfahren und den BF1 und die BF2 bei den Behörden verraten. Aus Angst vor den Behörden hätten der BF1 und die BF2 daraufhin den Iran verlassen. Im Falle einer Rückkehr in den Iran müssten die BF1-3 mit dem Tod rechnen.

Für den BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachten der BF1 und die BF2 am 08.07.2016 im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF1 habe den Iran verlassen, weil er eine Geheimkirche besucht und dort gebetet habe. Es habe abwechselnd Gruppentreffen gegeben. Als der BF1 an der Reihe gewesen sei, habe er in der Siedlung gegenüber von ihm in einem leeren Haus alles vorbereitet und die Leute dorthin eingeladen. Als alle versammelt gewesen seien, wäre jemand hereingekommen. Der BF1 habe zu den Gästen gesagt, dass sich jeder verstecken müsse. Alle seien weggelaufen und hätten gewusst, was passieren werde. Es sei ihr Todesurteil gewesen. Es hätten alle versucht, sich zu verstecken. Der BF1 habe sich bei XXXX versteckt und einen XXXX angerufen, um diesem zu erzählen, was passiert sei. Dieser habe gemeint, das der BF1 den Iran sofort verlassen solle. Daraufhin habe der BF1 sein Auto an XXXX verkauft und sei nach XXXX geflüchtet. Mit Hilfe eines Mitarbeiters sei er dann nach XXXX und von dort über XXXX nach Österreich gelangt [Aktenseite (AS) 101 ff.].

Die BF2 führte zu ihren Fluchtgründen an, dass sich ihr Ehegatte (BF1) schon seit langem für das Christentum interessiere. Dieser habe zwei Zusammenkünfte geplant, wobei das erste Treffen abgesagt worden sei. Bei der zweiten Sitzung sei der BF1 von einer Nachbarin erwischt bzw. gesehen worden und sei dann weggelaufen. Der BF1 habe einen Freund angerufen und habe ihm dieser geraten, das Land zu verlassen. Die BF2 selbst habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie habe Angst vor einem Leben ohne Mann und alleine mit einem Kind (AS 59 ff.).

Für den BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

I.2. Die Anträge der BF1-3 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die BF 1-3 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF1-3 als unglaubwürdig. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die BF1-3 ihre innere Überzeugung zur Zugehörigkeit zum Christentum nicht glaubhaft darlegen hätten können und aufgrund mehrerer Widersprüche auch die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes nicht als glaubwürdig gewertet werden konnten.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung (persönliche Ausfolgung) der Bescheide erfolgte am 19.07.2016.

I.3. Gegen die oa. Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.3.1. Die BF1-3 beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge,

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eine mündliche Verhandlung anberaumen, ich welcher die BF1-2 ihre Fluchtgründe ausführlich darlegen können;

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den BF1-3 gemäß § 3 AsylG den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen in eventu

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den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkennen; in eventu

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festzustellen, dass die Ausweisung aus dem Bundesgebiet in den Iran unzulässig sei

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die angefochtenen Bescheide beheben und die Angelegenheit zur Durchführung des inhaltlichen Verfahrens an das BFA zurückverweisen.

I.3.1. Die Bescheide wurden wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und mangelhafter Beweiswürdigung angefochten. Moniert wurde, dass es bei der Einvernahme des BF1 vor dem BFA zu gravierenden Übersetzungsfehlern gekommen sei. Der Dolmetscher sei ein XXXX gewesen und habe einen starken Dari-Akzent gesprochen. Der BF1 habe zwar den Dolmetscher verstanden, weil viele Angestellte von ihm ebenfalls XXXX gewesen seien, jedoch habe der Dolmetscher Probleme gehabt, den BF1 zu verstehen. Der Dolmetscher habe dies dem BF1 auch mitgeteilt, woraufhin der BF1 angeboten habe, dieser könne jederzeit nachfragen, falls er ihn nicht verstehe. Der BF1 habe auf keinen Fall die Einvernahme abbrechen und den Referenten verärgern wollen. Der Dolmetscher habe aber nicht nachgefragt und versucht, sein Unverständnis zu überspielen. Zudem habe der Dolmetscher nicht die Kompetenz gehabt, christliche Ausdrücke zu übersetzen. Das Protokoll sei auch nicht ordentlich rückübersetzt worden und habe der Dolmetscher bloß überblicksmäßig mitgeteilt, was niedergeschrieben worden sei. (zB "hier haben Sie über die Kirche gesprochen, hier über den Deutschkurs, hier über die Hauskirche" etc.). Die BF1-2 hätten Angst vor negativen Konsequenzen gehabt und hätten den Dolmetscher nicht beleidigen wollen, weswegen sie sich nicht bei dem Referenten beschwert hätten. Sie hätten lediglich den Dolmetscher gebeten, genauer zu übersetzen, was dieser aber nicht getan habe. In weiterer Folge wurden beispielhaft die Übersetzungsfehler dargelegt, welche in Folge als Beweise für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens gewertet worden seien. Darüber hinaus wurde auf einen weiteren gravierenden Fehler durch den Dolmetscher hingewiesen, zumal es bezüglich Deutschkurs und Kirchenbesuch zu einer Vermischung gekommen sei. Die BF1-2 würden einen kostenlosen Deutschkurs in der katholischen Kirche XXXX besuchen. Dort würden die BF1-2 auch nur hingehen, um Deutsch zu lernen. Den christlichen Glauben würden die BF1-3 in der Freikirche XXXX ausleben und wurde diesbezüglich auszugsweise die Einvernahme des BF1 zitiert, aus der sich dies auch ergebe. Die Freikirche würden die BF1-3 auch nicht deshalb besuchen, weil diese in der Näher der Bahnstation liege, sondern würden die BF1-3 mit dem Auto abgeholt und zur Kirche gebracht werden. Im Weiteren wurden Zeugen genannt, welche zur Teilnahme der BF1-2 an den Gottesdiensten, Bibelkreisen, Agapen und anderen christlichen Veranstaltungen bzw. Aktivitäten befragt werden könnten. Darüber hinaus habe der Dolmetscher das Gebet "Vater unser" nicht bzw. nur in Bruchstücken übersetzt und wurden noch weiterer Beispiele für die mangelhafte Übersetzungstätigkeit ("Wir können immer protestieren"; Jesusstatue statt Bild von Jesus; Frauen seien der Teufel statt die Nachbarin sei neugierig gewesen; Taufen im Iran sei modern, habe der BF1 nie gesagt) des Beschwerdeführers dargelegt. Selbst der einvernehmende Referent habe nicht über das benötigte Fachvokabular verfügt. Der BF1 habe nie behauptet, dass die Treffen in einem leerstehenden Haus stattgefunden hätten. Er habe auch immer gesagt, dass er sich bei XXXX versteckt habe und er habe viel detailreicher als vom Dolmetscher übersetzt geschildert, wie er XXXX (Mann der ihn ins Christentum eingeführt habe) kennengelernt habe. Das BFA hätte aufgrund der Unstimmigkeiten und durch den Abgleich mit den vorgelegten Bestätigungsschreiben bemerken müssen, dass es zu gravierenden Übersetzungsfehlern gekommen sei und hätte dies berücksichtigen bzw. einen anderen Dolmetscher hinzuziehen müssen. Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, dass die BF1-3 planen würden, sich taufen zu lassen und ihre Kenntnisse über das Christentum zu vertiefen. Die Mitglieder der Gemeinde in XXXX hätten bisher den BF1-2 auch immer mitgeteilt, dass es wichtig sei, im Herzen Christ zu sein, weshalb es nicht unbedingt notwendig sei, sich taufen zu lassen. Die BF1-2 seien noch nicht mit den Gepflogenheiten in Österreich vertraut, weshalb die BF1-2 auf die Informationen ihrer Freunde angewiesen seien. Der christliche Glaube und seine Ausübung stelle einen unverzichtbaren Teil ihres Lebens dar und sei für die BF1-2 nicht mehr wegzudenken. Der Abfall vom Islam würde im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden und gehe die Verfolgung von staatlicher Seite aus. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Auch aufgrund der Tatsache, dass die BF1-3 illegal aus dem Iran ausgereist seien, könnten sie im Iran nicht mehr in Sicherheit leben.

I.4. Für den XXXX und XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Den Verfahrensparteien wurden mit der Ladung vom 18.04.2018 Länderberichte zur Lage im Iran zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am XXXX wurde XXXX XXXX ) als Zeuge befragt.

Der BF1 bestätigte seine Ausführungen zu seiner Identität und führte aus, dass er gesund sei, sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und keine Medikamente nehme. Der BF1 hatte zudem die Möglichkeit zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

Die BF2 bestätigte in der mündlichen Verhandlung am XXXX ebenfalls ihre Ausführungen zu ihrer Identität. Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes brachte sie vor, dass sie seit XXXX oder XXXX Monaten an Depressionen leide, daher auch zum Arzt gehe und Medikamente einnehme. Zudem habe sie im Wirbelsäulen- und Halsbereich Probleme und gehe regelmäßig zur Physiotherapie. Im Weiteren wurde die Verhandlung zur Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bezüglich der BF2 unterbrochen.

In der mündlichen Verhandlung am XXXX wurde das zwischenzeitig eingeholte und der BF2 mit der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vom 04.09.2018 zur Kenntnis gebrachte neurologisch-psychiatrische Gutachten erörtert. Der BF2 wurde die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme dazu sowie zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation eingeräumt.

I.6. Mit Schreiben vom 30.05.2018 erstatteten die BF1-3 eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung am XXXX ausgehändigten Länderfeststellungen zum Iran. Darin wurde ausgeführt, dass die BF1-3 in Freiheit ihren christlichen Glauben leben wollen würden und sie im Falle einer Rückkehr in den Iran Unterdrückung, Verfolgung und bis zu 15 Jahr Haft erwarten würde. Sie seien in ihrer Nachbarschaft als Konvertiten bekannt und könnten sie im Iran keine genehmigte Kirche besuchen. Weiters wurden der Stellungnahme ergänzende Länderberichte beigelegt.

I.7. Mit Verständigung vom 10.09.2018 wurde der Vertretung der BF1-3 die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 13.08.2018 eingeholte Stellungnahme des BFA vom 27.08.2018 zum in der Einvernahme vor dem BFA am 08.07.2016 eingesetzten Dolmetscher ("Dauer der Tätigkeit für das BFA" und "Welche Sprachen werden übersetzt") übermittelt. Die Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen wurde eingeräumt.

I.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die Beschwerdeführer

Bei den BF1-3 handelt es sich um iranische Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Aseri, wobei die BF1 und die BF2 die Sprachen Farsi, Türkisch und Aseri sprechen. Der BF1 und die BF2 haben im XXXX im Iran geheiratet und entstammt dieser Ehe ein gemeinsamer Sohn (BF3).

BF1:

Der BF1 besuchte im Iran neun Jahre lang die Grund- und Mittelschule. Danach erlernte er keinen Beruf und war als XXXX tätig. Zuletzt war der Beschwerdeführer von XXXX bis XXXX in der XXXX selbständig tätig.

Im Iran sind nach wie vor die Mutter, ein Bruder sowie zwei XXXX des BF1 aufhältig. Der Vater des BF1 ist bereits verstorben.

Im Jänner 2016 reiste der BF1 mit seiner Ehegattin (BF2) und dem gemeinsamen Sohn (BF3) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der BF1 ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Seit XXXX ist der BF1 als ehrenamtlicher Helfer beim XXXX XXXX tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit kümmert er sich um die Warenübernahme, die Regalbetreuung, hilft im Lager und verrichtet auch Reinigungsarbeiten. Zudem hilft der BF1 in der Gemüseabteilung und fährt bei Abholungen aus diversen Geschäften mit. Der BF1 verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Der BF1 besuchte in Österreich mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen und spricht auf dem Niveau A1 die deutsche Sprache. Seit XXXX ist der BF1 ordentliches Mitglied XXXX

Am XXXX hat der BF1 an dem Seminar " XXXX " des XXXX teilgenommen.

Am XXXX wurde der BF1 in XXXX getauft. Seit XXXX leitet der BF1 in XXXX Tauf- sowie Bibelkurse für iranische und afghanische Asylwerber.

Der BF1 pflegt im Rahmen kirchlicher Aktivitäten soziale Kontakte zu Mitgliedern XXXX ( XXXX ).

Im XXXX wurde der BF1 Mitglied in einem Fitnessstudio in Österreich und besucht auch aktuell ein Fitnessstudio.

BF2:

Die BF2 besuchte im Iran die Grundschule, absolvierte danach keine weitere Ausbildung und war nach ihrer Eheschließung im XXXX Hausfrau.

Im Iran leben nach wie vor die Mutter, fünf Brüder sowie zwei XXXX der BF2. Der Vater der BF2 ist bereits verstorben.

Im Jänner 2016 reiste die BF2 mit ihrem Ehegatten und dem gemeinsamen Sohn illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und ist seither ununterbrochen in Österreich aufhältig.

Die BF2 leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion. Zudem leidet sie an Kopfschmerzen bei cervicalem Bandscheibenleiden (Strukturelle Veränderung der Bandscheibe an der Halswirbelsäule) mit Protrusionen C4/C5 und C5/C6 (Vorwölbung der Bandscheibe), an Hypermenorrhoe (verstärkte Monatsblutung) und an einer Eisenmangelanämie. Im Jahr 2017 traten bei der BF2 gehäuft rezidivierende Atemwegsinfekte und Tosillitiden (Mandelentzündungen) auf. Die BF2 wird medikamentös mit Antidepressiva und Schmerzmittel behandelt.

Die BF2 ist arbeitsfähig, in Österreich strafrechtlich unbescholten, geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Die BF2 verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel.

Die BF2 besuchte mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen und spricht auf dem Niveau A1 die deutsche Sprache.

Die BF2 besucht regelmäßig einen Taufkurs sowie den Sonntagsgottesdienst XXXX und pflegt im Rahmen kirchlicher Aktivitäten soziale Kontakte zu Mitgliedern XXXX .

BF3:

Der BF3 wurde im Iran geboren und reiste im Alter von XXXX Jahren gemeinsam mit seinen Eltern (BF1-2) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither lebte er ununterbrochen in Österreich, besucht derzeit die Volksschule und spricht auf einem guten Niveau die deutsche Sprache. Er ist gesund und nimmt regelmäßig am Sonntag an einem Kindergottesdienst XXXX teil.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Gefälschte Dokumente).

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind im Iran einfach erhältlich. Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft im Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der Botschaft nicht möglich. Die Überprüfungen von Dokumenten im Wege des Vertrauensanwaltes mussten eingestellt werden, da ihm seitens iranischer Stellen dies eindringlich nahegelegt wurde. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund des Datenschutzes nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von XXXX (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen im Iran auszustellen (ÖB XXXX 9.2017).

Quellen:

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ÖB XXXX (9.2017): Asylländerbericht

Am 19.5.2017 wurde der als moderat geltende Präsident Hassan Rohani im Amt bestätigt. Er setzte sich gegen den Konservativen Ebrahim Raisi durch. Seine Wahl gilt als Signal, dass die iranische Bevölkerung seinen Kurs der internationalen Öffnung des Landes unterstützt (Zeit 21.5.2017).

Als Verlierer der Wahl sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Obersten Führer Ali Khameini, da der Verlierer Raisi sein Kandidat war. Raisi war vor der Abstimmung als möglicher Nachfolger des kränkelnden Khamenei genannt worden. Das Amt des Präsidenten, hieß es, werde für Raisi im Falle eines Wahlsieges nur ein Zwischenschritt sein. Diesen Plan hat die Jugend in Irans Städten mit ihrem Ruf nach mehr Freiheit durchkreuzt. Das Votum zeigt: Der Oberste Führer ist nicht allmächtig. Amtsinhaber Rohani hat ein starkes Mandat erhalten, seine Politik der Öffnung des Landes fortzusetzen. Ein Grund zum Jubeln ist das aber noch lange nicht. Schon die erste Amtszeit Rohanis hat gezeigt, dass ihm die Kraft fehlt, um die von ihm versprochenen Freiheiten und Reformen durchzusetzen. Mit großer Härte ist die Justiz auch in den vergangenen XXXX Jahren gegen Regimekritiker vorgegangen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit bleiben eingeschränkt. Die Sittenpolizei patrouilliert weiter, wenn auch weniger aggressiv als unter Rohanis Amtsvorgänger. Wenn Irans Reformer sich dennoch entschlossen haben, Rohani abermals mit ihrer beachtlichen Wählerbasis zu unterstützen, liegt das nicht daran, dass Rohani selbst ein Reformer wäre. Vielmehr haben sie ihre Hoffnungen, dass ein schneller Wandel möglich wäre, spätestens seit der Niederschlagung der Protestbewegung von 2009 aufgegeben. Auch die von Rohani verkündete Annäherung an den Westen kommt nur in kleinen Schritten voran. Einer Normalisierung der Beziehungen zum Westen steht zudem Irans militärisches Vorgehen in der Region entgegen. XXXX hat Tausende Milizionäre nach Syrien entsandt, um Diktator Baschar al-Assad an der Macht zu halten. Es finanziert und bewaffnet die libanesische Hizbollah und die palästinensische Hamas, die beide Israel bedrohen. Präsident Rohani wird daran auch in seiner zweiten Amtszeit nichts ändern. Nicht er bestimmt die Sicherheitspolitik, sondern der Oberste Führer. Wirkliche Veränderungen werden im Iran erst möglich sein, wenn Ali Khamenei nicht mehr Oberster Führer ist (FAZ 22.5.2017).

Am selben Tag der Präsidentschaftswahl fanden auch Kommunalwahlen in XXXX statt. Die Vertreter einer gemäßigten Politik haben auch den Stadtrat von XXXX erobert - alle 21 Sitze gingen an Kandidaten des moderaten Lagers. Damit verloren die Konservativen zum ersten Mal seit 14 Jahren die Macht im Stadtrat der iranischen Hauptstadt. Das Ergebnis der Kommunalwahl in XXXX ist eine schwere Niederlage für den amtierenden konservativen Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf. Er hatte seine Kandidatur für das Präsidentenamt kurz vor der Wahl zurückgezogen, um Raisi zu unterstützen. Ghalibaf war zwölf Jahre lang Bürgermeister von XXXX , er folgte 2005 dem ultrakonservativen Hardliner Mahmud Ahmadinedschad (Zeit 21.5.2017).

Quellen:

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.5.2017): Präsidentenwahl in Iran. Kein Grund zum Jubeln, http://www.faz.net/aktuell/politik/praesidentenwahl-in-iran-kein-grund-zum-jubeln-15025515.html, Zugriff 22.5.2017

* Zeit (21.5.2017): Moderates Lager gewinnt Mehrheit in XXXX , http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/iran-wahl- XXXX -stadtrat-hassan-rohani, Zugriff 22.5.2017

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf XXXX Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf XXXX Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6.2016a, vgl. ÖB XXXX 10.2016).

Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für XXXX Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle XXXX Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB XXXX 10.2016).

Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).

Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:

Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz XXXX an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr XXXX ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB XXXX 10.2016).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion XXXX eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. XXXX bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (6.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2017

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FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 25.4.2017

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IPG - Internationale Politik und Gesellschaft (27.1.2014): Wer jetzt Druck fordert, versteht den Iran nicht!

http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/wer-jetzt-an-druck-glaubt-versteht-den-iran-nicht-244/, Zugriff 13.3.2017

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ÖB XXXX (10.2016): Asylländerbericht

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Zeit Online (29.2.2016): Neue Aufgabe für den Meisterstrategen, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/iran-wahl-parlament-reformer-hassan-ruhani, Zugriff 13.3.2017

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt XXXX , erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr XXXX und verstärkt im XXXX zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits XXXX hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.5.2017b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 10.5.2017

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BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 10.5.2017

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2017): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 10.5.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB XXXX 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

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Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

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Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

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Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von XXXX für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB XXXX 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

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"Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

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"Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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