TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/1 I403 2215230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2019
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Entscheidungsdatum

01.03.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2215237-1/4Z

I403 2215230-1/4Z

I403 2215232-1/4Z

I403 2215234-1/4Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerden von XXXX alle Staatsbürger von Nigeria, die minderjährigen Kinder gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX, alle vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Doris EINWALLNER, Schönbrunner Str. 26/3, 1050 Wien gegen den Spruchpunkt IV. der Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2019, Zl. 1191437004/181156623; 1182588201/190043725; 1182587607/190043712 und 1182441602/190043704 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt IV. der

angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um die ErstbeschwerdeführerinXXXX und deren drei minderjährige Kinder (den Zweitbeschwerdeführer XXXX beide 2002 geboren).

Die Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in Wien tätig; sie und ihre drei Kinder waren in dieser Zeit zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und sind seit 23.12.2014 in Österreich gemeldet.

Für die drei Kinder wurden Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz eingebracht, eine rechtskräftige Entscheidung liegt nicht vor.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 25.01.2019 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.), erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Bescheide wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der unter anderem beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 01.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in Wien tätig; sie und ihre drei Kinder waren in dieser Zeit zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und sind seit 23.12.2014 in Österreich gemeldet. Zwei weitere Kinder der Erstbeschwerdeführerin sind in Österreich aufenthaltsberechtigt.

Die minderjährigen Beschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule und sind hier sozial eingebunden. Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid verfügen die Beschwerdeführer über finanzielle Mittel und eine aufrechte Krankenversicherung.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf einem Auszug aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister vom 28.02.2019 und den mit der Beschwerde vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen und Schulzeugnisse, Kontoauszügen und einer Versicherungsbestätigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtliche Grundlage

§ 18 BFA-VG lautet:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.

3.2. Anwendung auf den Beschwerdefall:

In VwGH, 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 führte der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf einen achtfach wegen Vermögens- und Gewaltdelikten straffällig gewordenen Fremden aus, dass bei der Prüfung, ob die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - hier im Maßstab nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG - gerechtfertigt ist, nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden muss. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände im Einzelfall vorzunehmen. Im dort angesprochenen Fall wurde nach Ansicht des VwGH vom Bundesverwaltungsgericht schon deshalb zu Unrecht auf eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren verzichtet, weil es sich bei der Einschätzung der Umstände im konkreten Fall eben um keinen entsprechend eindeutigen Fall gehandelt habe. Und weiter wurde ausgeführt:

"17 Angesichts des Vorliegens eines aus der Sicht des BVwG nicht eindeutigen Falles ist aber - worauf in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen ist - auch die nicht weiter begründete Annahme des BVwG, es hätten die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde (Erforderlichkeit der "sofortigen" Ausreise des Revisionswerbers) vorgelegen, nicht nachvollziehbar."

Wenn sich die Behörde nunmehr in der Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stützt und damit auf die Vorgabe, dass die sofortige Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, begründet sie dies nur damit, dass die Erstbeschwerdeführerin sich "beharrlich" weigere, Österreich selbständig zu verlassen und über keine Existenzmittel und keinen aufrechten Krankenversicherungsschutz verfüge. Daher bestehe die Gefahr, dass ein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

Für die erkennende Richterin geht aus der Begründung der belangten Behörde kein Sachverhalt hervor, der auch nur im Ansatz die Anwendung der Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG rechtfertigen würde. Bei der geforderten Gesamtbetrachtung sticht - im Gegenteil - ins Auge, dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind, dass es sich um drei Kinder handelt, deren Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Schüler" noch nicht rechtskräftig entschieden wurde und dass die Kinder in der österreichischen Gesellschaft aufgrund der Aktenlage integriert erscheinen. Abgesehen davon ergibt sich aus der Beschwerde, dass die Erstbeschwerdeführerin sehr wohl über ein relevantes Kontoguthaben und über eine Krankenversicherung für alle Beschwerdeführer verfügt.

Es ist daher nicht erkennbar, dass eine sofortige Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Zudem wurden die Beschwerdeführer von der belangten Behörde auch zu keinem Zeitpunkt einvernommen.

Damit besteht keine Grundlage für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, weshalb dieser Spruchpunkt nicht hätte ergehen dürfen und damit spruchgemäß ersatzlos zu beheben war.

Der gegenständlichen Beschwerde kommt somit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung zu.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung,
aufschiebende Wirkung - Entfall, Einzelfallprüfung, ersatzlose
Behebung, Gefährdung der Sicherheit, Gesamtbetrachtung,
Gesamtverhalten AntragstellerIn, Kassation, öffentliche Ordnung,
öffentliche Sicherheit, Prognose, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2215230.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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