TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/7 L516 2215264-1

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Veröffentlicht am 07.03.2019
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Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs1a
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2215264-1/2E

L516 2215267-1/2E

L516 2215263-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb XXXX ; 2.) XXXX , geb XXXX ; 3.) XXXX , geb XXXX , alle StA Georgien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH und Volkshilfe- Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung - ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2019, Zahlen 1215937600/181241455, 1215937709/181241370, 1215937502/181241418, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 55 Abs 1a FPG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle sind georgische Staatsangehörige.

2. Die Beschwerdeführer stellten am 27.12.2018 Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung nach dem AsylG dazu fand am 28.12.2018 statt, die Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 11.01.2019.

3. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V).

4. Mit Spruchpunkt VI der jeweils angefochtenen Bescheide sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Mit Spruchpunkt VII sprach das BFA zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe.

5. Gegen diese am 08.02.2019 zugestellten Bescheide richtet sich die vorliegende gemeinsame Beschwerde vom 22.02.2019.

6. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte am 01.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1. Die Eltern der Drittbeschwerdeführerin begründeten die Ausreise aus Georgien und die Antragstellung in Österreich ausschließlich mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Drittbeschwerdeführerin.

Die Drittbeschwerdeführerin wird in einem Monat drei Jahre alt. Bei ihr wurden - unter anderem - folgende Diagnosen erstellt: Spina bifida (offener Rücken, operiert), Hydrocephalus mit Shunt, Klumpfüße beidseitig, Paraplegie (Querschnittlähmung), Arnold-Chiari-Syndrom.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zur Antragsbegründung ergeben sich aus dem Vorbringen der Eltern der Drittbeschwerdeführerin in den Einvernahmen vor dem BFA; jene zur gesundheitlichen Beeinträchtigung der Drittbeschwerdeführerin aus den im Akt befindlichen Ambulanzbefund vom 10.01.2019 (vgl Verwaltungsverfahrensakt der Zweitbeschwerdeführerin, AS 59).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2. Der Verwaltungsgerichthof hat bereits in seiner Entscheidung vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146 ua, ausgesprochen, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG nicht zwingend ist, sondern eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraussetzt. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem "sicheren Herkunftsstaat" nach § 19 Abs. 5 BFA-VG 2014 in Verbindung mit § 1 Z 6 der HerkunftsstaatenV, BGBl II Nr. 177/2009 idF BGBl II Nr. 405/2013, kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen dieser Personen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146 ua).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in jener Entscheidung zudem Folgendes ausgeführt:

"Nach § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise (unter anderem) nämlich nicht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Erkennt das Bundesamt der Beschwerde daher - wie im vorliegenden Fall - die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG ab und wird sie vom BVwG nicht innerhalb der Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG wieder zuerkannt, besteht keine Frist zur freiwilligen Ausreise, und zwar auch dann nicht, wenn - wie im Falle der bevorstehenden Geburt eines Kindes - besondere Umstände vorliegen, die eine Drittstaatsangehörige bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat und die nach § 55 Abs. 2 und 3 FPG sogar eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise rechtfertigen würden.

Da sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das BVwG unter der rechtsirrtümlichen Annahme, allein die Herkunft der Zweitrevisionswerberin aus einem sicheren Herkunftsstaat führe zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde, diese wesentlichen Faktoren außer Acht gelassen haben, ist das zweitangefochtene Erkenntnis insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

3.3. Fallbezogen begründete das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließlich damit, dass die Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.

Das BFA hat jedoch unter Außerachtlassung der zuvor zitierten Rechtsprechung des VwGH den ihm bereits bekannten Erkrankungen der Drittbeschwerdeführerin bei der erforderlichen Interessensabwägung keine Bedeutung beigemessen.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte des vorliegenden Falles zu dem Schluss, dass gegenständlich - bedingt durch die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Drittbeschwerdeführerin - besondere Umstände vorliegen, die Drittstaatsangehörige bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen haben und die nach § 55 Abs 2 und 3 FPG sogar eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise rechtfertigen würden und überwiegen diese privaten Interessen der Beschwerdeführer das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die - wie die Beschwerdeführer - aus einem "sicheren Herkunftsstaat" kommen.

3.5. Der Spruchteil VI der jeweils angefochtenen Bescheide war daher spruchgemäß ersatzlos zu beheben.

3.6. Der Beschwerde kommt somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu. Den Beschwerdeführern ist daher vom BFA auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

Spruchpunkt II

Behebung von Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides

Rechtsgrundlage

3.7. Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.8. Nachdem die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos zu beheben war, ist die Entscheidung nicht mehr gemäß § 18 BFA-VG durchführbar. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 55 Abs 1a FPG liegen somit nicht mehr vor. Spruchpunkt VII der jeweils angefochtenen Bescheide war daher spruchgemäß zu beheben.

Zu den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides

3.9. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VI und VII spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Betroffenen - auch zweckmäßig ist.

3.10. Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

4. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zuvor zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -
Entfall, Erkrankung, ersatzlose Behebung, freiwillige Ausreise,
Frist, gesundheitliche Beeinträchtigung, Interessenabwägung,
Kassation, öffentliche Interessen, private Interessen, sicherer
Herkunftsstaat, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2215264.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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