TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 L524 2140116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2140116-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zl. 1097373310-151908585, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 01.12.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem und Araber. Am 05.11.2015 sei er legal aus dem Irak ausgereist. Seinen Reisepass habe er im Meer verloren. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er Schauspieler sei und ihm in der TV-Anstalt aufgetragen worden sei, gegen den IS mehrere Aufnahmen zu drehen. Diese seien drei Mal täglich ausgestrahlt worden. Insgesamt seien 30 Serien gedreht worden. Daraufhin sei er von vielen Personen angesprochen und von fremden Personen bedroht worden. Er könne in seiner Heimat seinen Beruf nicht mehr ausüben. Es sei gefährlich für ihn. Seine Schwiegereltern hätten ihm auch gesagt, dass er nicht mehr nach Hause kommen dürfe. Daraufhin sei er sofort zum Flughafen und habe seine Heimat verlassen.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 26.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er Araber und Sunnit sei. Er habe sechs Jahre die Volksschule, drei Jahre die Unterstufe und fünf Jahre eine höhere Schule für Darstellende Kunst besucht und abgeschlossen. Er habe in vielen Filmen und Theaterstücken mitgespielt und auch Regie geführt. Zuletzt sei er Moderator einer Sendung gewesen. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Eltern und elf Geschwister würden in Bagdad leben. Bis zur Ausreise habe der Beschwerdeführer in Bagdad gelebt.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Problem Ende 2013 begonnen habe. Er habe bei einem Film mitgespielt und sei danach vom Direktor des Senders gefragt worden, warum er einen Iraner in diesem Film gespielt habe. Er solle sich beim nächsten Mal genau überlegen, was er spiele, da der Beschwerdeführer den Sender repräsentiere und der Sender einen guten Draht zum Iran pflege. Das sei eine versteckte Drohung gewesen. Im Jahr 2014 sei ihm angeboten worden, in einem Film einen Terroristen zu spielen. Zunächst habe er abgelehnt, da er befürchtet habe, der IS könnte ihn verfolgen. Er sei unter Druck gesetzt worden mitzuspielen. Auf der Straße sei er deswegen als Terrorist bezeichnet worden. Einmal sei er bei einem Checkpoint angehalten worden, als er mit seinem Sohn unterwegs gewesen sei. Der Soldat habe ihn als Terrorist bezeichnet und gefragt, ob er keine andere Rolle gefunden hätte. Der Film sei mehrmals gezeigt worden und jedes Mal sei er dann unter Druck gesetzt worden. Im Jahr 2015 hätten im Irak große Demonstrationen stattgefunden. Dabei habe er Theaterstücke auf der Straße vorgeführt, die sich mit sozialen Problemen befasst hätten. Im Rahmen einer Sendung seines Senders habe er eine Szene vorgeführt, in der er einen Demonstrationstanz vorgeführt, eine Ansprache gehalten und sich symbolisch die Haare geschnitten habe. Diese Szene habe für Aufregung gesorgt, da er als Schauspieler sehr populär sei. Es sei Gesprächsthema in seiner Arbeit gewesen und er habe befürchtet, dass er entlassen würde, was aber nicht passiert sei. Im September 2015 habe er bei einem Dokumentarfilm Regie geführt. Vom 01.10. bis 05.10.2015 habe es in Bagdad ein internationales Filmfestival gegen Terrorismus gegeben. Danach sei er vom Direktor für eine Rolle in einem Videoclip vorgeschlagen worden. Er habe einen Soldaten spielen sollen, der sich freiwillig zur Armee melde, um gegen den IS zu kämpfen. Auch sein Vater hätte mitspielen sollen. Er habe die Rolle schließlich angenommen und der Clip sei auf vielen Sendern ausgestrahlt worden. Manche Sender hätten ihn drei bis vier Mal täglich gezeigt. Er habe erkannt, dass er in großer Gefahr sei. Sein Vater habe ihm geraten, seinen Wohnsitz zu verlegen. Dazu sei er aber nicht gekommen, weil er die ganze Zeit gearbeitet habe. Am 04.11.2015 sei er auf dem Weg zum Sender gewesen. Ein Auto habe ihn verfolgt und als sie auf gleicher Höhe gewesen seien, hätten sie ihm gesagt, dass er stehenbleiben solle. Eine Person, die er nicht gekannt habe, habe eine Waffe in der Hand gehabt. Er habe Vollgas gegeben und sich im Auto geduckt. Er sei mit maximaler Geschwindigkeit gefahren, bis er vor einem Checkpoint in einen Stau geraten sei. Er habe gebremst, sei aus dem Auto gesprungen und weggelaufen. Mit einem Taxi sei er zur Familie seiner Frau gefahren und habe dem Bruder seiner Frau davon erzählt. Er habe seinen Bruder XXXX angerufen, erzählt was passiert sei und ihm gesagt, wo das Auto sei. Der Bruder habe den Eltern von dem Vorfall berichtet, die daraufhin zu den Schwiegereltern des Beschwerdeführers gekommen seien. Sein Vater habe gemeint, dass er nicht mehr im Land bleiben solle. Sein Bruder habe für den nächsten Tag einen Flug gebucht und der Beschwerdeführer sei ausgereist.

3. Mit Bescheid des BFA vom 17.10.2016, Zl. 1097373310-151908585, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Die Gewährung von subsidiärem Schutz wurde mit der "momentanen Lage im Irak" begründet.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 28.02.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Dem Beschwerdeführer wurden Berichte zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab dazu eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Der Beschwerdeführer ist in Österreich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Die Mutter des Beschwerdeführers ist Schiitin. Ob der Vater des Beschwerdeführers Sunnit ist, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat mit seiner Ex-Ehefrau zwei Kinder. Der Beschwerdeführer hat elf Geschwister. Er lebte von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad. Er lebte dort im Familienhaus mit seiner Ex-Ehefrau, den beiden Kindern, seinen Eltern, einem Bruder und zwei Schwestern. Die Eltern und Geschwister leben weiterhin im Familienhaus. Die Ex-Ehefrau lebt mit den Kindern bei ihren Eltern. Zehn Geschwister des Beschwerdeführers leben in Bagdad, ein Bruder lebt in Tirol. In Bagdad leben auch die Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers. Die Geschwister arbeiten im Ölbereich und besitzen auch ein Restaurant in Bagdad.

Der Beschwerdeführer hat neun Jahre die Schule besucht und danach fünf Jahre ein College für Darstellende Kunst besucht. Ab dem Jahr 2007 war der Beschwerdeführer als Schauspieler tätig.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im November 2015 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 14.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er wegen seiner Tätigkeit als Schauspieler und wegen eines von ihm im Juni 2015 vorgeführten Demonstrationstanzes, dem Halten einer Ansprache und dem symbolischen Schneiden der Haare sowie wegen seines ca. im Oktober 2015 erfolgten Mitwirkens an einem Videoclip am 04.11.2015 bedroht worden sei und deshalb den Irak verlassen habe, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Nicht festgestellt werden kann, dass sich der Beschwerdeführer regierungskritisch geäußert hat.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Die verbleibenden IS- und andere extremistische Kämpfer sowie der zunehmende Einfluss der PMF sind die akutesten Probleme, die die gegenwärtige Sicherheitslage im gesamten Irak beeinflussen. Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Sunniten, einschließlich IDPs, berichten weiterhin, dass sie von PMF-Gruppen belästigt und beschuldigt werden, den IS zu unterstützen sowie körperlich verletzt werden. Sunniten berichten ein ähnliches Verhalten, wenn auch in geringerem Maße von der ISF in manchen Gebieten. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern.

Die Verfassung gewährleistet eine umfassende Meinungsfreiheit. In der Praxis gelten gesetzliche Beschränkungen. Die Gesetzgebung verbietet Verleumdung sowie die Herstellung, Einfuhr, Veröffentlichung oder den Besitz von schriftlichem Material, Zeichnungen, Fotografien und Filmen, die gegen die guten Sitten verstoßen. Der Irak verfügt über eine rege Medienlandschaft mit über einem Dutzend privaten Fernsehsendern und Zugang zu den großen arabischsprachigen Satellitensendern. Die meisten Medienunternehmen vertreten die Ansichten ihrer Geldgeber. Die Regierung hat zeitweise den Zugang zum Internet eingeschränkt, insbesondere um die Rekrutierung durch den IS zu verhindern. Solche Maßnahmen wurden jedoch auch zu anderen Zwecken ergriffen, etwa, um zu verhindern, dass Studenten bei Prüfungen schummeln oder Protestaktivitäten zu verhindern. Lokale und internationale Quellen berichten, dass Behörden in einigen Teilen des Landes Journalisten verhaftet und schikaniert haben und die Schließung von Medieneinrichtungen erzwungen haben, die sensible Themen wie Sicherheitsfragen behandelten oder die Regierung kritisierten. Reporter ohne Grenzen behauptet, dass viele irakische Journalisten regelmäßig Drohungen, Mordversuchen, Angriffen, der Verweigerung des Zugangs zu den Orten, von den sie berichten möchten, und der Beschlagnahme von Ausrüstung ausgesetzt sind. (Australian Government - Department of Foreign Affais and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Am 3. Juli 2017 wurde die Leiche eines irakischen Schauspielers von der Polizei in einer Müllhalde gefunden. Der Schauspieler ist am Tag zuvor verschwunden und seine Leiche wies Spuren der Folter auf. Das Opfer sei mutmaßlich zuvor von einer unbekannten Gruppe wegen seines Aussehens bedroht und angeblich wegen seiner vermeintlichen sexuellen Orientierung getötet worden. Am 4. Juli hat der irakische Präsident in einer Mitteilung an die Presse den Mord verurteilt und die Polizei dazu aufgefordert, Ermittlungen einzuleiten. (Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von Intersex- und Transgender-Personen inklusive in der Autonomen Region Kurdistan, 11.02.2019).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu den Wohnorten seiner Angehörigen und ihrer Berufstätigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, hinsichtlich seiner Tätigkeit als Schauspieler überdies aus den vorgelegten Bildern sowie aus den Verwaltungsakten.

Der Austritt des Beschwerdeführers aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ergibt sich aus der Bestätigung vom 07.09.2016. Die Feststellung, dass die Mutter Schiitin ist, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Dagegen konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers Sunnit ist. Der Beschwerdeführer brachte in der Einvernahme vor dem BFA, die am 26.09.2016 stattfand, vor, dass er selbst Sunnit sei, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten war. Die entsprechende Bestätigung vom 07.09.2016 legte der Beschwerdeführer aber erst mit seiner Beschwerde vor. In der Einvernahme vor dem BFA nannte der Beschwerdeführer alle Vornamen seiner Geschwister, wobei mit Hilfe des Dolmetschers festgestellt wurde, dass es sich überwiegend um schiitische Namen handelt (Seite 5 des Protokolls). Dass Kinder überwiegend schiitische Namen haben, wenn der Vater Sunnit sein soll, erscheint als nicht wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer brachte in der Einvernahme vor dem BFA - anders als vor dem Bundesverwaltungsgericht - auch nicht vor, dass seine Mutter Schiitin ist. Aber auch dieser Umstand, dass die Mutter Schiitin ist, erklärt in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft nicht, weshalb die Kinder überwiegend schiitische Namen haben. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass der Vater selbst auch Schiit ist. Damit wäre auch der Beschwerdeführer vor seinem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft Schiit gewesen. Dafür spricht auch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung trotz seiner Behauptung, er wäre Sunnit, seine sunnitische Glaubensrichtung nicht angeben konnte und ausweichend angab, er hätte kein Interesse an Religion. Selbst bei einem solchen Desinteresse müsste der Beschwerdeführer aber in der Lage sein, die sunnitische Glaubensrichtung zu benennen, der seine Familie angehöre. Letztendlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer sunnitischer oder schiitischer Moslem war, da der Beschwerdeführer eine Verfolgung auf Grund seiner Religionszugehörigkeit nicht vorbrachte.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug vom 04.03.2019.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

In der Einvernahme vor dem BFA gestaltete sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund als eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von vage geschilderten Vorfällen. Aus diesen Schilderungen ist nicht erkennbar, inwiefern diese für die Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak ursächlich wären. So schilderte der Beschwerdeführer das Mitwirken an einem Film Ende 2013, woraufhin ihm der Direktor seines gesagt habe, er solle sich beim nächsten Mal genau überlegen, was er spiele. Im Jahr 2014 habe er in einem weiteren Film gespielt. Auf der Straße sei er deswegen als Terrorist bezeichnet worden. Einmal sei er bei einem Checkpoint angehalten worden, als er mit seinem Sohn unterwegs gewesen sei und der Soldat habe ihn als Terrorist bezeichnet und gefragt, ob er keine andere Rolle gefunden hätte. Im Jahr 2015 hätten im Irak große Demonstrationen stattgefunden und dabei habe der Beschwerdeführer Theaterstücke auf der Straße vorgeführt, die sich mit sozialen Problemen befasst hätten. Im Rahmen einer Sendung seines Senders habe er eine Szene vorgeführt, in der er einen Demonstrationstanz vorgeführt, eine Ansprache gehalten und sich symbolisch die Haare geschnitten habe. Diese Szene habe für Aufregung gesorgt, da er als Schauspieler sehr populär sei. Es sei Gesprächsthema in seiner Arbeit gewesen und er habe befürchtet, dass er entlassen würde. Das sei aber nicht passiert. Im September 2015 habe er bei einem Dokumentarfilm Regie geführt. Vom 01.10. bis 05.10.2015 habe es in Bagdad ein internationales Filmfestival gegen Terrorismus gegeben. Danach sei er vom Direktor für eine Rolle in einem Videoclip vorgeschlagen worden und die Rolle schließlich angenommen. Der Clip sei auf vielen Sendern drei bis vier Mal täglich ausgestrahlt worden. Er habe erkannt, dass er in großer Gefahr sei. Am 04.11.2015 sei er auf dem Weg zum Sender gewesen. Ein Auto habe ihn verfolgt und als sie auf gleicher Höhe gewesen seien, hätten sie ihm gesagt, dass er stehenbleiben solle. Eine Person, die er nicht gekannt habe, habe eine Waffe in der Hand gehabt. Er habe Vollgas gegeben und sich im Auto geduckt. Er sei mit maximaler Geschwindigkeit gefahren, bis er vor einem Checkpoint in einen Stau geraten sei. Dann sei er mit einem Taxi sei er zur Familie seiner Frau gefahren. Am nächsten Tag sei er ausgereist. Inwiefern die Ereignisse Ende 2013 bis ca. September 2015 für die Ausreise im November ursächlich sein sollen, lässt sich dem gesamten Vorbringen nicht entnehmen. Auch welche Rolle die Aufführung eines Theaterstücks auf der Straße im Zusammenhang mit der Ausreise stehen, konnte vom Beschwerdeführer nicht vermittelt werden (Seiten 6 bis 9 des Protokolls). Ausschlaggebend für die Ausreise war ein Vorfall am 04.11.2015. Der Beschwerdeführer konnte dazu in der Einvernahme vor dem BFA nicht darlegen, inwiefern dieser Vorfall mit den zuvor von ihm genannten Ereignissen in einem Zusammenhang steht.

Auffällig ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer all jene Ereignisse, die sich vor dem Vorfall vom 04.11.2015 ereignet hätten und die er vor dem BFA wortreich schilderte, nicht mehr erwähnte. Befragt nach seinem Fluchtgrund begann der Beschwerdeführer sofort mit der Schilderung des Vorfalls vom 04.11.2015 (Seiten 6 und 7 des Verhandlungsprotokolls). Insgesamt betrachtet waren die Darstellungen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht im Vergleich zu seinen Ausführungen vor dem BFA knapp und es waren viele Nachfragen erforderlich, weil der Beschwerdeführer von sich aus nur wenig schilderte. Dieses Aussageverhalten spricht nicht dafür, dass der Beschwerdeführer von wahren Begebenheiten berichtet.

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA stellte sich als äußert vage und unkonkret dar, weshalb es nicht glaubhaft ist, dass diese Ereignisse für die Ausreise des Beschwerdeführers kausal waren. So machte er hinsichtlich der von ihm geschilderten Ereignisse keinerlei konkreten Zeitangaben, wann sich diese ereignet hätten. So meinte er, dass "Ende 2013" sein Problem begonnen habe, als er in einem Film mitgespielt habe. "Im Jahr 2014" habe er in einem weiteren Film mitgespielt. "Einmal" sei er bei einem Checkpoint angehalten worden. "Jedes Mal" wenn der Film gezeigt worden sei, sei er unter Druck gesetzt worden. "Im Jahr 2015" hätten Demonstrationen im Irak stattgefunden. "Im Rahmen einer Sendung" habe er eine Szene vorgeführt. "Im September 2015" habe er Regie bei einem Dokumentarfilm geführt. Vom 01.10. bis 05.10.2015 habe es ein Filmfestival gegeben und "danach" sei ihm eine Rolle in einem Videoclip angeboten worden (Seiten 6 bis 8 des Protokolls). Lediglich hinsichtlich jenes Vorfalls, der sich einen Tag vor seiner Ausreise aus dem Irak ereignet habe, konnte der Beschwerdeführer ein konkretes Datum angeben (Seite 8 des Protokolls).

Der Beschwerdeführer gab auch an, dass jener Film, bei dem er 2013 mitgespielt habe, bei einem Festival gezeigt worden sei. Wann dieses Festival gewesen sei, konnte er jedoch nicht angeben. Es war ihm nur möglich anzugeben, dass es 2015 gewesen sei (Seite 9 des Protokolls). Diese unkonkreten Angaben des Beschwerdeführers lassen es nicht als glaubhaft erscheinen, dass der Beschwerdeführer wegen dieses Films eine Bedrohung zu befürchten hat. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass der Beschwerdeführer rund um die tatsächliche Aufführung des Films bei einem Festival ein Verfolgungsszenario bloß zu konstruieren versucht, das aber in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass ein Videoclip auf vielen Sendern gezeigt worden sei. Manche Sender hätten ihn drei bis vier Mal täglich gezeigt (Seite 8 des Protokolls). Auf Nachfrage konnte er jedoch nicht angeben, welche Sender diesen Clip nun gezeigt hätten (Seite 10 des Protokolls). Auch auf Grund dieses Unvermögens des Beschwerdeführers, anzugeben, welche Sender seinen Clip ausgestrahlt hätten, ist es nicht glaubhaft, dass es wegen eines Videoclips zu Bedrohungsgeschehen gekommen ist.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA lässt sich entnehmen, dass er die Teilnahme an jenem Clip, der nach dem Filmfestival in Bagdad im Oktober 2015 angefertigt worden sei, in Zusammenhang mit dem Vorfall am 04.11.2015 setzt, zumal er angibt, dass er nach der Ausstrahlung des Clips, der drei bis vier Mal täglich auf verschiedenen Sendern gezeigt worden sei, erkannt habe, dass er "in großer Gefahr" sei und seiner Frau gesagt habe, sie solle sich um die Kinder kümmern, falls ihm etwas passiere. Sein Vater habe zu ihm gesagt, er solle seinen Wohnsitz verlegen. In dem besagten Videoclip habe er einen Soldaten gespielt, der sich freiwillig zur Armee meldet, um den IS zu bekämpfen (Seite 8 des Protokolls). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der Beschwerdeführer den Vorfall vom 04.11.2015, allerdings setzte er diesen nicht mehr in Zusammenhang mit dem Videoclip - wie noch vor dem BFA -, vielmehr erwähnte der Beschwerdeführer diesen Videoclip in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gar nicht mehr (Seiten 6 und 7 des Verhandlungsprotokolls). Als Grund für den Vorfall vom 04.11.2015 brachte der Beschwerdeführer hier pauschal vor: "Der Grund dafür waren eben meine Tätigkeiten, meine Rede, die ich in der Öffentlichkeit ausgesprochen haben und so weiter." (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Diese divergierenden Angaben sprechen nicht dafür, dass der behauptete Vorfall vom 04.11.2015 (den der Beschwerdeführer jedoch auch nicht glaubhaft machen konnte) mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Schauspieler, dem Mitwirken in einem Videoclip oder dem Abhalten einer Rede zu tun hat.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht stellte der Beschwerdeführer eine von ihm gehaltene Rede in den Vordergrund, derentwegen etwa im Künstlerkaffeehaus nach ihm gefragt worden sei und er von den Leuten im Auto am 04.11.2015 verfolgt worden sei (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). In der Einvernahme vor dem BFA war dies keineswegs der Fall. Dort spielte diese Rede [im Protokoll des BFA als Ansprache bezeichnet] keine bedeutende Rolle, sondern stellte nur einen kleinen Aspekt seines Vorbringens dar. Vor dem BFA wäre vielmehr der Videoclip ursächlich für den Vorfall vom 04.11.2015 gewesen. Es stellte sich vor dem BFA so dar, als hätte die Ansprache nur eine untergeordnete Bedeutung, während der Beschwerdeführer sie in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund stellt. Für diese Einschätzung spricht auch, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA nur dahingehend Bedenken äußerte, er könnte wegen dieser Ansprache, die er nach einem Tanz aufgeführt habe, wo er sich auch symbolisch die Haare geschnitten habe, entlassen werden, was aber schließlich nicht passiert sei (Seite 7 des Protokolls). Andere Befürchtungen, etwa eine Verfolgung durch staatliche Organe, brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Dass der Beschwerdeführer diese Rede gehalten und sich die Haare geschnitten hat, ergibt sich aus den vorgelegten Fotos (AS 93ff, Beilage G der Beschwerdeergänzung vom 16.11.2016) und der CD, auf der diese Szene zu sehen ist. Auch dass der Beschwerdeführer als Schauspieler tätig und Mitglied einer Theatergruppe war, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben und vorgelegten Bildern. Es war deshalb nicht erforderlich, dem diesbezüglichen Zeugenantrag in der Stellungnahme, dass der Beschwerdeführer als Schauspieler tätig war und Straßentheater aufgeführt hat, nachzukommen, zumal daran nicht gezweifelt wird. Hätte die vom Beschwerdeführer gehaltene Rede/Ansprache tatsächlich eine solch entscheidende Bedeutung wie der Beschwerdeführer dies vor dem Bundesverwaltungsgericht erscheinen lassen wollte, so muss davon ausgegangen werden, dass er dies schon vor dem BFA so vorgebracht hätte. Da er dies jedoch nicht getan hat, sondern dort einen Videoclip in Zusammenhang mit seiner Ausreise setzte, nicht jedoch die Rede, wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nur versucht seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen und er wegen der Rede nicht wie von ihm behauptet, eine Bedrohung zu befürchten hat.

Der Beschwerdeführer schilderte den Vorfall vom 04.11.2015 auch nicht in einer Weise, die den Eindruck entstehen lässt, dass er von einer wahren Begebenheit spricht. Er brachte nur nüchterne Fakten vor, schilderte jedoch keine Nebenumstände oder Gefühle, so dass es ihm nicht gelang ein plastisches Bild einer Verfolgung zu zeichnen (Seiten 6 und 7 des Verhandlungsprotokolls), weshalb nicht glaubhaft ist, dass sich dieser Vorfall ereignet hat.

Seine Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht weichen auch von jenen in der Einvernahme vor dem BFA ab. In der mündlichen Verhandlung sprach er davon, dass der Beifahrer zu ihm gesagt habe, er solle stoppen und er habe auch den Namen des Beschwerdeführers gerufen (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dagegen sprach er in der Einvernahme nicht davon, dass "der Beifahrer" gesagt habe, er solle stehenbleiben, sondern "sie" zu ihm gesagt hätten, er solle stehenbleiben. (Seiten 8 und 11 des Protokolls). Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich vom Beifahrer aufgefordert worden, wie vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet, hätte er dies auch schon vor dem BFA so angeben können und müssen. Indem er aber dort noch nicht konkret die Personen benannte, die in dazu aufgefordert habe, sondern mehrfach in dieser Einvernahme im Plural spricht ("sagten sie mir ich solle stehenbleiben", "sie forderten mich auf anzuhalten"; Seiten 8 und 11 des Protokolls), spricht dies nicht dafür, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignete.

Zu dem Vorfall gab der Beschwerdeführer vor dem BFA noch an, dass die Windschutzscheibe in Mitleidenschaft gezogen gewesen sei (Seite 9 des Protokolls). Weshalb die Windschutzscheibe beschädigt worden sei, konnte er aber nicht überzeugend erklären. Er meinte diesbezüglich: "Wenn jemand im Irak aus dem Auto springt, gehen die Leute von einer Autobombe aus. Das erklärt auch, warum die Scheibe beschädigt wurde." (Seite 12 des Protokolls). Diese Ausführungen erklären nicht im Geringsten die Beschädigungen an der Windschutzscheibe. Weshalb bei einem bloßen Sprung aus dem Auto die Windschutzscheibe beschädigt werden soll, kann nicht nachvollzogen werden. Der Beschwerdeführer legte auch Fotos eines Autos mit Beschädigungen an der Windschutzscheibe vor. Anhand dieser Bilder kann jedoch nicht nachvollzogen werden, wie diese Beschädigungen entstanden sind. Auch beweisen sie nicht, dass die Beschädigungen auf die vom Beschwerdeführer geschilderte Art und Weise entstanden sind. Darüber hinaus kann anhand der Bilder des beschädigten Autos nicht einmal festgestellt werden, ob es sich dabei überhaupt um das Auto des Beschwerdeführers handelt, zumal darauf kein Autokennzeichen ersichtlich ist.

Der Beschwerdeführer war vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht in der Lage anzugeben, was die Verfolger im Auto von ihm gewollt hätten. Er konnte dazu nur Vermutungen anstellen. Er meinte, sie hätten ihn "hundertprozentig entführen oder töten" wollen. Die Begründung für diese Vermutung erwies sich als abenteuerlich. Er behauptete nämlich, sie hätten "so ausgeschaut, als wenn sie mir etwas antun wollen" werden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Überzeugen konnte dieser Erklärungsversuch des Beschwerdeführers nicht.

In der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass am Tag der Ausreise sein Vater das Auto abgeholt habe. Wiederum einen Tag später sei der Vater von einer Person angerufen worden, die verlangt habe, dass das Auto zurückgestellt werde und nur der Beschwerdeführer persönlich es dort abholen dürfe (Seite 9 des Protokolls). All dies erwähnte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht mit keinem Wort. Auch aus diesem Grund ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft. Es ist daher insgesamt nicht glaubhaft, dass der Vorfall vom 04.11.2015 tatsächlich stattgefunden hat.

Vor dem BFA schilderte der Beschwerdeführer, wenn auch sehr vage, Vorfälle, bei denen er sich etwa von Direktor seines Senders bedroht gefühlt habe bzw. von nicht näher bezeichneten Personen unter Druck gesetzt worden sei, die er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr erwähnte. Auch den vor dem BFA geschilderten Vorfall bei einem Checkpoint in Anwesenheit seines Sohnes schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Vor dem BFA äußerte der Beschwerdeführer Bedenken, er könnte wegen einer Teilnahme an einem Film vom IS verfolgt werden (Seite 7 des Protokolls). Auch dies brachte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vor. Diese noch vor dem Beschwerdeführer vorgebrachten Ereignisse schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht weder aus Eigenem anlässlich der Frage, weshalb er den Irak verlassen habe, noch auf entsprechende Frage, ob es außer den von ihm geschilderten Vorfällen noch weitere Vorfälle gegeben habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Es ist daher nicht glaubhaft, dass diese nur vor dem BFA geschilderten Vorfälle tatsächlich passiert sind.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem BFA auch einen Vorfall mit seiner Frau, bei der diese von einem fremden Mann angesprochen worden sei. Sie sei gefragt worden, ob der Beschwerdeführer geflüchtet sei (Seite 9 des Protokolls). Diese Schilderungen vor dem BFA gestalteten sich jedoch als sehr vage. Der Beschwerdeführer gab nicht konkret an, wann dies gewesen sei, sondern meinte nur, dass dies "eines Tages" gewesen sei. Auch die Reaktion darauf, nämlich, dass der Vater des Beschwerdeführers ihr dazu geraten habe, sofort umzuziehen, erscheint als überzogen und nicht nachvollziehbar (Seite 9 des Protokolls). Mit diesem Vorbringen entsteht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer damit nur versucht, sein Fluchtvorbringen glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Auch diesen Vorfall erwähnte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr und ist daher nicht glaubhaft.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der Beschwerdeführer nun einen Vorfall, bei dem im Geschäft gegenüber seines Hauses nach ihm gefragt worden sei. Dieser Vorfall habe sich etwa einen Monat bevor sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie im Iran getroffen habe ereignet. Der Beschwerdeführer reiste am 26.12.2016 in den Iran (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch zu diesem Vorfall zeigt sich wieder, dass der Beschwerdeführer kein konkretes Datum nennen kann. Es wird nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer bei diesem Vorfall selbst nicht dabei war, doch kann nicht nachvollzogen werden, dass der Beschwerdeführer das Datum nicht einmal auf einen konkreteren Zeitraum eingrenzen kann (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer schilderte dann noch einen weiteren Vorfall, bei dem das Haus seiner Familie von der Miliz Asaib Ahl Al-Haqq durchsucht worden sei. Dies sei ca. einen Monat nach der Rückkehr des Vaters aus dem Iran gewesen. Auch hier konnte der Beschwerdeführer auf Nachfrage den Zeitpunkt dieses Ereignisses nicht konkreter angeben, sondern meinte, es sei Ende Jänner oder Anfang Februar 2017 gewesen (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Schließlich schilderte der Beschwerdeführer noch einen Vorfall, bei dem die Miliz Asaib Ahl Al-Haqq in einem Künstlerkaffeehaus nach dem Beschwerdeführer gefragt habe. Dies habe ein Freund des Beschwerdeführers gehört, der ihm davon erzählt habe (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Auch hier konnte der Beschwerdeführer kein konkreteres Datum angeben. Er meinte völlig vage, dass dies in derselben Woche gewesen sei, als das Haus der Familie durchsucht worden sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). All diese Vorfälle, die sich Ende 2016, Anfang 2017 ereignet haben sollen, hat der Beschwerdeführer in Verletzung seiner Mitwirkungspflicht erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geschildert. Der Beschwerdeführer hat im Laufe des Verfahrens am 16.11.2016 eine Beschwerdeergänzung eingebracht und nach Zustellung der Ladung für die mündliche Verhandlung eine weitere Beschwerdeergänzung eingebracht. Damit zeigt sich, dass dem Beschwerdeführer klar war, dass er für das Verfahren wesentliche Umstände mitzuteilen hat. Da der Beschwerdeführer dies hinsichtlich der Vorfälle, die sich einen Monat vor sowie einen Monat nach der Reise in den Iran Ende Dezember 2016 ereignet haben, nicht getan hat und erstmals in der mündlichen Verhandlung im Jänner 2019 davon erzählt, ist es nicht glaubhaft, dass sich diese behaupteten Vorfälle auch tatsächlich ereignet haben. Hinsichtlich dieser behaupteten Ereignisse entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer damit bloß versucht, sein Vorbringen aufzubauschen, um eine Verfolgungsgefahr glaubhaft erscheinen zu lassen.

Zu dem (erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderten) Vorfall im Künstlerkaffee, bei dem nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sei, meinte der Beschwerdeführer, dies sei deshalb passiert, da er bei einer Veranstaltung eine Rede gehalten habe. Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen ist jedoch nicht plausibel. Der Beschwerdeführer hat die von ihm angesprochene Rede nämlich im Juni 2015 gehalten, der Vorfall im Kaffeehaus wäre jedoch erst Ende Jänner bzw. Anfang Februar 2017 passiert (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Dass wegen einer Rede eineinhalb Jahre später nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sein soll, kann nicht plausibel nachvollzogen werden.

Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass die Veranstaltung, bei der er eine Rede gehalten habe, im Juni 2015 gewesen sei. Dabei sei protestiert worden, dass die Künstler keine freie Meinung hätten und es sei gegen den Druck der Religion, der auf sie ausgeübt werden, protestiert worden (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auf die Aufforderung, den Inhalt seiner Rede wiederzugeben, wollte der Beschwerdeführer zunächst selbst keine Angaben machen, sondern verlangte, dass der Dolmetscher die auf einem Zettel festgehaltene Rede übersetzt. Danach äußerte sich der Beschwerdeführer doch selbst und gab an: "Der Inhalt ist, dass die politischen und religiösen Parteien uns tagtäglich bedrohen. Einige, die im Namen von islamischen Gruppierungen reden, sie drohen uns dann direkt, dass wir gekauft und verkauft werden. Dass wir täglich bedroht werden. Deswegen werde ich heute als Protest meine Haare schneiden." (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Aus der Übersetzung der Rede ergibt sich Folgendes: "Ich bin ausgebildet und unabhängig von dem direkten Problem, des intelligent und Künstler und Artisten und Kino betrifft. Nach meiner Ansicht werden wir heute attackiert eingeschüchtert und beleidigt von Politikern und von ein paar Administratoren, die über ehrenvolle Referenzen reden. Sie reden im Namen von manchen irakischen islamischen Parteien, sie drohen den Ausgebildeten und Artisten. Ich werde heute beweisen, dass wir keine sunnitischen Bettler sind.". Damit zeigt sich, dass sich der Beschwerdeführer mit seinen Aussagen nicht konkret gegen einen namentlich genannten Politiker richtet und auch nicht gegen eine konkrete politische Partei. Die Aussagen des Beschwerdeführers sind sehr allgemein gehalten sowie vage und kann diesen eine regierungskritische Äußerung nicht entnommen werden. Andere Veranstaltungen, bei denen er sich regierungskritisch geäußert hätte, brachte der Beschwerdeführer selbst nicht vor. Der Beschwerdeführer gab nur an, dass er an Demonstrationen im August 2015 teilgenommen habe, brachte diesbezüglich jedoch nicht vor, dass er auch hier - wie im Juni 2015 - ein Theaterstück auf der Straße aufgeführt, getanzt oder sich symbolisch die Haare geschnitten hätte. Es konnte daher insgesamt nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer regierungskritisch geäußert hat.

Zusammengefasst geht das Bundesverwaltungsgericht auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers und seines Aussageverhaltens von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Soweit darauf hingewiesen wird, dass Freunden des Beschwerdeführers, die auch Schauspieler im Irak gewesen sind, Asyl gewährt wurde, wird dem entgegnet, dass eine Bindungswirkung in Bezug auf die Verfahren betreffend andere Parteien nicht besteht (vgl. VwGH 30.05.2018, Ra 2018/18/0085 unter Hinweis auf VwGH 01.06.2017, Ra 2017/08/0022). Zudem brachten diese jeweils vom Beschwerdeführer unabhängige Fluchtgründe bzw. individuelle Verfolgungsgründe vor und sind nicht wie in der Stellungnahme vorgebracht aus denselben Gründen wie der Beschwerdeführer aus dem Irak ausgereist, weshalb aus der Gewährung von Asyl an diese Personen nichts für den Beschwerdeführer zu gewinnen ist.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Fact Sheet Irak Nr. 70

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

* DTM Round 107, Dezember 2018

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

* Musings on Iraq, 15.01.2019

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

* AB- Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019

* ACCORD: Lage von Intersex- und Transgender-Personen, 11.02.2019

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In der Stellungnahme des Beschwerdeführers wird diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Sofern in der Stellungnahme auf das Länderinformationsblatt zum Irak und der darin erwähnten Protestbewegung hingewiesen wird, wird damit keine Relevanz für den vorliegenden Fall dargetan. Es wird folgende Passage zitiert: "Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018).". Ein Blick auf die Primärquelle (Wiener Zeitung) zeigt, dass in dieser die zitierte Feststellung nicht enthalten ist. Dort findet sich lediglich unter einem Foto folgende Bildunterschrift: "Die Protestbewegung im Irak gewinnt an Bedeutung. Junge Menschen fordern bessere Lebensbedingungen, Reformen und einen effektiven Kampf gegen Korruption.". Dass es die Protestbewegung seit 2014 gibt und eine Abkehr vom religiösen Fundamentalismus gefordert wird, lässt sich dem Artikel der Wiener Zeitung nicht entnehmen. Tatsächlich gab es im Sommer 2018 Proteste. Diese Proteste (bzgl. Arbeitslosigkeit und schlechte Infrastruktur) ereigneten sich jedoch im Südirak, wie sich den Quellen kurier, CNN und HRW entnehmen lässt. Auch die darin erwähnten Todesfälle, auf die die Stellungnahme hinweist, beziehen sich laut den angeführten Quellen (kurier, CNN, HRW) auf Basra und damit den Südirak. Der Beschwerdeführer stammt jedoch aus Bagdad, weshalb diese Proteste für den vorliegenden Fall nicht von Relevanz sind. Insbesondere ergibt sich somit, dass es sich bei den angeführten Protestbewegungen - von denen im Länderinformationsblatt fälschlich die Rede ist, diese gebe es seit 2014 - jedenfalls nicht um die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Demonstrationen in Bagdad im Jahr 2015 handelt.

Die Ausführung in der Stellungnahme (mit Hinweis auf das LIB), dass Künstler gezielt vom IS ins Visier genommen, aber auch von anderen radikalen Gruppen angegriffen werden, weisen insofern keine Relevanz für den vorliegenden Fall auf, da der Beschwerdeführer nicht vorbrachte, vom IS verfolgt zu werden und sind diese darüber hinaus nicht aktuell, da einer der beiden angeführten Berichte, auf die sich die Feststellung über Angriffe von radikalen Gruppen bezieht, vom März 2017 stammt und sich auf den Zeitraum 2016 bezieht und der zweit Bericht vom November 2009 (!) datiert. Aktuelle Berichte, die diese in der Stellungnahme angeführten Feststellungen stützen würden, gibt es nicht. Es wurde lediglich ein Bericht über einen getöteten Schauspieler gefunden, wobei sich jedoch aus diesem Bericht nicht ergibt, dass dieser wegen seines Berufes getötet worden wäre. Es fand daher nur dieser Bericht Eingang in die getroffenen Länderfeststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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