TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 W136 2172749-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
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Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W136 2172739-1/5E

W136 2172746-1/5E

W136 2172745-1/5E

W136 2172749-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerden

1.) des XXXX , geb. XXXX , 2.) der XXXX , geb. XXXX , 3.) des mj.

XXXX , geb. XXXX , und 4.) der XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2017, 25.08.2017 bzw. 28.08.2017, Zlen. 1.) 1093751404-151693767, 2.) 1093751502-151693791, 3.) 1093753703-151694810 und 4.) 1093752009-151693830 zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) dem XXXX , 2.) der XXXX , 3.) dem mj. XXXX , und 4.) der mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) dem XXXX ,

2.) der XXXX , 3.) dem mj. XXXX , und 4.) der mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 03.11.2015 für sich und ihre minderjährigen Kinder, insbesondere den Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Dabei gaben sie an, Staatsangehörige Syriens und muslimischen Glaubens zu sein. Sie gehörten der Volksgruppe der Araber an. Zum Nachweis ihrer Identität legten sie ihren syrischen Reisepass vor.

Am folgenden Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin statt. Der Erstbeschwerdeführer habe seine Heimat bereits im XXXX in Richtung Kuwait verlassen. Am XXXX sei er dann nach Ägypten geflogen und drei Tage später seien seine Familienangehörigen nachgekommen. Diese hätten die Heimat am XXXX legal von Damaskus aus mit einem Flugzeug in Richtung Kairo (Ägypten) verlassen. Nach einem rund zwei Jahre und acht Monate andauernden Aufenthalt seien sie am 10.10.2015 dann gemeinsam mit einem Flugzeug zunächst nach Istanbul (Türkei) und danach nach Izmir weitergeflogen. Anschließend seien sie mit einem Schlauchboot auf die griechische Insel Lesbos (Mytilini) und in der Folge mit einer Fähre nach Athen gelangt. Schließlich seien sie über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien ins Bundesgebiet eingereist, wo sie am 03.11.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Sie seien die Eltern bzw. ihre Kinder die Geschwister der Beschwerdeführer zu W136 2172743-1 und zu W136 2172748-1. Sie seien traditionell und standesamtlich verheiratet. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen haben, gab der Erstbeschwerdeführer zusammenfassend an, dass er im XXXX von rund 40 ISIS-Kämpfern festgenommen und nach seiner politischen Orientierung gefragt worden sei. Als es in der Folge zu einer Schießerei mit einer anderen bewaffneten Gruppierung gekommen sei, sei er wieder freigelassen worden. Bei einer Rückkehr fürchte er eine Einziehung zum Kriegsdienst, da ihn ein namentlich bekannter Freund davor gewarnt habe, dass sein Name auf einer Liste stehen würde. Er würde in die syrische Armee eingezogen werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin verwies auf den Krieg und brachte zusammenfassend vor, dass ISIS-Kämpfer zu ihrem Haus gekommen seien und sie zum Verschwinden aufgefordert hätten, da die (syrische) Armee gekommen wäre. Ihr Kopftuch habe sie gerettet. Sie hätten dann innerhalb von zwei Stunden ihr Heim verlassen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen teilte sie mit, dass sie als Frau keine, ihr Mann und ihre Söhne aber große Probleme bekommen würden, da sie als Soldaten kämpfen müssten. Bei einer Rückkehr würden sie bestraft werden.

Auch die Viertbeschwerdeführerin berichtete von den Vorfällen rund um ihren Vater und gab zu ihren Rückkehrbefürchtungen an, dass ihr Vater grundlos von einer kämpferischen Einheit festgenommen oder ihr Bruder von den ISIS-Kämpfern verschleppt werden könnte.

Am 02.08.2017 wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er seinen Militärdienst von XXXX abgeleistet und seinen Lebensunterhalt als LKW-Fahrer in Abu Dhabi und Kuwait verdient habe. Als er im XXXX zum letzten Mal Urlaub in Syrien gemacht habe, sei er von unbekannten Personen mitgenommen worden. Nachdem diese jedoch von Regierungstruppen angegriffen worden seien, habe er letztlich flüchten können. Am nächsten Tag sei er legal nach Kuwait ausgereist und nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt. Er sei während seines Militärdienstes ein einfacher Soldat gewesen und habe ein Fliegerabwehrgeschütz bedient. Befragt, verneinte er, nach seiner Entlassung im XXXX jemals wieder einen Einberufungsbefehl erhalten zu haben. Er habe auch mit den syrischen Behörden keine Probleme gehabt, sodass er immer legal ein- und ausgereist sei. Er habe auch nicht an Demonstrationen teilgenommen oder sei jemals politisch tätig bzw. Mitglied einer Partei gewesen. Auf Nachfrage teilte er mit, dass er bei der Erstbefragung nur ausgesagt habe, dass die Unbekannten lange Bärte gehabt hätten. Vermutlich sei man (deshalb) von ISIS-Kämpfern ausgegangen.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zusammenfassend vor, dass sie und ihre mitgereisten Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten und sich auf die Gründe ihres Ehemannes beziehen würden. Anschließend schilderte sie die von ihrem Mann bereits vorgebrachten Gründe. Auch die Viertbeschwerdeführerin gab an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und wegen der Probleme ihres Vaters geflohen sei.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2017, 25.08.2017 bzw. 28.08.2017, persönlich zugestellt am 31.08.2017, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführer fest und begründete die abweisende Entscheidung im Bescheid des Erstbeschwerdeführers im Wesentlichen damit, dass sein Vorbringen bezüglich der unbekannten Männer mit Bärten letztlich unglaubwürdig sei, zumal er dazu lediglich sieben kurze Sätze vorgebracht und auch auf Nachfrage keine näheren Details genannt habe. Darüber hinaus würde aus diesem Vorfall auch keine konkrete Verfolgung seiner Person hervorgehen, zumal seine vermeintlichen Verfolger ohnedies durch die Regierungstruppen aus seinem Heimatdorf vertrieben worden seien. Überdies könnte sei Vater, der den Angaben seiner Ehegattin zufolge ebenso mitgenommen worden sei, immer noch problemlos im Heimatdorf leben. Weiters sei aufgrund seines Alters, seines Berufs und auch der Ausbildung während seines Grundwehrdienstes nicht davon auszugehen, dass er für die syrische Armee von Interesse für einen Reservemilitärdienst sei. Zudem würde es auch sonst keine Hinweise dafür geben, dass ihm das syrische Regime eine regimekritische Gesinnung unterstellen würde, zumal er seinen eigenen Angaben zufolge nie politisch tätig gewesen sei oder an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe. Außerdem sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden und würde bei der derzeitigen Bürgerkriegslage in Syrien eine Rückkehr von ihm oder seiner Familie ohnehin nicht in Betracht kommen.

Zur Zweitbeschwerdeführerin wird zusammenfassend ausgeführt, dass sie keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf die Gründe ihres Ehegatten gestützt habe. Hinsichtlich des minderjährigen Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin wurde zusammenfassend ebenfalls ausgeführt, dass (für) sie keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht (worden seien) hätten.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 29.08.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. der oben genannten Bescheide wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 25.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde nach einer Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien eine Einziehung als Reservist und seine beiden älteren Söhne eine Ableistung des Wehrdienstes bzw. die Teilnahme an Kampfhandlungen gegen ihren Willen befürchten würden. Weiters wären sie auch gefährdet, von Milizen, Oppositionsgruppen und terroristischen Vereinigungen zwangsrekrutiert zu werden. Und die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin wären gefährdet als Familienangehörige von Deserteuren verhaftet zu werden bzw. müssten aufgrund ihrer Verwestlichung eine Verfolgung durch fundamentalistische Gruppierungen befürchten. Von Auszügen internationaler Länderberichte untermauert wird ferner zusammenfassend ausgeführt, dass die belangte Behörde letztlich nicht ermittelt habe, unter wessen Kontrolle das Herkunftsdorf der Beschwerdeführer gestanden habe, ob die beiden älteren Söhne bzw. Brüder der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht ebenfalls von Zwangsrekrutierung oder einer anderen asylrelevanten Verfolgung betroffen gewesen wären bzw. welche Auswirkungen eine Desertion auf die anderen Familienangehörigen hätte und ob die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin einen westlichen Lebensstil angenommen haben und ob es ihnen zumutbar wäre, diesen wieder abzulegen. Bei einer Rückkehr nach Syrien würde für die Beschwerdeführer und ihre anderen Familienmitglieder daher eine asylrelevante Verfolgungsgefahr bestehen, da der Erstbeschwerdeführer seinen Reservemilitärdienst und seine beiden älteren Söhne ihren Wehrdienst nicht ableisten wollen, wodurch ihnen bei einer Verweigerung von völkerrechtswidrigen Handlungen u.a. Folter und Haft drohen bzw. eine nachteilige politische Gesinnung unterstellt werden würde und sie letztlich als Gegner des syrischen Regimes qualifiziert würden. Die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin seien aufgrund ihrer westlichen Gesinnung ebenfalls von asylrelevanter Verfolgung betroffen. Es wäre ihnen daher Asyl zu gewähren gewesen.

Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 09.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 03.11.2015, der Einvernahmen des Erst-, der Zweit- und der Viertbeschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der (gemeinsamen) Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.

Die Beschwerdeführer reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 03.11.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer hat in seinem Verfahren hauptsächlich von einer Entführung durch unbekannte Männer bzw. ISIS-Kämpfer berichtet und von einer möglichen Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee gesprochen. Insoweit vom Islamischen Staat gesprochen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass XXXX , die Heimatgegend der Beschwerdeführer bzw. Damaskus (mittlerweile) unter der Kontrolle der syrischen Armee stehen, sodass eine mögliche Verfolgung durch islamistische Extremisten schon deshalb nicht (mehr) zu befürchten ist (vgl. Karte: https://syria.liveuamap.com/). Auch eine Wiedereinberufung als Reservist zur syrischen Armee ist vor dem Hintergrund seines Alters ( XXXX Jahre) und der Länderfeststellungen, wonach das gesetzlich vorgeschriebene Alter für den Reservedienst mit 42 Jahren endet, nicht sehr wahrscheinlich. Es wird zwar nicht verkannt, dass sich aus den Länderberichten u.a. ergibt, dass das gesetzlich vorgeschriebene Höchstalter teilweise nicht mehr eingehalten wird und auch ältere Männer dann wieder eingezogen werden, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Davon ist im konkreten Fall jedoch nicht auszugehen. Der Erstbeschwerdeführer hat seinen Wehrdienst nämlich bereits vor rund XXXX Jahren (von XXXX ) geleistet und hat auch beruflich keine Tätigkeiten verrichtet oder Qualifikationen erworben, welche von besonderer militärischer Bedeutung wären. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer für die syrischen Streitkräfte von besonderem militärischen Interesse wäre. Gleiches ist grundsätzlich auch in Hinblick auf einen möglichen Einsatz bei der freien syrischen Armee anzunehmen (vgl. Anfragebeantwortung vom 24.08.2016), sodass insgesamt keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit für eine Rekrutierung des Erstbeschwerdeführers besteht. Immerhin hat er seine Heimat vor seiner Flucht regelmäßig problemlos legal verlassen können.

Und die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin haben dieses Vorbringen im Wesentlichen bestätigt, eigene Fluchtgründe unmissverständlich verneint und sich auf die Gründe ihres Ehegatten bzw. Vaters gestützt.

Die Beschwerdeführer sind die Eltern bzw. Geschwister des XXXX und des XXXX , denen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2172743-1 und W136 2172748-1, insbesondere wegen ihrer durch die Ausreise bzw. ihren langen Auslandsaufenthalt letztlich erfolgten Entziehung von einer mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit drohenden Einberufung zur syrischen Armee und einer damit allenfalls unterstellten regimekritischen Einstellung und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführern die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihren asylberechtigten Söhnen bzw. Brüdern in einem anderen Staat möglich wäre.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Herkunft, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erst- und der Zweit- bzw. Viertbeschwerdeführerin. Die Identitäten gründen sich auf die von ihnen im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere syrischer Reisepass, Personalausweis oder Führerschein). Ihre Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erst- und der Zweit- bzw. Viertbeschwerdeführerin.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer.

Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen des Erst- und der Zweit- und Viertbeschwerdeführerin.

Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführern um die Eltern und die Geschwister des XXXX und des XXXX handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben des Erst- und der Zweit- bzw. Viertbeschwerdeführerin im Verfahren und auf die vorgelegten Urkunden (insbesondere syrisches Familienbuch).

Dass den Söhnen bzw. Brüdern der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W136 2172743-1 und W136 2172748-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit der (gemeinsamen) Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die den Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, haben der Erst- und die Zweit- bzw. Viertbeschwerdeführerin eine sie betreffende auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien im Verfahren nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihrer Söhne bzw. Brüder vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Den Söhnen bzw. Brüdern der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2172743-1 und W136 2172748-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten insbesondere wegen ihrer durch die Ausreise bzw. ihren langen Auslandsaufenthalt letztlich erfolgten Entziehung von einer mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit drohenden Einberufung zur syrischen Armee und einer damit drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da den Söhnen bzw. Brüdern der Beschwerdeführer der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Erst- bis Viertbeschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz am 03.11.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aktuelle Bedrohung, aktuelle Gefahr, Asylgewährung, asylrechtlich
relevante Verfolgung, Asylverfahren, begründete Furcht vor
Verfolgung, Bürgerkrieg, erhebliche Intensität, Familienangehöriger,
Familienverfahren, Flüchtlingseigenschaft, Glaubhaftmachung,
Glaubwürdigkeit, Mitwirkungspflicht, Nachvollziehbarkeit,
Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2172749.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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