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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde 1. des KK, 2. der CK und 3. des GK, alle in G, alle vertreten durch D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 1. April 1997, Zl. A 17-C-16.477/1996-2, betreffend baupolizeilicher Auftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. JS, 2. AS, beide in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 2. März 1989 wurde den Mitbeteiligten die nachträgliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues an der Nordseite des Wirtschaftsgebäudes auf dem näher bezeichneten, dem Grundstück der Beschwerdeführer benachbarten Grundstück erteilt. Aus den genehmigten Plänen ist ersichtlich, daß dieser Zubau mit einem Abstand von 1,50 m bis 1,10 m zur Nachbargrundgrenze hin errichtet werden darf. Mit Schreiben vom 8. September 1995 (eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz am 11. September 1995) stellten die Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. Baugesetz einerseits den Antrag auf Beseitigung des errichteten Zubaues, da er sie in ihrem Nachbarrecht auf Einhaltung des Abstandes (gemäß "Plan 1,50 m zu 1,10 m" gegenüber 1 m zu 0,86 m) verletze, sowie den Antrag auf Beseitigung des Tischlereibetriebes in der in der Natur bestehenden Form, da durch diesen Verwendungszweck und die mit diesem verbundenen Lärm- und Staubbelästigungen im Freien Nachbarrechte gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1, 3 und 5 Stmk. BauG verletzt würden.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. Juni 1996 wurden die angeführten Anträge der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer wurde dieser teilweise Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt abgeändert:
"Der Antrag des Herrn K... K..., Frau C... K... und Herrn
G.... K... auf Beseitigung des mit Bescheid
GZ. A 10/3-KI-1096/1987-1, vom 2.3.1989, bewilligten Zubaues auf
dem Grundstück Nr. ..., KG Graz Stadt-St. Veit, wird gemäß § 41
Abs 3 und 6 Steiermärkisches Baugesetz 1995 Folge gegeben und den
Eigentümern ... der Auftrag erteilt, diesen vorschriftswidrigen
Zubau binnen 2 Monaten ab Bescheidrechtskraft zu beseitigen.
Der Antrag von Herrn K... K., Frau C... K... und Herrn
G... K... auf Unterlassung der Nutzung des bestehenden Objektes als
Tischlereibetrieb auf dem Grundstück Nr. ... wird gemäß § 40 Abs. 1
Steiermärkisches Baugesetz 1995 iVm § 41 Abs 3 und 6 leg cit als unbegründet abgewiesen."
Diese Entscheidung ist nach Anführung des § 41 Abs. 3 Stmk. Baugesetz und nach Wiedergabe der Berufung der Beschwerdeführer im wesentlichen damit begründet, daß im Zuge des Verfahrens der Zubau auf seine Übereinstimmung mit den bewilligten Plänen überprüft und festgestellt worden sei, daß der Abstand dieses Zubaues zur nördlichen Grundstücksgrenze 1,0 m bis 0,90 m betrage. Damit sei offensichtlich abweichend vom genehmigten Plan der Zubau näher zur Nachbargrundgrenze errichtet worden und es müsse somit von einem vorschriftswidrigen Bau ausgegangen werden. In diesem Punkt sei den Beschwerdeführern Recht zu geben und es müsse daher die Beseitigung des nicht genehmigten Zubaues veranlaßt werden. Auch aus der Benützungsbewilligung könne ein Recht auf die Belassung eines dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes nicht abgeleitet werden, sodaß trotz Erteilung einer Benützungsbewilligung die Beseitigung des Zubaues aufgrund des Antrages der Nachbarn notwendig gewesen sei.
Zu dem Antrag der Beschwerdeführer, die Unterlassung der Nutzung des in Frage stehenden Objektes als Tischlerei aufzutragen, werde auf § 40 Abs. 1 Stmk. Baugesetz 1995 verwiesen, nach dem bestehende bauliche Anlagen, für die eine Bewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen sei und diese nicht nachgewiesen werden könne, als rechtmäßig gelten, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet worden seien. In der Berufung werde ausgeführt, daß die im Verfahren erster Instanz angeführten Zeugen nicht vernommen worden seien und eine eidesstättige Erklärung nicht ausreiche. Es würde bestritten, daß in diesem Objekt vor dem 1. Jänner 1969 eine Tischlerei vorhanden gewesen sei. Es sei lediglich ein altes Bauernhaus gewesen, in dem Bastlerarbeiten durchgeführt worden seien. Die einvernommenen Zeugen hätten bestätigt, daß bereits vor 1969 eine Tischlerei vorhanden gewesen sei, in der nicht nur Bastelarbeiten durchgeführt worden seien, sondern es sich um eine richtige Werkstatt mit den dazugehörigen Geräten gehandelt habe, wie sie auch heute noch dort vorfindbar sei. Ursprünglich sei dieses Objekt für die Viehhaltung genützt worden, jedoch bereits seit 1960 sei dieser Viehstall in eine Tischlerei umgeändert worden. Es seien größere Arbeiten durchgeführt worden, u.a. Wohnungseinrichtungen und Fenster. Die Zeugen hätten bestätigt, daß es sich schon immer um eine richtige Tischlereiwerkstatt gehandelt habe mit allen dazu notwendigen Geräten, sodaß auch größere Arbeiten verrichtet worden seien und nicht nur Bastelarbeiten. Diese Zeugenaussagen seien den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht worden, wobei auch die Beschwerdeführer bestätigten, daß Tischlereiarbeiten durchgeführt worden seien. Ihrer Auffassung nach sei jedoch eine gewerberechtliche Tischlerei nicht vorhanden gewesen, sondern es seien Schwarzarbeiten durchgeführt worden. Es sei im baubehördlichen Verfahren bei Feststellung des Verwendungszweckes unerheblich, ob eine gewerberechtliche Bewilligung vorliege oder nicht, ausschlaggebend sei lediglich die Nutzungsänderung von Viehstall auf Tischlereibetrieb, was offensichtlich bereits 1960 erfolgt sei. Damit sei jedoch die Bestimmung des § 40 leg. cit. anzuwenden, da bei dieser bestehenden baulichen Anlage mit Verwendungszweck Tischlerei die Rechtmäßigkeit angenommen werden müsse. Die Bedingung für die Rechtmäßigkeit sei nämlich allein die Tatsache, daß eine bauliche Anlage vor dem 1. Jänner 1969 errichtet bzw. der Verwendungszweck geändert worden sei, auf sonstige Gesichtspunkte, wie etwa, ob die bestehende bauliche Anlage nach dem zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden Bauvorschriften genehmigungsfähig gewesen wäre, komme es für diese Bauten jedoch nicht an. Da sämtliche Zeugen bestätigten, daß bereits vor dem 1. Jänner 1969 der Verwendungszweck Tischlerei vorhanden gewesen sei, habe der Antrag der Nachbarn auf Unterlassung dieser Nutzung abgewiesen werden müssen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen. Gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. BauG hat die Behörde die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs. 3 zweiter Satz gilt sinngemäß. Den Nachbarn steht gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen.
Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, ..., soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5)
... ."
Weiters sieht § 40 Abs. 1 Stmk. BauG vor:
"(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden."
Ein Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG setzt nach ständiger hg. Rechtsprechung voraus (siehe u.a. die Erkenntnisse vom 29. April 1968, Zl. 67/67, und vom 25. Oktober 1988, Zl. 88/05/0101, BauSlg. Nr. 1207), daß die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist. Genauso muß im Falle einer als vorschriftswidrig erachteten Verwendungszweckänderung in Anwendung des § 41 Abs. 3 leg. cit. die Bewilligungspflicht dieser Änderung im Zeitpunkt der Änderung der Verwendung und im Zeitpunkt der Auftragserteilung gegeben sein. Die vorliegende Änderung des Verwendungszweckes des in Frage stehenden Gebäudes - sei es nun in eine Werkstätte für Bastelarbeiten oder in eine Tischlerei - ist unbestritten vor dem 1. Jänner 1969, also vor dem Inkrafttreten der Stmk. Bauordnung 1968 (am 1. Jänner 1969) erfolgt. Zu der Frage der Bewilligungspflicht im Zeitpunkt der Änderung des Verwendungszweckes im vorliegenden Fall ist folgendes auszuführen:
§ 1 Abs. 1 und 2 der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz, Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogtum Steiermark Nr. 20/1881 in der Fassung LGBl. Nr. 61/1936, lauten:
"(1) Die nachbenannten Bauarbeiten dürfen nur mit Bewilligung der nach diesem Gesetze hiezu berufenen Behörden begonnen und ausgeführt werden.
(2) Neu-, Zu- und Umbauten, Änderungen an bestehenden Gebäuden, welche von Einfluß auf die Festigkeit, die Feuersicherheit oder das äußere Aussehen derselben sind oder in die Rechte der Nachbarn eingreifen oder eingreifen könnten, insbesondere die Aufführung oder Wiederherstellung gassenseitiger Einfriedungsmauern, Planken und Zäune, die Herstellung oder Änderung von Hausentwässerungsanlagen und Abortanlagen, welche geeignet ist, die baulichen oder gesundheitlichen Verhältnisse des Bauwerkes zu beeinflussen, jeder Anschluß an Straßenkanäle, die Neuherstellung von Brunnen, die Ausführung neuer oder die Abänderung bestehender Feuerungsvorrichtungen oder Rauchfänge, die Anbringung oder die Abänderung von Geschäftsportalen, endlich wie immer geartete Erdgrabungen im Innern eines Hauses oder an der Grenze einer nachbarlichen Liegenschaft."
Nach der vor dem 1. Jänner 1969 geltenden Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz waren somit Änderungen an bestehenden Gebäuden, die von Einfluß auf die Festigkeit, die Feuersicherheit oder das äußere Aussehen derselben sind oder die in Rechte der Nachbarn eingreifen oder eingreifen könnten, bewilligungspflichtig. Als Beispiele für "Änderungen an bestehenden Gebäuden" wurden in der Folge nur Änderungen baulicher Anlagen genannt (wie die Wiederherstellung gassenseitiger Einfriedungsmauern, Planken und Zäune, die Änderung von Hausentwässerungsanlagen und Abortanlagen, die Abänderung bestehender Feuerungsvorrichtungen, von Rauchfängen oder von Geschäftsportalen). Diese Gesetzesbestimmung bietet daher keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß unter die Änderungen an bestehenden Gebäuden auch bloße Verwendungszweckänderungen zu subsumieren wären. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die angeführte Bauordnung neben der Verwendung von Wohnungen bzw. Wohngebäuden (z.B. §§ 29, 30, 34, 36) auch die Verwendung von Räumen als Werkstätte (z.B. § 26 Abs. 2), eines Gebäudes als gewerbliche Betriebsanlage (§ 71) oder als Industriebau (§§ 60 ff) kannte und jeweils unterschiedliche Anordnungen traf. Eine Änderung des Verwendungszweckes eines Gebäudes, die nicht mit einer baulichen Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der angeführten Bauordnung aus dem Jahre 1881 verbunden war, war somit im Lichte der vor dem 1. Jänner 1969 geltenden Bauordnung in Graz nicht bewilligungspflichtig.
Da somit ein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. BauG in bezug auf eine bloße Verwendungszweckänderung, die vor dem 1. Jänner 1969 vorgenommen wurde, nicht zulässig ist, kann eine Verletzung der Beschwerdeführer in dem von ihnen geltend gemachten Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. BauG durch den angefochtenen abweisenden Bescheid jedenfalls ausgeschlossen werden. Für vor dem 1. Jänner 1969 erfolgte bloße Änderungen des Verwendungszweckes spielt § 40 Abs. 1 Stmk. BauG keine Rolle. Die Frage aber, ob an dem vorliegenden Gebäude vor dem 1. Jänner 1969 unter Umständen im Sinne der Bauordnung aus dem Jahr 1881 bewilligungspflichtige Änderungen vorgenommen worden sind, ist im Hinblick auf den angeführten Beschwerdepunkt nicht von Bedeutung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Dezember 1998
Schlagworte
Baurecht Baubefehl Polizeibefehl baupolizeilicher Auftrag Baurecht Nachbar Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997060117.X00Im RIS seit
13.02.2002