Entscheidungsdatum
06.06.2019Norm
AlVG §10Spruch
W255 2208580-3/10E
W255 2208580-4/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerden und den Vorlageantrag von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ingo RISS, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien XXXX vom 18.06.2018, SVNR: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569, betreffend den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13.06.2018 bis 24.07.2018 gemäß § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) sowie gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice XXXX vom 28.12.2018, GZ 2018-0566-9-001569, und vom 28.02.2019, GZ 2018-0566-9-001569, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.06.2019,
I. beschlossen:
A) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.
II. zu Recht erkannt:
A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG Folge
gegeben und die angefochtenen Entscheidungen ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) beantragte am 09.04.2018 beim Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge: AMS) Arbeitslosengeld und vereinbarte mit dem AMS, zumindest für 20 Wochenstunden einer Arbeit nachgehen zu können ("Betreuungsvereinbarung").
1.2. Mit Mitteilung des AMS vom 09.04.2018 wurde der BF ab 25.03.2018 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 27,39 täglich zuerkannt.
1.3. Am 24.05.2018 übermittelte das AMS der BF ein Angebot für eine Vollzeit-Stelle als Zuckerbäckerin/Konfektmacherin in XXXX Wien. Die BF bewarb sich nicht für diese Stelle.
1.4. Am 13.06.2018 nahm das AMS mit der BF eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung auf. Die BF erklärte, dass sie sich nicht beworben habe, da sie das Stellenangebot übersehen habe.
1.5. Mit Bescheid des AMS vom 18.06.2018, SVNR: XXXX , stellte das AMS fest, dass die BF ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 13.06.2018 bis 24.07.2018 verloren habe. Dies deshalb, da sie durch ihr Verhalten das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der Firma XXXX vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.
1.6. Gegen den Bescheid des AMS vom 18.06.2018, SVNR: XXXX , erhob die BF mit Schreiben vom 26.06.2018, beim AMS eingelangt am 29.06.2018, fristgerecht Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass sie aufgrund der Krankheit ihrer Tochter (bis zu 41,5 Grad Fieber) nicht imstande gewesen sei, sich zu bewerben, zumal eine Bewerbung nur persönlich, nicht aber telefonisch oder elektronisch vorgesehen gewesen sei.
1.7. Am 24.07.2018 teilte die BF dem AMS mit, dass sie sich ab 06.08.2018 aufgrund eines Auslandsaufenthaltes in Ungarn abmelden wolle.
1.8. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569, wies das AMS die Beschwerde der BF vom 26.06.2018 ab. Die BF habe durch ihr Verhalten - mangelnde Bewerbung auf die ihr zugewiesene Stelle - das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses vereitelt.
1.9. Am 18.08.2018 teilte die BF dem AMS mit, dass sie wieder in Österreich sei und wieder Arbeitslosengeld beziehen wolle.
1.10. Laut Mitteilung des AMS vom 20.08.2018 wurde der BF vom 13.06.2018 bis 05.08.2018 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 27,39 täglich zuerkannt, der Bezug des Arbeitslosengeldes von 06.08.2018 bis 18.08.2018 unterbrochen und der BF von 18.08.2018 bis 02.11.2018 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 27,39 zuerkannt.
1.11. Mit Schreiben vom 24.08.2018 beantragte die BF, ihre Beschwerde bzw. den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
1.12. Am 07.09.2018 langte beim AMS ein mit 06.09.2018 datierter ergänzender Schriftsatz zum Vorlageantrag ein.
1.13. Mit Bescheid des AMS vom 28.12.2018, GZ 2018-0566-9-001569, wurde der Vorlageantrag der BF vom 06.09.2018 gegen den Bescheid des AMS vom 06.08.2018 (Beschwerdevorentscheidung) als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte das AMS aus, dass der Bescheid vom 06.08.2018 mit 09.08.2018 zugestellt worden sei und die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages mit 23.08.2018 geendet habe. Der Vorlageantrag vom 24.08.2018 sei nie bei der Behörde eingelangt. Der ergänzende Schriftsatz zum Vorlageantrag vom 06.09.2018 werde als Vorlageantrag gewertet und sei verfristet.
1.14. Am 17.01.2019 langte beim AMS ein Schreiben der BF vom 15.01.2019 ein, mit dem sie die Vorlage des Verwaltungsaktes - betreffend die Beschwerde vom 26.06.2018, den Vorlageantrag vom 24.08.2018 und den ergänzenden Schriftsatz zum Vorlageantrag vom 06.09.2018 - beantragte. Dies mit der Begründung, dass die BF nachweislich vom 06.08.2018 bis 18.08.2018 nicht an der Abgebastelle aufhältig gewesen sei, sich im Ausland befunden habe, am 18.08.2018 (Samstag) nach Österreich zurückgekehrt sei, den Bescheid des AMS vom 09.08.2018 am 20.08.2018 behoben habe, die Rechtsmittelfrist erst am 20.08.2018 (Montag) zu laufen begonnen habe, da der BF an diesem Tag nach Rückkehr an die Abgabestelle die Abholung des Schriftstückes möglich gewesen sei und die BF am 24.08.2018 einen Vorlageantrag eingeschrieben eingebracht habe.
Für den Fall, dass der Zugang des Vorlageantrages vom 24.08.2018 als nicht erfolgt angenommen werde, werde in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies mit der Begründung, dass die BF erstmals mit Zurückweisungsbescheid des AMS vom 28.12.2018 Kenntnis davon erlangt habe, dass die Zustellung des Vorlageantrages vom 24.08.2018 offenbar nicht geklappt habe. Der Zurückweisungsbescheid vom 28.12.2018 sei der BF im Wege ihres anwaltlichen Vertreters am 02.01.2019 zugegangen. Die versäumte Handlung werde mit dem nunmehr erhobenen Wiedereinsetzungsantrag vom 15.01.2019 durch neuerliche Vorlage des Vorlageantrages vom 24.08.2018 sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 06.09.2018 nachgeholt.
1.15. Mit Bescheid des AMS vom 28.02.2019, GZ 2018-0566-9-001569, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15.01.2019 abgewiesen. Dies mit der Begründung, dass der Zustellmangel durch Abholung des Bescheides des AMS vom 09.08.2018 durch die BF am 20.08.2018 geheilt gewesen sei und die Beschwerdefrist nur bis zum 23.08.2018 angedauert habe. Daher sei ein am 24.08.2018 eingebrachter Vorlageantrag verspätet.
1.16. Gegen den Bescheid des AMS vom 28.02.2019, GZ 2018-0566-9-001569, erhob die BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
1.17. Am 15.04.2019 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
1.18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF, ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin und einem Vertreter des AMS durch. Dabei gab die BF im Wesentlichen an, dass es ihr aufgrund der Krankheit ihrer Tochter (hohes Fieber und "rote Punkte") und aufgrund dessen, dass sie im Bewerbungszeitraum selbst Augenleiden (rechtes Auge stark angeschwollen) gehabt habe, nicht möglich gewesen sei, sich im 20. Bezirk persönlich für die Stelle als Zuckerbäckerin zu bewerben. Die Stelle wäre vom Aufgabengebiet für sie in Frage gekommen, es wäre ihr aufgrund ihrer Betreuungspflichten für ihre Tochter aber nicht möglich gewesen, die angebotene Stelle im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung auszuüben. Sofern von ihr - sinngemäß - sehr frühe oder späte Dienst verlangt worden wären, hätte sie dies aufgrund ihrer Betreuungspflichten für ihre Tochter ebenfalls nicht zusagen können.
Im Zuge der Verhandlung wurde der Zeuge XXXX , Mitarbeiter der Abteilung Service für Unternehmen des AMS, einvernommen. Der Zeuge XXXX gab ua an, dass sich Bewerber damals bei ihm für die Stelle bei der XXXX zu bewerben gehabt hätten. Es habe sich um eine Vollzeitstelle mit Schichtdiensten gehandelt und der potentielle Dienstgeber habe von der künftigen Zuckerbäckerin Flexibilität im Hinblick auf die Arbeitszeiten gefordert.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen
2.1.1. Die BF ist am XXXX geboren, ungarische Staatsbürgerin und mit Hauptwohnsitz in XXXX , XXXX , gemeldet.
2.1.2. Die BF bezog vom 25.03.2018 bis 12.06.2018, vom 25.07.2018 bis 05.08.2018 und vom 19.08.2018 bis 02.11.2018 Arbeitslosengeld.
2.1.3. Die BF befand sich von 06.08.2018 bis 18.08.2018 in Ungarn. Die BF meldete dem AMS sowohl im Vorhinein am 24.07.2018 ihre Abwesenheit zwecks vorübergehender Abmeldung als auch am 18.08.2018 ihre Rückkehr zwecks Wiedermeldung beim AMS. Das AMS wusste daher, dass sich die BF im Zeitraum von 06.08.2018 bis 18.08.2018 in Ungarn befand.
2.1.4. Mit Bescheid des AMS vom 18.06.2018, SVNR: XXXX , und Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569, wurde festgestellt, dass die BF den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13.06.2018 bis 24.07.2018 gemäß § 10 AlVG verloren hat.
Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569, wurde ab 09.08.2018 zur Abholung hinterlegt. Die BF kam nach ihrem Auslandsaufenthalt, der von 06.08.2018 bis 18.08.2018 dauerte, am 18.08.2018 (Samstag) wieder zu ihrem Hauptwohnsitz in XXXX zurück. Die BF behob am 20.08.2018 (Montag) den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569.
2.1.5. Die BF gab am 24.08.2018 bei der Postfiliale in XXXX , XXXX , per Einschreiben ihren Vorlageantrag betreffend den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018, GZ 2018-0566-9-001569, auf. Dieser Vorlageantrag wurde adressiert an " XXXX ". Es kann nicht festgestellt werden, warum dieses Poststück trotz ordnungsgemäßer Abgabe durch die BF nicht beim AMS eingelangt ist.
2.1.6. Am 07.09.2018 langte beim AMS ein mit 06.09.2018 datierter ergänzender Schriftsatz zum Vorlageantrag ein.
2.1.7. Mit Bescheid des AMS vom 28.12.2018, GZ 2018-0566-9-001569, wurde der Vorlageantrag der BF vom 06.09.2018 gegen den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018 als verspätet zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF am 02.01.2019 zugestellt. Durch die Zustellung dieses Bescheides erfuhr die BF erstmals davon, dass ihr Vorlageantrag vom 24.08.2018 offenbar nicht beim AMS eingelangt ist.
2.1.8. Mit Schreiben vom 15.01.2019 beantragte die BF die Vorlage ihrer Beschwerden bzw. der Verwaltungsakte an das Bundesverwaltungsgericht sowie in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In diesem Schreiben wurde der Vorlageantrag (neuerlich) "nachgeholt" und folgende Unterlagen vorgelegt:
* E-Mail des AMS vom 24.07.2018 an die BF betreffend "neue Betreuungsvereinbarung vom 24.07.2018";
* vom AMS an die BF gesendete Bestätigung des Erhalts ihrer Wiedermeldung vom 18.08.2018 samt Mitteilung des AMS vom 20.08.2018, dem eine Unterbrechung des Arbeitslosengeldbezuges der BF vom 06.08.2018 bis 18.08.2018 zu entnehmen ist;
* Betreuungsvereinbarung vom 24.07.2018 (sichtlich falsch datiert mit 30.08.2018) samt Anmerkung, dass die BF ab 06.08.2018 nach Ungarn fährt;
* Vorlageantrag der BF vom 24.08.2018;
* Einschreibeaufgabeschein der Österreichischen Post AG vom 24.08.2018;
* Ergänzender Schriftsatz der BF vom 06.09.2018 zum Vorlageantrag vom 24.08.2018;
* Einschreibeaufgabeschein der Österreichischen Post AG vom 06.09.2018;
* Bescheid des AMS vom 28.12.2018, GZ 2018-0566-9-001569, mit dem der Vorlageantrag der BF als verspätet zurückgewiesen wurde; darauf ersichtlich der Eingangsstempel der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters des BF mit Datum "02.01.2019";
* Drei Zahlungsbelege der BF aus Ungarn vom 07.08.2018, 15.08.2018 und 17.08.2018.
Das Schreiben der BF vom 15.01.2019 wurde am 15.01.2019 einem Zustelldienst zur Übermittlung an das AMS übergeben und ist dort am 17.01.2019 eingelangt.
2.1.9. Am 24.05.2018 wurde der BF vom AMS eine Stelle als Zuckerbäckerin bei der XXXX , im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung zugewiesen und die BF aufgefordert, sich Dienstags und Donnerstags in der Zeit von 08:30 Uhr bis 10:30 Uhr persönlich bei Herrn XXXX , Mitarbeiter des Services für Unternehmen des AMS, zu bewerben. Die XXXX suchte eine Zuckerbäckerin für eine Vollzeitstelle im Schichtdienst mit flexiblen Arbeitszeiten, wobei die Frühschicht 06:00 Uhr morgens begann.
2.1.10. Die BF hat Sorge- und Betreuungspflichten für ihre im gemeinsamen Haushalt lebende mj. Tochter XXXX , geb. XXXX . Dies betraf auch den Zeitraum zwischen 24.05.2018 und 13.06.2018. Die Tochter der BF wurde im Zeitraum zwischen 24.05.2018 und 13.06.2018 täglich von Montag bis Dienstag von frühestens 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr von einer Tagesmutter in XXXX , betreut. Die BF musste ihre Tochter Mo-Fr zur Tagesmutter bringen und Montag bis Donnerstag täglich abholen. Der ebenfalls im gemeinsamen Haushalt der BF lebende Ehegatte der BF war im Zeitraum zwischen 24.05.2018 und 13.06.2018 als Reinigungskraft tätig und musste seinen Dienst täglich um 07:00 Uhr an seinen Arbeitsstellen (verschiedene Gebäude) antreten. Der Ehegatte der BF kam im angeführten Zeitraum Montags gegen 17:00 Uhr, Dienstags gegen 16:00 Uhr, Mittwochs und Donnerstags gegen 18:00 Uhr und Freitags gegen 14:30 Uhr nach Hause ( XXXX ). Der Ehegatte der BF holte die gemeinsame mj. Tochter Freitags Nachmittag von der Tagesmutter ab. Zwischen der BF und dem AMS wurde im Rahmen der Betreuungsvereinbarung eine Teilzeitstelle im Ausmaß von ca. 20 bis 30 Wochenstunden vereinbart.
2.1.11. Die Wegzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen XXXX , XXXX , und XXXX , XXXX , beträgt ca. 52 Minuten. Die Wegzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen XXXX , und XXXX , XXXX , beträgt ca. 44 Minuten.
2.2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts.
Das Geburtsdatum, die Staatsbürgerschaft und der Wohnsitz der BF (Punkt 2.1.1.) ergeben sich aus dem vorliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellung zum Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung der BF (Punkt 2.1.2.) ergeben sich aus dem Datenauszug des AMS.
Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Ungarn und ihren Meldungen (Abmeldung und Wiedermeldung) (Punkt 2.1.3.) stützen sich auf das Bestätigungsschreiben des AMS vom 24.07.2018, die Betreuungsvereinbarung vom 24.07.2018, die Mitteilung des AMS über den Leistungsbezug der BF vom 20.08.2018, die von der BF vorgelegten Rechnungen aus Ungarn betreffend den Zeitraum 07.08.2018 bis 17.08.2018 sowie die diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF.
Die Feststellungen zu den Bescheiden (Beschwerdevorentscheidungen) des AMS (Punkte 2.1.4. und 2.1.7.) stützen sich auf die im Akt einliegenden Bescheide (Beschwerdevorentscheidungen) des AMS.
Die Feststellung betreffend die Abgabe des Vorlage-Schriftsatzes am 24.08.2018 (Punkt 2.1.5.) stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF, der von der BF vorgelegten Bestätigung der Österreichischen Post AG vom 24.08.2018 und dem (neuerlich) nachgereichten als "Vorlageantrag" titulierten Schriftsatz der BF vom 24.08.2018.
Die Feststellung betreffend den ergänzenden Schriftsatz vom 06.09.2018 (Punkt 2.1.6.) stützt sich auf den unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung zum Schreiben der BF vom 15.01.2019 (Punkt 2.1.8.) stützt sich auf den unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere das Schreiben der BF vom 15.01.2019 samt Beilagen ./A - ./G.
Die Feststellungen zum Stellenangebot (Punkt 2.1.9.) stützen sich auf das im Akt befindliche Stellenangebot vom 24.05.2018 und die Angaben des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 04.06.2019.
Die Feststellungen zu den Sorgepflichten der BF, der Betreuung ihrer Tochter durch die Tagesmutter und die Erwerbstätigkeit des Ehegatten der BF (Punkt 2.1.10.) stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF in ihren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 04.06.2019. Die BF hat zwar im Verlauf des Verfahrens vor dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht leicht abweichende Angaben dazu gemacht, von wann bis wann ihre Tochter jeweils von der Tagesmutter betreut wurde (laut dem von der BF am 19.03.2018 ausgefüllten Formular "Kinderbetreuungsgeld - Betreuung eines Kindes an Werktagen" sei ihre Tochter zwischen 08:30 und 14:30 Uhr betreut worden; laut ihrer Beschwerde zwischen 08:00 und 16:00 Uhr), konnte diesen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aber dahingehend nachvollziehbar aufklären, indem sie sinngemäß angab, dass es Rahmenzeiten gebe, innerhalb derer ihre Tochter maximal betreut werden habe dürfen, es bei einem - zum verfahrensrelevanten Zeitraum - ca. 2 Jahre alten Kind aber nicht immer möglich gewesen sei, auf die Minute genau pünktlich zu sein und sie ihre damals 2jährige Tochter auch nicht zu lange bei der Tagesmutter lassen habe können (gemeint offensichtlich: zwecks Kindeswohl und Bezug zur Mutter). Aus den glaubhaften Angaben der BF ergibt sich, dass sie ihre Tochter im verfahrensrelevanten Zeitraum Montags bis Freitags frühestens um 08:00 Uhr bei der Tagesmutter in XXXX , abgeben durfte und die Aufnahme ihrer Arbeit in XXXX , XXXX , daher frühestens um 08:45 Uhr möglich gewesen wäre. Es wäre ihr daher nicht möglich gewesen, einen Schichtdienst mit Beginnzeit um 06:00 Uhr zu übernehmen. Da die Tochter bis spätestens 16:00 Uhr bei der Tagesmutter bleiben durfte und in der Regel gegen 15:00 Uhr von der BF abgeholt wurde, wäre es der BF - mit Ausnahme von Freitags - auch nicht möglich gewesen, spätere Schichten, die bis zum späten Nachmittag oder Abend gedauert hätten, zu übernehmen.
Die Feststellungen zu den Wegzeiten (Punkt 2.1.11.) stützen sich auf eine "Routen-Abfrage" auf der Website der Wiener Linien durch den vorsitzenden Richter.
2.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu I. A) Stattgabe des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
2.3.1. Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
§ 17 Zustellgesetz (ZustellG) lautet:
(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Es ist kein Hindernis für die Heilung der unwirksamen Zustellung nach § 17 Abs. 3 ZustellG, dass der Empfänger die hinterlegte Sendung wegen seiner Abwesenheit erst einige Tage später beheben hätte können; dies ist vielmehr gerade die Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung. Die Heilung bewirkt nämlich nicht, dass eine Frist rückwirkend mit dem ursprünglichen Hinterlegungszeitpunkt beginnt, sondern, dass ihr Lauf erst mit dem Tag in Gang gesetzt wird, an dem nach Rückkehr an die Abgabestelle die Abholung des Schriftstücks möglich war, wobei es genügt, wenn ein voller Tag der Behebungsfrist übrig ist (RS0127768).
2.3.2. Im gegenständlichen Fall wurde der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) vom 06.08.2018 am 09.08.2019 hinterlegt.
Die BF war am 09.08.2018 nicht an ihrer Abgabestelle, sondern in Ungarn aufhältig. Dies wusste das AMS.
Die BF ist am 18.08.2018 (Samstag) nach Österreich an ihre Abgabestelle zurückgekehrt und hat das AMS am selben Tag darüber informiert. Sie hat den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018 am 20.08.2018, den ersten ihrer Rückkehr folgenden Werktag (Montag), abgeholt. Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Vorlageantrages im Sinne des § 15 Abs. 1 VwGVG betreffend den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 06.08.2018 begann damit am 20.08.2018 erst zu laufen und endete mit 03.09.2018.
2.3.3. Die BF gab am 24.08.2018 - somit innerhalb der zweiwöchigen Frist ab 20.08.2018 - fristgerecht ihren an das AMS adressierten Vorlageantrag bei der Postfiliale in XXXX , XXXX , per Einschreiben auf.
Dieses Poststück langte aus nicht feststellbaren Gründen nicht beim AMS ein.
2.3.4. Die BF erfuhr durch die Zustellung des Bescheides des AMS vom 28.12.2018, GZ 2018-0566-9-001569, am 02.01.2019 erstmals davon, dass ihr Vorlageantrag vom 24.08.2018 offenbar nicht beim AMS eingelangt ist.
2.3.5. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Bis zur Vorlage der Beschwerde hat gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, nach Vorlage hat das BVwG mit Beschluss zu entscheiden. Im gegebenen Fall hat die belangte Behörde vor Beschwerdevorlage über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden, sodass diese gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zur bescheidmäßigen Erledigung dieses Antrages zuständig war.
Das Instrument der Wiedereinsetzung ist aus dem AVG (§ 71) bekannt und wurde in das VwGVG übernommen. Da lediglich der IV. Teil des AVG gemäß § 17 VwGVG nicht auf die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar ist, finden die zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze und Judikatur auf § 33 VwGVG Anwendung.
Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind die
(1) die Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und
(2) dass der Partei an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt.
Ein "Ereignis" iSd § 33 VwGVG kann sowohl ein "äußerer Vorgang", wie etwa ein Unfall, aber auch ein "innerer Vorgang", wie beispielsweise ein Irrtum, die unrichtige Beurteilung der Rechtslage, sein (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 618 zu § 71 AVG).
Von einem unvorhergesehenen Ereignis ist auszugehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwGH 0265/75 VwSlg 9024/A; vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K6 zu § 33 VwGVG).
Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht (von dieser Partei) nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; vgl. auch VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; 03.04.2001, 2000/08/0214). Ob ein Ereignis als "unvorhergesehen" einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem "objektiven Durchschnittsablauf" (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen; VwGH 24.11.1986, 86/10/0169; 15.09.2005, 2004/07/0135). Der Gesetzgeber hat eben nicht den Begriff "unvorhersehbar", der auf objektive Gesichtspunkte abstellen würde, verwendet, sondern den Terminus "unvorhergesehen", der die subjektiven Verhältnisse der Partei anspricht (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen). Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin gehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden (nur ein minderer Grad des Versehens [Rz 40 ff]) trifft (VwGH 28.04.1994, 94/16/0066; 02.09.1998, 98/12/0173; 11.06.2003, 2003/10/0114). Wurde zB ein Schriftstück nicht eingeschrieben aufgegeben, hat die Partei den Umstand, dass es bei der Behörde, an die es adressiert war, nicht eingelangt ist, offensichtlich nicht einberechnet. Er konnte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von ihr nicht erwartetet werden, weshalb es sich iSd Jud des VwGH um ein unvorhergesehenes Ereignis handelt (VwGH 26.05.1999, 99/03/0078VwGH 99/03/0078 - Erkenntnis (RS 1); 29.09.2000, 99/02/0356). Andere Beispiele für ein unvorhergesehenes Ereignis wären etwa eine Erkrankung oder eine Naturkatastrophe, ein Eisenbahnunglück oder eine Autopanne (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71, Rz 38).
Vgl. zum Begriff des minderen Grades des Versehens § 1332 ABGB. Davon ist dann auszugehen, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.01.1992, Zl. 91/13/0254).
Nach der stRsp des VwGH darf der Wiedereinsetzungswerber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen (vgl. VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559, mwH, vgl. auch Schrefler-König in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht zu § 33 VwGVG).
2.3.6. Ein unvorhergesehenes Ereignis liegt im gegenständlichen Fall vor. Die BF hat den Vorlageantrag fristgerecht per Einschreiben und richtig adressiert, aufgegeben. Sie hat auch den Aufgabeschein aufbewahrt. Sie durfte darauf vertrauen, dass dieses Poststück beim AMS einlangt. Es trifft die BF weder ein Verschulden noch ein minderer Grad des Versehens daran, dass dieses Poststück nicht beim AMS eingelangt ist.
2.3.7. Die BF hat den Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt. Die versäumte Handlung wurde gleichzeitig - in Form des Schriftsatzes der BF vom 15.01.2019, der am 15.01.2019 einem Zustelldienst zur Übermittlung an das AMS übergeben wurde - nachgeholt.
Die Voraussetzungen zur Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor, weshalb der Beschwerde diesbezüglich stattzugeben war.
Zu II. A) Stattgabe der Beschwerde betreffend den Verlust des Arbeitslosengeldes
2.3.8. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten:
Arbeitslosengeld
Voraussetzungen des Anspruches
§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2. die Anwartschaft erfüllt und
3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
[...]
(5) Die Voraussetzungen des Abs. 3 Z 1 liegen
1. während der Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr, am Freiwilligen Umweltschutzjahr, am Gedenkdienst und am Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach dem Freiwilligengesetz nicht vor;
2. während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld nur dann vor, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut wird.
[...]
(7) Als auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung gilt ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung des Abs. 3 Z 1 auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten.
Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
2.3.3. Gemäß § 9 AlVG iVm. §§ 2 bis 7 AMFG ist jede auf Arbeitsvermittlung gerichtete Tätigkeit, die den Vorschriften des AMFG widerspricht, untersagt. Dabei sind die in § 3 AMFG genannten
Grundsätze einzuhalten:
§ 3. Für die Arbeitsvermittlung gelten insbesondere nachstehende
Grundsätze:
1. Die Inanspruchnahme der Arbeitsvermittlung ist freiwillig.
2. Niemand kann gezwungen werden, eine angebotene Arbeit anzunehmen - die Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, werden dadurch nicht berührt.
3. Niemand kann gezwungen werden, eine angebotene Arbeitskraft einzustellen.
4. Die Arbeitsvermittlung hat dahin zu wirken, dass Arbeitsuchenden offene Stellen nachgewiesen werden und Arbeitgeber die angeforderten Arbeitskräfte erhalten können.
5. Die Arbeitsvermittlung ist unparteiisch durchzuführen.
6. Bei der Arbeitsvermittlung sind die Fähigkeiten, Wünsche, die psychische und physische Eignung und die sozialen Verhältnisse der Arbeitsuchenden einerseits sowie die Wünsche der Arbeitgeber und die Erfordernisse des Arbeitsplatzes andererseits zu berücksichtigen.
7. Arbeitsuchende dürfen nur zu Arbeiten vermittelt werden, die ihren körperlichen Fähigkeiten angemessen sind, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährden und angemessen entlohnt sind, wobei als angemessen eine Entlohnung dann gilt, wenn sie den jeweils anzuwendenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen entspricht.
8. Zu einer der Feststellung der Eignung des Arbeitsuchenden vorausgehenden psychologischen oder ärztlichen Untersuchung bedarf es der Zustimmung der Arbeitsuchenden, bei Minderjährigen auch der Erziehungsberechtigten.
9. Ein Rechtsanspruch auf Vermittlung eines bestimmten Arbeitsplatzes oder einer bestimmten Arbeitskraft besteht nicht.
10. Die Vermittlung in einen von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb sowie die Vermittlung von streikenden oder ausgesperrten Dienstnehmern ist unzulässig.
2.3.9. Aus § 7 AlVG ergibt sich, dass die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsgeldbezieherinnen nur dann gegeben ist, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut wird bzw. eine solche Betreuung jederzeit aktiviert werden kann. Die EB zu § 7 Abs. 5 AlVG führen dazu aus (620 BlGNR 21. GP): "Der Bezug von Arbeitslosengeld soll während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld grundsätzlich möglich sein. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht jedoch nur für die Personen, die dem Arbeitsmarkt ohne wesentliche Einschränkungen zur Verfügung stehen. Bei Bezug von Kinderbetreuungsgeld ist dies nur der Fall, wenn das Kind nachweislich durch andere geeignete Personen im Familienkreis oder außerhalb, zB im Rahmen von Einrichtungen wie Kindergrippen der Kindergärten oder von einer Tagesmutter, betreut wird. Wer das Kind während der üblichen Arbeitszeit selbst betreuen muss, kann sich nicht im erforderlichen Ausmaß zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung bereithalten und steht daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Zum Zeitpunkt der Vermittlung ist der Nachweis zu erbringen, dass die Betreuung des Kindes von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung bei Arbeitsantritt gewährleistet ist."
Auch wenn gemäß den EB Kinderbetreuungsgeldbeziehen Arbeitslosengeld nur dann gebühren soll, wenn sie dem Arbeitsmarkt "ohne wesentliche Einschränkungen" zur Verfügung stehen (was durch eine anderweitige Betreuung des Kindes nachzuweisen ist), ist Abs. 5 im Kontext mit Abs. 1-3 zu lesen. Die Formulierung "ohne wesentliche Einschränkungen" war daher bis 31.12.2007 so zu verstehen, dass während der üblichen Arbeitszeiten (Verfügbarkeitsrahmen) nur die Verfügbarkeit für eine versicherungspflichtige (also über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnte) Beschäftigung gegeben sein musste, da andernfalls die Verfügbarkeitseinschränkung "Kinderbetreuung" gegenüber anderen Verfügbarkeitshindernissen in unsachlicher Weise schlechter gestellt gewesen wäre. Da seit 01.01.2008 die erforderliche Mindestverfügbarkeit gesetzlich festgelegt ist (§ 7 Abs. 7 AlVG), ist auch der Betreuungsnachweis in diesem Umfang zu erbringen. Die Notwendigkeit für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Wochenstunden zur Verfügung zu stehen, bedeutet, dass - im Unterschied zur Rechtslage bis 31.12.2007 - sich die nachzuweisende Betreuungszeit zusätzlich auch auf die (fiktive) erforderliche Wegzeit zur Erreichung des Arbeitsplatzes beziehen wird müssen. (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 15. Lfg (März 2018), § 7 AlVG, Rz 187).
2.3.10. Die BF hat nachgewiesen, dass ihre Tochter im verfahrensrelevanten Zeitraum über das nötige Mindestausmaß hinaus von einer Tagesmutter betreut wurde und die BF während dieser Zeit einer Beschäftigung im Ausmaß von jedenfalls mehr als 20 Wochenstunden zur Verfügung gestanden wäre. Der BF ist es aufgrund ihrer Betreuungspflichten - trotz Tagesmutter - nicht möglich und nicht zumutbar gewesen, eine Stelle mit Frühschichten mit Betrieb ab 06:00 Uhr anzunehmen. Eine solche zeitliche Flexibilität wurde vom potentiellen Arbeitgeber der BF im Hinblick auf die der BF vom AMS zugewiesene Stelle als Zuckerbäckerin aber gefordert. Zudem wollte der potentielle Arbeitgeber die Zuckerbäckerin Vollzeit anstellen; die Übernahme einer Vollzeitbeschäftigung war der BF aber nicht möglich und aufgrund ihrer Betreuungspflichten nicht zumutbar.
2.3.11. Gesetzliche Betreuungspflichten - wie im vorliegenden Fall jene der BF für ihre mj. Tochter - sind jedenfalls im Betreuungsplan (§ 38c AMSG) festzuhalten und bei der Vermittlung der arbeitslosen Person hinsichtlich Ausmaß und Lage der Arbeitszeit sowie des Arbeitsortes - im Rahmen der gesetzlichen Erfordernisse - zu berücksichtigen. (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz,
15. Lfg (März 2018), § 9 AlVG, Rz 251). Eine korrekte Berücksichtigung der Betreuungspflichten der BF hätte im gegenständlichen Fall dazu führen müssen, dass der BF das Stellenangebot als Zuckerbäckerin für eine Vollzeitstelle bei der XXXX nicht zugewiesen worden wäre, da das konkrete Stellenangebot für die BF nicht zumutbar iSd AlVG bzw. des AMFG war.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Einschränkung des Vermittlungswunsches von Arbeitslosen mit Kinderbetreuungspflichten auf eine Beschäftigung, die die Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Pflichten erleichtert (etwa durch Einschränkung des Beschäftigungsausmaßes oder durch Einschränkung der Lage der Arbeitszeit), für sich weder die Arbeitswilligkeit noch die Verfügbarkeit der betreffenden Person in Frage stellt. (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 15. Lfg (März 2018), § 9 AlVG, Rz 252).
2.3.12. Vollständigkeitshalber ist zu erwähnen, dass auch die Dauer der Wegzeiten zu beachten ist. Bei jeder Teilzeitarbeit beträgt die zumutbare Wegzeit jedenfalls eineinhalb Stunden täglich. Liegen Betreuungspflichten vor, sind die Wegzeiten zur und von der Unterbringungsmöglichkeit grundsätzlich nicht in die zumutbare Wegzeit einzurechnen. Dh, die zumutbare Wegzeit bemisst sich nur anhand der Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsplatz. Sowohl für Voll- als auch für Teilzeitarbeit gilt aber, dass die Arbeitszeit einschließlich der Wegzeit jedenfalls die Wahrnehmung der sich aus den gesetzlichen Vorschriften, zB auch den jeweiligen Jugendwohlfahrtsgesetzen der Länder, ergebenden Betreuungsverpflichtungen nicht gefährden darf. Im Übrigen ist iSd auch auf die Betreuungsrichtlinie hinzuweisen: Eine Beschäftigung gilt nicht als zumutbar, wenn die Arbeitszeit und die Wegzeit die Einhaltung der gesetzlichen Betreuungspflichten gefährden würd. (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 15. Lfg (März 2018), § 9 AlVG, Rz 248). Im Falle der BF hätte die tägliche Wegzeit von ihrem Wohnort zum Arbeitsort der ihr zugewiesenen Stelle ca. 1,75 Stunden und damit mehr als 1,5 Stunden täglich betragen.
2.3.13. Bei der der BF zugewiesenen Stelle handelt es sich somit nicht um eine zumutbare Stelle iSd AlVG.
Unbeschadet der Frage, aus welchen weiteren Gründen sich die BF nicht für die ihr am 24.05.2018 zugewiesene Stelle beworben hat, ist es der BF jedenfalls wegen der Unzumutbarkeit der Stelle nicht vorwerfbar, sich nicht hierfür beworben zu haben.
Zu II. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich auf die Judikatur des VwGH eingegangen und diese zitiert.
Schlagworte
Arbeitslosengeld, Dienstverhältnis, Kinderbetreuung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W255.2208580.4.00Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019