TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W240 2178990-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2178990-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Kenia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zl. 1159181304-170792303, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2018, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 idgF der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch Erstbeschwerdeführerin zu W240 2178990-1), eine Staatsangehörige Kenias, stellte am 05.07.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Sie wurde dazu am 06.07.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 23.03.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Als Fluchtgrund brachte sie dabei im Wesentlichen vor, Kenia aufgrund einer Verfolgung wegen ihrer homosexuellen sowie der bisexuellen Orientierung der Zweitbeschwerdeführerin verlassen zu haben. Sie sei gemeinsam mit ihrer namentlich genannten Lebensgefährtin (Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2178985-1, im Folgenden auch Zweitbeschwerdeführerin) ausgereist

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 04.10.2017 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kenia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Im Bescheid wurde insbesondere festgestellt, dass die Identität feststehe und die Erstbeschwerdeführerin aus Kenia, Lower Kabete stamme. Sie sei im Juni 2017 aus Kenia ausgereist. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Erstbeschwerdeführerin Kenia aufgrund von Verfolgung oder Furcht vor solcher verlassen habe. Die Ausführungen in Bezug auf eine Verfolgung durch den Freund der Freundin hätten nicht glaubhaft festgestellt werden können.

Aufgrund der Widersprüchlichkeiten zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrer vermeintlichen Freundin sei eindeutig erkennbar, dass sich die Erstbeschwerdeführerin offensichtlich in diversen Themenbereichen abgesprochen hätten. Aufgrund des Konstrukts der Geschichte sei es der Erstbeschwerdeführerin aber nicht gelungen, die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes glaubhaft darzustellen. Das Bundesamt gehe daher davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin Kenia nicht aus den genannten Gründen verlassen habe. Es sei - wie bereits zuvor erwähnt - jedenfalls davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin sich bei den Ausführungen hinsichtlich der Gefährdungslage in Kenia eines Konstrukts bedient habe. Abschließend sei anzumerken, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht habe glaubhaft machen können, dass sie in Kenia der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre.

4. Dagegen richtet sich die rechtszeitig eingebrachte Beschwerde, es wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin die Fluchtgründe aufrecht halte, die Erstbeschwerdeführerin habe eine Lebensgefährtin (die Zweitbeschwerdeführerin), der Ex-Freund ihrer Freundin, von dem die Zweitbeschwerdeführerin schwanger sei, habe die Zweitbeschwerdeführerin geschlagen und bedroht, dass sie das Kind abtreiben hätte müssen. Die Beziehung der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin sei nicht mehr geduldet worden, sie seien ausgestoßen worden und sie hätten ihre Arbeitsplätze verloren. Ohne Arbeit und mit ständigen Anschuldigungen der Bevölkerung sei es nicht mehr möglich gewesen, in Kenia weiter zu bleiben. Der Erstbeschwerdeführerin werde vorgehalten, dass sie bei der Befragung vor dem BFA gesagt habe, dass sie die letzten Monate vor der Ausreise mit der Zweitbeschwerdeführerin in XXXX verbracht habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe aber nie gesagt, dass sie die letzten Monate vor der Ausreise in XXXX gelebt hätte, sondern in Lower Kabete. Es ergebe sich nicht aus der Einvernahme vor dem BFA, dass die Erstbeschwerdeführerin mehrmals über den Ausgangspunkt der Beziehung zur Zweitbeschwerdeführerin hätte befragt werden müssen. Im Gegenteil, sie habe die Frage sofort eindeutig beantwortet, die Beschwerdeführerinnen hätten tatsächlich versucht, sich diskret zu verhalten, die Nachbarn hätten sie jedoch zusammen gesehen und seien misstrauisch und sehr neugierig geworden. Viele kenianische Homosexuelle würden ein Doppelleben führen, würden Partner des anderen Geschlechts heiraten und Kinder haben, um sich in der Gesellschaft zu integrieren. Daher habe die Zweitbeschwerdeführerin die Unterkunft des Freundes nicht verlassen, um eine gemeinsame Wohnung mit der Zweitbeschwerdeführerin zu beziehen. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Frage des BFA bezüglich des Namens des Ex-Freundes der Zweitbeschwerdeführerin nicht beantworten können, da sie seinen vollen Namen nicht gekannt habe, nur seinen Spitznamen. Außerdem hätten sie nie über dessen Namen gesprochen. Die Tatsache, dass die Zweitbeschwerdeführerin nach dem Streit mit ihrem Ex-Freund zur Erstbeschwerdeführerin ins Haus gezogen sei, bedeute nicht, dass sie dort keine Schwierigkeiten gehabt habe, im Gegenteil, wie die Erstbeschwerdeführerin erklärt habe, seien sie nach einem Monat aus dem Haus geworfen worden, weil der Druck für die Vermieter zu groß geworden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe nie erwähnt, dass sie nach XXXX gezogen sei, jedoch habe sie erklärt, dass sie zu einer Freundin namens XXXX gezogen sei und sie in XXXX , Lower Kabete wohne. Auch wenn der Ex-Freund der Zweitbeschwerdeführerin von Lower Kabete weggezogen sei, bedeute dies nicht, dass sie dort keine großen Schwierigkeiten hätte, würde sie zurückkehren, da die Nachbarn und die Einheimischen sie aus der Gemeinde ausgeschlossen hätten. Zitiert wurde ein Artikel vom Jänner 2011, wonach homosexuelle Aktivitäten per Gesetz in Kenia verboten seien und mit einer Höchststrafe von 14 Jahren bestraft werden würden. Sexuelle Minderheiten würden sich weiterhin Diskriminierung, Missbrauch und gewalttätigen Attacken ausgesetzt sehen. Die Erstbeschwerdeführerin sei im Fall einer Rückkehr nicht in der Lage, das Existenzminium für sich dauerhaft zu erwirtschaften, wie sie als homosexuelle Frau keine Arbeitsstelle bekommen würde. Verwiesen wurde auf eine Stellungnahme vom 16.08.2012 an das Verwaltungsgericht Berlin.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.11.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die Erstbeschwerdeführerin ebenso wie die Zweitbeschwerdeführerin über die Gründe für ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat und über ihre privaten und persönlichen Verhältnisse einvernommen wurden. Mit der Erstbeschwerdeführerin wurden auch die im Akt zur jederzeitigen Einsicht befindlichen Länderfeststellungen zu Kenia samt den Erkenntnisquellen erörtert und der Erstbeschwerdeführerin die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.

6. In der am 16.11.2018 datierten Stellungnahme wurde ausgeführt, es ergebe sich aus den Länderberichten zu Kenia, dass Gewalt und Diskriminierung von LGBTI-Personen weit verbreitet seien. Wenn auch homosexuelle Beziehungen zwischen Frauen nicht als durch das Strafgesetzbuch als verboten angesehen würden, würden Lesben Vorurteile und Diskriminierungen ausgesetzt sein in Kenia, teilweise auch wegen des Stigmas, welches mit der Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen assoziiert würden. Auch im Bericht von Amnesty International werde bestätigt, dass LGBTI-Personen mit Anfeindungen, Einschüchterungen, Diskriminierungen am Arbeitsmarkt und bei der Wohnungssuche sowie mit gewalttätigen Übergriffen durch Individuen und dem Mob zu kämpfen hätten. Würde die Beschwerdeführerin mit ihrer Lebensgefährtin, welche auch in einer Beziehung mit einem österreichischen Staatsbürger lebe, und ein Kind habe, in Kenia leben, würden die Erstbeschwerdeführerin und ihre Lebensgefährtin in Kenia wegen Diskriminierungen und Einschränkungen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein.

7. Mit Schreiben vom 14.01.2019 wurde den Verfahrensparteien die vom BVwG eingeholte Anfragebeantwortung zur Situation von homosexuellen und bisexuellen Frauen in Kenia übermittelt.

8. Es langte innerhalb der Frist eine Stellungnahme hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin ein. Es wurde insbesondere darauf verwiesen, es ergebe aus der eingeholten Anfragebeantwortung, dass ein expliziter Schutz der LGBTI-Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität durch die Verfassung nicht gegeben sei. Auch wenn es kein spezifisches Gesetz gebe, wonach lesbische Beziehungen unter Strafe gestellt seien in Kenia, kriminalisiere das Strafgesetzbuch "fleischliche Kenntnis gegen die natürliche Ordnung", was als Verbot einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen interpretiert werden könne und eine 14jährige Haftstrafe vorsehe. Es sei daher die strafrechtliche Verfolgung von Frauen wegen sexueller Handlungen mit anderer Frauen in Kenia theoretisch möglich. LGBT-Personen seien unrechtmäßig wegen Vermutungen über ihre sexuelle Orientierung delogiert worden. Diese Feststellungen würden im Einklang zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin und ihrer Lebensgefährtin stehen. LGBTI-Personen seien in Kenia, wie es sich aus der Anfragebeantwortung ergebe, von Erpressungen, Schikanierung und Vergewaltigung betroffen, anstatt Schutz von der Polizei zu erhalten. Der Staat diskriminiere weiterhin homosexuelle und bisexuellen Frauen durch häufige Verhaftungen, durch die Verweigerung des Zugangs zu grundlegenden Rechten und Annehmlichkeiten und durch alle Arten anderer Exklusionsmechanismen. Aus den Berichten ergebe sich, dass LGBTI-Personen in Kenia unmenschlicher Behandlung und Verfolgung ausgesetzt seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kenias und Angehörige der Volksgruppe XXXX . Sie stammt aus Lower Kabete in Kenia. Ihre Identität steht fest. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin verließ Kenia Mitte 2017 und reiste nach Österreich, wo sie am 05.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In Kenia leben ihr Vater, ein Bruder und zwei Schwestern, ein Kontakt zu ihren Familienangehörigen besteht nicht.

Die Beschwerdeführerin ist homosexuell und führt in Österreich wie bereits in Kenia eine sexuelle Beziehung zu einer Frau, welche bisexuell ist (Beschwerdeführerin zu W240 2178985-1).

In Kenia leben die 2012 geborene Tochter der Zweitbeschwerdeführerin, der Kindsvater und die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin. Ihre Tochter lebt bei der Mutter der Zweitbeschwerdeführerin, der Kontakt mit den Eltern ist nicht gut, weil die Zweitbeschwerdeführerin als bisexuelle Frau eine Enttäuschung und Schande für die Familie laut ihrer Familie darstellt. Die Zweitbeschwerdeführerin führt auch in Österreich neben der Beziehung zur Erstbeschwerdeführerin eine Beziehung zu einem Mann, einem österreichischen Staatsangehörigen, der die Zweitbeschwerdeführerin auch geheiratet hat und die Zweitbeschwerdeführerin hat am Anfang 2018 eine Tochter bekommen.

Die Beschwerdeführerin führt auch in Österreich neben der Beziehung zur Erstbeschwerdeführerin eine Beziehung zu einem Mann, einem österreichischen Staatsangehörigen, der die Zweitbeschwerdeführerin auch geheiratet hat und die Zweitbeschwerdeführerin hat am Anfang 2018 eine Tochter bekommen.

Aufgrund der aktuellen und einschlägigen Berichte zu Kenia ist nicht mit Sicherheit feststellbar, ob die weibliche Homosexualität dort tatsächlich strafbar ist. Aufgrund der eingeholten Anfrage an die Staatendokumentation ergibt sich jedoch die Feststellung, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass weibliche Homosexualität in Kenia nicht strafbar ist. Auch wenn einerseits in zahlreichen Berichten ausgeführt wird, dass es kein spezifisches Gesetz gebe, wonach lesbische Beziehungen in Kenia unter Strafe gestellt würden, kriminalisiert das Strafgesetzbuch Kenias andererseits "fleischliche Kenntnis gegen die natürliche Ordnung", was als Verbot einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen (auch von Frauen) interpretiert werden kann und eine 14jährige Haftstrafe vorsieht.

Es ist aufgrund der unten stehenden Berichte in Kombination mit der eingeholten Anfragebeantwortung über die Situation Homosexueller in Kenia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin ebenso wie die Zweitbeschwerdeführerin, sofern sie ihre sexuelle Orientierung nicht verleugnet bzw. äußerst gut verbirgt, Opfer von schweren Eingriffen in ihre körperliche Integrität und in ihre Person werden würde. Dies vor allem auch, weil sie und ihre Lebensgefährtin derartigen Eingriffen bereits vor der Ausreise nach Österreich ausgesetzt war, vor allem ausgehend vom Ex-Lebensgefährten und Vater des ersten Kindes der Zweitbeschwerdeführerin und dessen Freunden, jedoch auch seitens anderer Personen, welche von den homosexuellen Handlungen der Beschwerdeführerinnen Kenntnis erlangten in Kenia.

1.2. Zur relevanten Situation in Kenia werden folgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Nach wie vor ist die Kriminalität in Kenia Besorgnis erregend hoch, belastbares statistisches Material hierzu ist aber kaum zu bekommen (GIZ 6.2017d). Außerdem besteht weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge. Es gibt Drohungen der somalischen Terrororganisation al Shabaab mit Vergeltungsaktionen als Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der AMISOM-Mission in Somalia. Mehrere Anschläge haben in der Vergangenheit auch schon stattgefunden oder sind vereitelt worden (AA 25.6.2018; vgl. BMEIA 25.6.2018, EDA 25.6.2018).

Auch die politischen Spannungen bleiben hoch. Es muss weiterhin mit politisch bedingten Demonstrationen und Gewalttaten gerechnet werden (EDA 25.6.2018). Demonstrationen aus politischen oder sozialen Gründen können unvorhersehbar eskalieren (AA 25.6.2018). Lokal begrenzte Unruhen und Gewaltausbrüche sind möglich, vor allem nach Gewalttaten, die religiös motiviert sind oder als solche wahrgenommen werden. Auch politisch und wirtschaftlich motivierte Zusammenstöße zwischen ethnischen Gruppen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Todesopfer gefordert. Diese finden jedoch hauptsächlich in abgelegenen Gebieten statt. Im Grenzgebiet zu Äthiopien kommt es ebenfalls zu vereinzelten Kampfhandlungen (EDA 25.6.2018).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in das Grenzgebiet (80km-Streifen) zu Somalia sowie in den Festlandbereich von Lamu ab (AA 25.6.2018). Das österreichische Außenministerium gibt eine Reisewarnung für das Grenzgebiet zu Somalia. Außerdem warnt es vor Reisen in die Provinzen Mandera, Wajir und Garissa. Abgeraten wird von Reisen in die nördliche Küstenprovinz (v.a. Lamu). Zu Vorsicht wird insbesondere für Mombasa sowie die Counties Kwale und Kilifi, wo in der Vergangenheit politisch und religiös bedingte Krawalle und Unruhen stattfanden, geraten. Aufgrund der verstärkten Präsenz der kenianischen Sicherheitskräfte in den genannten Gebieten hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten allerdings etwas gebessert (BMEIA 25.6.2018). Ähnliche Informationen liefert auch das schweizerische Außenministerium (EDA 25.6.2018).

Al Shabaab führt gegen vereinzelte Gemeinden an der Grenze zu Somalia Guerilla-Angriffe durch, bei welchen sowohl Sicherheitskräfte als auch Zivilisten zum Ziel werden (USDOS 20.4.2018). Die Grenzen zu Somalia, Äthiopien und dem Sudan sind porös, und es kommt zur Proliferation von Kleinwaffen und zum Einsickern von Kämpfern der al Shabaab. Auch lokale Milizen haben die Defizite der staatlichen Sicherheitskräfte ausgenutzt. Dies betraf in der Vergangenheit die mittlerweile zersplitterte und größtenteils ausgelöschte Mungiki-Sekte und betrifft heute kleinere Gruppen in den Slums von Nairobi und Kisumu. Dort ersetzen die Milizen de facto die Polizei und regieren mit Gewalt. In ländlichen Gebieten ist die Polizei nicht in der Lage, das bewaffnete Banditentum in den Griff zu bekommen. Und auch dort - speziell in der ehemaligen Central Province und im Rift Valley - treiben Gangs und Milizen ihr Unwesen. Sie agieren semi-autonom und werden in Wahlzeiten von Politikern angeworben (BS 2018).

Regelmäßig zu gewaltsamen Zusammenstößen kommt es bei Ressourcenkonflikten in den Bereichen Tana River, Laikipia und Samburu - z.B. zwischen Pokot und Turkana (BS 2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (25.6.2018): Kenia - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/keniasicherheit/208058, Zugriff 25.6.2018

-

BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.6.2018): Reiseinformationen - Kenia, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kenia/, Zugriff 25.6.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017d): Kenia - Alltag, https://www.liportal.de/kenia/alltag/, Zugriff 25.6.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.4.2018) und diese wird auch generell als unabhängig erachtet (FH 2018).

Das Rechtssystem Kenias ist an das britische angelehnt. Schon in der Kolonialzeit wurden jedoch vor allem im Zivilrecht auch traditionelle Rechtssysteme angewandt. Die Rechtsquellen des sogenannten Customary Law basieren auf afrikanischen Traditionen (mit großem Spielraum für Interpretationen) oder in den islamisch geprägten Gemeinden an der Küste auf dem islamischen Recht (GIZ 6.2017a). Das kenianische Gerichtswesen gliedert sich in Magistrates Courts, High Courts, Court of Appeal und den neu geschaffenen Supreme Court (AA 1.2017a). Daneben sprechen Kadi-Gerichte Recht in Erb- und Familienrechtsangelegenheiten muslimischer Kenianer nach islamischem Recht (AA 1.2017a; vgl. USDOS 15.8.2017) - etwa bei Heiraten, Scheidungen oder Erbschaften (BS 2018). Gegen ein Urteil eines Kadi-Gerichts kann vor einem formellen Gericht berufen werden (USDOS 15.8.2017). Daneben gibt es keine anderen traditionellen Gerichte. Die nationalen Gerichte nutzen das traditionelle Recht einer Volksgruppe aber als Leitfaden für persönliche Angelegenheiten, solange dieses Recht nicht im Widerspruch zum formellen Recht steht (USDOS 20.4.2018).

Generell besteht die Möglichkeit einer Berufung vor einem High Court, in weiterer Folge beim Berufungsgericht und in einigen Fällen auch beim Obersten Gericht (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz sieht ein faires öffentliches Verfahren vor, dieses Recht wird generell auch in der Praxis gewährt. Außerdem gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf die Mitteilung der Anklagepunkte, auf Zeugenstellung und Zeugeneinvernahme durch die Verteidigung und auf einen Rechtsbeistand. Diese Rechte werden generell respektiert. Viele Angeklagte können sich aber keinen Rechtsbeistand leisten. Im Jahr 2016 wurde das National Legal Aid Service geschaffen, um Verteidiger kostenfrei zur Verfügung stellen zu können. Kostenlose Verteidiger gibt es bisher v.a. in Nairobi und anderen größeren Städten (USDOS 20.4.2018).

Die Arbeitsweise der Justiz ist ineffizient (FH 2018). Die mangelnde Rechtssicherheit und mangelnde Rechtsstaatlichkeit ist von langen Gerichtsverfahren, einer generell überlasteten Justiz, korrupten Richtern und einem Chaos bei Landbesitztiteln gekennzeichnet (GIZ 6.2017a). Unprofessionelle Ermittlungen und Korruption unterminieren die Strafverfolgung. Die durchschnittliche Verurteilungsrate bei Strafverfahren liegt bei 13-16 Prozent. Schuld daran sind auch die Einschüchterung von Zeugen und die Angst vor Racheakten. Es wird berichtet, dass Bestechlichkeit, Erpressung und politische Überlegungen den Ausgang von Zivilverfahren beeinflussen (USDOS 20.4.2018). Andererseits demonstriert die Strafjustiz Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Trotz der weitverbreiteten Meinung, wonach die Justiz korrupt ist, gibt es keine glaubhaften Vorbringen oder Untersuchungen hinsichtlich einer signifikanten Korruption bei Richtern, Staatsanwälten oder Verteidigern (USDOS 20.4.2018). Die Justiz ist weiterhin in der Lage, die Tätigkeit der Regierung zu kontrollieren und hat auch einige Urteile gegen die Exekutive gefällt, um unterschiedliche Rechte - wie etwa das Versammlungsrecht - zu verteidigen. Allerdings hat die Justiz aufgrund einiger Korruptionsfälle an öffentlicher Glaubwürdigkeit verloren (BS 2018). Das Parlament ignoriert außerdem manchmal richterliche Entscheidungen. Die Behörden hingegen respektieren im Allgemeinen Gerichtsbeschlüsse, und die Ergebnisse der Prozesse scheinen nicht vorbestimmt zu sein (USDOS 20.4.2018).

Der Oberste Staatsrichter Willy Mutunga, ein ehemaliger Dissident und Menschenrechtler (GIZ 6.2017a) wurde gegen David Maraga ausgetauscht. Dieser verfügt nicht über die moralische Autorität, wie sein Vorgänger (BS 2018).

Früher galt die Justiz als eine der korruptesten und am wenigsten vertrauenswürdigen Institutionen Kenias. Durch die Justizreform unter Chief Justice Mutunga hat hier eine bemerkenswerte Korrektur stattgefunden (BS 2018). Die Justizreform wird auch weiterhin fortgesetzt, wenn auch mit geringerem Tempo (BS 2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Das Office of the Director of Public Prosecution (ODPP) hat die Zahl der Staatsanwälte von 200 im Jahr 2013 auf 627 im Jahr 2017 mehr als verdreifacht. Damit ging auch eine Beschleunigung der Verfahren einher (USDOS 20.4.2018). Der Rückstau wurde substanziell reduziert (BS 2018; vgl. USDOS 20.4.2018), auch wenn immer noch viele Fälle anhängig sind (FH 2018). Seit Mai 2016 läuft ein Programm der Justiz, um die Rechtsprechung effizienter und leistbarer zu machen (USDOS 20.4.2018). Die Justiz ist für Bürger nach der Schaffung neuer Gerichte besser zugänglich. Zusätzlich erfolgte der Aufbau von Ausbildungsstrukturen. Richter und Amtsmänner wurden überprüft und bewertet, zahlreiche davon entlassen (BS 2018).

Generell verfügt der kenianische Staat über das Gewaltmonopol, dies wird aber nicht immer und in vollem Umfang in allen Landesteilen durchgesetzt. Vor allem in den ariden und semi-ariden Gebieten im Norden und Nordosten sind Fähigkeit und Willen zur Durchsetzung der Rechtstaatlichkeit minimal (BS 2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

-

USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1407519.html, Zugriff 25.6.2018

Sicherheitsbehörden

Für die Sicherheit innerhalb des Landes ist die dem Innenminister unterstehende Polizei zuständig. Das Kenya Police Service erfüllt die generelle Polizeiarbeit und verfügt über spezialisierte Untereinheiten. Das Administration Police Service kümmert sich um die Grenzsicherheit, erfüllt aber teils auch normale Polizeiarbeit. Daneben gibt es noch die Kriminalpolizei (USDOS 20.4.2018). Die Polizei verfügt mit ihren 70.000 Mann über ca. 160 Polizisten pro 100.000 Einwohner. Damit liegt die Rate weit unter den UN-Empfehlungen von 220 Polizisten pro 100.000 Einwohnern (BS 2018).

Der National Intelligence Service ist der innere und äußere Nachrichtendienst und untersteht direkt dem Präsidenten (USDOS 20.4.2018).

Die Polizei ist schlecht ausgerüstet, wird nicht sehr gut bezahlt und agiert manchmal wenig professionell. Gegen die wachsende Gewaltkriminalität gibt sich die Polizei zumeist machtlos. Selbst Morde werden selten aufgeklärt, und wenn, dann fehlen gerichtsfeste Beweismittel. Aufgrund der schlechten Bezahlung sehen es zudem viele Polizisten als ihr gutes Recht an, kleine Geschenke zu verlangen (GIZ 6.2017a). Manchmal entgleitet den zivilen Aufsichtsbehörden die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 20.4.2018). Die Polizeireform ist ins Stocken geraten (BS 2018).

Die Independent Policing Oversight Authority (IPOA) soll als zivile Aufsicht die Arbeit der Polizei kontrollieren. Sie hat in zahlreichen Fällen von Fehlverhalten durch Sicherheitskräfte Untersuchungen angestellt. In einigen Fällen extra-legaler Tötungen wurden Anklagen eingebracht. Trotzdem bleibt Straffreiheit ein ernstes Problem, ist bei Korruptionsvorwürfen sogar üblich. Erst einmal ist es im Fall eines von IPOA vorgebrachten Falles zur Verurteilung zweier Polizisten wegen Mordes gekommen (USDOS 20.4.0218). Insgesamt ist die Polizei von Korruption und Kriminalität durchsetzt (FH 2018).

Kenia verfügt über eine Berufsarmee mit rund 24.000 Soldaten, wobei eine Stärke von 31.000 Soldaten angestrebt wird (AA 1.2017a). Die dem Verteidigungsministerium unterstehende Armee ist für die äußere Sicherheit verantwortlich, erfüllt aber auch einige Aufgaben der inneren Sicherheit (USDOS 20.4.2018). Die kenianische Armee gilt als professionell und schlagkräftig. Sie genießt seit Jahrzehnten Förderung u.a. durch Großbritannien und die USA - auch in Form von Ausbildung und Training. Sie ist innenpolitisch zurückhaltend und in der jüngeren Vergangenheit öffentlich bislang erst zwei Mal im Landesinneren in Erscheinung getreten: 1982 und 2008 (GIZ 6.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Im April 2017 trat der Prevention of Torture Act in Kraft, mit welchem Folter nunmehr strafrechtlich verfolgt werden kann. Damit ist es möglich, bereits bestehende Vorgaben in der Verfassung auch umzusetzen. Es gibt Berichte darüber, dass die Polizei bei Einvernahmen aber auch zur Bestrafung von Untersuchungshäftlingen und Gefangenen Folter anwendet. Die Täter gingen dabei straffrei. Dies gilt auch für die Anwendung willkürlicher Gewalt durch Polizisten - etwa bei Demonstrationen oder Hausdurchsuchungen (USDOS 20.4.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche und ungesetzliche Tötungen durch Sicherheitskräfte. Opfer sind meist Verdächtige bei Kriminalverbrechen (inkl. Terrorismus-Verdächtige). Im ersten Halbjahr 2017 wurden 80 Fälle von getöteten Personen dokumentiert, davon mindestens 33 standrechtliche Exekutionen. Die Dunkelziffer könnte weit höher sein (USDOS 20.4.2018). Nach anderen Angaben hat die Polizei im Zeitraum Jänner-Oktober 2017 214 Menschen erschossen (FH 2018). Generell steigt die Zahl extra-legaler Tötungen durch Sicherheitskräfte. Der Fokus liegt hierbei auf Personen, die einer Straftat verdächtigt werden - i.d.R. junge Männer in informellen Siedlungen (BS 2018).

Im Zuge der Proteste nach den Wahlen im August 2017 sind 100 Personen schwer verletzt und mindestens 33 getötet worden. Die Sicherheitskräfte hatten exzessive Gewalt angewendet (USDOS 20.4.2018) - v.a. gegen Anhänger der Opposition. Auch nach der Wahlwiederholung im September 2017 gab es Tote, als die Polizei mit scharfer Munition auf Demonstranten schoss (AI 23.5.2018). Auch der Armee werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen; dies vor allem in den Counties Mandera, Garissa und Wajir an der somalischen Grenze. Generell bleibt die Straflosigkeit ein großes Problem (USDOS 20.4.2018).

Sicherheitskräften wird vorgeworfen, dass sie Personen verschwinden haben lassen (USDOS 20.4.2018).

Personen werden von der Polizei willkürlich angehalten oder Inhaftiert, um von ihnen Bestechungsgelder zu lukrieren. Manchmal werden Personen geschlagen, wenn sie kein Schmiergeld bezahlen können. Bei illegalen Aktivitäten der Sicherheitskräfte, aber auch bei der Erfüllung der Polizeiarbeit kommt es zu wiederrechtlicher Haft, zu Erpressung, physischer Gewalt und zur Erfindung von Haftgründen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Korruption

Generell ist Korruption in Kenia strafbar. Allerdings werden die entsprechenden Gesetze nicht effektiv vollzogen. Viele Behördenmitarbeiter sind korrupt und bleiben straffrei (USDOS 20.4.2018). Korruption ist auf allen Ebenen der Verwaltung endemisch (USDOS 28.6.2018; vgl. FH 2018). Durch die Dezentralisierung des Staates erfolgte auch eine Dezentralisierung der Korruption in Richtung der Counties (BS 2018; vgl. FH 2018). Das Land wurde am Korruptionswahrnehmungsindex 2017 auf Platz 143 von 180 Ländern eingestuft (TI 2.2018).

Präsident Kenyatta führt auch nach seiner Wiederwahl die Kampagne gegen Korruption fort. Allerdings gibt es bei der Korruptionsbekämpfung nur geringe Fortschritte (USDOS 20.4.2018). Seit ihrer Einrichtung im Jahr 2011 wurde die Ethics and Anti-Corruption Commission (EACC) willkürlich geschwächt und desavouiert (BS 2018). Sowohl die EACC als auch das Office of the Director of Public Prosecutions (ODPP) sind unterfinanziert (USDOS 20.4.2018). Der EACC fehlen Strafverfolgungsbefugnisse (FH 2018). Das Problem der Straflosigkeit in Korruptionsfällen konnte nicht gelöst werden (BS 2018). Folglich stellt Straflosigkeit weiterhin ein Problem dar, und so auch die Korruption innerhalb der Polizei (USDOS 20.4.2018). Diese zählt zu den korruptesten Behörden des Landes (GIZ 6.2017a). Selbst gegen die Anti-Korruptionsinstitutionen EACC und ODPP bestehen Korruptionsvorwürfe. Dabei ist insgesamt Bestechung das üblichste Korruptionsmittel. Bei einer Umfrage gaben 38 Prozent der Befragten an, im Jahr 2016 Bestechungsgeld bezahlt zu haben (USDOS 20.4.2018). Die zunehmende Korruption ist für die Bevölkerung auch eine Quelle für Frustration und Zorn. Demonstrationen und Streiks waren die Folge (BS 2018).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

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TI - Transparency International (21.2.2018): CPI - Corruption Perceptions Index 2017,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 17.7.2018

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USDOS - US Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1437564.html, Zugriff 16.7.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

In Kenia sind mehr als 10.000 NGOs aktiv (AA 1.2017a). Es gibt traditionell eine sehr lebendige Szene von nationalen NGOs und Gruppen, die sich thematisch vor allem um Fragen der Demokratie, Korruption, Frauenrechte und Menschenrechte kümmern, gefolgt von Umweltschutz oder kulturellen Anliegen. Viele dieser Organisationen gelten als Wegbereiter der Demokratisierung, die in den Mehrparteienwahlen von 2002 ihren Ausdruck fand (GIZ 6.2017a). Inländische und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiteten im Allgemeinen ohne staatliche Beschränkung, obwohl einige Gruppen berichteten, dass sie im Laufe des Jahres 2017 zunehmend staatliche Schikanen erlebt haben. Beamte sind manchmal kooperativ, aber die Regierung ignoriert Empfehlungen von Menschenrechtsgruppen, wenn diese sich gegen ihre Politik richtet. V.a. weniger etablierte NGOs in ländlichen Gebieten berichten, dass sie von lokalen Behördenmitarbeitern oder Polizisten schikaniert oder bedroht werden (USDOS 20.4.2018). Die Behörden bedienen sich rechtlicher und administrativer Maßnahmen, um die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich mit Menschenrechten und Regierungsführung beschäftigten, zu behindern (AI 23.5.2018). Menschenrechtsaktivisten, die sich sehr exponieren, werden bis zu einem gewissen Grad als gefährdet eingeschätzt (ÖB 20.12.2016).

Die (rechtlichen) Versuche der Regierung, Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen einzuschränken, waren bisher allerdings erfolglos (BS 2018). Im Mai 2017 entschied das Hohe Gericht in Nairobi, dass die Regierung das Gesetz über gemeinnützige Organisationen von 2013 (Public Benefit Organization [PBO] Act 2013) veröffentlichen müsse. Sollte das Gesetz Rechtskraft erlangen, könnte es die Arbeitsbedingungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und NGOs verbessern (AI 23.5.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

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AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (20.12.2016): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation ist vergleichsweise gut. Die Verfassung enthält einen Grundrechtekatalog (Bill of Rights), seine Verwirklichung in der Praxis bleibt gleichwohl eine Herausforderung. Wichtigste Menschenrechtsthemen bleiben Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsorgane und gewaltsame Zusammenstöße zwischen einzelnen Ethnien (AA 1.2017a). Seitens der Sicherheitskräfte kommt es zu willkürlichen und ungesetzlichen Tötungen, zu Folter, zur Anwendung exzessiver Gewalt und zu willkürlichen Verhaftungen. Meist herrscht hierbei Straffreiheit (USDOS 20.4.2018; vgl. BS 2018). Unverhältnismäßige Gewalt, mit der die Polizei nach den Wahlen im August und im Oktober 2017 gegen Protestierende vorging, führte zum Tod zahlreicher Menschen (AI 23.5.2018), alleine in den Wochen vor der Wahlwiederholung sollen bei - teils gewalttätigen - Demonstrationen in Nairobi und Kisumu dutzende Menschen von der Polizei getötet worden sein (FH 2018).

Gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Mob-Gewalt ist üblich und führt zu zahlreichen Todesopfern. Grund dafür ist ein Vertrauensmangel gegenüber Polizei und Justiz. Die Polizei ist in zahlreichen Fällen nicht in der Lage, Schutz vor Mob-Gewalt zu bieten. In manchen Fällen greift sie schützend ein (USDOS 20.4.2018).

Mit der Kenya National Commission on Human Rights (KNCHR), deren Rolle in der neuen Verfassung verankert ist, verfügt Kenia über eine aktive, unabhängige staatliche Organisation zur Überwachung der Menschenrechte (AA 1.2017a; vgl. USDOS 20.4.2018). Die bereits während des Moi-Regimes sehr aktive (NGO) Kenya Human Rights Commission versteht sich als Anwalt der Rechtlosen gegenüber staatlicher Willkür. Hervorzuheben ist auch People against Torture (PAT), welche Folteropfer vertritt (GIZ 6.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

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AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018 - Kenya, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/kenya, Zugriff 16.7.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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