TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/14 W117 2219995-1

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Veröffentlicht am 14.06.2019
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Entscheidungsdatum

14.06.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2a
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35

Spruch

W117 2219995-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, dieser vertreten durch Mag. Antoniya Petrov, gegen den Schubhaftbescheid vom 09.06.2019, Zahl: 1191103903 - 190580157 / BMI-BFA_WIEN_RD und die die Anhaltung in Schubhaft seit 09.06.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF, §76 Abs. 2a FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde zur beabsichtigten Schubhaftanordnung am 09.06.2019 niederschriftlich einvernommen; diese Einvernahme gestaltete sich - entscheidungswesentlich - wie folgt:

"(...)

F: Verstehen Sie den Dolmetsch.

A: Ja.

F: Sind sie gesund genug, um der Einvernahme folgen zu können.

A: Ja.

F: Werden Sie rechtsfreundlich vertreten.

A: Nein.

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.

Sie wurden am 07.06.2019 nach Entlassung aus der Strafhaft gemäß §34 Abs. 3 Z3 BFA- VG festgenommen und wurde Ihre Abschiebung nach Algerien für den 08.09.2019 vorbereitet.

Aufgrund Ihres unkooperativen Verhaltens (auf den Boden fallen lassen, herumschreien)

wurde die Abschiebung abgebrochen und wurden Sie in das PAZ HG überstellt.

Bereits im September 2018 haben Sie eine Abschiebung vereitelt, da Sie untergetaucht waren.

F: Was sagen Sie dazu.

A: Was soll ich schon sagen

F: Warum sind Sie Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

A: Mein Leben wäre dort in Gefahr, deshalb habe ich die Abschiebung vereitelt.

Anmerkung: Ihr Asylverfahren wurde rechtskräftig in der zweiten Instanz negativ entschieden.

A: Gibt es eine Lösung

Anmerkung: Partei wir noch einmal hingewiesen, dass die Entscheidung rechtskräftig in der zweiten Instanz negativ entschieden.

F: Wie lautet Ihr Familienstand.

A: Ledig.

F: Wo nehmen Sie Unterkunft

A: Bei Freunden in der Alser Straße in einer WG, die ist beim Elterleinplatz.

F: Leben Angehörige von Ihnen in Österreich.

A: Nein.

F: Haben Sie Effekte einzuholen

A: Nein. Ich habe alles hier.

Es wird Ihnen mitgeteilt, dass gegen Sie die Schubhaft gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung verhängt wird und Sie mit nächstmöglichem Termin in Ihre Heimat abgeschoben werden und Sie bis dahin in Haft verbleiben.

Sie verhalten sich unkooperativ, sind nicht aufrecht gemeldet und haben bereits die zweite Abschiebung vereitelt.

Fluchtgefahr liegt bei Ihnen begründet vor.

Der Schubbescheid wird Ihnen persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.

Es wird mir mitgeteilt, dass von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation verständig werden wird.

Es wird mir eine Organisation zugewiesen und erfolgt eine Verständigung in schriftlicher Form, welche Organisation mich kontaktieren wird.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG haben Sie das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, sofern Sie nach diesem Bundesgebiet festgenommen wurden, unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten werden oder wurden oder wenn gegen Sie die Schubhaft gemäß dem 8.Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Gemäß § 82 FPG haben Sie das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn Sie nach diesem Bundesgesetz festgenommen wurden oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wurden.

F: Haben Sie den Inhalt der Niederschrift verstanden.

A: Ja.

F: Haben Sie noch etwas zu sagen.

A: Was kann ich gegen die Abschiebung unternehmen.

Anmerkung: Partei wird erneut darauf hingewiesen, dass das Asylverfahren abgeschlossen ist.

(...)"

Mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 09.06.2019, Zahl: 1191103903 - 190580157 / BMI-BFA_WIEN_RD, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 09.06.2019 in Schubhaft.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

(...)

Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger, somit Fremder.

Sie sind algerischer Staatsbürger, somit Drittstaatangehöriger

Ihre Identität steht fest.

Sie sind am XXXX geboren und somit volljährig.

Sie sind gesund und haftfähig.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.

Sie wurden am 07.09.2019 nach Entlassung aus der Strafhaft gemäß §34 Abs. 3 Z3 BFA- VG festgenommen und wurde Ihre Abschiebung nach Algerien für den 08.09.2019 vorbereitet.

Aufgrund Ihres unkooperativen Verhaltens (auf den Boden fallen lassen, herumschreien)

Wurde die Abschiebung abgebrochen und wurden Sie in das PAZ HG überstellt.

Bereits im September 2018 haben Sie eine Abschiebung vereitelt, da Sie untergetaucht waren.

Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie halten sich aufgrund Ihrer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf

Sie sind nicht aufrecht gemeldet und konnte keine genaueren Angaben machen, wo Sie wohnen.

Weiters haben Sie bereits zwei Abschiebungen, eine durch Untertauchen und eine durch unkooperatives Verhalten vereitelt.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie Ihrer Ausreiseverpflichtung trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht nachkamen und bereits die zweite Abschiebung vereitelt haben.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind ledig haben keine Kinder und keine Angehörigen in Österreich.

Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

Eine Integration in Österreich besteht in keinster Form

Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 1191103903, sowie aus Ihrer Einvernahme am 09.06.2019

Dass Sie gesund und haftfähig sind, ergibt sich aus Ihren gleichlautenden Angaben. Zudem wurde durch den Amtsarzt Ihre Haftfähigkeit festgestellt.

Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Aufenthalts und Ihrer rechtlichen Position in Österreich ergeben sich zwingend aus dem bisherigen Ermittlungsverfahren und den entsprechenden rechtlichen Bestimmungen im FPG, AsylG und SGK/SDÜ.

Dass Sie sich rechtswidrig in Österreich aufhalten, ist anhand des unbestreitbaren Akteninhalts nachgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

(...)

In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

(...)

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr: Kriterien: 1, 9

Sie halten sich aufgrund Ihrer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf.

Sie haben bereits die zweite Abschiebung vereitelt.

Eine Fluchtgefahr liegt somit begründet vor.

Sie halten sich aufgrund Ihrer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf

Sie sind nicht aufrecht gemeldet und konnte keine genaueren Angaben machen, wo Sie wohnen.

Weiters haben Sie bereits zwei Abschiebungen, eine durch Untertauchen und eine durch unkooperativers Verhalten vereitelt.

Sie sind somit für die ha. Behörde nicht greifbar, und nicht gewillt, Ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

(...)

Die Schubhaft ist somit als verhältnismäßig anzusehen.

Die Sicherung der Abschiebung ist erforderlich, da aufgrund Ihres Verhaltens anzunehmen ist, dass Sie sich erneut der Abschiebung entziehen werden.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation und aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt, zumal Sie sich bereits im September 2018 der Abschiebung durch Untertauchen entzogen haben.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig,

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Wie bereits mehrmals erwähnt sind Sie nicht aufrecht gemeldet und konnten keine genaueren Angaben machen, wo Sie wohnen.

(...)

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Sie sind strafrechtlich nicht. Unbescholten und wurden am 01.04.2019 rechtsfräftig gemäß § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, 6 Monate bedingt verurteilt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie gaben bei der Niederschrift vom 09.09.2019 an, das Bundesgebiet nicht verlassen zu wollen.

Wie bereits mehrmals erwähnt sind Sie nicht aufrecht gemeldet und konnten keine genaueren Angaben machen, wo Sie wohnen.

Weiters haben Sie bereits zwei Abschiebungen, eine durch Untertauchen und eine durch unkooperativers Verhalten vereitelt.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie gaben bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme an, dass es Ihnen gut geht und Sie keine Beschwerden haben.

Sie werden im PAZ medizinisch betreut und kann Ihnen bei Problemen jederzeit von dort geholfen werden.

Es konnten keine Umstände festgestellt oder von Ihnen behauptet werden, die eine Haftfähigkeit in Frage stellen würden.

Es liegen keine Gründe einer Haftunfähigkeit vor.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, zur Zahl: 1191103903/190580157, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung.

Begründend führte er aus:

"(...)

Die Beschwerde wird im Einzelnen wie folgt begründet:

l. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) ist algerischer Staatsangehöriger- Er reiste am 16.05.2018 legal mit einem Visum in das österreichische Bundesgebiet Am 28.5.2018 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis vom 20.08.2018 in II, Instanz abgewiesen wurde-

Il. Mangel an den Voraussetzungen für die Verhängung von Schubhaft:

Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist gem. §76 Abs 2 Z 2 FPG nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig.

Art 3 Z 7 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) definiert Fluchtgefahr als Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und der Annahme Anlass geben, dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten-

Schubhaft darf nie als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern oder Fremden angewendet werden, weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2017, 2006/21/0239).

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die fehlende Ausreisewilligkeit des BF für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht rechtfertigen kann-

Die Schubhaft ist außerdem unverhältnismäßig: So ist davon auszugehen das der Sicherungszweck auch durch die Verhängung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

Der BF gab im Rahmen der Rechtsberatung an, dass er bis zum Abschiebetermin an der folgenden Adresse aufhalten kann:

Zohmanngasse 28, 1 100 Wien

Tel. 01/929242424

Verein Ute Bock

Aus diesen Gründen gibt der BF an, dass die Voraussetzungen für die Verhängung einer Schubhaft nicht gegeben sind und stellt die

ANTRÄGE

das Bundesverwaltungsgericht möge

1. den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt ist;

2. in eventu ein gelinderes Mittel anordnen;

3. eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen."

Mit der Beschwerdevorlage vom 13.06.2019 gab das BFA folgende Stellungnahme ab:

"(...)

Zu den einzelnen Punkten in der Beschwerde wird Folgendes ausgeführt:

Ad II Mangel an Voraussetzungen für die Verhängung von Schubhaft:

(...)

In concreto geht aber die erkennende Behörde im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Dies insbesondere, weil gegen den BF eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot besteht, der BF nicht bereit war, aus Eigenem nach Algerien zurückzukehren und auch in einer Einvernahme am 09.06.2019 mehrfach angegeben hat, nicht ausreisewillig zu sein:

• F: Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot. Sie wurden am 07.06.2019 nach Entlassung aus der Strafhaft gemäß §34 Abs 3 Z3 BFA- VG festgenommen und wurde Ihre Abschiebung nach Algerien für den 08.09.2019 vorbereitet. Aufgrund Ihres unkooperativen Verhaltens (auf den Boden fallen lassen, herumschreien) wurde die Abschiebung abgebrochen und wurden Sie in das PAZ HG überstellt. Bereits im September 2018 haben Sie eine Abschiebung vereitelt, da Sie untergetaucht waren. Was sagen Sie dazu? A: Was soll ich schon sagen

• F: Warum sind Sie Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen?

A: Mein Leben wäre dort in Gefahr, deshalb habe ich die Abschiebung vereitelt.

• Anmerkung: Ihr Asylverfahren wurde rechtskräftig in der zweiten Instanz negativ entschieden.

A: Gibt es eine Lösung?

• F: Haben Sie noch etwas zu sagen?

A: Was kann ich gegen die Abschiebung unternehmen.

Außerdem hat er sich der Abschiebung bereits zwei Mal entzogen:

Der Bf sollte am 08.06.2019 um 15:40 via Flugzeug nach Algier abgeschoben werden. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug, mit welchem er zum Flugzeug gebracht wurde, ließ er sich zu

Boden fallen und fing an zu schreien und wurden ihm daher zwei Bandschlaufen (Hände und

Füße) angelegt. Dabei zappelte er herum und schrie lauthals. Nach zwischenzeitlicher Rücksprache seitens Escort-Leader mit dem Piloten verfügte dieser einen Abbruch.

Aufgrund dieses unkooperativen Verhaltens wurde die Abschiebung abgebrochen und der Bf wurde in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Bereits im September 2018 vereitelte er eine Abschiebung, da er untergetaucht war.

Somit ist auf Grund des bisher gezeigten persönlichen Verhaltens des BF und der damit verbundenen stark geschmälerten Vertrauenswürdigkeit seiner Person davon auszugehen, dass er sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch unkooperativen Verhalten oder Untertauchen entziehen werde, zumal er dies bereits gemacht hat.

Die stark geschmälerte Vertrauenswürdigkeit begründet sich im Detail wie folgt:

• Der Bf hält sich aufgrund seiner rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht mehr rechtmäßig in Österreich auf

• Der Bf ist nicht aufrecht gemeldet und konnte keine genaueren Angaben machen, wo er wohnt.

• Er hat bereits zwei Abschiebungen, eine durch Untertauchen und eine durch unkooperativers Verhalten, vereitelt.

• Der Fremde kam in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt, wofür er rechtskräftig verurteilt wurde. Er wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien unter der Zahl 064 HV 42/2019t vom 29.03.2019, RK 01.04.2019, wegen §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, davon 6 Monate bedingt verurteilt.

Diese Straftaten werden von der belangten Behörde deshalb als sehr schwerwiegend erachtet, da sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiert.

(...)

Somit ist nach Ansicht der erkennenden Behörde im Gegensatz zur Beschwerde die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme sehr wohl gegeben. Denn betrachtet man die Interessen seiner Person an den Rechten der persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass er über keine nennenswerten Kontakte im Inland verfügt, die hier wesentlich ins Gewicht fallen. Des Weiteren stellt sich dar, dass der Bf Straftäter ist und daher diesbezüglich ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit besteht, den BF gesichert und verlässlich außer Landes zu bringen. (ua BVwG W186 2212129-1/4E vom 10.09.2019)

(...)

Dass der BF sich aber dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren werden wird, kann die erkennende Behörde schon deshalb mit Recht annehmen, weil er sich geraume Zeit unerlaubt in Österreich aufgehalten und nachweislich gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen hat. (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0491, zur Rechtslage nach dem FrG 1992, zitiert in VwGH 2002/02/0138, wo schon der Verdacht gegen das SMG verstoßen zu haben ausreichend war).

Somit ist auf jeden Fall von einer Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft auszugehen zumal die Bemühungen des BFA, eine baldige Abschiebung durchführen zu können, durch den für den 26.06.2019 anberaumten Abschiebetermin deutlich hervorkommt.

Ad pagina 2 zur Nichtanwendung eines gelinderen Mittels wurde insgesamt seitens des Bundesamtes berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima ratio - Maßnahme darstellt. (...)

Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation des BF schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme beim Verein Ute Bock, wie in der Beschwerde moniert, oder in bestimmten Räumlichkeiten und auch was die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in diesem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden da dem Fremden von Seiten der Behörde insbesondere aufgrund seiner Straffälligkeit und der mehrfachen Vereitelung einer Abschiebung, jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden muss.

(...)

Die Behörde gelangt zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

(...)

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde € 57,40

Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde € 368,80

Summe € 426,20"

Die Verwaltungsbehörde gab (auch noch) mit Email vom 13.06.2019 und entsprechender Vorlage der "Airline notification" den Termin der Abschiebung - Ende Juni - bekannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

Feststellungen:

Der von der Verwaltungsbehörde im angeführten Schubhaftbescheid, vom 09.06.2019, Zahl: 1191103903 - 190580157 / BMI-BFA_WIEN_RD, zugrunde gelegten Sachverhalt, welcher im Rahmen obigen Verfahrensganges zitiert wurde, wird zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer wird Ende Juni nach Algerien abgeschoben - der Abschiebetermin wurde mit Ende Juni terminisiert.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen - die angeführten Sachverhaltsparameter sind unzweifelhaft der Aktenlage zu entnehmen.

Die Beschwerde geht eigentlich völlig am Thema vorbei und ist bloß formelhaft ausgeführt:

Auf der Ebene des Sachverhaltes führt die Beschwerde lediglich die legale Einreise per Visum und den negativen Abschluss des Asylverfahrens an - keinerlei Erwähnung oder gar Auseinandersetzung mit der Straffälligkeit und im Besonderen mit der zweimaligen Vereitelung von Abschiebversuchen.

Gerade im letzteren Zusammenhang erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit der bloß stereotypen Beschwerdebehauptung "Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die fehlende Ausreisewilligkeit des BF für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht rechtfertigen kann".

Da sich die Beschwerde nicht wirklich auch nur in Ansätzen substantiiert gegen die Schubhaftanordnung und Anhaltung in Schubhaft wendet, bleibt auch die weitere Beschwerdebehauptung/-schlussfolgerung "Die Schubhaft ist außerdem unverhältnismäßig: So ist davon auszugehen das der Sicherungszweck auch durch die Verhängung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann" alleine ohne Bezug zum gegenständlichen Fall im Raum stehen.

Die Verwaltungsbehörde hat ein einwandfreies Verfahren geführt - unter anderem wurde der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Schubhaftanordnung einvernommen und ihm zu den Fluchtgefahr begründenden Sachverhaltselementen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu beziehen.

Dass die Verwaltungsbehörde dann in der Folge nach den (in der Schubhafteinvernahme) gegebenen Antworten - siehe obige Zitierungen - insbesondere nach der Schlussantwort des Beschwerdeführers

A: Was kann ich gegen die Abschiebung unternehmen.

im Hinblick auf zwei vom Beschwerdeführer vereitelte Abschiebungen die Schubhaft anordnete, war geradezu gesetzlich zwingend geboten.

Die ergänzende Feststellung im Zusammenhang mit der Terminierung des Abschiebetermins ergibt sich aus dem angeführten Email inklusive vorgelegter "Airline notification".

Da der Sachverhalt auf der Grundlage der Aktenlage und der unsubstantiierten Beschwerde als geklärt anzusehen war, konnte eine Verhandlung entfallen.

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung in Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum konkreten Sicherungsbedarf, an deren Maßgeblichkeit das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015, wie unzweifelhaft den diesbezüglichen Materialien zu entnehmen ist, nichts änderte, sind dabei das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Auch der rechtlichen Beurteilung der Verwaltungsbehörde - siehe obige Zitierung - war nicht einmal ansatzweise entgegenzutreten:

Gemessen also an §76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 3 Z 1 vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen des Sachverhaltes herausgeschälten, und zwar

* zweimalige Vereitelung geplanter Abschiebungen;

* mangelnder Verfügbarkeit im Zusammenhang mit fehlender polizeilicher Meldung;

den zwingenden Schluss aufdrängten, dass "der Fremde (...) die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert".

Auch aus der

* fehlenden Wohn- und Familiensituation, im Zusammenhang mit

* der vorliegenden Straffälligkeit - besonders gemeinschaftsschädigende Drogenkriminalität -

muss gleichfalls geschlossen werden, dass bezüglich der Person des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Damit ist jedenfalls auch aktuell § 76 Abs. 3 Z 9 FPG als erfüllt anzusehen.

Unter dem Aspekt des § 76 Abs. 2a FPG war die bisherige Anhaltung in Schubhaft in Bezug auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers auch als verhältnismäßig anzusehen; ebenso auch im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer, wobei in diesem Zusammenhang wiederum auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers - Vereitelung zweier Abschiebungen - hinzuweisen ist. Da sich im Übrigen die bisherige Anhaltung im unteren gesetzlichen Bereich bewegte, war sie jedenfalls auch in zeitlicher Hinsicht als verhältnismäßig einzustufen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

§ 77 FPG:

(1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. [...]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Vor dem Hintergrund des Bestehens erheblicher Fluchtgefahr hatte bereits die Verwaltungsbehörde auch zu Recht zu keinem Zeitpunkt ein gelinderes Mittel angewendet.

Auch die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sind lediglich floskelartig und lassen den Bezug zum konkreten Fall vermissen:

"Schubhaft darf nie als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern oder Fremden angewendet werden, weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2017, 2006/21/0239).

Die Schubhaft ist außerdem unverhältnismäßig: So ist davon auszugehen das der Sicherungszweck auch durch die Verhängung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann."

Der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid und die darauf aufbauende Anhaltung stellen sich als rechtmäßig dar und war die Beschwerde abzuweisen.

Zu Spruchpunkt A) II. (Fortsetzung der Anhaltung):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verhandlung (in Schubhaft) angehalten wurde, war auch über die Fortsetzung der Anhaltung abzusprechen.

Die Bestimmung des §22a Abs. 3 BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Das soeben zu Spruchpunkt I. Gesagte gilt auch für den Ausspruch der Fortsetzung der Schubhaft.

Da dem Beschwerdeführer nunmehr bekannt ist, dass er Ende Juni abgeschoben wird, ist im Hinblick auf sein bereits bisher gezeigtes Verhalten die Gefahr des Untertauchens als weiter vergrößert anzusehen - der Beschwerdeführer würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch diesen Abschiebeversuch, wie bereits bisher, vereiteln, da nicht einmal ansatzweise eine Kooperationsbereitschaft festzustellen war.

Zu Spruchpunkt A) III. (Kostenbegehren):

In der Frage des Kostenanspruches - nur die Verwaltungsbehörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22 (1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:

§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind § 35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

In diesem Sinne war der Verwaltungsbehörde Kostenersatz im Umfang des § 1 Z 3 und Z 4 VwG-Aufwandersatzverordnung, also in der Höhe von € 426,20 zuzusprechen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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