TE Vfgh Erkenntnis 2007/9/25 B821/06

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

StGG Art5
ÄrzteG 1998 §109 Abs5 idF BGBl I 179/2004 und BGBl I 156/2005
BeitragsO des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung einesSäumniszuschlages zu den Wohlfahrtsfondsbeiträgen der Ärztekammerwegen Pflichtverletzung mangels einer - sowohl im Zeitraum derEntstehung der Beitragspflicht als auch im Zeitpunkt derBescheiderlassung vorhandenen - Rechtsgrundlage

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Innere Medizin und ist als Angehöriger der Ärztekammer für Wien nach §6 iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig.

2. Mit gesonderten Bescheiden hat der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die vom Beschwerdeführer zu zahlenden Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 1998 bis 2002 inklusive eines Säumniszuschlages festgesetzt. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 1. März 2006 in einem abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet, durch diesen insbesondere in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums als auch Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden zu sein.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Zur Rechtslage:

1. Mit §109 Abs5 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998), BGBl. I 169/1998 idF BGBl. I 179/2004 (Gesundheitsreformgesetz 2005), wurde erstmals der Verordnungsgeber ermächtigt, in der Beitragsordnung, in jenen Fällen, in denen der Verpflichtung zur Bekanntgabe der für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben nicht zeitgerecht entsprochen wurde, die Vorschreibung eines - 10 % des festzusetzenden Wohlfahrtsfondsbeitrages nicht übersteigenden - Säumniszuschlages vorsehen zu können. Diese Regelung trat am 31. Dezember 2004 in Kraft; durch die 7. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I 156/2005, wurde die Möglichkeit zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages jedoch mit 1. Jänner 2006 beseitigt. Eine gesetzliche Grundlage für die Festlegung eines Säumniszuschlages durch den Verordnungsgeber bietet §109 Abs5 ÄrzteG 1998 sohin lediglich in der Zeit vom 31. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2005.

Mit Beschluss der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 21. Juni 2005, kundgemacht in "doktorinwien" 10/2005, wurde - auf Grundlage des §195 Abs5 ÄrzteG 1998 rückwirkend mit 1. Jänner 2005 - die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds dahingehend geändert, dass "für zu schätzende Fondsbeiträge ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 v.H. des aushaftenden Beitrages verrechnet wird". Eine Vorschreibung eines Säumniszuschlages ist jedoch aufgrund der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in ihrer Sitzung vom 27. Juni 2006 beschlossenen Änderungen, kundgemacht in "doktorinwien" 7-8/07, rückwirkend seit 1. Jänner 2006 nicht mehr möglich.

Sohin existiert lediglich für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2005 eine Grundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages im ÄrzteG 1998 als auch in der Beitragsordnung.

2. §75 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), BGBl. 373/1984 idF BGBl. 100/1994 (aufgehoben durch BGBl. I 169/1998), lautete:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§75.

(1) bis (4) ...

(5) Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben die Kammerbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Schillingbeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist. Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Kammerbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben den Ärztekammern über deren Verlangen zur Überprüfung der Berechnung der Kammerbeiträge im Einzelfall das arztbezogene Kassenhonorar, die arztbezogenen Fallzahlen sowie eine Aufschlüsselung des Bruttoumsatzes eines Arztes nach den jeweiligen Einzelleistungen zu übermitteln. Eine Übermittlung dieser Daten durch die Ärztekammern ist unzulässig. Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Kammerbeiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen. Wenn dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung. Diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Kammerbeiträge bedeutsamen Umstände vorzunehmen.

(6) bis (7) ..."

2.1. §109 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I 169/1998 lautete:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§109.

(1) bis (4) ...

(5) Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben die Wohlfahrtsfondsbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Schillingbeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie personenbezogen längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist. Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben den Ärztekammern über deren Verlangen zur Überprüfung der Berechnung der Wohlfahrtsfondsbeiträge im Einzelfall das arztbezogene Kassenhonorar, die arztbezogenen Fallzahlen sowie eine Aufschlüsselung des Bruttoumsatzes eines Arztes nach den jeweiligen Einzelleistungen zu übermitteln. Eine Übermittlung dieser Daten durch die Ärztekammern an Dritte ist unzulässig. Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen. Wenn dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung. Diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Wohlfahrtsfondsbeiträge bedeutsamen Umstände vorzunehmen.

(6) bis (7) ..."

2.2. Mit BGBl. I 110/2001 wurde §109 Abs5 erster Satz ÄrzteG 1998 wie folgt geändert:

"Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben die Wohlfahrtsfondsbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Eurobeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie personenbezogen längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist."

2.3. Mit BGBl. I 179/2004 wurde §109 Abs5 ÄrzteG 1998 folgender Satz angefügt:

"Für diesen Fall kann die Beitragsordnung die Zahlung eines einmaligen Säumniszuschlages, der 10 vH des festzusetzenden Wohlfahrtsfondsbeitrages nicht übersteigen darf und bei dessen Festsetzung alle bedeutsamen Umstände, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kammerangehörigen, zu berücksichtigen sind, vorsehen."

2.4. §109 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I 156/2005 (In-Kraft-Treten am 1. Jänner 2006) lautet:

"§109.

(1) bis (4) ...

(5) Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeeinrichtungen haben die Wohlfahrtsfondsbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Eurobeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie personenbezogen längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist. Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeeinrichtungen bei Vertragsärzten oder Vertragszahnärzten, vorzusehen. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeeinrichtungen haben den Ärztekammern über deren Verlangen zur Überprüfung der Berechnung der Wohlfahrtsfondsbeiträge im Einzelfall das arzt- oder zahnarztbezogene Kassenhonorar, die arzt- oder zahnarztbezogenen Fallzahlen sowie eine Aufschlüsselung des Bruttoumsatzes eines Arztes oder Zahnarztes nach den jeweiligen Einzelleistungen zu übermitteln. Eine Übermittlung dieser Daten durch die Ärztekammern an Dritte ist unzulässig. Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen vorsehen, dass die Kammerangehörigen verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen.

(6) bis (9) ..."

2.5. §195 ÄrzteG 1998 idgF lautet:

"4. Hauptstück

Aufsichtsrecht

§195.

(1) bis (4) ...

(5) Bestimmungen der Beitragsordnung oder der Satzung des Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer treten ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die damit verbundenen Beitrags- und Leistungsverpflichtungen mit dem von der Vollversammlung bestimmten Zeitpunkt, der jedoch nicht vor dem 1. Jänner des drittvorangegangenen Kalenderjahres liegen darf, in Kraft.

(6) bis (10) ..."

3. Mit Beschluss der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 26. September 2000 wurde folgender für das Jahr 1998 geltender Abschnitt IV der Beitragsordnung - kundgemacht in "doktorinwien" vom Juni 2001 - beschlossen:

"IV. Verfahren

(1) bis (4) ...

(5) Zum Zwecke der endgültigen Festsetzung des Fondsbeitrages sind die ordentlichen Fondsmitglieder verpflichtet falls nicht Abs8a zur Anwendung kommt, die von der Kammer zugesandte Beitragserklärung über die Bemessungsgrundlage gemäß Abschnitt I Abs2-4 und 7 vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Zusendung der Unterlagen an das Fondsmitglied hat bis spätestens 31. März des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen, die Vorlage der Unterlagen durch das Fondsmitglied hat bis spätestens 15. Juni des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen. Als Bemessungsgrundlage wird das Einkommen des dem laufenden Jahr drittvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen, die Zahlen des drittvorangegangenen Kalenderjahres sind in der Erklärung anzugeben. Der Erklärung sind, soweit zutreffend, der (die) Lohnzettel und der Einkommensteuerbescheid, jeweils des drittvorangegangenen Jahres, in Ablichtung beizuschließen. Erforderlichenfalls kann die Ärztekammer die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen.

(6) Bei erstmaliger Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit erfolgt die endgültige Festsetzung des Fondsbeitrages für die ersten drei Jahre, sobald die erforderlichen Nachweise für das jeweilige Jahr beigebracht werden können. Die Vorlage hat unaufgefordert zu erfolgen.

(7) Wird der Verpflichtung gemäß Abs5 oder 6 nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen, erfolgt die Beitragsvorschreibung nach Vornahme einer Schätzung der aus ärztlicher Tätigkeit erzielten Einkünfte des Beitragspflichtigen. Sind die gemäß §75 Abs5 letzter Satz ÄrzteG 1984 für die Errechnung der Fondsbeiträge bedeutsamen Umstände nicht ermittelbar, ist der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Beitragsvorschreibung darf unter Bedachtnahme auf §75 Abs3 ÄrzteG 1984 diesen Höchstbeitrag nicht überschreiten.

(8) Die Vorlageverpflichtung gemäß Abs5 besteht nicht, wenn durch Einbehalte gemäß Abs1-3 der Höchstbeitrag (Abschnitt I Abs5) erreicht oder überschritten wird bzw. sich das Fondsmitglied zur Zahlung des Höchstbeitrages verpflichtet.

(8a) ...

(9) Nach Ablauf des Beitragsjahres ist der endgültige Fondsbeitrag bis 30.4. des dem Beitragsjahr folgenden Jahres festzusetzen und dem Fondsmitglied mitzuteilen. ...

(10) bis (11) ..."

3.1. Aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 14. Dezember 1999, kundgemacht im "Wiener Arzt" 7/8a vom Juli 2000, wurde folgender mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft tretende Abschnitt IV der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien erlassen:

"IV. Verfahren

(1) bis (4) ...

(5) Zum Zwecke der endgültigen Festsetzung des Fondsbeitrages sind die ordentlichen Fondsmitglieder verpflichtet, falls nicht Abs8a zur Anwendung kommt, die von der Kammer zugesandte Beitragserklärung über die Bemessungsgrundlage gemäß Abschnitt I Abs2-4 und 7 vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Zusendung der Unterlagen an das Fondsmitglied hat bis spätestens 31. März des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen, die Vorlage der Unterlagen durch das Fondsmitglied hat bis spätestens 15. Juni des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen. Als Bemessungsgrundlage wird das Einkommen des dem laufenden Jahr drittvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen, die Zahlen des drittvorangegangenen Kalenderjahres sind in der Erklärung anzugeben. Der Erklärung sind, soweit zutreffend, der (die) Lohnzettel und der Einkommensteuerbescheid, jeweils des drittvorangegangenen Jahres, in Ablichtung beizuschließen. Erforderlichenfalls kann die Ärztekammer die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen.

(6) Bei erstmaliger Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit erfolgt die endgültige Festsetzung des Fondsbeitrages für die ersten drei Jahre, sobald die erforderlichen Nachweise für das jeweilige Jahr beigebracht werden können. Die Vorlage hat unaufgefordert zu erfolgen.

(7) Sind die gemäß §109 Abs5 letzter Satz ÄG für die Errechnung der Fondsbeiträge bedeutsamen Umstände nicht ermittelbar, ist der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Beitragsvorschreibung darf unter Bedachtnahme auf §109 Abs3 ÄG diesen Höchstbeitrag nicht überschreiten.

(8) Die Vorlageverpflichtung gemäß Abs5 besteht nicht, wenn durch Einbehalte gemäß Abs1-3 der Höchstbeitrag (Abschnitt I Abs5) erreicht oder überschritten wird bzw. sich das Fondsmitglied zur Zahlung des Höchstbeitrages verpflichtet.

(8a) ...

(9) Nach Ablauf des Beitragsjahres ist der endgültige Fondsbeitrag bis 30. April des dem Beitragsjahr folgenden Jahres festzusetzen und dem Fondsmitglied mitzuteilen. ...

(10) bis (11) ..."

3.2. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat in ihrer Sitzung vom 21. Juni 2005 folgende - in "doktorinwien" 10/2005 kundgemachte - Änderungen der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Abschnitt IV sind rückwirkend mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten.

"Artikel 1

1. bis 3. ...

4. In Abschnitt IV Abs7 erster Satz wird das Wort 'ärztlich' durch das Wort 'ärztlicher' ersetzt.

5. In Abschnitt IV Abs7 wird folgender Satz angefügt:

'Für zu schätzende Fondsbeiträge wird ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 v.H. des aushaftenden Beitrages verrechnet.'

6. bis 9. ..."

3.3. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat in ihrer Sitzung vom 27. Juni 2006 Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung, kundgemacht in "doktorinwien" 7-8/07, rückwirkend mit 1. Jänner 2006, neu gefasst:

"(7) Wird der Verpflichtung gemäß Abs5 oder 6 trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessenen gesetzten Nachfrist nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen, ist bis zur Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten hat innerhalb der Rechtsmittelfrist des Bescheides mit dem der Höchstbeitrag vorgeschrieben wurde zu erfolgen, widrigenfalls sie keine Berücksichtigung finden."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. März 2006 werden Beschwerden gegen die Festsetzung der Fondsbeiträge für die Jahre 1998 bis einschließlich 2002 und die Erhöhung des jeweiligen Beitragsrückstandes um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10 % abgewiesen.

Der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hält in der Begründung des Bescheides fest, dass es sich bei dem Säumniszuschlag "nicht um eine Folge der Säumigkeit mit der Zahlung, wie etwa Verzugszinsen, sondern um eine Sanktion des Verstoßes gegen die Meldepflichten" handelt.

Demgemäß geht auch der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass durch den "Säumniszuschlag" eine öffentlich-rechtliche Belastung eigener Art für einen bestimmten Zeitraum geschaffen werden sollte, um die Folgen mangelnder Pflichterfüllung zu sanktionieren.

In der vorliegenden Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet.

2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Ein derartiger in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist der Behörde jedoch bei Erlassung des Bescheides vorzuwerfen:

Wenn die Behörde davon ausgeht, dass die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 1998 bis 2002 zulässig wäre, übersieht sie, dass keine Grundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlages für den in Betracht kommenden Zeitraum, nämlich für die Jahre 1998 bis 2002, existiert. Daran mag auch der Umstand nichts verändern, dass für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2005 für die in diesem Zeitraum iSd §109 Abs5 ÄrzteG 1998 entstandene Pflichtverletzung allenfalls diese Pflichtverletzung durch eine einmalige Festlegung eines Säumniszuschlages geahndet werden konnte. Der Gerichtshof kann es dahingestellt lassen, ob der Säumniszuschlag als materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschrift zu qualifizieren ist, da weder im Zeitraum, als die Beitragspflichten entstanden waren noch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien eine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorhanden war.

Dadurch, dass die Behörde jedoch für die Jahre 1998 bis 2002 einen Säumniszuschlag erhob, hat sie einen derart schweren Fehler begangen, dass der angefochtene Bescheid schon deswegen aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen war.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabegebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,--.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher mündlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht, Säumniszuschlag, Geltungsbereich(zeitlicher) eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) einerVerordnung, Rückwirkung, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich fürRechtslage)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B821.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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