Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Ü*****, vertreten durch MMag. Serkan Akman, Rechtsanwalt in Wien, und dessen Nebenintervenienten M***** F*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch die PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Feststellung, über die Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2018, GZ 1 R 63/18v-51, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 27. Februar 2018, GZ 2 Cg 1/17h-46, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.179,49 EUR (darin enthalten 347,99 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist staatlich geprüfter Vermögensberater. Er schloss im Jahr 2013 bei der Beklagten eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nach § 136a Abs 12 GewO ab. Dem Versicherungsvertrag liegen (ua) die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflicht-versicherung für Vermögensschäden (AVBV) und die Besonderen Vereinbarungen und Risikobeschreibung für gewerbliche Vermögensberater in Österreich Ausgabe August 2012 (FinanzPl-Ö) zugrunde. Die FinanzPl-Ö lauten auszugsweise:
„…
III Obliegenheiten
Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet,
1. ein Risikoprofil vom Versicherungsnehmer zu erstellen. Das Risikoprofil muss die Informationen entsprechend §§ 40 ff WAG enthalten, insbesondere Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Anlagen/die Art des Produktes sowie über seine Anlageziele und finanziellen Verhältnisse, um dem Kunden eine geeignete Anlage empfehlen zu können bzw. um die Angemessenheit der Anlage beurteilen zu können;
2. den Kunden über die Art der Anlage und die mit der konkreten Veranlagung verbundenen Anlagerisiken aufzuklären und auf die Möglichkeit eines teilweisen oder gänzlichen Verlustes der Einlage gesondert hinzuweisen;
3. den Verkaufsprospekt, soweit gesetzlich erforderlich, zu übergeben;
[...]
5. die Erstellung des Risikoprofiles (Ziffer 1), das Einhalten der §§ 5, 6 und 19 VKrG sowie die Hinweise zum wirtschaftlichen Risiko und insbesondere die Möglichkeit eines Totalverlustes (Ziffer 2) durch eine vom Kunden gegengezeichnete Dokumentation im Versicherungsfall gegenüber dem Versicherer zu belegen.
IV. Ausschlüsse
Ausgeschlossen sind in Ergänzung zu § 4 AVBV Haftpflichtansprüche
[...]
2. wegen Schäden aus der Tätigkeit für Auftraggeber, die mit dem Versicherungsnehmer durch Personalunion, Gesellschaftsverhältnis oder Kapitalbeteiligung verbunden sind.
[...]“.
Die AVBV lauten auszugsweise:
„[...]
§ 4 Ausschlüsse
I. Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche
[...]
3. wegen Schadensstiftung durch wissentliches Abweichen vom Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.
[...]
§ 5 Verhalten im Versicherungsfall
[...]
III. Weitere Behandlung des Versicherungsfalles (Schadenfalles)
[...]
3. Der Versicherungsnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil vergleichsweise anzuerkennen oder zu befriedigen. Bei Zuwiderhandlung ist der Versicherer von der Leistungspflicht frei, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer nach den Umständen die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte. Durch irrtümliche Annahme des Vorliegens einer gesetzlichen Haftpflicht oder der Richtigkeit der erhobenen Ansprüche oder der behaupteten Tatsachen wird der Versicherungsnehmer nicht entschuldigt.
[...]
§ 6 Rechtsverlust
I. Wird eine Obliegenheit verletzt, die nach § 5 dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluss weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Handelt es sich hierbei um die Verletzung von Obliegenheiten zwecks Abwendung oder Minderung des Schadens, so bleibt der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheiten nicht geringer gewesen wäre.
[...].“
Der Kläger vermittelte seinen Kunden, (ua) auch dem Nebenintervenienten, Geschäftsanteile an der deutschen P***** G***** GmbH (folgend nur: P G GmbH), deren Geschäftsgegenstand die Entwicklung, Produktion und der Vertrieb einer als „P*****“ bezeichneten Pyrolyseanlage ist. Nach den Informationen des Klägers war der patentierte P***** einzigartig, funktionstüchtig und marktreif, weshalb er die Anlage für risikolos hielt. Ein Totalverlustrisiko bzw Konkursszenario war daher bei der Beratung der Anleger kein Thema. Die Risikoanlegerprofile bzw Beratungsprotokolle füllte der Kläger meistens in Abwesenheit der Anleger aus, weil er meinte, dass diese hauptsächlich für ihn dienten. Er hielt es auch nicht für nötig, sie von den Anlegern unterschreiben zu lassen. Beim Anlegergespräch mit dem Nebenintervenienten, der den Businessplan und die Unterlagen vom F***** Institut zum P***** kannte, wurde über mögliche Risiken überhaupt nichts gesprochen. Für den Nebenintervenienten sah die Beteiligung so verlockend aus, dass er sich dachte, er bekomme zumindest sein investiertes Geld sicher zurück. Er wusste, dass eine Beteiligung an einer GmbH mit einem Risiko verbunden ist. Bei Aufklärung über das Totalverlustrisiko, hätte der Nebenintervenient die Anteile an der P G GmbH nicht erworben.
Als die versprochenen Ausschüttungen der P G GmbH ausblieben, wandten sich die Investoren an den Kläger. Die Beklagte lehnte bereits nach ersten Forderungen von Anlegern im Juli 2015 die Deckung ab, weil nach den Angaben des Klägers keine gesonderte schriftliche Dokumentation der Risikoaufklärung der Anspruchsteller vorliege, im beigefügten Risikoprofil die Angabe fehle, dass die Anspruchsteller das Totalverlustrisiko akzeptieren und weil der Kläger als Vorsitzender des Vertriebsmanagements der P G GmbH und daher als Angestellter der P G Group tätig geworden sei, was keine versicherte Tätigkeit darstelle.
Ende März 2016 wurde der Kläger über den Rechtsanwalt des Nebenintervenienten, der auch alle anderen Anleger vertritt, aufgefordert, jeweils 100.000 EUR zuzüglich der Kosten des Einschreitens von 2.400 EUR zu bezahlen oder einen vollstreckbaren Notariatsakt über diesen Betrag abzuschließen. Der Kläger leitete diese Schreiben an die Beklagte weiter, die neuerlich Leistungen ablehnte.
Im September 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass seines Erachtens die Deckung rechtswidrig verweigert werde, dass ihn die Geschädigten massiv unter Druck setzten und er den vollstreckbaren Notariatsakt unterfertigen müsse oder geklagt werde. Er teilte mit, dass er sich die Gerichtskosten nicht leisten könne, weshalb er den Notariatsakt in etwa 14 Tagen unterschreiben werde. Die Beklagte hielt an der Deckungsablehnung fest, weil die Anlegerprofile und Beratungsprotokolle nicht von den Anspruchstellern unterschrieben worden seien. Im September 2016 wies sie nochmals auf die nicht versicherte Tätigkeit des Klägers als Vertriebsvorstand hin.
Es steht nicht fest, ob der Kläger die Beklagte je darüber aufklärte, tatsächlich nicht Vertriebsvorstand der P G GmbH gewesen zu sein, was er lediglich zu Werbezwecken behauptet hatte.
Der Kläger anerkannte ohne vorherige Rechtsberatung die Ansprüche aller Anleger in einem vollstreckbaren Notariatsakt.
Der Kläger begehrte im Haupt- und ersten Eventualbegehren (bei letzterem unter namentlicher Nennung der Geschädigten) die Feststellung, dass die Beklagte ihm gegenüber im Zusammenhang mit der Vermittlung von Geschäftsanteilen der P G GmbH Deckung zu gewähren habe und mit dem zweiten Eventualbegehren die Zahlung von 35.000 EUR an den Nebenintervenienten. Er brachte – soweit noch relevant – vor, die Obliegenheit zur Erstellung eines Risikoprofils sei unklar, weil vom „Risikoprofil vom Versicherungsnehmer“ die Rede sei. Das WAG sei nicht auf die Vermittlung von Anteilen an einer deutschen GmbH anzuwenden. Die fehlenden (unterfertigten) Risikoprofile seien nicht kausal für die Anlageentscheidungen gewesen. Der Kläger sei selbst einem Betrug aufgesessen und habe den P***** für marktreif gehalten. Er habe die Ansprüche der Anleger erst nach Deckungsablehnung durch die Beklagte anerkannt, weshalb kein Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot vorliege. Die Beklagte könne sich bei einer Pflichtversicherung den Versicherten gegenüber außerdem nicht auf Obliegenheitsverletzungen des Klägers berufen.
Der Nebenintervenient des Klägers brachte
– soweit noch relevant – vor, dass Obliegenheitsverletzungen des Klägers nicht dem direkten Klagerecht des geschädigten Dritten entgegen stünden. Da der Kläger erst nach Deckungsablehnung anerkannt habe, erfolge die Berufung auf das Anerkenntnisverbot rechtsmissbräuchlich.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, dass sie gegenüber dem Kläger leistungsfrei sei und der Nebenintervenient erst den Haftpflichtanspruch gegen die Beklagte pfänden müsse. Der Kläger habe seine Obliegenheiten zur Kundenaufklärung nach III. FinanzPl-Ö verletzt, keine von den Anlegern unterzeichneten Risikoprofile erstellt und habe bei den Beratungen wissentlich §§ 44 ff WAG verletzt. Die Erstellung unterzeichneter Risikoprofile diene vor allem der Abwehr von Ansprüchen, sodass die Beklagte bei Verletzung dieser Obliegenheit unabhängig von der Kausalität für den Schadenseintritt leistungsfrei werde. Außerdem hätte er die Ansprüche der Anleger nicht anerkennen dürfen. Das Hauptbegehren sei unbestimmt und der Kläger für eine Klage auf Leistung an den geschädigten Dritten nicht aktivlegitimiert.
Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab. Der Kläger habe grob fahrlässig seine Obliegenheiten verletzt, indem er entgegen Art III Z 1 und Z 5 FinanzPl-Ö mit den Anlegern weder unterfertigte Risikoprofile erstellt noch sie auf das Totalverlustrisiko hingewiesen habe. Diese Regelung sei trotz der irrtümlichen Formulierung („Versicherungsnehmer“ statt „Kunde“) und des Verweises auf §§ 40 ff WAG ausreichend klar. Außerdem habe er auch grob fahrlässig gegen das Anerkenntnisverbot in § 5 AVBV verstoßen. Der Nebenintervenient als geschädigter Dritter müsse den fingierten Deckungsanspruch nach § 158c VersVG erst pfänden lassen und dann gegen die Beklagte vorgehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers und des Nebenintervenienten nicht Folge. Es war
– auf der Grundlage österreichischen Rechts – der Ansicht, dass dem Kläger kein Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot anzulasten sei, weil die Beklagte bereits zuvor Deckung abgelehnt habe.
Darauf, dass Art III Z 1 und 5 FinanzPl-Ö intransparent, daher nach §§ 864a, 879 ABGB unwirksam seien und im Hinblick auf die Unklarheitenregel des § 915 ABGB nicht geltend gemacht werden könnten, hätten sich der Kläger und der Nebenintervenient in erster Instanz nur insoweit berufen, als ein Risikoprofil des „Versicherungsnehmers“ angesprochen und keine Fassung des WAG bezeichnet worden sei. Dabei habe es sich aber einerseits um einen offenkundigen Bezeichnungsfehler (gemeint: „Kunde“) gehandelt und andererseits sei weder bei Vertragsabschluss im Jahr 2013 noch bei Eintritt der Versicherungsfälle in den Jahren 2013 und 2014 unklar gewesen, dass auf das WAG 1996 verwiesen worden sei.
Soweit die Kausalität von Obliegenheitsverletzungen bezweifelt werde, stehe jedenfalls fest, dass der Nebenintervenient bei Aufklärung über das Totalverlustrisiko die Anteile nicht erworben hätte.
Die Aufklärung zum Totalverlustrisiko sei dem Kläger auch als schuldhaft zuzurechnen, weil insoweit nicht auf seine subjektive Risikoeinschätzung, sondern auf den typischen sorgfältigen gewerblichen Vermögensberater abzustellen sei.
Schließlich sei auch das zweite Eventualbegehren auf Zahlung an den Nebenintervenienten nicht berechtigt. Sei der Haftpflichtversicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei, so bleibe im Fall einer Pflichthaftpflichtversicherung nach § 158c Abs 1 VersVG zwar seine Verpflichtung in Ansehung des Dritten bestehen. Jedoch könne der Versicherungsnehmer – anders als beim gesunden Versicherungsverhältnis – keine Leistung an den Geschädigten fordern oder auf Feststellung der Leistungspflicht gegenüber dem Dritten klagen. Im Hinblick auf die Obliegenheitsverletzungen des Klägers seien es daher die Geschädigten, die zur Hereinbringung ihrer Schadenersatzforderungen bei der Beklagten selbst im Exekutionsverfahren den – fingierten – Anspruch des Klägers als Versicherungsnehmer pfänden lassen und dann direkt gegen die Beklagte vorgehen müssten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Deckungspflicht durch Subsumtion der Umstände des Einzelfalls unter die Bestimmungen des Versicherungsvertrags zu ermitteln und die Vertragsauslegung regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Nebenintervenienten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung; hilfsweise stellt der Nebenintervenient auch einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise die Urteile der Vorinstanzen zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil sich der Fachsenat bislang noch nicht mit der Frage befasst hat, ob der Versicherungsnehmer trotz Leistungsfreiheit im Innenverhältnis gestützt auf § 158c Abs 1 VersVG berechtigt ist, die Leistung des Versicherers an den geschädigten Dritten zu begehren. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Alle Parteien haben sich im gesamten Verfahren auf die österreichische Rechtsordnung berufen (RS0040169), für die auch die Lokalisierung maßgeblicher Umstände des zu beurteilenden Schuldverhältnisses spricht (vgl RS0077082 [T1]). Die vom Berufungsgericht aus diesem Verhalten abgeleitete Rechtswahl begegnet keinen Bedenken und wird daher auch in der Revision zutreffend nicht aufgegriffen.
2.1. Eine Nichtigkeit (Unwirksamkeit) der in Art III Z 2 FinanzPl-Ö vorgesehenen Obliegenheiten zur Aufklärung des Kunden über das sogenannte Totalverlustrisiko behauptet der Nebenintervenient in seiner Revision nicht. Er macht insoweit nur geltend, dass der Kläger diese Aufklärung unverschuldet unterlassen habe, weil dieser als gelernter Tischler auf dem Gebiet der Physik und der Chemie ein Laie sei, bis zum Anlassfall keine GmbH-Anteile vertrieben und vermittelt habe und diesem von Proponenten der P G GmbH die Pyrolyseanlage als marktreif geschildert worden sei.
2.2. Diesem Standpunkt des Nebenintervenienten ist zunächst mit dem Berufungsgericht zu entgegnen, dass es betreffend das Anlagerisiko nicht allein auf die subjektive Einschätzung des Klägers, sondern auf die durchschnittliche Sorgfalt des gewerblichen Vermögensberaters (§ 1299 ABGB) ankommt. Das Totalverlustrisiko ist bei Unternehmensbeteiligungen in der Privatwirtschaft (hier: GmbH-Anteil), insbesondere bei solchen, die – wie hier – nicht einem eingeführten Unternehmen, sondern erst der Kapitalaufbringung für die Einführung eines ganz neuen Produkts dienen, geradezu typisch und aus der Sicht des Anlegers für die Risikobeurteilung ganz evident maßgeblich (vgl zur Bedeutung des Totalverlustrisikos etwa 6 Ob 193/15y; 4 Ob 65/16m; 10 Ob 70/15i). Unter solchen Umständen ist das Verschweigen des Totalverlustrisikos der GmbH-Beteiligung und deren Darstellung als risikoloses Investment beurteilt am Maßstab eines durchschnittlich sorgfältigen gewerblichen Vermögensberaters dem Kläger nicht nur als schuldhaft, sondern mit dem Erstgericht als grob fahrlässig vorzuwerfen. Am Vorliegen einer zur Leistungsfreiheit der Beklagten führenden Obliegenheitsverletzung nach Art III Z 2 FinanzPl-Ö besteht daher kein Zweifel.
2.3. Auf die Kausalität dieser Obliegenheitsverletzung betreffend den Nebenintervenienten haben die Vorinstanzen bereits hingewiesen. Dem wird in der Revision nichts entgegengehalten.
3. Als Zwischenergebnis folgt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger infolge grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit nach Art III Z 2 FinanzPl-Ö nicht deckungspflichtig ist. Die Vorinstanzen haben daher das darauf gerichtete Haupt- sowie das erste Eventualbegehren zutreffend abgewiesen. Auf das Vorliegen weiterer von den Vorinstanzen angenommener und in der Revision aufgegriffener Obliegenheitsverletzungen muss bei dieser Sachlage nicht eingegangen werden.
4. Ist der Versicherer bei einer Pflichthaftpflichtversicherung von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei, so bleibt nach § 158c Abs 1 VersVG gleichwohl seine Verpflichtung in Ansehung des Dritten bestehen. Gemäß § 158c Abs 1 VersVG wird ungeachtet der Leistungsfreiheit des Versicherers im Verhältnis zum Versicherungsnehmer oder Mitversicherten im Verhältnis zwischen Versicherer und geschädigtem Dritten das Bestehen eines Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers oder Mitversicherten fingiert (RS0129255). Ein Fall der Leistungsfreiheit nach § 158c Abs 1 VersVG, die dem geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden kann, ist nach bereits vorliegender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Leistungsfreiheit infolge einer Obliegenheitsverletzung (7 Ob 108/11z mwN).
5. Es entspricht einhelliger – und nach Ansicht des Fachsenats zutreffender – Ansicht in der Lehre, dass der Versicherungsnehmer bei Leistungsfreiheit keine Leistung an den Geschädigten fordern und auch nicht die Feststellung der Leistungspflicht im Verhältnis zum Geschädigten begehren kann. Vielmehr ist es Aufgabe des Geschädigten, diesen Anspruch durch Pfändung und Überweisung oder im Wege einer allenfalls vorgesehenen Direktklage gegen den Versicherer geltend zu machen (Rubin in Fenyves/Schauer, VersVG II § 158c VersVG Rz 7; Langheid/Rixecker, VVG5 § 117 Rn 14; Klimke in Prölss/Martin, VVG30 § 117 Rn 3; Beckmann in BK, VVG § 158c Rn 15 [mN zu zweitinstanzlicher Rsp]; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, VVG § 117 Rn 4; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG § 117 Rn 8; Beckmann in Bruck/Möller, VVG9 § 117 Rn 19). Da § 158c VersVG gerade voraussetzt, dass den Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber keine Leistungspflicht trifft, ist dieser selbst auch nicht aktivlegitimiert, aufgrund des nur zugunsten des Geschädigten fingierten Befreiungsanspruchs eine Leistung des Versicherers an den Geschädigten zu fordern. Die Vorinstanzen haben daher auch das zweite, auf Leistung an den Nebenintervenienten gerichtete Eventualbegehren zutreffend abgewiesen.
6.1. Zusammengefasst folgt, dass die Begehren des Klägers auf Feststellung der ihm gegenüber bestehenden Deckungspflicht der Beklagten infolge Obliegenheits-verletzung nicht berechtigt sind und aus § 158c Abs 1 VersVG kein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Leistung an den geschädigten Dritten abgeleitet werden kann. Die Revision des Nebenintervenienten ist daher nicht berechtigt.
6.2. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Zum Kostenersatz für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung durch die Beklagte ist der Kläger verpflichtet, an dessen Seite der Nebenintervenient beigetreten ist (RS0036057). Der in Deutschland ansässigen Beklagten gebühren nur 19 % Umsatzsteuer (RS0114955 [T12]).
Textnummer
E125667European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00228.18G.0626.000Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021