TE Lvwg Beschluss 2019/1/30 VGW-122/V/008/12435/2018, VGW-122/V/008/12436/2018, VGW-122/V/008/12437/

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

VwGVG §13 Abs1
GewO 1994 §78 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über den auf § 78 Abs. 1 GewO 1994 gestützten Antrag der im Rubrum bezeichneten Personen, alle vertreten durch Rechtsanwalts GmbH, vom 28.08.2018, den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Der Antrag wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Juli 2018, GZ: …, hat die Verwaltungsbehörde die Betriebsanlage in Wien, X.-Straße, in welcher die Z. Gesellschaft m.b.H. ein Gastgewerbelokal samt Brauerei zu errichten beabsichtigt, gemäß „§ 74 GewO“ unter Vorschreibung von 66 Auflagen bewilligt.

Insgesamt sollen 880 Verabreichungsplätze zur Verfügung stehen (in den Gasträumen 272, auf den Terrassen und Balkonen 124, im Gastgarten 224 und auf der Teichterrasse 260). Eine Musikdarbietung im Freien ist nicht vorgesehen; lediglich in den Räumlichkeiten der Betriebsanlage soll Hintergrundmusik dargeboten werden. Die Entlüftung erfolgt mechanisch. Die Betriebszeiten liegen zwischen 6.00 und 0.30 Uhr, die Öffnungszeiten zwischen 8.00 und 24.00 Uhr; die Küche wird zwischen 8:00 und 23.00 Uhr betrieben. Anlieferungen erfolgen werktags zwischen 8.00 und 11.00 Uhr.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Bescheidbeschwerde, in welcher vorgebracht wird, dass die erteilte Genehmigung das UNESCO-Weltkulturerbe zwischen X.-Straße und Y.-Park gefährde, ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan bestehe, kein ausreichendes Verkehrskonzept für den Zu- und Abreiseverkehr vorliege, es zu Lärmbelästigungen durch abreisende Gäste, Lkw-Zulieferungen, Aufräumarbeiten nach der Sperrstunde etc. käme, Geruchsbelästigungen nicht auszuschließen seien und überdies mit Erteilung der Genehmigung gegen das Denkmalschutzgesetz verstoßen werde. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere die Unvollständigkeit des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens und die Unschlüssigkeit der von der Verwaltungsbehörde herangezogenen Gutachten, hier vor allem des lärmtechnischen Gutachtens, behauptet.

Unter einem wurde mit der Beschwerde der Antrag gestellt, die Inanspruchnahme des Rechts der mitbeteiligten Partei zur Errichtung und zum Betrieb der Betriebsanlage vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides auszuschließen. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass auf Grund der - unzureichend beurteilten - Lärmbelästigungen der Betrieb der Anlage geeignet sei, die Gesundheit der Rechtsmittelwerber zu gefährden. Auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen sei nicht geeignet, der Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Beschwerdeführer entgegenzuwirken.

Mit Äußerung vom 8. Oktober 2018 beantragte die Konsenswerberin die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages und führte sie zusammengefasst begründend dazu aus, dass der Antrag keine konkrete Gesundheitsgefährdung durch den konsensgemäßen Betrieb der Anlage im Rahmen des § 78 Abs. 1 GewO darlege.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 78 Abs. 1 GewO dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

Die herrschende Lehre hat unter der „zur Entscheidung berufenen Behörde“ im Sinne des § 78 Abs. 1 GewO den unabhängigen Verwaltungssenat verstanden (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, RZ 6 zu § 78 GewO). Da dessen Kompetenzen im Rahmen der Vollziehung der GewO nunmehr durch das Verwaltungsgericht des Landes wahrzunehmen sind, ist das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag zuständig.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (eine Bescheidbeschwerde, Anm.) hat gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

§ 78 Abs. 1 erster Satz GewO normiert eine Abweichung von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 13 Abs. 1 VwGVG, sodass einer Beschwerde gegen einen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, das heißt, dass die Betriebsanlage trotz fehlender Rechtskraft vorläufig im Rahmen des behördlichen Konsenses betrieben werden kann. Da § 78 Abs. 1 GewO gegenüber § 13 Abs. 1 VwGVG die speziellere Norm ist, geht sie gemäß dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ dieser vor. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich sohin, dass einer in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid eingebrachten Bescheidbeschwerde unter den in § 78 Abs. 1 erster Satz GewO genannten Voraussetzungen prinzipiell keine aufschiebende Wirkung zukommen soll.

In dieser Hinsicht entspricht § 78 Abs. 1 GewO § 13 Abs. 3 VwGVG, wonach Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 (Weisungsbeschwerde) und Abs. 2 Z 1
B-VG (Verhaltensbeschwerde) keine aufschiebende Wirkung haben (ganz genauso § 22 Abs. 1 VwGVG für Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt). Während jedoch gemäß dem hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung vergleichbaren § 13 Abs. 3 und
§ 22 Abs. 1 VwGVG die Behörde auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen hat, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, hat im Rahmen des § 78 Abs. 1 GewO die erkennende Behörde von Amts wegen die Rechtswohltat des ersten Satzes dieser Bestimmung auszuschließen, womit de facto die Beschwerde gegen einen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid mit aufschiebender Wirkung versehen wird. Ein amtswegiges Tätigwerden sieht auch § 22 Abs. 2 VwGVG für den Fall vor, der dem Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren die Möglichkeit eröffnet, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde im Sinne des § 13 Abs. 1 VwGVG auszuschließen (vgl. Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Praxiskommentar, K 7 zu § 22 VwGVG).

Eine dem § 78 Abs. 1 GewO vergleichbare Regelung trifft § 359c GewO: Wird ein Genehmigungsbescheid vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben, so darf der Genehmigungswerber die betreffende Anlage bis zur Rechtskraft des Ersatzbescheides, längstens jedoch ein Jahr, weiter betreiben, wenn er die Anlage entsprechend dem aufgehobenen Genehmigungsbescheid betreibt. Das gilt nicht, wenn der Verwaltungsgerichtshof der Revision, die zur Aufhebung des Genehmigungsbescheides führte, die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass einer Revision gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.

Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber immer dann, wenn er es für nötig hält, anstelle oder neben der amtswegigen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels einen diesbezüglichen Antrag des Rechtsmittelwerbers ausdrücklich vorsieht, in § 78 Abs. 1 GewO eine solche Antragstellung jedoch nicht normiert ist, sondern vielmehr die zur Entscheidung berufenen Behörde, sohin das Verwaltungsgericht, von Amts wegen tätig zu werden hat, geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers des § 78 Abs. 1 GewO hinsichtlich der Suspendierung der in § 78 Abs. 1 erster Satz GewO normierten Rechtswohltat keine Antragslegitimierung der beschwerdeführenden Partei bestehen soll, andernfalls er eine solche Antragslegitimation nach dem Vorbild des § 13 Abs. 3 AVG oder nach dem Vorbild des § 359c GewO iVm § 30 Abs. 2 VwGG normiert hätte.

Darüber hinaus ist weder in § 356 Abs. 3 GewO, noch in Abs. 4 leg.cit. eine Parteistellung von Nachbarn in einem Verfahren, in welchem die zur Entscheidung über die Beschwerde zuständige Behörde die Rechtswohltat des ersten Satzes des § 78 Abs. 1 GewO ausschließt, normiert. Wenn der Gesetzgeber eine solche Parteistellung bzw. Antragslegitimation von (beschwerdeführenden) Nachbarn vor Augen gehabt hätte, hätte er diese dort wohl auch normiert. Es ist vielmehr bei einer Gesamtbetrachtung der in Frage kommenden Normen davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Möglichkeit einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Nachbarn, Arbeitnehmern oder Kunden einer Betriebsanlage ohnedies davon ausgeht, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (ähnlich ist es auch bei Betriebsschließungen nach § 360 GewO), andernfalls sich die Behörde ja Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt sähe.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18.8.2017, Ro 2017/04/0006, im Zusammenhang mit § 78 Abs. 1 GewO 1994 die gegenständliche Rechtsfrage der Antragslegitimation wie folgt gelöst:

„§ 78 Abs. 1 GewO 1994 wurde durch den Gesetzgeber "als Überbrückungshilfe für den Genehmigungswerber bei längerer Verfahrensdauer" geschaffen (so die Erläuterungen zu § 78 Abs. 1 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 in RV 575 BlgNR 20. GP, 11).

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 85/2013 wurde § 78 Abs. 1 GewO 1994 legistisch an die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 angepasst und unter anderem auf die Bezeichnung des Rechtsmittels der Beschwerde umgestellt (vgl. die Erläuterungen in RV 2197 BlgNR 24. GP, 3).

§ 78 Abs. 1 GewO 1994 trifft damit zum Schutze wirtschaftlicher Interessen des Genehmigungswerbers eine abweichende Regelung zu § 13 Abs. 1 VwGVG in dem Sinne, dass der Beschwerde gegen die Betriebsanlagengenehmigung grundsätzliche keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Pöschl, System der Gewerbeordnung (2016), Rz. 570; vgl. zur Verdrängung des § 64 Abs. 1 AVG vor der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit VwGH 14. 11.2013, 2011/17/0132).

Im Unterschied zu § 13 Abs. 3 und § 22 Abs. 1 VwGVG sieht § 78 Abs. 1 GewO 1994 einen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.

Ein derartiges Fehlen eines ausdrücklich geregelten Antrages hatte der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung hat das Bundesverwaltungsgericht in bestimmten Fällen die -von der Behörde aberkannte - aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, jedoch ist kein entsprechendes Antragsrecht des Beschwerdeführers normiert. Im Beschluss vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass in diesem Fall ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und somit ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzlich nicht vorgesehen ist.“

Diese Überlegungen hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis auf § 78 Abs. 1 GewO 1994 übertragen und ausgeführt:

„.. Auch hier sieht der Wortlaut des Gesetzes einen Antrag und somit ein eigenes Provisorialverfahren nicht vor. Vielmehr hat die zur Entscheidung berufene Behörde die Inanspruchnahme des Rechtes des Genehmigungsinhabers nach § 78 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 von Amts wegen auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass die in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 enthaltenen Voraussetzungen gegeben sind.

Diese Auslegung deckt sich mit dem Willen des Gesetzgebers: In der Regierungsvorlage war in § 78 Abs. 1 GewO 1994 noch ein Antrag auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung enthalten. Begründet wurde dies wie folgt: „Zur Vermeidung einer Gefährdung oder einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn soll auch diesen die Beantragung der aufschiebenden Wirkung zuerkannt werden" (vgl. RV 575 BlgNR XX. GP, 11).

Beschlossen wurde § 78 Abs. 1 GewO 1994 jedoch ohne dieses Antragsrecht, was im Bericht des Wirtschaftsausschusses wie folgt begründet wurde: „Der Ausschuss geht davon aus, daß die Genehmigungsbehörde den hinreichenden Schutz der Nachbarn erforderlichenfalls durch die Vorschreibung entsprechender Auflagen gewährleistet" (vgl. AB 761 BlgNR XX. GP, 9).

Somit wurde vom Gesetzgeber kein Antrag der Nachbarn vorgesehen.

Letztlich kann in diesem Sinne auch der Wortfolge „wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist" in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 entnommen werden, dass Beurteilungsgrundlage die Begründung der Beschwerde und nicht ein eigener Antrag ist.

Sieht das Gesetz solcherart eine Entscheidung von Amts wegen vor, kann ein Antrag der beschwerdeführenden Nachbarn nicht anders als eine bloße Anregung verstanden werden (vgl. in diesem Sinne VwGH 24.5.2016, Ra 2016/07/0038).

Den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage ist es somit möglich - wie in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 ausdrücklich angeführt - in der Begründung der Beschwerde vorzubringen, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit zu erwarten ist.

In diesem Sinn wird den Nachbarn die Möglichkeit einer aufschiebenden Wirkung durch § 78 Abs. 1 GewO 1994 nicht schlechthin vorenthalten und werden sie auch nicht einseitig mit den Folgen der potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung über die Genehmigung belastet (vgl. das zu § 78 Abs. 1 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997, ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2002, G 319/01, VfSlg. 16.460, mit dem die eine Ausnahme zugunsten des Arbeitsinspektorates bewirkenden Wortfolgen dieser Bestimmung aufgehoben wurde).

Ein darüber hinausgehendes Antragsrecht bzw. subjektivöffentliches Recht auf Ausschluss der Inanspruchnahme dieses Rechtes ist § 78 Abs. 1 GewO 1994 nicht zu entnehmen.“

Infolge der mangelnden Legitimation war das Ansuchen der Beschwerdeführer auf Ausschluss des Rechts zur Errichtung und Inbetriebnahme gemäß § 78 Abs. 1 GewO als unzulässig zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Zurückweisung des Antrages aus den dargelegten Gründen eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Verlassenschaft nach Mag. A. B., vertreten durch den Erben C. D., überhaupt Parteistellung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren bzw. dem diesbezüglichen Beschwerdeverfahren selbst zukommt, unterbleiben konnte und das Verwaltungsgericht diese Frage noch im Beschwerdeverfahren betreffend die Erteilung der Anlagengenehmigung abschließend beantworten wird.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass das Verwaltungsgericht Wien sich auch von Amts wegen nicht dazu veranlasst sah, die Rechtswirkungen des § 78 Abs. 1 erster Satz GewO auszuschließen, und zwar aus nachstehenden Gründen:

Gegenstand des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens ist die Errichtung eines Gastgewerbebetriebes samt Brauerei, in welchem insgesamt 880 Verabreichungsplätze zur Verfügung stehen sollen. Die Genehmigung für das Projekt wurde nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens seitens der Verwaltungsbehörde unter Vorschreibung von 66 Auflagen erteilt.

In ihrer Beschwerde monieren die Antragsteller die Unschlüssigkeit des lärmtechnischen Gutachtens und kritisieren dabei, dass der Gutachter bei seinen Berechnungen nicht die richtige Gästekategorie nach ÖNORM zu Grunde gelegt habe. Aufgrund privat beigeschaffter Gutachten, welche von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsteller mündlich vorgetragen worden seien, ergebe sich eine Überschreitung der Zumutbarkeit der Lärmbelästigungen. Das von der Behörde zu Grunde gelegte Schallgutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen sei sohin mangelhaft geblieben, ebenso das sonstige Ermittlungsverfahren.

Mit ihrem Vorbringen vermögen die Antragsteller jedoch nicht konkret eine besondere Situation des Einzelfalles darzutun, wonach trotz Einhaltung der mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Auflagen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist. Die Gesundheitsgefährdung ist nämlich als Erwartbarkeit eines Gesundheitsschadens oder eines hohen Gesundheitsrisikos zu verstehen, welches mit den Mitteln der wissenschaftlichen Prognose zu belegen ist oder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Basierend auf den von der Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegten und nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten (der lärmtechnische Amtssachverständige hat die von der Anlageninhaberin beigebrachten Gutachten als schlüssig beurteilt, wobei bei der Beurteilung des Projektes stets von der Beschreibung der Emissionen durch den Genehmigungswerber auszugehen ist, so auch bei der Frage seines Zielpublikums und daher des zu erwartenden Gästeverhaltens), wonach bei Einhaltung der Auflagen und gesetzlichen Bestimmungen Belästigungen im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, erscheint eine Lebens- oder Gesundheitsgefährdung der Antragsteller nicht plausibel. Das Verwaltungsgericht Wien ist daher zum Ergebnis gelangt, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage im Rahmen der gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigung eine Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefährdung der Nachbarn, darunter der Beschwerdeführer, nicht herbeigeführt wird.

Der Begründung der vorliegenden Beschwerde ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist. Das Verwaltungsgericht Wien durfte daher die Inanspruchnahme des Rechts des § 78 Abs. 1 erster Satz GewO durch die Anlageninhaberin nicht von Amts wegen ausschließen.

Bemerkt wird, dass dieser Beschluss kein Präjudiz hinsichtlich der noch zu treffenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über die Bescheidbeschwerde der Antragsteller und der übrigen beschwerdeführenden Nachbarn darstellt!

Eine Verhandlung über den zurückzuweisenden Antrag, welche nicht beantragt worden war, konnte gemäß § 24 Abs. 1 und 2 VwGVG entfallen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. das ausführliche Judikaturzitat). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Betriebsanlagengenehmigung; aufschiebende Wirkung; Antrag; amtswegig; lex specialis; Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.122.V.008.12435.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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