TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/17 LVwG-2018/20/1975-7

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Veröffentlicht am 17.06.2019
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Entscheidungsdatum

17.06.2019

Index

L37217 Grundsteuer Tirol
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

GrStBefrG Tir 1987 §1 Abs2
BAO §252

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich in der Beschwerdesache des Herrn AA, Z, vertreten durch BB Rechtsanwälte, Y, aufgrund der Vorlageanträge vom 28.08.2018 über dessen Beschwerden gegen die Bescheide des Bürgermeisters der Gemeinde Z, vom 15.07.2018, betreffend die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung mit Wirksamkeit ab 01.01.2007, und vom 12.07.2018, betreffend die Festsetzung der Grundsteuer ab 01.01.2013, nach Durchführung einer Verhandlung

zu Recht:

I.     

betreffend den Bescheid vom 15.07.2018 über die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II.    

betreffend den Bescheid vom 12.07.2018 über die Neufestsetzung der Grundsteuer:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 15.07.2018 hat die Abgabenbehörde die von ihr mit Bescheid vom 26.07.2001 für das Wohnobjekt Adresse 1, Z, gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers gewährte Grundsteuerbefreiung mit Wirksamkeit ab 01.01.2007 aufgehoben. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass gemäß § 1 Abs 2 des Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1987, LGBl. 64/1987, die Befreiung auf die Dauer von zwanzig Jahren für Bauten gewährte werde, durch die Wohnungen mit höchstens 150 m² Nutzfläche geschaffen würden, die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnungsbedarfes bestimmt seien. Als Nutzfläche gelte die Gesamtbodenfläche abzüglich der Wandstärken. Auf das Höchstausmaß seien auch Küchen, Garderoben, Bäder und sonstige Anlagen, Vorzimmer, Dielen und Nischen anzurechnen. Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Bestimmungen sei für das Wohnhaus Adresse 1, Z, auf der Grundlage des Antrages mit Bescheid vom 26.07.2001 eine Befreiung für den Zeitraum
2001 - 2020 gewährt worden. In weiterer Folge sei vom Beschwerdeführer in Bezug auf das gegenständliche Objekt am 28.03.2006 der Gemeinde schriftlich mitgeteilt worden, dass die Wohnung im 1. Stock keine eigene Wohnung mehr sei und vom Beschwerdeführer mitbenutzt werde. Somit werde die Höchstgrenze von 150 m² überschritten und seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Befreiung von der Grundsteuer nach § 1 Tiroler Grundsteuergesetz nicht mehr gegeben.

Mit dem Bescheid vom 12.07.2018 wurde von der Abgabenbehörde gegenüber dem Beschwerdeführer für das Objekt Adresse 1, Z, die Grundsteuer ab 01.01.2013, somit für die Jahre 2013 – 2018 mit einem jährlichen Betrag von Euro 304,16 neu festgesetzt. Ohne dass dies in der Begründung konkret ausgeführt wurde, gründet sich diese Neufestsetzung auf den bescheidmäßig angeordneten Wegfall der ursprünglich gewährten Grundsteuerbefreiung.

Gegen diese beiden Bescheide wurde vom Abgabepflichtigen fristgerecht Beschwerde erhoben. In Bezug auf den Bescheid über die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass seitens der belangten Behörde keine Feststellungen zur Größe der Wohnung im Erdgeschoß und im ersten Stock des Hauses getroffen worden seien, sodass vollkommen offen bleibe, ob die Höchstfläche von 150 m² überschritten werden würde. Darüber hinaus seien keine Feststellungen zu den baulichen Gegebenheiten im Objekt Adresse 1, Z, getroffen worden, insbesondere nicht zur Frage, ob es sich um eine Wohnung oder mehrere baulich getrennte Wohnungen handle. Die belangte Behörde gehe rechtsirrig davon aus, dass die Eigenschaft einer „Wohnung“ der Disposition des Beschwerdeführers unterliege. Für die Qualifikation als „Wohnung“ iSd Bestimmungen des Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetzes komme es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer angebe, es sei keine eigene Wohnung mehr. Richtigerweise sei ausschließlich die bauliche Situation entscheidend und nicht die Einschätzung des Beschwerdeführers über die Qualifikation. Im vorliegenden Fall würden innerhalb eines Gebäudes zwei durch ein Stiegenhaus getrennte vollkommen separate Wohnungen bestehen, wobei keine dieser Wohnungen die Höchstfläche von 150 m² übersteige. Die belangte Behörde habe den Begriff „Wohnung“ iSd Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetzes unrichtig dahingehend ausgelegt, dass es auf die Summe der vom Beschwerdeführer genutzten Quadratmeter mehrerer gesonderter Wohnungen ankäme. Eine solche Auffassung widerspreche dem Gesetzeswortlaut. Richtigerweise seien mehrere baulich unabhängige Wohnungen nicht zusammenzurechnen. Selbst wenn man der Auffassung der belangten Behörde folgen wolle, wonach es auf die vom Beschwerdeführer gewählte Qualifikation der Flächen ankomme, treffe die Auffassung der belangten Behörde nicht zu, da die Flächen nicht zur Deckung eines Wohnbedarfes genutzt werden würden. Die im ersten Stock des Objektes befindliche Wohnung werde durch den Beschwerdeführer für berufliche Zwecke genutzt.

In der Beschwerde gegen den Bescheid über die Neufestsetzung der Grundsteuer wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abgabenbehörde die Zahlungspflicht des Beschwerdeführers auf den Bescheid der Gemeinde Z vom 15.07.2018 zu *****, mit welchem die dem Beschwerdeführer gewährte Befreiung von der Grundsteuer mit Wirksamkeit ab 01.01.2017 entzogen worden sei, stütze. Maßgeblich für die von der belangten Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides. Der Bescheid, mit welchem die Grundsteuerbefreiung dem Beschwerdeführer entzogen worden sei, datiere jedoch nach dem angefochtenen Bescheid, sodass es zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Rechtsgrundlage für eine Nachverrechnung der Grundsteuer gegeben habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer die mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2001 gewährte Grundsteuerbefreiung genossen. Der angefochtene Bescheid sei daher infolge Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben.

Die belangte Behörde entschied über die beiden Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom 20.08.2018. Mit der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung gab die belangte Behörde der Beschwerde keine Folge. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass für das gegenständliche Objekt Adresse 1 der Gemeinde am 28.03.2006 schriftlich mitgeteilt worden sei, dass die Wohnung im 1. Stock keine eigene Wohnung mehr sei und vom Beschwerdeführer mitbenutzt werde. Von einer gewerblichen Nutzung sei zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei an dieser Adresse auch kein Gewerbe gemeldet gewesen. Die Gewerbeanmeldung sei erst mit 17.10.2008 erfolgt. Somit sei klar gewesen, dass die Fläche als Wohnfläche diene und vom Hausbesitzer, wie schriftlich bereits bekanntgegeben, benutzt werde. Somit werde die Höchstgrenze von 150 m² überschritten. Es sei eine Berechnung der Wohnfläche für das Erdgeschoss und das Dachgeschoss erfolgt.

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass § 5 Abs 3 Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetzes nicht beachtet worden sei, wonach jede Änderung, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes den teilweisen oder gänzlichen Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung von der Grundsteuer herbeizuführen geeignet sei, binnen sechs Monaten dem zuständigen Gemeindeamt anzuzeigen sei. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift würde die Befreiung von der Grundsteuer oder der Anspruch darauf mit dem Beginn des Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Änderung folge, erlöschen. Diese Bestimmung sei nicht eingehalten worden, da der Auszug von Frau CC am 24.06.2005 aus der Wohnung des 1. Stockes nicht fristgerecht angezeigt worden sei. Somit sei die Deckung eines ganzjährigen Wohnbedarfes, wie er laut Grundsteuerbefreiungsgesetz notwendig sei, nicht mehr gegeben. Schon aus diesem Grund wäre die Grundsteuerbefreiung aufzuheben gewesen.

Mit weiterer Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2018 entschied die Abgabenbehörde über die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend der Neufestsetzung der Grundsteuer. Die belangte Behörde gab der Beschwerde keine Folge und führte begründend aus, dass aufgrund des Wegfalles der Grundsteuerbefreiung eine Aufrollung der Grundsteuer für die Jahre 2013-2018 erforderlich sei.

In der Folge wurden vom Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 28.08.2018 fristgerecht Vorlageanträge betreffend die beiden Beschwerdevorentscheidungen gestellt.

Die Abgabenbehörde legte den abgabenbehördlichen Akt mit Schreiben vom 03.09.2018 dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vor.

Am 09.05.2019 wurde an Ort und Stelle (Adresse 1, Z) eine Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seines Rechtsvertreters und Vertreter der Abgabenbehörde durchgeführt.

Schließlich wurden seitens der Abgabebehörde dem Landesverwaltungsgericht im schriftlichen Wege die Planunterlagen betreffend das Objekt Adresse 1 übermittelt.

II.      Sachverhalt:

Beim gegenständlichen Objekt handelt es sich um ein jedenfalls bis zum 01.01.2001 fertiggestelltes Wohnhaus in Z, Adresse 1. Die Einreichung dieses Bauvorhabens erfolgte als Zweifamilienwohnhaus. In den Einreichplänen sind keine abgeschlossenen Wohneinheiten ausgewiesen. Das Grundstück und das darauf errichtete Haus stand zunächst im Eigentum des Vaters des Beschwerdeführers DD.

Mit Bescheid vom 26.07.2001 wurde dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers (DD) von der Abgabenbehörde aufgrund des von ihm gestellten Antrags eine zeitliche Grundsteuerbefreiung in Bezug auf das Gebäude gewährt. Im Jahre 2004 ging das Eigentum an diesem Objekt vom Vater des Beschwerdeführers auf den Beschwerdeführer über.

Das Wohnhaus weist ein Keller-, ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss auf. Bei der im EG befindlichen Hauseingangstüre sind Türklingeln für jede der beiden Einheiten angebracht und sind die Einheiten auch jeweils mit einer Gegensprechanlage ausgestattet. Das Haus ist baulich so konzipiert, dass sich an die Hauseingangstüre ein ca 5 m langer (Haus-)Gang anschließt. Davon zweigt linksseitig zunächst ein ca 6 m² großer Garderobenbereich ab. Nach dem Garderobenbereich ist links des Ganges das Stiegenhaus. Am Ende dieses Ganges befindet sich auf der rechten Seite die Eingangstüre zu der im Erdgeschoss gelegenen Wohneinheit, welche eine Küche, ein Bad, ein großes Wohnzimmer, zwei weitere Zimmer, eine Diele, ein Arbeitszimmer, ein WC und ein Bad umfasst. Dieser Bereich wurde bereits nach der Errichtung des Hauses vom Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin bzw seiner Familie benützt. Die Gesamtfläche dieser Wohneinheit umfasst ca 105 m².

Über das Stiegenhaus gelangt man zu der im oberen Geschoss befindlichen Wohneinheit. Diese weist grundsätzlich eine ähnliche Konzeption wie jene im EG auf. Allerdings ist die Nutzfläche aufgrund der Dachschräge geringer (insgesamt ca 85 m²). Es befinden sich im oberen Geschoss ein Wohnraum mit ca. 28 m² m, ein Schlafraum mit ca 15 m², ein Bad und ein Abstellraum sowie eine Diele und eine Küche mit ca 14 m² sowie zwei Dachräume.

Die im oberen Stock gelegene Wohneinheit wurde bis Juni 2005 von der Schwester des Beschwerdeführers (CC) bewohnt. Der Auszug der Schwester wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.03.2006 der Gemeinde Z mitgeteilt. Der Beschwerdeführer führte auch aus, dass die von seiner Schwester benutzte Wohnung nicht mehr vermietet sondern von ihm mitbenutzt werde und somit keine eigene Wohneinheit mehr sei.

Nach dem Auszug der Schwester des Beschwerdeführers aus dem verfahrensgegenständlichen Objekt nutzte der Beschwerdeführer das gesamte Haus und somit auch den Vorraum und die im Dachgeschoss gelegenen Räumlichkeiten für sich bzw seine Familie und zwar sowohl für private als auch für berufliche Zwecke. Mit 17.10.2008 wurde auf die Adresse 1, Z, ein Gewerbe (Werbeagentur) angemeldet. Gewerbeinhaber ist Herr AA. Für berufliche Zwecke wurden die Küche und auch Teile der Diele verwendet.

Von den im DG befindlichen Räumlichkeiten werden seit dem Auszug der Schwester des Beschwerdeführers der Wohnraum, der Schlafraum, der Abstellraum und das Bad, somit jedenfalls mehr als 50 m², privat genutzt. Obwohl die durch den Gang (im Erdgeschoss) bzw die Stiege (im Dachgeschoss) zugänglichen Wohneinheiten jeweils über eine abschließbare Tür verfügen, werden diese Türen seit dem Zeitpunkt, ab dem der Beschwerdeführer auch die Räumlichkeiten im Dachgeschoss nutzen konnte, nicht separat abgesperrt. Vielmehr wird falls notwendig die die Hauseingangstüre abgesperrt. Die Nutzung des Wohnhauses erfolgt in Bezug auf das Erdgeschoss und das Dachgeschoss annähernd so, wie dies bei einem mehrgeschossigen Einfamilienhaus üblich ist. Die für den Wohnbedarf zur Verfügung stehende Nutzfläche überschreitet seit Juni 2005 eine Fläche von 150 m².

III.    Beweiswürdigung:

Die Feststellungen in Bezug auf die Konzeption des Objektes ergeben sich einerseits aus den Plänen sowie andererseits auf der Grundlage des durchgeführten Lokalaugenscheines. Der Beschwerdeführer räumte selbst ein, dass er die im oberen Geschoss gelegenen Räumlichkeiten nutzt, wobei er sowohl von einer beruflichen als auch von einer privaten Nutzung sprach. Da beim Lokalaugenschein festgestellt wurde, dass sich im Wohnraum im Dachgeschoss eine Sitzgruppe und ein großflächiger Fernseher befanden, ist die Nutzung dieses Raumes als privater Raum offensichtlich. In der Küche und Teilen der Diele befanden sich diverse Ordner und Büromaterialien, welche für eine berufliche Nutzung (nur) dieser Teile sprechen. Auch der Gewerberegisterauszug spricht für die (eingeschränkte) berufliche Nutzung dieser Räumlichkeiten.

Dass der Beschwerdeführer (und seine Familie) die im Obergeschoss gelegenen Räumlichkeiten ab dem Auszug seiner Schwester mitbenutzte und somit seinen Wohnraum erweitert hat, ergibt sich insbesondere aus der von ihm gegenüber der Gemeinde Z erstatteten Anzeige vom 01.03.2006, wonach die ehemals von seiner Schwester CC genutzte Wohnung von ihm „mitgenutzt“ werde und somit „keine eigene Wohnung mehr“ sei. In diesem Schreiben ersuchte er auch ausdrücklich um Berücksichtigung bei der „Steuervorschreibung“.

Dass es dennoch bis zum Ergehen der nunmehr angefochtenen Bescheide zu keiner entsprechenden Berücksichtigung auf Seiten der Abgabenbehörde kam, erklärte man seitens der Abgabenbehörde damit, dass man dies damals offenbar einfach übersehen habe und dies erst bei der Neusortierung der Grundsteuerakten aufgefallen sei.

IV.      Rechtsgrundlagen

Das Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetz, LGBl. Nr. 64/1987, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„§ 1

(1)      Für Neu-, Zu-, Auf-, Um- und Einbauten, die nicht nach dem Kriegsschäden-Steuerbefreiungsgesetz, LGBl. Nr. 30/1948, von der Grundsteuer befreit sind, sowie für Verbesserungsmaßnahmen in Bauten wird nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Befreiung von der Grundsteuer gewährt.

(2)      Die Befreiung wird auf die Dauer von zwanzig Jahren für Bauten gewährt, durch die Wohnungen mit höchstens 150 Quadratmeter Nutzfläche geschaffen werden, die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnungsbedarfes bestimmt sind. Nicht zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnungsbedarfes bestimmt sind Wohnungen, die nur während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig benützt sind. Als Nutzfläche einer Wohnung gilt die Gesamtbodenfläche abzüglich der Wandstärken. Auf das Höchstausmaß sind auch Küchen, Garderoben, Bäder und sonstige Anlagen, Vorzimmer, Dielen und Nischen anzurechnen. Stiegenhäuser und Treppen, ferner offene Balkone und Terrassen sowie Keller und Dachbodenräume, die nicht Wohnzwecken dienen, sind bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen.

§ 2

(4) Wenn bei Bauten die Voraussetzungen für die Gewährung der Befreiung von der Grundsteuer nach § 1 nachträglich ganz oder teilweise wegfallen, so endet im gleichen Ausmaß auch die Befreiung von der Grundsteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Änderung eingetreten ist. Bei Wiederzutreffen der Voraussetzungen wird die Befreiung für den Rest des Befreiungszeitraumes entsprechend den Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 wieder gewährt.

§ 5

(3)   Der Steuerpflichtige hat jede Änderung, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes den teilweisen oder gänzlichen Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung von der Grundsteuer herbeizuführen geeignet ist, binnen sechs Monaten dem zuständigen Gemeindeamt anzuzeigen. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift erlischt die Befreiung von der Grundsteuer oder der Anspruch darauf mit Beginn des Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Änderung folgt.

§ 252 Bundeabgabenordnung (BAO) BGBl 194/1961 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„(1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-,
Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Abs. 1 sinngemäß.“

V.       Rechtliche Erwägungen:

Zu Spruchpunkt I. (die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung):

Im gegenständlichen Fall kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die vom Beschwerdeführer benützte Wohnung (seit dem Auszug der Schwester des Beschwerdeführers aus dem Objekt) eine Nutzfläche von mehr als 150 m² aufweist und daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Befreiung iSd § 1 Abs 2 Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetz nicht mehr erfüllt sind. Seitens des Beschwerdeführers wird insbesondere damit argumentiert, dass seit der Errichtung des Objektes keinerlei bauliche Veränderungen vorgenommen worden wären und daher (nach wie vor) zwei vollkommen getrennte, separate Wohnungen, deren Höchstnutzfläche 150 m² nicht übersteigen würden, vorlägen.

Tatsächlich erfolgt seit dem Auszug der Schwester des Beschwerdeführers im Juni 2005 auch eine Nutzung der im Dachgeschoss gelegenen Räumlichkeiten durch ihn (bzw seine Familie) und zwar in einer Art und Weise, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von zwei separat bestehenden abgeschlossenen Wohneinheiten die Rede sein kann, sondern vielmehr von einer auf zwei Ebenen befindlichen Wohneinheit gesprochen werden muss. Dies ergibt sich einerseits durch das Erscheinungsbild des Hauses, insbesondere in Bezug auf den im Erdgeschoss befindlichen Gang und das Stiegenhaus sowie andererseits auf Grund der tatsächlichen Nutzung des Hauses. So kommt insbesondere der uneingeschränkten Möglichkeit, die im Dachgeschoss befindlichen Räumlichkeiten betreten und nutzen zu können, eine besondere Bedeutung zu. Die Türen zu den ursprünglich getrennt genutzten Einheiten entsprechen im Wesentlichen jenen Türen, die den Zugang zu den weiteren Räumlichkeiten (insbesondere zu den Zimmern) ermöglichen und werden diese auch nicht abgeschlossen. Der im EG befindliche Vorraum und das Stiegenhaus stellen keine Gemeinschaftsflächen (mehr) dar sondern stehen so wie die übrigen Räumlichkeiten in der alleinigen Nutzung des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Im Ergebnis bedarf es daher keiner baulichen Veränderung, um eine begünstigungsschädliche relevante Erhöhung der Nutzfläche herbeizuführen. Vielmehr ist auch eine tatsächliche Nutzungsänderung von Räumlichkeiten, die nicht (mehr) abgeschlossen und deshalb nicht mehr als getrennte Wohneinheiten zu betrachten sind, im Sinne einer Erweiterung des Wohnraums geeignet, eine Vergrößerung der Nutzfläche zu bewirken. Entscheidend ist, dass die tatsächliche Nutzung im verfahrensgegenständlichen Objekt jener entspricht, wie sie üblicherweise in einem mehrgeschossigen Einfamilienhaus erfolgt. Selbst wenn ein Teil der im Dachgeschoss gelegenen Räumlichkeiten beruflichen Zwecken dient, liegt zweifelsfrei eine Wohnung mit einer 150 m² übersteigenden Nutzfläche vor. Somit sind jedenfalls mit Juni 2005 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Grundsteuerbefreiung nach § 1 Abs 2 Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetz weggefallen.

Im Übrigen wurde seitens des Beschwerdeführers der Anzeigeverpflichtung gemäß
§ 5 Abs 3 Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetz nicht entsprochen. Nach dieser Bestimmung hat der Steuerpflichtige jede Änderung, die nach den Bestimmungen des Gesetzes den teilweisen oder gänzlichen Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung von der Grundsteuer herbeizuführen geeignet ist, binnen sechs Monaten dem zuständigen Gemeindeamt anzuzeigen. Die Anzeige des Beschwerdeführers datiert vom 01.03.2006 und bezieht sich auf den Auszug seiner Schwester im Juni 2005, was bedeutet, dass die sechsmonatige Frist zur Erstattung der Anzeige nicht eingehalten wurde. Nach § 5 Abs 3 letzter Satz Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetz hat eine Missachtung dieser Bestimmung zur Folge, dass die Befreiung von der Grundsteuer oder der Anspruch darauf mit Beginn des Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Änderung folgt, erlischt. Auch aus diesem Grund ist die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung mit Wirksamkeit ab 01.01.2007 rechtmäßig.

Zu Spruchpunkt II. (die Festsetzung der Grundsteuer):

Bescheide über die Gewährung landesgesetzlicher Befreiungen von der Grundsteuer sind Grundlagenbescheide für Abgabenbescheide (Grundsteuerfestsetzungsbescheide). Es kommt nicht entscheidend darauf an, inwieweit eine Zustellung des Abgabenfestsetzungsbescheides allenfalls (im gegenständlichen Fall laut den Beschwerdeausführungen einen Tag) vor dem Bescheid, mit dem die Grundsteuerbefreiung aufgehoben wurde, erfolgt ist. Vielmehr ist entscheidend, dass der zuletzt genannte Bescheid, mit dem die Abgabenbehörde ab dem Jahr 2007 die Grundsteuerbefreiung wegen Überschreitens der Nutzfläche (für den Wohnbedarf) von 150 m² aufgehoben hat, jedenfalls (am 16.07.2018) zugestellt wurde und somit Rechtswirkungen auf den (abgeleiteten) Festsetzungsbescheid ausübt. Die diesbezüglichen Einwendungen in der Beschwerde gehen daher ins Leere.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu wird auf die in der gegenständlichen Entscheidung jeweils angeführte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabegebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Grundsteuerfestsetzung; Grundsteuerbefreiung; Grundlagenbescheid; abgeleiteter Bescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.20.1975.7

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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