Entscheidungsdatum
18.06.2019Index
L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2018 §49 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch die BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 28.01.2018, Zahl *****, wegen einer Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 nach der Durchführung einer öffentlichen mündlichen wie folgt:
Es wurde
I.
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird nach der Maßgabe der nachfolgenden Spruchpunkte 2. bis 5. Folge gegeben, im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
AA wird verpflichtet, die
a. ostseitige Überdachung beim südlichsten Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück **1 KG Y (diese bauliche Anlage schließt südöstlich an die im Lageplan zur Baubewilligung vom 15.11.1993, Zahl *****, als „Gewächshaus geplant“ bezeichnete bauliche Anlage an),
b. die Gewächshäuser auf dem Grundstück **2 KG Y,
c. den nördlichen Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück **1 (diese bauliche Anlage schließt nördlich an die im vorgenannten Lageplan als „Gewächshaus geplant“ bezeichnete bauliche Anlage an) und
d. das langgestreckte Gewächshaus östlich des Hauptgewächshauses (dieses lang gestreckte Gewächshaus befindet sich hauptsächlich auf dem Grundstück **1 KG Y sowie auf dem nordwestlichen Bereich auf dem Grundstück **2 KG Y)
zu entfernen.
2. Die Leistungsfrist hierfür beträgt bis zum 31.12.2019.
3. Zugleich wird dem Verpflichteten aufgetragen, die Bereiche nach dem Beseitigen der baulichen Anlagen unverzüglich durch Aufbringen einer Humusschicht in Stärke der Humusschicht des nächstgelegenen Feldes zu rekultivieren.
Zudem wurde der
II.
Beschluss gefasst
4. Der baupolizeilichen Auftrag, „sämtliche sonstigen baulichen Anlagen - Parkplätze, Ablageplätze, Überdachungen usw.“ zu entfernen, wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Gemeinde Y zurückverwiesen.
Es wurde weiters
III.
zu Recht erkannt:
5. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben, wonach AA nunmehr die weitere Benützung der unter Spruchpunkt 2.a. bis 2.d. genannten baulichen Anlagen untersagt wird.
Dieser Untersagung ist unverzüglich nachzukommen.
Zudem wird der
IV.
Beschluss gefasst:
6. das Datum des angefochtenen Bescheides im Satz vor dem obigen Spruchpunkt I. wird dahingehend berichtigt, wonach dies anstelle „28.01.2018“ richtig „28.01.2019“ lautet.
7. der obige Spruchpunkt I.1.a. wird dahingehend berichtigt, wonach das Datum anstelle „15.11.1993“ richtig „10.12.1993“ lautet.
8. der obige Spruchpunkt III. wird dahingehend berichtigt, wonach die Wort- und Zeichenfolge „der unter Spruchpunkt 2.a. bis 2.d.“ richtig „der unter dem obigen Spruchpunkt I.1.a. bis d.“ lautet.-
V.
9. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Verfahrensgang:
Baupolizeilich wurde seitens der belangten Behörde der hochbautechnische Sachverständige mit verschiedenen Fragestellungen im Zusammenhang mit der baurechtlichen Situation betreffend den Betrieb „Gärtnerei A“ in Y angefragt.
Diesbezüglich erstellte der Sachverständige das Gutachten vom 13.06.2017, welches bei der belangten Behörde am 14.06.2017 eingegangen ist.
Aufbauend auf dieses Gutachten wurde seitens der belangte Behörde der nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.01.2019, Zahl *****, erlassen.
Mit dem Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde ua der nunmehrige Beschwerdeführer AA verpflichtet, 1) die ostseitige Überdachung beim südlichen Teil des Gewächshauses auf Grundstück GSt **1, 2) die Gewächshäuser auf dem Grundstück GSt **2, 3) den nördlichen Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück GSt **1, 4) das lang gestreckte Gewächshaus östlich des Hauptgewächshauses, das sich hauptsächlich auf dem Grundstück GSt **1 und im nordwestlichen Bereich auf dem Grundstück GSt **2 befindet sowie 5) sämtliche sonstigen baulichen Anlagen - Parkplätze, Ablageplätze, Überdachungen, usw bis längstens 28.05.2019 abzutragen, die dort befindlichen Materialien gänzlich zu entfernen und entsprechend der gesetzlichen Grundlagen zu entsorgen sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes iSd Rückbaus der Befestigungen und die Herstellung des ursprünglichen Geländes in dessen Höhe und Art (Rückbau der Planierungen und Einsäen) aufgetragen.
Mit dem Spruchpunkt II. des Bescheides vom 28.01.2019 wurde ua dem Beschwerdeführer als Eigentümer die weitere Benützung der in Spruchpunkt I. genannten baulichen Anlagen untersagt.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darin zusammengefasst wie folgt vorgebracht:
In Ansehung des § 46 Abs 6 lit a TBO 2018 sei der nunmehrige Beschwerdeführer unrichtiger Bescheidadressat, da die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen von der Gartenbau A GmbH benützt werden. Es sei sohin die Benützung nicht dem Eigentümer sondern dem benützenden Dritten zu untersagen. Es sei die Offizialmaxime verletzt worden, da in den Räumlichkeiten der Behörde allenfalls Unterlagen existieren, woraus sich ergäbe, dass für die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen ein Baukonsens besteht. Zudem seien die baulichen Anlagen nicht bewilligungspflichtig. Es werde das Bestimmtheitsgebot verletzt, nachdem anhand des Spruches des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer nicht erkennbar sei, welche Anlagen er entfernen solle. Insbesondere widerspreche der baupolizeiliche Auftrag 5) dem verfassungsrechtlich gebotenen Determinierungsgebot und könne nicht vollstreckt werden. Es wird angeregt, das Verfahren auszusetzen, nachdem bei der zuständigen Behörde bereits ein Verfahren zur Änderung der Widmung angeregt wurde, sodass auf den gegenständlichen Liegenschaften neue bauliche Anlagen für die Ausübung der Gewerbe Gartenbau, Garten- und Grünflächengestaltung sowie Detailverkauf, Pflanzen und Dekormaterial errichtet werden können. Weiters wird moniert, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid fehlerhaft sei, nachdem dort angeführt sei, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukomme.
Nach Vorlage der Beschwerde wurde beim hochbautechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung, Fachbereich Baupolizei, mit dem verwaltungsgerichtlichen Schreiben vom 17.04.2019 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der wesentliche Inhalt dieses Gutachtens lautet wie folgt:
„…
Unter Punkt 3.3 der Beschwerde wird die Verletzung des Bestimmtheitsgebotes vorgebracht:
Im Hinblick auf 1. ergibt sich für das Verwaltungsgericht, dass damit jene bauliche Anlage angesprochen ist, die südöstlich an die im Lageplan zur Baubewilligung vom 15.11.1993, Zahl *****, (vgl hierzu die Anlagen im Gutachten CC vom 13.06.2017 (Eingang bei der belangten Behörde am 14.06.2017) als „Gewächshaus geplant“ bezeichnete bauliche Anlage anschließt.
Hierzu wird ersucht, eine Beurteilung im Hinblick auf eine Anzeige- oder Bewilligungspflicht aus hochbautechnischer Sicht vorzunehmen.
Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ergeben sich im Hinblick auf 2. keine Zweifel, welche baulichen Anlagen damit umfasst sind.
Betreffend 3. geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass hier jene bauliche Anlage umschrieben ist, welche nördlich im Anschluss an die im vorgenannten Lageplan als „Gewächshaus geplant“ bezeichnete bauliche Anlage errichtet ist.
Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes besteht im Hinblick auf dem baupolizeilichen Auftrag I.4. kein Zweifel, welche bauliche Anlage angesprochen ist (vgl obiges Gutachten CC).
Letztlich wird um fachliche Einschätzung dahingehend ersucht, welcher Zeitraum für die Beseitigung für die unter Spruchpunkt 1.-4. genannten baulichen Anlagen sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes in diesen Bereichen zu veranschlagen ist.
Zu 5:
In diesem Zusammenhang wird um keine weiteren Beurteilungen ersucht.
…“
In den Schlussfolgerungen seines Gutachtens vom 07.05.2019 führt der hochbautechnische Amtssachverständige im Hinblick auf den verwaltungsgerichtlichen Auftrag aus, dass aufgrund der im Befund seines Gutachtens enthaltenen Ausführungen festgestellt werden kann, dass es sich bei der unter Spruchpunkt I. unter 1. des angefochtenen Bescheides angegebenen Maßnahme um eine Überdachung handelt, bei deren Errichtung allgemeine bautechnische Kenntnisse wesentlich berührt werden. Dies vor allem aufgrund der Anforderungen, welche sich aus dem OiB-Richtlinien 1, 3 und 4 ergeben.
Die unter Spruchpunkt I. unter 1. bis 4. des angefochtenen Bescheides beschriebenen zu entfernenden Baulichkeiten konnten aus hochbautechnischer Sicht allesamt unmissverständlich zugeordnet werden. Weiters führte der Amtssachverständige aus, dass die erforderlichen Maßnahmen innerhalb von 5 Monaten durchgeführt werden können.
Das verwaltungsgerichtliche Auftragsschreiben vom 17.04.2019 sowie das Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 07.05.2019 sind unter anderem dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Vorfeld zur mündlichen zugegangen. Zu dieser Verhandlung ist der Beschwerdeführer selbst nicht erschienen und hat sich wegen eines persönlichen Termins entschuldigt. Im Zuge der Verhandlung konnte der Rechtsvertreter auf Fragen des Verhandlungsleiters im Hinblick auf die Benützung der gegenständlichen baulichen Anlagen durch den Beschwerdeführer selbst Auskunft erteilen. Neben dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sind die Bauamtsleiterin der belangten Behörde, der Bürgermeister der Gemeinde Y und der hochbautechnische Amtssachverständige zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol erschienen.
Die Entscheidung wurde im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündet. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellte im Anschluss an die Verkündung der Entscheidung einen Antrag auf Ausfertigung in vollem Umfang.
I. Sachverhaltsfeststellungen:
AA (Beschwerdeführer) ist Miteigentümer der Grundstücke **2 und **1, beide KG Y.
Die A Gartenbau GmbH benützt die oben unter Spruchpunkt I.1.a.-d. genannten baulichen Anlagen (in der Folge bauliche Anlagen a-d genannt)
AA ist geschäftsführenden Gesellschafter der A Gartenbau GmbH. In dieser Funktion arbeitet er in den baulichen Anlagen a-d.
Im Zusammenhang mit der Errichtung der ostseitigen Überdachung beim südlichsten Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück **1 KG Y (diese bauliche Anlage schließt südöstlich an die im Lageplan zur Baubewilligung vom 15.11.1993, Zahl *****, als „Gewächshaus geplant“ bezeichnete bauliche Anlage an) werden allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt. Konkret wird ua das Erfordernis der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit, vor allem bei Schnee- und Windeinwirkung wesentlich berührt.
Die unter dem obigen Spruchpunkt I.1.b-d genannten baulichen Anlagen (in der Folge bauliche Anlagen b-d genannt) sind als Gebäude zu qualifizieren.
Für die baulichen Anlagen a-d liegt eine Baubewilligung nicht vor. Für die bauliche Anlage a liegt auch keine Bauanzeige vor.
II. Beweiswürdigung:
Der angefochtene Bescheid ist an den Beschwerdeführer als Eigentümer gerichtet und wird die Tatsache, dass er Miteigentümer der hier in Rede stehende Liegenschaft ist, in der Beschwerde selbst angeführt.
Seitens des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurde der Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem vom 10.02.2019 betreffend die Gartenbau A GmbH angefertigt. Daraus ergibt sich, dass die Gesellschaft im Standort Adresse 2 in Y unter anderem das Gärtnereigewerbe ausübt.
In der mündlichen Verhandlung führt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen bzw Grundstücke der vorgenannten Gesellschaft verpachtet hat. Insofern steht fest, dass die baulichen Anlagen von Gartenbau A GmbH benützt werden.
Dem Auszug aus dem Unternehmensregister betreffend die Gartenbau A GmbH vom 10.04.2019, welcher verwaltungsgerichtlich eingeholt wurde, kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer geschäftsführender Gesellschafter der GmbH ist.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter der Gartenbau A GmbH in den baulichen Anlagen arbeitet.
Im Hinblick auf die ostseitige Überdachung beim südlichsten Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück **1 KG Y (vgl obigen Spruchpunkt I.1.a.) hat der hochbautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 07.05.2019 nach der Durchführung eines Lokalaugenscheines ausgeführt, dass bei der Errichtung dieser baulichen Anlage allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden. Der Amtssachverständige führt aus, dass die ausreichende mechanische Festigkeit und Standsicherheit, vor allem bei Schnee- und Windeinwirkung (OIB-Richtlinie 1) beachtlich sei. Darüber hinaus gelten Anforderungen an Überkopfverglasungen, welche zwingend aus Verbundsicherheitsglas zu bestehen haben (O4B-Richtlinie 4) sowie an die einwandfreie Ableitung und Versickerung von Niederschlagswässern (OIB Richtlinie 3). In Ansehung dieser Erfordernisse kommt der Sachverständige zum Ergebnis, dass allgemeine bautechnische Kenntnisse wesentlich berührt werden.
Das Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen, welches im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol als erstattet gilt, ist schlüssig und nachvollziehbar. Es ist nicht widersprüchlich und folgt den Denkgesetzen (vgl VwGH 20.11.1990, 90/18/0169). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, welches nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgte, vermochte die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht erschüttern (vgl VwGH 20.9.1990, 90/07/0113).
Nach § 2 Abs 2 TBO 2018 sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
Unzweifelhaft erfüllen die Gewächshäuser b-d die Tatbestandsmerkmale für Gebäude. Sie sind überdeckte, überwiegend umschlossene bauliche Anlagen und können von Menschen betreten werden. Sie sind dazu bestimmt, dem Schutz von Pflanzen zu dienen.
In den vorgelegten Bauakten können Baubewilligungen oder Bauanzeigen für die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen nicht erblickt werden. Die vage Behauptung in der Beschwerde, wonach in den Räumlichkeiten der Behörde allenfalls Unterlagen existieren, woraus sich ergäbe, dass für die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen ein Baukonsens besteht, kann nicht nachvollzogen werden. Von der belangten Behörde wurden umfangreiche Unterlagen betreffend die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen auf den gegenständlichen Liegenschaften vorgelegt, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben. Ein Baukonsens für die baulichen Anlagen a-d kann daraus nicht abgeleitet werden, wobei in diesem Zusammenhang auch ein hochbautechnischer Sachverständiger befasst war (Gutachten vom 13.06.2017). Soweit dieses Vorbringen im Zusammenhang mit dem Spruchpunkt I.5. des angefochtenen Bescheides erstattet wird, wird auf den Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss (Spruchpunkt II.4.) verwiesen.
Auch ist anzumerken, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol das Vorliegen eines baurechtlichen Konsenses für die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen nicht substanziell weiterverfolgt wurde.
III. Rechtslage:
Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018:
„§ 2
Begriffsbestimmungen
…
(2) Gebäude sind überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
…
(8) Zubau ist die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume.
…
4. Abschnitt
Bauvorschriften
§ 18
Allgemeine bautechnische Erfordernisse
(1) Bauliche Anlagen und alle ihre Teile müssen so geplant und ausgeführt sein, dass sie unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit gebrauchstauglich sind und entsprechend dem Stand der Technik die bautechnischen Erfordernisse insbesondere
a) der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit,
b) des Brandschutzes,
c) der Hygiene, der Gesundheit und des Umweltschutzes,
d) der Nutzungssicherheit und der Barrierefreiheit,
e) des Schallschutzes,
f) der Gesamtenergieeffizienz, der Energieeinsparung und des Wärmeschutzes und
g) im Fall von Neubauten und umfangreichen Renovierungen weiters der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Schaffung von hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen, bei Wohnanlagen einschließlich des Zugangspunktes
erfüllen. Diese Erfordernisse müssen bei vorhersehbaren Einwirkungen und bei normaler Instandhaltung über einen wirtschaftlich angemessenen Zeitraum erfüllt werden. Dabei sind Unterschiede hinsichtlich der Lage, der Größe und der Verwendung der baulichen Anlagen zu berücksichtigen.
(2) Bauliche Anlagen sind so zu gestalten, dass sie möglichst ohne Erschwernisse ihrem Verwendungszweck entsprechend benützt werden können. Soweit der jeweilige Verwendungszweck dies erfordert, ist dabei insbesondere auch auf die Bedürfnisse von Kindern sowie von älteren Menschen und Menschen mit einer Behinderung Bedacht zu nehmen.
(3) Das Äußere von baulichen Anlagen ist weiters so zu gestalten, dass im Hinblick auf deren Einbindung in die Umgebung das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt wird.
(4) Bauteile, die schädigenden Einwirkungen ausgesetzt sind, müssen aus entsprechend widerstandsfähigen Bauprodukten hergestellt oder gegen diese Einwirkungen geschützt ausgeführt werden. Schädigende Einwirkungen sind insbesondere Umweltschadstoffe, Witterungseinflüsse, Erschütterungen und korrosive Einwirkungen.
5. Abschnitt
Verfahrensbestimmungen
§ 28
Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben, Ausnahmen
(1) Einer Baubewilligung bedürfen, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:
a) der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;
b) die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden;
c) die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteiles nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann; hierbei ist vom bewilligten Verwendungszweck bzw. bei Gebäuden oder Gebäudeteilen, für die aufgrund früherer baurechtlicher Vorschriften ein Verwendungszweck nicht bestimmt wurde, von dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck auszugehen;
d) die Verwendung von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Gebäudeteilen als Freizeitwohnsitz, sofern nicht eine Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 7 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 vorliegt, sowie die Verwendung von im Freiland gelegenen Freizeitwohnsitzen auch zu einem anderen Zweck als dem eines Freizeitwohnsitzes;
e) die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden.
…
§ 46
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.
…
(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,
a) wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt,
b) wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben handelt, das ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige oder ungeachtet einer Untersagung nach § 30 Abs. 3 fünfter Satz ausgeführt wurde,
…“
Im Übrigen wird auf die Internetseite ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.
IV. Erwägungen:
Dem Bauakt aus dem Jahr 1979 wie auch den nachfolgenden Bauakten ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die hier in Rede stehenden baulichen Anlagen a-d vor der ersten Baubewilligung vom 07.12.1979, Zahl *****, Bestand hatten.
Bereits die Tiroler Landesbauordnung 1901 idF LGBl Nr 10/1960 legte in § 45 (vgl § 30 zweiter Absatz, 2. Bauordnungsnovelle, LGBl Nr 11/1928) fest, dass für Neubauten eine Baubewilligung erforderlich ist.
Nachdem die baulichen Anlagen b-d Neubauten darstellen, sind diese nach wie vor bewilligungspflichtig nach § 28 Abs 1 lit a TBO 2018.
Auch wenn die ostseitige Überdachung beim südlichsten Teil des Gewächshauses auf dem Grundstück **1 KG Y (vgl obigen Spruchpunkt I.1.a.) keinen Zubau im Sinne des § 2 Abs 8 TBO 2018 darstellt, so ist diese bauliche Anlage dennoch baubewilligungspflichtig nach § 28 Abs 1 lit d TBO 2018. Die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind, wenn dadurch allgemeine bautechnische Kenntnisse wesentlich berührt werden, nach dieser Bestimmung baubewilligungspflichtig.
Diese bauliche Anlage war jedoch auch schon bereits nach der Tiroler Bauordnung, LGBl Nr 43/1978 (Wv), bewilligungspflichtig. Nach § 25 lit e leg cit war die Errichtung oder Änderung sonstiger baulicher Anlagen, wenn durch diese Anlagen Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen oder für Sachen entstehen können (demonstrative Aufzählung folgt) bewilligungspflichtig. Aufgrund der Sachverständigenbeurteilung wird ua das Erfordernis der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit, vor allem bei Schnee- und Windeinwirkung, wesentlich berührt, weshalb eine Gefahr für die Sicherheit von Menschen und Sachen, die sich in dieser baulichen Anlagen befinden, entstehen kann.
Jedenfalls wäre bereits nach § 26 Tiroler Bauordnung, LGBl Nr 43/1978, eine Anzeigepflicht gegeben gewesen, weshalb ein baurechtlicher Konsens auch für diese bauliche Anlage jedenfalls nicht gegeben ist und auch im Fall einer Anzeigepflicht ein Vorgehen nach § 46 Abs 1 TBO 2018 geboten wäre. Die Untersagung der weiteren Benützung würde sich in diesem Fall auf § 46 Abs 6 lit b TBO 2018 stützen.
Nachdem ein baurechtlicher Konsens für diese baulichen Anlagen a-d nicht vorliegt, hatte die belangte Behörde die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 46 Abs 1 TBO 2018 zu verfügen. Allerdings hatte verwaltungsgerichtlich eine Präzisierung der behördlichen Aufträge zu erfolgen, da ansonsten eine Vollstreckbarkeit nicht gegeben wäre.
Im Zusammenhang mit dem baupolizeilichen Auftrag I.5. war eine Zurückverweisung geboten. Die belangte Behörde führte die davon betroffenen baulichen Anlagen derart unpräzise aus, dass zusätzliche Erhebungen erforderlich sind, welche Anlagen davon überhaupt betroffen sein sollen. Insofern sind die bisherigen Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde derart mangelhaft, dass darauf aufbauend ein baupolizeilicher Auftrag nicht erlassen werden kann. Vielmehr liegen im Hinblick auf diesen baupolizeilichen Auftrag lediglich ansatzweise Ermittlungen vor (vgl VwGH 26.06.2014, 2014/03/0063).
Der hochbautechnische Amtssachverständige erachtete eine Leistungsfrist von 5 Monaten für die verwaltungsgerichtlich präzisierte Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes für realistisch. Auf Ersuchen des Beschwerdeführers wird – ohne Widerspruch der belangten Behörde im Zuge der mündlichen Verhandlung - die Leistungsfrist bis zum 31.12.2019 verfügt.
Benützt werden die gegenständlichen baulichen Anlagen von der Gartenbau A GmbH. Grundeigentümer (Miteigentümer) ist der Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter der vorgenannten GmbH in den hier betroffenen baulichen Anlagen. Nach § 46 Abs 6 Einleitungssatz TBO 2018 ist die weitere Benützung einer baulichen Anlage dem Eigentümer, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem zu untersagen. Anders als in der steiermärkischen Bauordnung (vgl VwGH 31.01.2002, 2000/06/9011) ist durch den Wortlaut in Abs 6 Einleitungssatz leg cit klargestellt, wer Normadressat der Untersagung ist. Hätte der Gesetzgeber in § 46 Abs 6 Einleitungssatz TBO 2018 zum Ausdruck bringen wollen, dass neben dem benützenden Dritten auch dem Eigentümer die Benützung zu untersagen ist, so hätte er dies beispielsweise dadurch bewerkstelligt, in dem er in der Textierung vor dem Wort „diesem“ das Wort „auch“ vorangestellt hätte.
Gegenständlich kommt jedoch nicht die Benützung des Beschwerdeführers als Eigentümer in Betracht, sondern als eine Person, die die baulichen Anlagen benützt, indem sie dort arbeitet. Der Beschwerdeführer arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH in den baulichen Anlagen und benützt diese somit. Deshalb ist es aus Sicht des Verwaltungsgerichtes zulässig, ihm als Benützer (und nicht etwa als Eigentümer alleine) der baulichen Anlagen die weitere Benützung zu untersagen, wobei sich diese Untersagung auf § 46 Abs 6 lit a TBO 2018, soweit man von einer anzeigepflichtigen baulichen Anlage ausgehen will, auf lit b leg cit stützt.
Ein allfälliges Ersuchen um die Änderung der Widmung bei der zuständigen Gemeindebehörde hat auf ein baupolizeiliches Auftragsverfahren nach § 46 TBO 2018 keinen Einfluss. Insofern war die Anregung des Beschwerdeführers nicht aufzugreifen.
Soweit der Beschwerdeführer moniert, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid fehlerhaft sei, ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid eine normative Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entnommen werden kann. Insbesondere trifft § 65 TBO 2011 auf baupolizeiliche Aufträge nicht zu, da mit derartigen Aufträgen keine Berechtigung eingeräumt wird. Insofern ist der Beschwerde in diesem Punkt beizupflichten, wobei nach dem Kenntnisstand des Landesverwaltungsgerichtes Tirol dem angefochtenen Bescheid faktisch aufschiebende Wirkung zugekommen ist.
Zu Spruchpunk IV (Berichtigung):
Nach § 62 Abs 4 AVG können Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf den technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von der Behörde von Amts wegen berichtigt werden können. Diese Bestimmung ist gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden.
Die unrichtige Jahreszahl bei der Nennung des Schöpfungsdatums des angefochtenen Bescheides stellt einen offensichtlichen Schreibfehler dar.
Auf dem genannten Lageplan ist der Genehmigungsvermerk der belangten Behörde gebracht. Aus diesem Genehmigungsvermerk ergibt sich, dass der Lageplan bei der Verhandlung am 15.11.93 vorgelegen hatte und dem Bescheid vom 10.12.93, Zahl *****, zugrunde liegt. Insofern liegt eine Verwechslung bei der Nennung des Schöpfungsdatums des Baubescheides der belangten Behörde vom 10.12.1993 vor. Das Versehen war zu berichtigen.
Ohne Weiters ist erkennbar, dass unter Spruchpunkt 2.a.-2.d. keine baulichen Anlagen genannt sind. Es kann kein Zweifel dahingehend bestehen, wonach die verwaltungsgerichtliche Untersagung der weiteren Benützung gerade jene baulichen Anlagen umfassen soll, die von der aufgetragenen Beseitigung betroffen sind. Insofern war eine Berichtigung geboten.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidungen kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
Benützungsuntersagung;Anmerkung
Mit Beschluss vom 29.08.2019, Z Ra 2019/06/0133-5, gab der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 18.06.2019, Z LVwG-2019/32/0677-7, aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, statt.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.32.0677.7Zuletzt aktualisiert am
03.09.2019