Entscheidungsdatum
21.03.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I403 1424680-3/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria (alias Ghana), vertreten durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018, Zl. 810787508/180233565, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.03.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben, und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 26.07.2011 unter Verwendung einer falschen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 19.07.2016 abgewiesen wurde. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Einreiseverbot von 5 Jahren ausgesprochen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2016, Zl. I408 1424680-1 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer verließ Österreich am 21.12.2016 freiwillig.
Der Beschwerdeführer kehrte wieder nach Österreich zurück und wurde am 09.03.2017 nach Nigeria abgeschoben. Am 02.02.2018 wurde ihm die Einreise nach Österreich am Luftweg verwehrt.
Am 01.03.2018 stellte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Niederlassungsbehörde einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte.
Am 05.03.2018 gab der Beschwerdeführer im Wege seines gewillkürten Vertreters dem BFA bekannt, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe. Ihr gemeinsames Kind sei am XXXX2017 geboren worden. Er selbst verfüge über einen spanischen Aufenthaltstitel. Er beantrage die Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbotes.
Mit Verständigung von der Beweisaufnahme informierte das BFA am 08.03.2018, dass durch die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Drittststaatsangehöriger der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit dem bestehenden Einreiseverbot die Grundlage entzogen sei, dass er aber aufgrund seiner zwei Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz aus den Jahren 2012 und 2013 eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, zumal es weitere Anzeigen gegen den Beschwerdeführer geben würde. Daher sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geplant.
Mit Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 27.03.2018 wurde erklärt, dass vom Beschwerdeführer keine aktuelle Gefahr ausgehe.
Am 27.07.2018 wurde der Beschwerdeführer für einige Stunden festgehalten und ins Polizeianhaltezentrum gebracht. Diese Festnahme und Anhaltung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2018, Zl. W252 2202111-1 für rechtswidrig erklärt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz ein auf die Dauer von 4 Jahres befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Im Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Dagegen wurde fristgerecht am 10.11.2018 Beschwerde erhoben und beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, die Ehefrau einzuvernehmen und ein kinderpsychologisches Gutachten einzuholen, den Bescheid ersatzlos zu beheben bzw. jedenfalls einen Durchsetzungsaufschub bis zum 31.08.2019 zu gewähren, da seine Ehefrau am 08.06.2018 das zweite gemeinsame Kind erwarte. Inhaltlich wurde darauf verwiesen, dass die Verurteilungen einige Jahre zurückliegen würden, dass der Beschwerdeführer zuletzt unbegründet festgenommen worden sei, dass er nicht mittellos sei, sondern das Kind betreue und dafür von seiner Ehefrau "Naturalunterhalt" bekomme und dass es unmöglich sei, das Familienleben mit einem Kind von Nigeria aus aufrechtzuerhalten. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer persönlich anzuhören und daher etwa nicht in Erfahrung gebracht, dass eine neuerliche Schwangerschaft seiner Ehefrau vorliege.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.12.2018 vorgelegt.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2018, Zl. I403 1424680-3/4Z wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
Am 07.03.2019 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, für die sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entschuldigt hatte. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wurden von der erkennenden Richterin im Beisein eines Rechtsvertreters des Beschwerdeführers befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger, da er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Er ist in Besitz einer spanischen Aufenthaltsgenehmigung.
Der Beschwerdeführer wurde 2012 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten und 2013 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, beide Male wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz:
* mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.05.2012, rechtskräftig am 30.05.2012, Zl. XXXX wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten (Bedingte Nachsicht der Strafe wurde dann am 30.04.2013 widerrufen)
* mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.04.2013, rechtskräftig am 03.05.2013, Zl. XXXX wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG; §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG und wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten
Der Beschwerdeführer und seine österreichische Ehefrau lernten sich 2013 kennen und führen seit 2014/2015 eine gefestigte Beziehung. Sie sind seit 18.05.2017 verheiratet. Diese Beziehung veranlasste den Beschwerdeführer, trotz aufrechten Einreiseverbotes wieder nach Österreich zurückzukehren. Am XXXX2017 wurde das gemeinsame Kind geboren. Von 01.10.2017 bis 03.01.2018 lebten beide in Spanien, wo die Ehefrau des Beschwerdeführers als Haushaltshilfe tätig war. Aufgrund des engen Bezuges der Ehefrau des Beschwerdeführers zu ihrer Familie und zu Österreich kehrten sie im Jänner 2018 gemeinsam nach Österreich zurück. Die Ehefrau erwartet ein weiteres Kind, Geburtstermin ist der 08.06.2019.
Der Beschwerdeführer hat eine sehr enge Beziehung zu seinem Sohn und ist vorrangig für dessen Betreuung zuständig; dadurch ermöglichte er seiner Ehefrau die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Der Beschwerdeführer ist auch in die Familie seiner Ehefrau eng eingebunden.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Der Beschwerdeführer legte zum Beweis seiner Identität einen auf seine Person ausgestellten nigerianischen Reisepass und eine spanische Aufenthaltsberechtigungskarte vor.
Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, wurde auch von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt. Dieser Umstand wurde im Übrigen durch die Aussagen der Ehefrau in der mündlichen Verhandlung und durch die in diesem Rahmen vorgelegten Auszüge ihres spanischen Kontos belegt, ebenso durch den bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Arbeitsvertrag und die spanische Anmeldebescheinigung. Auch die Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger steht laut angefochtenem Bescheid (S 5) "außer Diskussion" und ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde. Dass die Ehegemeinschaft aufrecht ist und zwischen den Ehepartnern tatsächlich ein Familienleben besteht, ergibt sich einerseits aus dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck und zweitens auch aus der durch das Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen polizeilichen Nachschau an der Adresse des Beschwerdeführers. Laut Bericht der LPD XXXX vom 31.01.2019 gibt es keine Hinweise auf Bestehen einer Aufenthaltsehe, sondern ist von einer aufrechten Beziehung auszugehen. Die berufliche Tätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Teilzeitvereinbarung über 25 Stunden und dem Auszug aus dem "Elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger sowie den vorgelegten Lohnzetteln.
Die Geburt des gemeinsamen Kindes am XXXX2017 ergibt sich durch die Vorlage der Geburtsurkunde. Dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn eine enge Beziehung besteht, ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck. Der Beschwerdeführer war aufgrund der Berufstätigkeit seiner Ehefrau stark in die Fürsorge und Erziehung des gemeinsamen Sohnes eingebunden. Die aktuelle Schwangerschaft der Ehefrau des Beschwerdeführers ergibt sich durch die Vorlage des Mutter-Kind-Passes; errechneter Geburtstermin ist der 08.06.2019. In einem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der Mutter der Ehefrau der Beschwerdeführerin beschreibt diese die enge Beziehung des Beschwerdeführers zur ganzen Familie, insbesondere aber auch die enge Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Sohn.
Dass die Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens in Nigeria oder in Spanien nicht möglich ist, ergibt sich aus den Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und dem Umstand, dass das Ehepaar bereits versucht hatte, sich in Spanien eine neue Existenz aufzubauen, aufgrund der engen familiären und sozialen Verflechtung der Ehefrau des Beschwerdeführers in Österreich aber damit gescheitert war. Auch das BFA war offensichtlich nicht von der Möglichkeit der Fortführung des Familienlebens außerhalb Österreichs ausgegangen, sondern hatte argumentiert, dass das Familienleben "auch aus der Heimat aufrechterhalten werden" könne, ohne allerdings auszuführen, wie dies in Bezug auf den Sohn des Beschwerdeführers und das noch ungeborene Kind zu realisieren wäre.
Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister vom 11.03.2019. Diese stammen aus den Jahren 2012 und 2013.
Das BFA argumentierte im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle: "Sie wurden seither (gemeint: seit 2013) zwar nicht mehr rechtskräftig verurteilt, jedoch diverse Male wegen verschiedenen Delikten, u.a. wieder wegen § 27 SMG, angezeigt und lief auch eine Aufenthaltsermittlung wegen § 27 SMG durch das BG XXXX gegen Sie. Dass Sie bisher nicht mehr rechtskräftig verurteilt wurden, resultiert maßgeblich aus Ihrer Abwesenheit aus Österreich und dem daraus entstandenen Umstand, dass Sie für die Justiz nicht mehr greifbar waren. (...) Sie sind weiterhin und offenkundig dem Suchtmittelmilieu zuzurechnen und verdienen mit strafbaren Handlungen in diesem Bereich offenkundig ihren Lebensunterhalt. Auch aufgrund Ihrer desolaten finanziellen Situation (keine Erwerbstätigkeit, kein Einkommen in Österreich) ist mit einer Fortsetzung bzw. Wiederholung Ihres bisherigen Verhaltens zu rechnen. Sie waren bisher nicht an einem legalen Erwerb von finanziellen Mitteln interessiert."
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich diesen Erwägungen und Feststellungen nur bedingt anschließen: Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer zweimal nach dem SMG verurteilt wurde, dies ergibt sich auch aus dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister. Diese Verurteilungen liegen allerdings einige Jahre zurück. Nun mag zwar die Dauer des Wohlverhaltens seither dadurch gemindert werden, dass der Beschwerdeführer sich in der Zwischenzeit immer wieder für einige Monate außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hatte, doch kann jedenfalls nicht damit argumentiert werden, dass der Umstand, dass er seither nicht mehr verurteilt wurde, darauf beruht, dass der Beschwerdeführer für die Justiz nicht greifbar gewesen wäre: Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 09.11.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer von den Vorwürfen, er habe im Jahr 2016 das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften und das Vergehen der Körperverletzung begangen, freigesprochen. Ebenso wurde er mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.03.2019, Zl. XXXX wegen einer gegen ihn erhobenen Anklage in Zusammenhang mit dem Suchtmittelgesetz freigesprochen.
Im angefochtenen Bescheid wurde auch darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer im Juli 2018 wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz in Untersuchungshaft befand. Der Beschwerde ist diesbezüglich zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wegen des Verdachts, Drogen verschluckt zu haben, inhaftiert worden sei. In den folgenden Tagen in Haft sei dies überprüft worden. Einem der Beschwerde beigelegten Aktenvermerk des Gerichtes vom 06.08.2018 nach einem Telefonat mit der Justizanstalt ist aber zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer bzw. in seinen Ausscheidungen kein Suchtgift gefunden wurde.
Zusammengefasst muss daher festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer seit seiner letzten Verurteilung im Jahr 2013 unbescholten ist.
Auch das Argument, dass der Beschwerdeführer sich in einer desolaten finanziellen Situation befinde und sich den Lebensunterhalt offenkundig mittels strafbarer Handlungen finanziere, kann - nach der Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung - nicht so aufrechterhalten bleiben. Diese steht in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis und sorgt für den Beschwerdeführer, der sich wiederum um die Kinderbetreuung kümmert. Dass der Beschwerdeführer bisher nicht an einem "legalen Erwerb von finanziellen Mitteln" interessiert gewesen sei, steht in Widerspruch dazu, dass er am 01.03.2018 um einen Aufenthaltstitel ansuchte und dass sein Antrag vom 26.09.2018 auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG vom AMS mit Bescheid vom 29.10.2018 abgelehnt wurde. Vorgelegt wurde zudem eine Einstellungszusage für den Beschwerdeführer von seiner Schwägerin, welche selbständig tätig ist.
Insgesamt liegen für das Bundesverwaltungsgericht daher keine ausreichenden Hinweise dafür vor, dass vom Beschwerdeführer aktuell eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht - wobei sich diese Prognose im Falle einer weiteren Verurteilung voraussichtlich ändern würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Rechtsgrundlagen
§ 67 Abs. 1 FPG lautet:
"Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Die mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelten § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lauten wie folgt:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
3.2. Anwendung auf den Beschwerdefall:
Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin in Österreich ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Er ist begünstigter Drittstaatsangehöriger, hat aber noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 54a NAG erworben. Nachdem sich der Beschwerdeführer auch noch nicht seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält, ist bei ihm nicht der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG anzuwenden, sondern jener des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG. Sein persönliches Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Familienleben des Betroffenen.
Der Beschwerdeführer wurde bereits zweimal wegen - auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden - Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt. Die belangte Behörde betonte im angefochtenen Bescheid zu Recht, dass der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten hat, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).
Entsprechend wurde wiederholt die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes oder eines Einreiseverbotes trotz langen Aufenthaltes in Österreich und/oder einem bestehenden Familienleben als gerechtfertigt beurteilt. So wurde etwa die Trennung von seinem kleinen Sohn und seiner österreichischen Lebensgefährtin trotz eines langjährigen Aufenthaltes in Österreich im Falle eines marokkanischen Staatsbürgers als vertretbar gesehen, nachdem dieser mehrfach straffällig geworden und zuletzt unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden war (VwGH, 03.07.2018, Ra 2018 21 0050-6). Ebenso wurde die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes trotz einer vollkommenen sozialen Integration und eines fünfzehnjährigen Inlandsaufenthaltes für gerechtfertigt erachtet, nachdem wegen Suchtgifthandels eine dreijährige Freiheitsstrafe verhängt worden war (VwGH, 03.07.2018, Ra 2018 21 0066).
Von diesen "eindeutigen Fällen" (so der VwGH, 03.07.2018, Ra 2018 21 0066) ist aber der gegenständliche Fall zu unterscheiden: Der Beschwerdeführer wurde zwar wegen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt, allerdings nicht wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels. Auch wurde keine mehrjährige Haftstrafe verhängt. Die letzte Tatbegehung bzw. Verurteilung lag zum Entscheidungszeitpunkt sechs Jahre zurück.
Die belangte Behörde argumentierte im angefochtenen Bescheid damit, dass gegen den Beschwerdeführer Anzeigen vorliegen würden und dass er im Juli 2018 in Untersuchungshaft genommen worden sei. Im Rahmen der Untersuchungshaft wegen des Verdachts, dass der Beschwerdeführer Suchtgift verschluckt hätte, stellte sich aufgrund der entsprechenden Überprüfungen heraus, dass dies nicht der Fall war. Sowohl in der Verhandlung am 09.11.2018 wie auch am 06.03.2019 wurde der Beschwerdeführer jeweils von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen.
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. dazu beispielsweise VwGH, 15.09.2016, Ra 2016/21/0262, Rn. 7; VwGH, 25.01.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8; VwGH, 26.04.2018, Ra 2018/21/0044, Rn. 7, und VwGH, 03.07.2018, Ra 2018/21/0050, Rn. 10, jeweils mwN). So wurde etwa in Anbetracht der zuvor erfolgten häufigen Rückfälle eine dreijährige Zeit des Wohlverhaltens seit der letzten Haftentlassung als zu kurz angesehen, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH, 20.12.2018, Ra 2018/21/0224). Im Fall des Beschwerdeführers liegt die letzte Verurteilung sechs Jahre zurück und wurde er am 31.10.2013 aus der Haft entlassen - somit vor fünfeinhalb Jahren. Aufgrund der erfolgten Freisprüche muss davon ausgegangen werden, dass er sich in dieser Zeit wohlverhalten hat. Allerdings war der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum auch nicht durchgehend in Österreich aufhältig und kam er dem gegen ihn verhängtem Einreiseverbot nicht nach.
Dennoch kann keine tatsächliche, erhebliche und auch gegenwärtige Gefahr angenommen werden, da sich der Beschwerdeführer in Österreich durch seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und seiner Vaterschaft zu einem österreichischen Kind verankert hat. Unter Berücksichtigung der - im Rahmen dieses Verfahrens - dem Beschwerdeführer konkret vor Augen geführten Konsequenzen seines Handelns (Ausspruch fremdenrechtlicher Sanktionen seitens des BFA) und der damit einhergehenden Einsicht und Erkennens der Gefährdung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet und Sicherstellung seiner - notwendigen - Unterstützung durch seine Familienmitglieder, kann der getätigten Reue des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden, sodass diesem eine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann.
Vor diesem Hintergrund kann im konkreten Fall keine für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gebotene tatsächliche, erhebliche und auch gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seitens des Beschwerdeführers erkannt werden.
Unbestritten war sich seine Ehefrau bei der Eheschließung darüber im Klaren, dass der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Österreich unsicher ist und mindert dies das Interesse an einer Fortführung dieser Beziehung. Unbeschadet dessen ist im Rahmen der Abwägung sich widerstreitender Interessen iSd. § 9 BFA-VG und Art 8 EMRK aber auch dem Kindeswohl Bedeutung beizumessen.
Der gegenständliche Fall stimmt allerdings nicht mit dem Sachverhalt überein, welchen der EuGH in den Urteilen vom 8. März 2011, Zambrano (C-34/09) und vom 15. November 2011, Dereci u.a. (C-256/11), zu beurteilen hatte. Der gemeinsame Sohn wäre nicht im Sinn der mit den Urteilen festgesetzten Rechtsprechung des EuGH "de facto gezwungen", das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, sondern könnte er in der Obsorge seiner österreichischen Mutter bleiben. Allerdings steht zugleich fest, dass ein enges Familienleben besteht und dass der Beschwerdeführer eine wichtige Rolle bei der Obsorge des Kindes übernommen und dadurch seiner Ehefrau erst die Berufstätigkeit ermöglicht hat. Auch wenn man daher nicht davon ausgehen müsste, dass der Sohn und die Ehefrau des Beschwerdeführers Österreich verlassen müssten, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt würde, so bleibt doch der Umstand bestehen, dass eine enge Familienbindung hoher Intensität besteht und der Sohn des Beschwerdeführers ohne seinen Vater aufwachsen müsste. Insbesondere im Falle einer wiederholten Straffälligkeit kann eine solche Trennung unter bestimmten Umständen dennoch als verhältnismäßig betrachtet werden, doch liegt im gegenständlichen Fall die letzte Verurteilung mehrere Jahre zurück und haben sich seither die Lebensumstände des Beschwerdeführers durch das Eingehen seiner Beziehung zu seiner Ehefrau und durch seine Vaterschaft maßgeblich geändert. Der EGMR misst in seiner Rechtsprechung dem Kindeswohl zentrale Bedeutung zu. Mit dem Urteil Nunez (Urteil des EGMR v. 28.06.2011, Nunez gegen Norwegen, Kammer IV, Bsw Nr. 55-597/09) hat der EGMR hervorgehoben, dass es für das Kindeswohl von großer Bedeutung ist, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Gleichzeitig wurde das Recht des Beschwerdeführers auf ein gemeinsames Leben (mit der Kernfamilie) als eines der grundlegenden Aspekte des Rechtes auf Achtung des Familienlebens hervorgehoben. In einer Gesamtbetrachtung, in der das Kindeswohl zu berücksichtigen ist, tritt auch die Frage, ob das Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist (bzw. das Kind zu einem Zeitpunkt geboren wurde), in dem der Aufenthalt eines Elternteils unsicher war, in den Hintergrund (Chmielewski, Kindeswohl als Kriterium der Interessensabwägung, MIGRALEX, 03/2013, 71). Auch die aktuelle Schwangerschaft seiner Ehefrau verstärkt das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.
Im Ergebnis erweist sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer einerseits in Ermangelung einer maßgeblichen Gefährdung öffentlicher Interessen sowie andererseits aufgrund des - insbesondere im Lichte des Kindeswohls - Überwiegens der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers verfahrensgegenständlich als unzulässig.
Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben. Über Spruchpunkt III., mit welchem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, war bereits mit Teilerkenntnis vom 10.12.2018 entschieden worden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall, begünstigteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I403.1424680.3.00Zuletzt aktualisiert am
24.07.2019