Entscheidungsdatum
22.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2162863-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2018, Zl. 1153625806/180554884, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und werden die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.05.2017 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 23.05.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass sein Leben in Nigeria durch eine militante Gruppe bedroht sei. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), am 02.06.2017 wiederholte er seine Fluchtgründe im Wesentlichen.
Mit Bescheid vom 12.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2017, Zl. I416 2162863-1/3E als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Am 27.07.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab an, homosexuell zu sein. Bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde am 20.11.2017 erklärte der Beschwerdeführer, psychische Probleme zu haben. Vorgelegt wurde ein Befund des Barmherzigen Krankenhauses Wien vom 25.10.2017, wonach der Beschwerdeführer an einer Depression leide.
Im Rahmen einer vom BFA beauftragten gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 26.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer eine Anpassungsstörung diagnostiziert und keine aktuelle Notwendigkeit von therapeutischen oder medizinischen Maßnahmen festgestellt.
Mit Bescheid vom 21.01.2018 wies die belangte Behörde den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.07.2017 wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Schließlich gewährte sie dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise.
Dagegen wurde Beschwerde erhoben und auf die Homosexualität des Beschwerdeführers verwiesen. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2018, Zl. I414 2162863-2/4E als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Am 14.06.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er zunächst an, dass er Österreich seit der ersten Asylantragsstellung nicht verlassen habe. Den gegenständlichen Antrag stelle er, da er ein psychisches Problem habe und Medikamente benötige, welche er sich in Nigeria nicht leisten könne.
In weiterer Folge wurden verschiedene ärztliche Befunde vorgelegt, denen zu entnehmen ist, dass sich der Beschwerdeführer in laufender psychiatrischer Behandlung befinde, an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung und an Somatisierungstendenzen leide und dass ihm Escitalopram, Mirtabene und Quetiapin verschrieben wurden. Vom 03.07. bis 24.07.2018 war der Beschwerdeführer aufgrund eines akuten psychotischen Schubes stationär in Behandlung.
Dem Beschwerdeführer wurden Länderfeststellungen zu Nigeria übermittelt. In einer Stellungnahme vom 05.09.2018 wurde auf eine unzureichende medizinische Versorgung in Nigeria hingewiesen; aufgrund seiner psychischen Erkrankung könne der Beschwerdeführer auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und sei davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria in seinen Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK verletzt werden würde.
Das BFA veranlasste eine weitere gutachterliche Stellungnahme durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin. In dieser Stellungnahme vom 11.09.2018 heißt es: "Differentialdiagnostisch liegt eine psychotische Störung vor oder aber zielgerichtetes Vorbringen von psychotischen Symptomen."
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 20.11.2018 wies die belangte Behörde den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Sie wies den Folgeantrag hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Der Bescheid wurde am 04.12.2018 zugestellt. Dagegen wurde am 18.12.2018 Beschwerde erhoben. Entgegen der Ansicht der Behörde sei die medizinische Behandlung in Nigeria für den Beschwerdeführer nicht ausreichend. Verschiedene Berichte zur medizinischen Versorgung wurden zitiert; eine Rückkehr nach Nigeria sei dem Beschwerdeführer unzumutbar und hätte sich die Behörde jedenfalls inhaltlich mit dem Fluchtvorbringen auseinandersetzen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit beheben oder nach mündlicher Verhandlung inhaltlich in das Verfahren eintreten. Zudem wolle der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden am 27.12.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.03.2019 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin per 18.03.2019 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Verfahren keine Verfolgung seiner Person in Nigeria vor. Er begründete seine dritte Antragstellung mit einer psychischen Erkrankung.
Es liegen Befunde vor, wonach der Beschwerdeführer an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung leide sowie Befunde, wonach er an einer akut polymorph psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie leide. Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund von Sinnestäuschungen und wahnhafter Symptomatik von 03.07.2018 bis zum 24.07.2018 in stationärer Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung. Nach Medikamenteneinnahme zeigten sich die Symptome schnell rückläufig. Dem vom BFA beauftragten Gutachten ist zu entnehmen, dass eine tägliche Medikamenteneinnahme unter Sicht als medizinische Maßnahme zu empfehlen wäre.
Im ersten Asylverfahren lagen keine gesundheitlichen Einschränkungen vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA (inklusive der Aktenbestandteile zum Vorverfahren) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Einvernahme im ersten Verfahren am 02.06.2017 angegeben, gesund zu sein. In diesem Vorverfahren wurden auch keine ärztlichen Befunde vorgelegt. Im ersten Asylverfahren waren daher weder vom BFA noch vom Bundesverwaltungsgericht gesundheitliche Einschränkungen festgestellt worden. Entsprechend wurde im Bescheid vom 12.06.2017 festgestellt: "Sie sind physisch und psychisch gesund."
Im folgenden Verfahren (über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 22.05.2017) wurde im Bescheid des BFA vom 21.01.2018 festgestellt: "Es konnten keine psychischen Krankheitssymptome festgestellt. Sie wurden am 21.11.2017 einer PSY III Untersuchung unterzogen, darin ist dezidiert zu entnehmen, dass keine Denkstörungen exploriert werden, Stimmung ist belastet, subdepressiv. Keine tiefgreifende Verstörung beobachtbar. Es wurde eine Anpassungsstörung F43.2. diagnostiziert." Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2018, Zl. I414 2162863-2/4E wurde festgestellt: "Er leidet unter einer Anpassungsstörung, die keinerlei therapeutischer oder medizinischer Maßnahmen bedarf. Der Beschwerdeführer ist ansonsten gesund und arbeitsfähig."
Im gegenwärtigen Verfahren wurden verschiedene Befunde und ärztliche Bestätigungen vorgelegt:
* Bestätigung von Amber-Med vom 05.06.2018 über die Medikamentenverschreibung (Escitalopram, Mirtabene, Quetiapin)
* Zuweisung von Amber-Med vom 26.05.2018 (Diagnose: rez. Depressive Störung, Somatisierungstendenzen)
* Patientenbrief des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KH XXXX) vom 24.07.2018 (Bericht über den stationären Aufenthalt vom 03.07.2018 bis 24.07.2018 aufgrund von Sinnestäuschungen und wahnhafter Symptomatik; Diagnose: akut polymorph psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie; verschrieben wurden die antipsychotischen Medikamente Zyprexa und Akineton)
In einer gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.09.2018, welche vom BFA in Auftrag gegeben worden war, heißt es: "Differentialdiagnostisch liegt eine psychotische Störung vor oder aber zielgerichtetes Vorbringen von psychotischen Symptomen." Auf die Frage, ob therapeutische oder medizinische Maßnahmen notwendig wären, findet sich in der Stellungnahme die Antwort: "Einnahme der Medikamente täglich unter Sicht"
Im angefochtenen Bescheid finden sich folgende Feststellungen: "Ihr physischer und psychischer Zustand stellt sich folgendermaßen dar:
Sie leiden unter einer mittelgradigen depressiven Störung mit Somatisierungstendenzen. Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen. (...) Sie gaben an, sich die Medikamente, welche Sie wegen Ihren psychischen Problemen einnehmen müssen, nicht leisten können." Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass von einem "zielgerichteten Vorbringen von psychotischen Symptomen" bei der gutachterlichen Überprüfung und bei der Einvernahme durch das BFA ausgegangen werde, weil man davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer die ihm gegen seine psychotische Störung verschriebenen Medikamente aus Eigeninteresse einnehme.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden.
Das BFA hatte den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 30.11.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zu Recht darauf verwiesen, dass die im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung (die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers) keine Asylrelevanz aufweisen. Einer neuerlichen Sachentscheidung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten steht daher die Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2017 entgegen.
Hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz in seinem ihm immanenten Umfang des Antrages auf Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA keine Sachverhaltsänderung behauptete, die Asyl rechtfertigen könnte. Mit dem Verweis auf die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers wird keine Sachverhaltsänderung dargetan, die ein asylrelevantes neues Vorbringen darstellt.
Da sohin davon auszugehen ist, dass der Revisionswerber hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten keine Sachverhaltsänderung vorgebracht hat, die einen Folgeantrag rechtfertigt, erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages, insoweit sich dieser auf die Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 bezieht, als richtig.
3.2. Zur Behebung der restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides:
Das BFA hatte den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 30.11.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst und selbstverständlich auch nicht die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Vorverfahrens. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097).
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschie-dene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).
In der Beschwerde wird eine Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers behauptet, da dieser sich die für ihn notwendigen Medikamente in Nigeria nicht leisten könne und generell von einer unzureichenden Behandlung psychischer Probleme in Nigeria auszugehen sei. Zu überprüfen ist daher, ob in Bezug auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers eine Änderung eingetreten ist, welche ein anderes Ergebnis in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt. Dazu muss festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung geltend gemacht hatte. Im ersten Folgeantragsverfahren war diesbezüglich von keiner Sachverhaltsänderung ausgegangen worden, da von einer Anpassungsstörung ausgegangen wurde, welche keiner Behandlung bedurfte. Im gegenständlichen Verfahren brachte der Beschwerdeführer verschiedene Befunde (u.a. den Entlassungsbericht nach einem dreiwöchigen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie) ein, wonach er an einer psychotischen Störung leiden würde. Laut dem Entlassungsbericht sei es notwendig, dass der Beschwerdeführer seine Medikamente regelmäßig einnehmen würde; dies wurde auch von der vom BFA beauftragten Gutachterin bestätigt, welche eine tägliche Medikamenteneinnahme unter Aufsicht einfordert. Es ist daher von einer erheblichen Änderung in Bezug auf den gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers auszugehen und kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass dies keine Relevanz für die Beurteilung der Frage des subsidiären Schutzes hat. Das Bundesverwaltungsgericht betont in diesem Zusammenhang, dass damit keineswegs einer Entscheidung über die Frage des subsidiären Schutzes vorgegriffen werden soll, sondern dass lediglich festgestellt wird, dass eine erhebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist.
Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid darauf hinweist, dass es davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer bei verschiedenen Gelegenheiten psychotische Symptome vorgetäuscht habe, kann dies vom Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend beurteilt werden. Das BFA stellt im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer an einer rez. depressiven Störung mit Somatisierungstendenzen leidet, zugleich legt es in der Beweiswürdigung aber nicht klar dar, wie es zum Schluss, dass keine psychotische Störung vorliegt. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass die vom BFA beauftragte Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrer Stellungnahme, das Vortäuschen psychotischer Symptome nicht ausschließt; zugleich wird von ihr aber eine Medikamenteneinnahme unter Sicht angeraten. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer - wie vom BFA offensichtlich angenommen - während seiner Einvernahme durch das BFA und seiner Untersuchung durch die Allgemeinmedizinerin einen akuten psychotischen Schub vortäuschte (laut BFA liege es im Eigeninteresse des Beschwerdeführers, seine Medikamente zu nehmen und sei daher davon auszugehen), würde sich daraus nicht ergeben, dass das während des stationären Aufenthaltes in der Psychiatrie festgestellte Krankheitsbild gar nicht vorliegt.
Auch wenn der Beschwerdeführer medikamentös gut eingestellt ist, muss eine inhaltliche Prüfung erfolgen, ob der Beschwerdeführer in Nigeria Zugang zu den von ihm benötigten Medikamente erhalten würde. Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid darauf verweist, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Kostenpflichtigkeit der Medikamente in Nigeria letztlich eine wirtschaftliche Argumentation sei, die keine Asylrelevanz aufweise, übersieht die Behörde, dass die Frage in Bezug auf eine mögliche Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte sehr wohl relevant sein kann. Es kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte.
Bei einer behaupteten Lageänderung in einem Folgeantrag, die - im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen ist, ein anderes Ergebnis zu erzielen, darf keine Zurückweisung des bezughabenden Antrages wegen entschiedener Sache stattfinden, sondern hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen. Auch wenn gegenständlich keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden, hat sich durch die Erkrankung des Beschwerdeführers eine Sachverhaltsänderung ergeben, die eine inhaltliche Prüfung in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes notwendig macht (vgl etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).
Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte daher hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu Recht. Spruchpunkt II. war daher ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte.
Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Dem Antrag in der Beschwerde auf eine inhaltliche Entscheidung kann daher jedenfalls nicht entsprochen werden.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
In Bezug auf Spruchpunkt I. ist der Sachverhalt unbestritten; es wurden im ganzen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, auch in der Beschwerde nicht. Da die sonstigen Spruchpunkte zu beheben waren, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2162863.3.00Zuletzt aktualisiert am
24.07.2019