TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 I403 2199748-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2199748-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. 1021728508/181058974, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und werden die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zum vorangegangenen Asylverfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Eltern sich vor langer Zeit getrennt hätten und ihre Mutter im Jahr 2007 verstorben sei. Ihr Vater habe sich eine neue Frau genommen und ihre Stiefmutter habe sie sehr schlecht behandelt.

Da in der EURODAC Datenbank aufschien, dass die Beschwerdeführerin bereits in Spanien am 28.10.2011 unter der Identität XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, wies die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), den Antrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. In der Folge hielt sich die Beschwerdeführerin in Österreich im Verborgenen auf und meldete sich nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Spanien wieder behördlich an.

Am 05.04.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde einvernommen. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin nunmehr an, dass sie in Nigeria als Fashion-Designerin gearbeitet habe und homosexuell sei. Deswegen drohe ihr eine Haftstrafe.

Mit Bescheid vom 28.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019, Zl. I404 2199748-1/3E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Zum gegenständlichen Asylverfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 06.11.2018 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab bei der Erstbefragung am folgenden Tag an, dass sie schwanger sei und in Nigeria eine Verfolgung durch ihren früheren Lebensgefährten, mit dem sie eine Tochter habe, fürchten würde.

Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 19.11.2018 erklärte sie, dass sie in Nigeria einerseits wegen ihrer früheren Homosexualität, andererseits durch ihren früheren Lebensgefährten bedroht sei. Konkret meinte sie: "Bevor ich mein Baby bekam, hat er mich immer wieder geschlagen, ich rannte dann weg und habe mein Baby zur Welt gebracht. Er hat immer wieder versucht mich zu töten. Selbst jetzt droht er noch mich zu töten. Er hat meine Mutter angerufen und meine Familie aufgesucht, er hat gedroht, mich zu töten." Bereits vor etwa zehn Jahren habe ihr früherer Lebensgefährte versucht sie zu töten. Die Beschwerdeführerin legte einen Mutter-Kind-Pass vor, wonach der errechnete Geburtstermin der 17.02.2019 wäre.

Mit im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Die Behörde wies den Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurück (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte zugleich fest, dass diese vorübergehend (bis zum 15.04.2019) unzulässig ist (Spruchpunkt IV.). Zudem wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.).

Dagegen wurde am 04.12.2019 Beschwerde durch den bereits von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten MigrantInnenverein St. Marx erhoben; in der Beschwerde wurde lediglich vorgebracht, dass die Behörde verpflichtet gewesen wäre, sich inhaltlich mit dem neuen Asylantrag auseinanderzusetzen. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid in seinen Spruchpunkten I., II., II. und IV. aufzuheben bzw. die Angelegenheit allenfalls zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen. Hinsichtlich des Spruchpunktes IV. wurde darauf verwiesen, dass die Rückkehrentscheidung angefochten werde, nicht aber die Erklärung der vorübergehenden Unzulässigkeit.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.12.2018 vorgelegt.

Eine weitere Beschwerde wurde zusammen mit einer Vollmacht für den Verein Menschenrechte Österreich am 10.12.2018 eingebracht. Es wurde beantragt, der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten, in eventu einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihr einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 oder 55 AsylG 2005 zu erteilen, in eventu den Bescheid hinsichtlich der Rückkehrentscheidung bzw. hinsichtlich der Abschiebung zu beheben, in eventu die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Neben allgemeinen Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen des Flüchtlingsstatus wurde erklärt, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria durch ihren früheren Partner verfolgt werde, also eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch Privatpersonen vorliege. Sie lebe seit 2014 in Österreich und habe ein kleines uneheliches Kind und laufe somit Gefahr in Nigeria in eine ausweglose Lebenssituation zu geraten.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Rechtssache am 18.03.2019 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie gehört der Volksgruppe der Edo an. Ihre Identität steht nicht fest. Sie war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im 7. Monat schwanger mit Zwillingen.

Die Beschwerdeführerin reiste illegal nach Österreich ein. Sie hält sich seit (mindestens) 23.06.2014 in Österreich auf. Ihr erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2019, Zl. I404 2199748-1/3E rechtskräftig abgewiesen.

Im vorangegangenen Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz brachte die Beschwerdeführerin vor, wegen ihrer Homosexualität in Nigeria verfolgt zu werden. Im gegenständlichen Asylverfahren wiederholte sie diesen Fluchtgrund und brachte sie zudem ergänzend vor, vom Vater ihrer zehnjährigen, in Nigeria lebenden Tochter verfolgt zu werden. Damit werden keine neuen Fluchtgründe vorgebracht. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Homosexualität war bereits Gegenstand des Vorverfahrens. Die nunmehr behauptete Verfolgung durch ihren früheren Lebensgefährten lag bereits bei ihrer Einreise nach Österreich und somit auch bei Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses vor, so dass diesbezüglich (unabhängig von der Frage einer Asylrelevanz und der Glaubhaftmachung dieses Vorbringens) von keiner Änderung des Sachverhaltes ausgegangen werden kann.

Allerdings hat sich die Situation in Bezug auf ihre Rückkehr nach Nigeria grundlegend geändert; das BFA ging zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung davon aus, dass die Beschwerdeführerin nach der Geburt ihrer Kinder (daher auch die vorübergehende Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung) gemeinsam mit diesen nach Nigeria zurückkehren würde; der Aufbau einer neuen Existenz stellt eine Mutter von Kleinkindern vor andere Herausforderungen als eine unabhängige Frau, die nur für sich zu sorgen hat. In Bezug auf die persönliche Situation der Beschwerdeführerin ist daher durch ihre Schwangerschaft eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten.

1.2. Zur allgemeinen Lage in Nigeria:

Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria (Stand 07.08.2017) auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die wesentlichen Feststellungen daraus sind:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017

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AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,

http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017

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IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):

Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017

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NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/, Zugriff 4.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 23.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 22.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 4.7.2017

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UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady, Zugriff 4.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel:

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org, aweg95@yahoo.com, nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),19 , Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htm, Zugriff 5.7.2017

-

AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htm, Zugriff 5.7.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/, Zugriff 5.7.2017

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin wurde durch den vorgelegten Mutter-Kind-Pass bescheinigt und wurde auch vom BFA im angefochtenen Bescheid festgestellt.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 27.11.2018 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Dazu muss zunächst geprüft werden, ob die Beschwerdeführerin neue Fluchtgründe vorgebracht hat.

Die Beschwerdeführerin hatte im ersten Verfahren erklärt, in Nigeria wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu werden; im zweiten Verfahren hatte sie dies wiederholt, ergänzend aber vorgebracht, dass sie auch von ihrem früheren Lebensgefährten und Vater ihrer zehnjährigen Tochter verfolgt werde.

Das Vorbringen rund um ihre angebliche Homosexualität war das zentrale Vorbringen im vorangegangenen Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz vom 23.06.2014. Eine Änderung des Sachverhaltes liegt diesbezüglich daher nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren erstmals vorbringt, dass sie von ihrem früheren Lebensgefährten, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat, in Nigeria körperlich misshandelt und bedroht worden sei, muss zunächst festgestellt werden, dass sie dies in ihrem ersten Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz mit keinem Wort erwähnt hatte. So hatte sie auch stets verschwiegen, eine Tochter zu haben. Sie hatte in ihrem ersten Verfahren zudem erklärt, dass ihre Mutter verstorben sei, während sie im gegenständlichen Verfahren behauptet hatte, dass ihr früherer Lebensgefährte auch ihre Mutter bedroht habe. Außerdem gab die Beschwerdeführerin an, bereits in Nigeria von diesem Mann bedroht worden zu sein. Entsprechend wies das BFA im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hin, dass der vorgebrachte Fluchtgrund nicht erst nach Rechtskraft der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren entstanden ist. So meinte die Beschwerdeführerin etwa in der Einvernahme durch das BFA am 19.11.2018: "Korrekt ist, dass er versucht hat mich zu töten, als ich ihm auf den Kopf geschlagen habe und seitdem versucht er mich zu töten. Nachgefragt, das war vor zehn Jahren." Sie habe ihn auch bei der Polizei angezeigt.

Das BFA ging daher im angefochtenen Bescheid zu Recht davon aus, dass sich der Asylfolgeantrag auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, dem die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über den ersten Antrag auf internationalen Schutz entgegensteht.

Eine Durchberechnung der Rechtskraftwirkung der vorangegangenen Erkenntnisse wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich seither der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorliegen würde, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH, 23.01.2018, Ra 2017/18/0274; VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0293).

Die Beschwerdeführerin stützt sich im gegenständlichen Verfahren auf (behauptete) Umstände, die bei hypothetischem Zutreffen bereits während des vorangegangenen rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens existent gewesen wären; es handelt sich sohin nicht um "nova producta", die eine neue Entscheidung in der Sache des Antrages auf internationalen Schutz zulässig machen würden. Soweit sie meinte, sie habe auch im Jahr 2018 einen Drohanruf erhalten, ändert dies nichts daran, dass die Verfolgung durch ihren früheren Lebensgefährten laut ihren Angaben bereits in Nigeria bestanden hatte. Der Umstand, dass nunmehr auch ihre Mutter bedroht worden sei (welche im Übrigen laut ihren Angaben im Vorverfahren bereits 2007 verstorben war), ist für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich und stützt sich somit der gegenständliche Asylfolgeantrag auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt, dem die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes entgegensteht (vgl VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Es liegt daher in Bezug auf die vorgebrachten Fluchtgründe kein neuer Sachverhalt vor.

Allerdings gab die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme durch das BFA an, schwanger zu sein, und sie legte auch einen Mutter-Kind-Pass vor, wonach sie am 17.02.2019 Zwillinge erwartet. Das BFA stellte dies im angefochtenen Bescheid auch fest.

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Beschwerdeführerin trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden.

Das BFA hatte den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 27.11.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zu Recht darauf verwiesen, dass die im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung (die Verfolgung durch den früheren Lebensgefährten) bereits vor Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses vorgelegen haben. Das BFA führte zudem im angefochtenen Bescheid überzeugend aus, dass es sich um keine asylrelevante Verfolgung handeln würde und diese zudem nicht glaubhaft ist. Einer neuerlichen Sachentscheidung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten steht daher jedenfalls die Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018 entgegen.

Da sohin davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten keine Sachverhaltsänderung vorgebracht hat, die einen Folgeantrag rechtfertigt, erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages, insoweit sich dieser auf die Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 bezieht, als richtig.

3.2. Zur Behebung der restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides:

Das BFA hatte den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 27.11.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst und auch nicht die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Vorverfahrens. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 04. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschie-dene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

In der Beschwerdeergänzung vom 19.11.2018 wird eine Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführerin behauptet, da sie wegen ihrer Schwangerschaft in eine aussichtslose Situation geraten würde. Zu überprüfen ist daher, ob in Bezug auf eine Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführerin eine Änderung eingetreten ist, welche ein anderes Ergebnis in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt. Dazu muss festgehalten werden, dass im vorangegangenen Asylverfahren davon ausgegangen worden war, dass die Beschwerdeführerin ohne Sorgepflichten nach Nigeria zurückkehren würde. Im gegenständlichen Verfahren war dagegen davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als Mutter zweier Babys nach Nigeria zurückkehren wird. Konkret war im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung bis zum 15.04.2019 vorübergehend für unzulässig erklärt worden, um der Beschwerdeführerin die Geburt und die Zeit des Mutterschutzes in Österreich zu ermöglichen. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes stellt es allerdings eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes dar, ob sich eine Frau alleine und unabhängig eine Existenz aufbauen muss oder ob sie dabei für zwei Kinder zu sorgen hat, die zwei Monate alt sind. Das BFA beschäftigte sich nicht mit dieser Frage und ermittelte etwa auch nicht, wer der Vater der (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung) ungeborenen Kinder ist und von dieser Seite eine Unterstützung zu erwarten sein wird.

Es ist daher von einer erheblichen Änderung in Bezug auf die Rahmenbedingungen für eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria auszugehen und kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass dies keine Relevanz für die Beurteilung der Frage des subsidiären Schutzes hat. Das Bundesverwaltungsgericht betont in diesem Zusammenhang, dass damit keineswegs einer Entscheidung über die Frage des subsidiären Schutzes vorgegriffen werden soll, sondern dass lediglich festgestellt wird, dass eine erhebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist, welche einer inhaltlichen Prüfung zuzuführen ist.

Bei einer behaupteten Lageänderung in einem Folgeantrag, die - im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen ist, ein anderes Ergebnis zu erzielen, darf keine Zurückweisung des bezughabenden Antrages wegen entschiedener Sache stattfinden, sondern hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen. Auch wenn gegenständlich keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden, hat sich durch die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin eine Sachverhaltsänderung ergeben, die eine inhaltliche Prüfung in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes notwendig macht (vgl etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte daher hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu Recht. Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren inhaltlich mit der Frage der Auswirkungen der Schwangerschaft (bzw. des entsprechenden aktuellen Sachverhaltes) auf die Beurteilung der Gewährung subsidiären Schutzes auseinanderzusetzen haben. Spruchpunkt II. war daher ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Dem Antrag in der Beschwerdeergänzung auf eine inhaltliche Entscheidung kann daher jedenfalls nicht entsprochen werden.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

In Bezug auf Spruchpunkt I. ist der Sachverhalt unbestritten; auch in der Beschwerde wurde nichts vorgebracht, was nahelegen würde, dass die Verfolgung wegen Homosexualität bzw. durch ihren früheren Partner zum Zeitpunkt der Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung nicht gegeben waren. Da die sonstigen Spruchpunkte zu beheben waren, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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