TE Bvwg Beschluss 2019/5/8 W158 2118833-2

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Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W158 2118833-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AslyG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt auf das Wesentlichste zusammengefasst an, er sei von den Taliban entführt und aufgefordert worden einen Anschlag auf einen Parlamentsabgeordneten auszuüben, dessen Sohn seine Tante geheiratet habe.

I.3. Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

I.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 27.06.2018 zu W242 2118833-1/25E als unbegründet abgewiesen wurde.

I.5. In weiterer Folge reiste der BF nach Frankreich und stellte dort am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.6. Nach erneuter Einreise in Österreich wurde der BF zu diesem Antrag am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion XXXX niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, er habe dieselben Fluchtgründe, die er bereits angegeben habe. Seine Familie habe 14.000 Dollar für seine Reise ausgegeben. Er sei bereit zurückzukehren, wenn er eine Unterstützung vom Staat erhielte, da sein Vater das Geld bräuchte.

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

I.8. Am XXXX wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und seines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen. Dort brachte der BF vor, seine Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht, er habe keine neuen Fluchtgründe, er wolle freiwillig nach Afghanistan zurückkehren.

In der Folge wurde mittels mündlich verkündeten Bescheid, der im Protokoll beurkundet wurde, der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Begründend führt das BFA dazu aus, der BF, dessen Identität nicht feststehe, sei afghanischer Staatsangehöriger, jung, gesund, in einem erwerbsfähigen Alter und verfüge über soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Er sei zweimal strafrechtlich verurteilt worden. Der BF habe sich im gegenständlichen Verfahren auf die Gründe aus dem Erstverfahren berufen. Da sich daraus kein neuer Sachverhalt ergebe, werde der Antrag des BF wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Ebenfalls könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 8 EMRK erkannt werden.

I.9. Am XXXX legte das BFA die Akten amtswegig zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Schreiben vom XXXX wurde das Einlangen der Akten gemäß § 22 Abs. 10 BFA-VG bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den den BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden, die im Spruch genannte ist lediglich seine Verfahrensidentität. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung an. Er spricht Paschtu und Dari und ist ledig und hat keine Kinder. Der BF wurde in Afghanistan, in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Er hat neun Jahre lang die Schule besucht und Erfahrung als Bauarbeiter.

Der BF stellte am XXXX einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er von den Taliban entführt und aufgefordert worden sei, ein Attentat auf einen Parlamentsabgeordneten auszuüben, dessen Sohn mit einer Verwandten verheiratet sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2018 zu W242 2118833-1/25E als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis wurde dem BF durch Hinterlegung zugestellt, wobei die Abholfrist am XXXX begann.

Der BF stellte am XXXX in Frankreich einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, wozu er in den Befragungen in Österreich ausführte, dass die Fluchtgründe sich nicht geändert hätten. Die Fluchtgründe des BF haben sich seit dem ersten Verfahren nicht geändert. Der BF möchte nach Afghanistan zurückkehren.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF, sowohl in seiner Herkunftsprovinz Laghman als auch in Kabul, sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in seinen Heimatort oder nach Kabul Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Afghanistan befinden sich Familienangehörige des BF.

Der BF ist an keiner schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit erkrankt, noch leidet er an einer krankheitswerten psychischen Störung.

Der BF reiste nach Abschluss seines ersten Verfahrens nach Frankreich und reiste am XXXX nach Österreich zurück. Seit dem XXXX befindet sich der BF in Schubhaft.

Der BF wurde am XXXX , rechtskräftig seit XXXX , durch das Landesgericht XXXX , unter Vorbehalt der Strafe gemäß §§ 88 Abs. 1, 125, 83, 15, 107 Abs. 1 StGB verurteilt. Am XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen § 27 Abs. 2a SMG iVm § 15 StGB unter Einbeziehung des vorigen Schuldspruches zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Vom Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren abgesehen.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF, zur Herkunft des BF und seiner Schulbildung und Berufserfahrung wurden bereits vom BFA und vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz festgestellt. Es haben sich daran im zweiten Verfahren keine Zweifel ergeben, zumal der BF diese Angaben anlässlich seiner Befragungen im Folgeverfahren bestätigte.

II.2.3. Die Feststellungen zum ersten Verfahren auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2018.

II.2.4. Die Feststellung zur neuerlichen Antragstellung sowie die vom BF vorgebrachten Gründe beruhen ebenso auf dem unzweifelhaften Akteninhalt. Der BF bestätigte anlässlich seiner Befragung am XXXX selbst, dass er keine neuen Gründe habe, sondern nach Afghanistan zurückkehren wolle (AS 77). Diesem Vorbringen steht jedoch die Rechtskraft des ersten Verfahrens entgegen (siehe dazu näher die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung).

II.2.5. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren dazu getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, gründet darauf, dass sich das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.06.2018 auf das Länderinformationsmaterial vom 02.03.2017 und die dazugehörigen aktuellen Kurzinformationen stützt. Aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuellen Herkunftsstaatsinformationen ergibt sich, dass sich die Lage, insbesondere in der Herkunftsprovinz des BF Laghman und auch in Kabul, nicht maßgeblich verändert hat. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom Juni 2018 handelt es sich bei Laghman um eine Provinz, die lediglich aufgrund der Tatsache, dass bewaffnete Kräfte aus Nachbarprovinzen in diese ausweichen als gefährdete Provinz gilt. Die afghanischen Sicherheitskräfte waren jedoch in der Lage, die einsickernden Kräfte wieder zu vertreiben. Die Familie des BF verfügte in seinem Heimatort über ein eigenes Haus und Grundbesitz. Die Unterkunft und Versorgung war daher als gesichert anzunehmen. Da er auch während seiner Zeit in Afghanistan Berufserfahrung gesammelt hat, war er in der Lage zum Familieneinkommen beizutragen. An diesen Feststellungen hat sich sowohl nach den dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden aktuellen Berichten als auch nach den Aussagen des BF seit Abschluss des Verfahrens nichts entscheidungsmaßgebliches geändert, was sich auch an den Länderfeststellungen des BFA im Bescheid zeigt. Der BF gab anlässlich seiner Erstbefragung zum Folgeantrag am XXXX auch an, dass er seinem Vater nicht mehr in die Augen sehen könne (AS 23), woraus sich ergibt, dass seine Familie nach wie vor in Afghanistan in seinem Heimatdorf lebt. Auch an den Feststellungen zu Kabul hat sich nach den vorliegenden Länderberichten nichts geändert, wobei das Bundesverwaltungsgericht bereits im Juni 2018 dazu ausführte, dass es sich bei Kabul um eine vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt handelt, auch wenn es dort zu Anschlägen kommt, da sich diese gegen besondere Einrichtungen richten, während Wohngebiete davon nicht in gleicher Weise betroffen sind. Eine Rückführung in diese Region war daher mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden.

II.2.6. Der BF ist jung und arbeitsfähig. Da er nach seinen Aussagen bis auf die Epilepsie, die medikamentös behandelt wird (AS 76) auch gesund ist, war festzustellen, dass er an keiner schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit erkrankt ist und an keiner krankheitswerten psychischen Störung leidet. Im Übrigen ist der BF seinen eigenen Aussagen zufolge bereits seit 2016 an Epilepsie erkrankt, was er jedoch im ersten Verfahren auf internationalen Schutz nicht geltend machte, woraus zu schließen ist, dass es sich dabei um keine ernsthafte Beeinträchtigung handelt. Er ist daher in der Lage für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, wie es ihm auch bereits vor seiner Ausreise in Afghanistan und auch nach Abschluss seines Verfahrens in Frankreich möglich war. Zumal sich auch Familienangehörige in Afghanistan befinden, kann er durch diese jedenfalls zu Beginn finanziell und/oder organisatorisch unterstützt werden. Daraus folgt, dass beim BF bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz oder nach Kabul nicht die Gefahr besteht, dass er in eine auswegslose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten würde. Außerdem kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Regionen das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende beziehungsweise wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderinformationen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

II.2.7. Die Feststellungen zur Lebenssituation des BF in Österreich, insbesondere, dass er sich nach Abschluss des ersten Verfahrens in Frankreich und seit seiner Rückkehr nach Österreich in Schubhaft befindet, beruhen auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich zweifelsfrei aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Nach § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, wenn er einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat, wenn

"1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Ein Folgeantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag. Der erste Antrag des BF wurde durch Hinterlegung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgewiesen. Bei seinem nunmehrigen zweiten Antrag, der bereits in Frankreich gestellt wurde (siehe dazu VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0025), handelt es sich daher um einen Folgeantrag.

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen."

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

II.3.2.2. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG (aufrechte Rückkehrentscheidung)

Mit Bescheid des BFA vom XXXX , der durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2018 vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen. Gegen den BF besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung, zumal 18 Monate nicht vergangen sind und der BF nicht in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat (§ 52 Abs. 8 FPG) ausgereist ist.

II.3.2.3. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG (res iudicata):

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Im gegenständlichen Verfahren hat der BF erklärt, dass er seine Gründe des ersten Verfahrens aufrecht erhält. Er behauptet damit das Fortbestehen des bereits im ersten Verfahren erstatten Vorbringens. Dieses wurde bereits im ersten Verfahren rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Diesem Vorbringen steht daher die Rechtkraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684). Die Antragstellung verfolgt somit in Wirklichkeit den Zweck, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundene (rechtskräftige) Vorentscheidung zu verhindern.

Der Folgeantrag des BF wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein, sodass auch § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verwirklicht ist.

II.3.2.4. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG (Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK):

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren beziehungsweise im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan im Sinne dieser Bestimmungen spricht:

Bei der Beurteilung betreffend einen drohenden Verstoß gegen Art. 2 oder 3 EMRK ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Die Außerlandesschaffung in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

Es sind keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt. Seine Erkrankung hätte der BF ebenfalls im ersten Verfahren geltend machen müssen und es handelt sich dabei auch nicht um eine derart schwerwiegende Erkrankung, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde. Eine Abschiebung bei einer Erkrankung führt nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, mwN). Eine derart gravierende, lebensbedrohliche Erkrankung kann beim BF nach den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen nicht erkannt werden (siehe auch VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005). Es sind im Verfahren somit keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass dem BF bei einer Rückkehr ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder die Todesstrafe droht. Vielmehr handelt es sich beim BF um einen hinreichend gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Insbesondere in Bezug auf seine Herkunftsprovinz Laghman und auch Kabul stellt sich auch die Sicherheitslage nicht derartig dar, dass dem BF bei einer Rückkehr dorthin eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK droht, zumal in seiner Herkunftsprovinz auch nach wie vor Familienmitglieder des BF leben, die ihn unterstützen können.

Im Hinblick auf die aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, die unmittelbar einschlägig sind (VfGH 30.11.2018, E 3870/2018), wonach der UNHCR davon ausgeht, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage, der Menschenrechte und der humanitäre Lage dort generell nicht verfügbar sei (S. 114), ist ergänzend auszuführen: Dem Bundesverwaltungsgericht ist bewusst, dass den Empfehlungen des UNHCR Beachtung zu schenken ist (etwa VwGH 22.09.2017, Ra 2017/18/0166), gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frage, ob bei einer Rückkehr eine reale Gefahr der Verletzung der in § 8 AsylG genannten Rechte droht, um eine rechtliche Beurteilung handelt, die daher auf Basis entsprechender Feststellungen im Einzelfall vom erkennenden Gericht zu lösen ist (VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 21.03.2018, Ra 2017/18/0372; 02.08.2018, Ra 2017/19/0229). Die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, stellt daher eine dem BFA und im Falle der Erhebung einer Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht obliegende rechtliche Beurteilung dar, der im Einzelfall gefolgt oder nicht gefolgt werden kann.

Die aktuellen Richtlinien des UNHCR unterscheiden sich von den getroffenen Länderfeststellungen im Wesentlichen nur dadurch, dass die Richtlinien vom 30.08.2018 (auch im Unterschied zu jenen vom 19.04.2016) ausdrücklich auf das nicht quantifizierte Risiko hinweisen, Opfer von generalisierter Gewalt im Zuge der Teilnahme an tagtäglichen sozialen oder wirtschaftlichen Aktivitäten zu werden. Wie der UNHCR in seinen Richtlinien gleichfalls weiter selbst festhält (FN 2 auf S. 5), beruhen diese, soweit nicht anders angegeben, auf Informationen, die dem UNHCR am 31.05.2018 bekannt waren. Diese Informationen liegen auch dem aktuellen Länderinformationsblatt zugrunde, zumal dieses mit 29.06.2018 datiert. Aus den Ausführungen des UNHCR wie auch aus den aktuellen Länderinformationen geht jedoch hervor, dass sich die unstrittig stattfindenden Anschläge in Kabul, wie auch bereits im Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts im Juni 2018 im weit überwiegenden Teil gegen NGOs, Regierungsinstitutionen oder Ausländer und nicht gegen Zivilisten richten. Gerade in den Wohn- und Arbeitsvierteln der einheimischen Bevölkerung ist keine erhöhte Anzahl von Anschlägen zu erkennen. Diese Viertel hat auch nach wie vor die Regierung unter ihrer Kontrolle. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Stadt (nach wie vor) für Zivilisten als sicher genug erweist, weswegen eine Rückkehr dorthin nicht gegen die in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG geschützten Rechte verstoßen würde. Die undifferenzierte Ansicht des UNHCR, der schlussfolgert, dass in Kabul gänzlich ein derart hohes Sicherheitsrisiko herrscht, findet folglich keine Deckung in den heranzuziehenden Länderinformationen und kann folglich durch das Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt werden.

Auch eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK liegt nicht vor beziehungsweise ist ein Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt:

Aus Art. 8 EMRK ist keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch eines Fremden, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten, nachzukommen. Unter besonderen Umständen kann sich aus Art. 8 EMRK aber eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in Art. 8 EMRK bildet (VfGH 11.06.2018, E 343/2018 ua.).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Aus folgenden Gründen handelt es sich nicht um einen unzulässigen Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF:

Der BF befindet sich knappe viereinhalb Jahre im Bundesgebiet. Bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2018 wurde der Eingriff in das Privatleben des BF als verhältnismäßig angesehen, zumal er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Verfahrens auf internationalen Schutz verfügte, von öffentlicher Unterstützung lebte und die Integration nur schwach ausgeprägt war, zumal er lediglich grundlegende Deutschkenntnisse aufwies. Daran hat sich seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens nichts geändert, zumal er seitdem in Frankreich aufhältig war und sich seit seiner Rückkehr nach Österreich in Schubhaft befindet.

Zudem wurde der BF, wie ebenfalls bereits das Bundesverwaltungsgericht im ersten Verfahren ausführte im Bereich der Suchtmittelkriminalität verurteilt. Suchtgiftdelinquenz wird als besonders verpöntes Fehlverhalten beurteilt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0541; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249, 20.12.2012, 2011/23/0554, mwN). Der hohe Stellenwert am öffentlichen Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität (VwGH 24.02.2011, 2009/21/0387) spricht daher ebenfalls gegen einen weiteren Verbleib des BF im Bundesgebiet.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK darstellt beziehungsweise ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt erscheint. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG sind daher gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG hat diese Entscheidung in Form eines Beschlusses und gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu ergehen.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2118833.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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