TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/14 W255 2202766-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2019
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Entscheidungsdatum

14.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2202766-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zl. 1093343204/151683737, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.04.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 03.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Muslim und in der Provinz XXXX geboren zu sein. Er habe 11 Jahre die Grundschule besucht und als Taxifahrer gearbeitet. Als der BF eines Nachts nach Hause gefahren sei, habe er einen erschossenen Soldaten am Straßenrand liegen sehen. Er habe den Soldaten mit seinem Taxi mitgenommen und ins Krankenhaus gebracht. Eine Stunde später habe ihn sein Bruder angerufen und mitgeteilt, dass die Taliban zu Hause wären und den Bruder als Geisel genommen hätten. Die Taliban hätten gedacht, dass der BF mit den Soldaten/Polizisten zusammenarbeiten würde. Der BF solle zu den Taliban zurückgehen. Der Bruder des BF sei zwei Tage als Geisel festgehalten und der Vater des BF geschlagen worden. Die Taliban hätten den BF gesucht und der BF habe Angst gehabt, getötet zu werden. Deshalb habe er Afghanistan verlassen.

1.3. Am 09.02.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, einvernommen. Dabei gab der BF zunächst an, dass seine Einvernahme im Zuge der Erstbefragung insofern falsch protokolliert worden sei, als der BF in Wahrheit angeführt habe, dass er eine Stunde nach dem Überfall der Taliban nicht von seinem Bruder, sondern von seiner Mutter angerufen worden sei.

Der BF sei im Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und sei im Alter von viereinhalb Jahren mit seiner Familie in den Distrikt XXXX , Provinz XXXX , übersiedelt. Der BF habe elf Jahre in Afghanistan die Schule besucht und in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Dann habe er zwei Jahre im Iran gelebt und am Bau gearbeitet. Während dieser zwei Jahre sei er einmal nach Afghanistan abgeschoben worden und wieder in den Iran gereist. Nach dem zweijährigen Aufenthalt im Iran sei der BF nach Afghanistan zurückgekehrt und habe als Taxifahrer gearbeitet. Er habe einmal um neun Uhr abends zwei Leute mit einem Taxi gefahren und zu deren Ziel gebracht. Am Rückweg habe er auf der Straße einen Regierungssoldaten gesehen, der am Boden gelegen und dessen linke Schulter voller Blut gewesen sei. Der Soldat habe den BF angehalten und um Hilfe gebeten. Der BF habe ihn ins Krankenhaus gebracht. Der Soldat habe ihm erzählt, dass er von zwei bis drei Personen geschlagen worden sei. Diese Personen hätten auch sein Handy und Gewehr weggenommen. Der BF habe im Krankenhaus gewartet und sei um Mitternacht nach Hause gefahren. Dabei sei ihm ein rotes Auto, Marke Mazda, gefolgt. Als er zuhause angekommen sei, habe das Auto einen Abstand von 200 bis 300 Meter gehabt. Der BF sei 45 Minuten zu Hause gewesen, ehe er wieder in das Krankenhaus gefahren sei, da er wissen wollen habe, wie es dem Soldaten gegangen sei. Dabei habe er gesehen, dass das Auto noch immer neben dem Elternhaus des BF geparkt habe. Der BF habe einen Freund, der bzw. dessen Vater ein Hotel gegenüber vom Krankenhaus besitze, besucht und sich mit diesem bis vier Uhr früh unterhalten. Dann sei der BF ins Krankenhaus gegangen und habe gesehen, dass der Soldat Infusionen bekommen habe und versorgt worden sei. Um 04:30 Uhr habe die Mutter des BF angerufen und gesagt, dass drei Personen in das Elternhaus gekommen seien, den Vater geschlagen und dem Bruder des BF die Hände verbunden hätten. Sie hätten sich nach dem BF erkundigt. Sie hätten das Elternhaus durchsucht, die Mutter des BF bedroht und gesagt, dass sie den Bruder des BF mitnehmen würden, sollte der BF nicht nach Hause zurückkommen. Der BF sei dann nicht mehr nach Hause gegangen, sondern einen Tag in XXXX geblieben, habe sein Auto verkauft und sei am nächsten Tag nach Kabul gefahren. Dann habe er Afghanistan verlassen und sei nach Europa gereist.

Im Laufe der Einvernahme korrigierte der BF seine Angaben dahingehend, dass er zwei Jahre im Iran gewesen und dann abgeschoben worden sei. Er habe in weiterer Folge neun Monate in Afghanistan in einer Tischlerei als Hilfsarbeiter gearbeitet, sei dann wieder in den Iran, habe ein Jahr und drei Monate im Iran verbracht und sei neuerlich nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe drei Monate in Afghanistan verbracht, ehe er Afghanistan das letzte Mal verlassen habe.

Die Familie des BF sei nach dessen Ausreise noch zwei Mal zu Hause von den unbekannten Personen aufgesucht worden. Diese Personen hätten nach dem BF gefragt. Dann seien sie nicht mehr gekommen. Die Familie des BF habe diesbezüglich keine Probleme mehr gehabt.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Ambulanzbericht des XXXX vom 16.01.2018 (antituberkulöse Behandlung);

* Tazkira des BF;

* Teilnahmebestätigungen (" XXXX ") vom 25.10.2016 und 20.12.2016;

* Undatierte Teilnahmebestätigung (" XXXX ");

* Zwei Unterstützungsschreiben von Privatpersonen vom 07.02.2018 und 08.02.2018;

* Unterstützungsschreiben des Pfarrleiters des Stadtpfarramtes XXXX , vom 02.02.2018;

* Prüfungszeugnis A1 - Fit für Österreich vom 03.06.2016;

* Teilnahmebestätigung (A1 Deutschkurs) des Vereins XXXX vom 03.06.2016;

* Teilnahmebestätigung (A1 Deutschkurs) des Vereins XXXX vom 30.11.2016;

* Teilnahmebestätigung (A2 Deutschkurs) des Vereins XXXX vom 13.04.2017;

* ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich A2 (bestanden) vom 13.04.2017;

* ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 (mündlich bestanden;

schriftlich nicht bestanden) vom 24.10.2017 (Prüfung am 10.06.2017);

* Teilnahmebestätigung ("Deutsch B1 Modul A") des XXXX vom 20.10.2017;

* Kursbesuchsbestätigung der XXXX vom 25.01.2018 (Rechnen und Mathematik, Deutsch und Englisch);

* Arztbriefe/Berichte des XXXX vom 01.03.2017, 11.05.2017, 29.06.2017, 02.09.2017, 30.11.2017 und 16.01.2018;

* Radiologischer Befund von Prim. XXXX vom 11.02.2016, 25.08.2016, 12.09.2016, 31.10.2016 und 28.08.2017;

* Ladung zur Umgebungsuntersuchung des XXXX vom 06.04.2017;

* Bescheid der XXXX vom 25.04.2017, GZ XXXX (Anordnung der Überwachung des BF wegen einer Tuberkuloseerkrankung durch die Tuberkulosefürsorgestelle des Sanitätsdienstes der XXXX );

* Untersuchungsergebnis von XXXX vom 22.08.2017 und 23.08.2017 samt Laborbefunden.

1.4. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 28.06.2018, Zl. 1093343204/151683737, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

1.5. Gegen den unter Punkt 1.4. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF im Wesentlichen, dass er in Afghanistan eines Abends einen verletzten Soldaten am Straßenrand liegen gesehen, diesen mitgenommen und ins Krankenhaus gebracht habe und in diesem Zusammenhang verfolgt worden sei.

1.6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 06.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.7. Mit Schreiben vom 24.01.2019 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.04.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , geboren sei und bis zu seinem sechsten Lebensjahr dort gelebt habe. Danach sei er in die Distrikthauptstadt XXXX gezogen und habe dort bis zu seinem 16. oder 17. Lebensjahr gelebt. Danach sei er in den Iran ausgereist und habe zwei Jahre in Teheran gelebt. Nach dem zweijährigen Aufenthalt in Teheran sei der BF nach Afghanistan abgeschoben worden und habe neun Monate in XXXX verbracht. Er sei neuerlich in den Iran gereist und ca. 1 Jahr und 2 Monate dortgeblieben. Danach sei der BF nach Afghanistan zurückgekehrt und habe sich ca. 3,5 Monate in Afghanistan aufgehalten. Zu dieser Zeit seien seine Probleme entstanden. Der BF habe als Taxifahrer gearbeitet und habe eines Abends, als er mit dem Taxi unterwegs gewesen sei, am Rande der Straße einen Soldaten nahe einem Baum liegen sehe. Der BF sei ausgestiegen und habe vom Soldaten erfahren, dass dieser zusammengeschlagen worden sei. Der BF habe den Soldaten in ein Krankenhaus gebracht und sei 40 Minuten dortgeblieben. Als der BF wieder auf dem Nachhausweg gewesen sei, habe er bemerkt, dass ihm ein roter Pickup gefolgt sei. Der BF habe sich ca. 50 Minuten bis 1 Stunde zu Hause aufgehalten, eher er sich wieder auf den Weg in das Krankenhaus gemacht habe, um sich dort nach dem Gesundheitszustand des Soldaten zu erkundigen. Als der BF das Haus verlassen habe, habe er beobachten können, wie das rote Fahrzeug in einer anderen Gasse ca. 200 Meter entfernt gestanden sei. Der BF sei dennoch zum Krankenhaus gefahren. Er sei aber nicht in das Krankenhaus hineingegangen, sondern sei zum Sohn des Besitzers eines gegenüber dem Krankenhaus liegenden Hotels gegangen und habe mit diesem bis 4 Uhr früh geplaudert. Circa um 04:00 Uhr habe ihn seine Mutter angerufen und mitgeteilt, dass drei bewaffnete Personen mit verdeckten Gesichtern ins Elternhaus gekommen seien, den Vater des BF zusammengeschlagen, den Bruder des BF gefesselt und nach dem BF gesucht hätten. Nach ca. 30 bis 40 Minuten hätten sie das Haus wieder verlassen und der Mutter mitgeteilt, dass sie den Bruder des BF mitnehmen würden, sollte sich der BF nicht freiwillig zu ihnen begeben. Der BF habe nach diesem Telefonat Angst bekommen, sei noch einen Tag in XXXX geblieben, habe sein Auto verkauft und habe Afghanistan verlassen. Der BF befürchte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan neuerlich von diesen Personen verfolg zu werden.

Der BF legte diverse medizinischen Befunde/Arztbriefe von 2017 und 2018, vor, die er bereits im Verfahren vor dem BFA vorgelegt hatte, dazu ergänzend Arztbriefe des XXXX vom 08.05.2018 und 24.05.2018.

Weiters legte der BF die folgenden Dokumente vor:

* Undatiertes Unterstützungsschreiben einer Privatperson;

* Unterstützungsschreiben der XXXX vom 19.04.2019;

* Bestätigung der XXXX betreffend den Besuch des WIFI-Lehrganges zwecks Absolvierung des Pflichtschulabschlusses durch den BF vom 15.04.2019.

Im Zuge der Verhandlung wurden vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 26.03.2019) in das Verfahren eingebracht und dem BF die Möglichkeit eingeräumt, hierzu binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 24.04.2019, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , geboren. Im Alter von ca. 4 oder 6 Jahren übersiedelte der BF gemeinsam mit seiner Familie vom Distrikt XXXX in die Provinzhauptstadt XXXX und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Schwester (zum Entscheidungszeitpunkt 22 Jahre alt) und seinem Bruder (zum Entscheidungszeitpunkt 33 Jahre alt) auf.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari.

2.1.3. Der BF besuchte in Afghanistan elf Jahre die Grundschule.

2.1.4. Im Alter von ca. 16 oder 17 Jahren verließ der BF das erste Mal Afghanistan und reiste in den Iran, da er sich im Iran bessere Verdienstmöglichkeiten erhofft hatte. Der BF lebte zwei Jahre in Teheran, ehe er nach Afghanistan abgeschoben wurde. Der BF verbrachte neun Monate in seiner Heimatprovinz, ehe er - neuerlich mit der Hoffnung, im Iran bessere Verdienstmöglichkeiten vorzufinden - zum zweiten Mal in den Iran reiste, wo er ca. 14 Monate blieb. Der BF wurde zum zweiten Mal nach Afghanistan abgeschoben und hielt sich ca. 3,5 Monate in seiner Heimatprovinz auf, ehe er Afghanistan 2015 das dritte und letzte Mal verließ, um nach Europa zu reisen.

2.1.5. Der BF ist seit seinem 14. Lebensjahr erwerbstätig und verfügt - in Afghanistan und im Iran - über Arbeitserfahrung am Bau, als Tischler, als Taxifahrer und in einem Kleidungsgeschäft.

2.1.6. Im April 2017 wurde beim BF Tuberkulose diagnostiziert und eine neunmonatige Therapie durchgeführt, die zu Besserungen, jedoch nicht zu einer 100% Heilung geführt haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seit Mai 2018 weiterhin in Behandlung stand und/oder derzeit steht. Der BF nimmt derzeit keine Medikamente und ist im Alltag aufgrund der Tuberkuloseerkrankung nicht eingeschränkt. Zudem litt der BF in Vergangenheit in Österreich über Rückenschmerzen ("am Kreuz"). Auslöser dieser Schmerzen war ein falsches Training im Fitnesscenter. Im Mai 2017 wurde ein "Discusprolaps L4/5 li" diagnostiziert. Eine Operation wurde vom BF abgelehnt. Diese Schmerzen wurden nur in Form einer einmaligen Infusion behandelt. Zum Entscheidungszeitpunkt trainiert der BF regelmäßig ohne Beeinträchtigungen im Fitnesscenter.

2.1.7. Der BF ist ledig, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter. Die Tuberkuloseerkrankung beeinträchtigt ihn nicht bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

2.1.8. Die Eltern, die Schwester und der Bruder des BF leben nach wie vor in XXXX , in der Provinz XXXX . Der Familie geht es mittelmäßig. Der Vater des BF ist nicht mehr erwerbstätig. Die Familie wird vom volljährigen Bruder des BF versorgt. Dieser hat ein Kleidungsgeschäft und ist Eigentümer eines Grundstücks. Eine Tante mütterlicherseits des BF lebt im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX . Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.

2.1.9. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 03.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte vom 14.03.2016 bis 03.06.2016 und vom 02.11.2016 bis 30.11.2016 einen Deutschkurs auf A1 Niveau, vom 27.02.2017 bis 13.04.2017 einen Deutschkurs auf A2 Niveau und vom 13.11.2017 bis 20.12.2017 einen Deutschkurs auf B1 Niveau.

2.2.2. Der BF absolvierte erfolgreich die Deutschprüfungen auf A1 und A1 Niveau. Er trat am 10.06.2017 zur Deutschprüfung auf B1 Niveau an. Er bestand den mündlichen, nicht aber den schriftlichen Teil.

2.2.3. Der BF nahm am 20.12.2014 und 25.10.2015 am " XXXX " sowie vom 19.10.2016 bis 22.10.2016 am Projekt " XXXX " teil.

2.2.4. Der BF besucht viermal wöchentlich einen WIFI-Lehrgang zwecks Abschluss der Pflichtschule in XXXX .

2.2.5. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein.

2.2.6. Der BF besucht in Österreich regelmäßig eine österreichische Staatsbürgerin namens XXXX . Diese beschreibt den BF als sehr engagiert, lernwillig, stets höflich, zuvorkommend und sehr gut integriert. Der BF wird auch von seinem Betreuer/Unterkunftgeber, einer Privatperson und dem Pfarrleiter der Pfarre XXXX als sehr zielstrebig, motiviert, freundlich und gewissenhaft beschrieben. Der BF besucht regelmäßig das Spielcafé der Pfarre XXXX , um Kontakt zu ÖsterreicherInnen zu knüpfen und um sich dort ehrenamtlich zu betätigen. Er hat dort insbesondere Reinigungstätigkeiten verrichtet. Der BF beabsichtigt keine Konversion zum Christentum, sondern betrachtet den Islam als seine Religion, der er sich nach wie vor ohne Zweifel zugehörig fühlt.

2.2.7. Der BF ist bisher keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er verfügt nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel.

2.2.8. Der BF bezieht seit seiner Ankunft in Österreich durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung.

2.2.9. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.9. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.10. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der BF verließ Afghanistan im Alter von ca. 16 oder 17 Jahren, im Alter von ca. 19 Jahren und im Alter von ca. 20 Jahren - sohin insgesamt drei Mal - da er sich jeweils im Ausland bessere Verdienstmöglichkeiten erhoffte. In den ersten beiden Fällen beschloss der BF, sich im Iran niederzulassen, um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach seiner dritten Ausreise aus Afghanistan beschloss der BF, nach Europa zu reisen, um sich hier eine bessere Zukunft (Erwerbstätigkeit, Bildung) aufbauen zu können.

2.3.2. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er in Afghanistan einen ihm unbekannten, verletzten afghanischen Soldaten vom Straßenrand aufgehoben und in ein Krankenhaus gebracht hat und in diesem Zusammenhang von ihm unbekannten Personen verfolgt wurde oder im Fall der Rückkehr nach Afghanistan verfolgt würde. Der BF war in Afghanistan keiner physischen und/oder psychischen Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen durch etwaige Verfolger ausgesetzt. Der BF wäre in Afghanistan im Falle der Rückkehr keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch etwaige Verfolger ausgesetzt.

2.3.3. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3.4. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.3.5. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.3.6. Der BF ist volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung in Afghanistan und im Iran. Er wuchs in XXXX in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Angesichts seiner Bildung, seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung könnte er sich in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Eltern, der Bruder, die Schwester und eine Tante des BF leben nach wie vor in der Heimatprovinz des BF. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie, der es mittelmäßig geht. Verwandte des BF wären in der Lage, den BF zumindest vorübergehend finanziell zu unterstützen. In einer Gesamtbetrachtung sind Herat und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.8. Im Falle der Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 26.03.2019:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen, welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

2.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

2.2. Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017).

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolone

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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