TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/14 W187 2179266-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2019
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Entscheidungsdatum

14.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W187 2179273-1/11E

W187 2179266-1/11E

W187 2179272-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX , geboren am XXXX , 2. mj. XXXX , geboren am XXXX und 3. mj. XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, die Minderjährigen vertreten durch ihren Vater XXXX , dieser vertreten durch den Verein Menschenreche Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils XXXX , 1. XXXX , 2. XXXX und 3. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und XXXX , mj. XXXX und mj. XXXX gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird XXXX , mj. XXXX und mj. XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 14. Mai 2020 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers XXXX und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers XXXX .

Die drei Beschwerdeführer reisten im Jahr 2016 gemeinsam aus ihrem Herkunftsstaat Afghanistan aus und gelangten (getrennt voneinander) schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet.

Zunächst stellte der mj. Drittbeschwerdeführer am XXXX , gesetzlich vertreten und in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie seines älteren, in Österreich wohnhaften Bruders XXXX , gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sodann stellte der mj. Zweitbeschwerdeführer am XXXX , gesetzlich vertreten und in Anwesenheit eines Rechtsberaters, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Letztlich stellte der Erstbeschwerdeführer am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Die Beschwerdeführer wurden im Rahmen ihrer jeweiligen Erstbefragungen am Tag der Antragstellung von Organwaltern des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihren Identitäten, ihrer Reiseroute und ihren Fluchtgründen einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab hierbei als Beweggrund für die gemeinsame Ausreise an, dass ihr Ort unsicher sei, weil dort die Taliban herrschen würden. Sein Sohn sei im Jahr 2013 getötet worden; aus Angst um sein Leben habe er sein Heimatland verlassen. Der mj. Zweitbeschwerdeführer gab an, dass in Afghanistan Krieg herrsche, sein Vater habe ihn auf die Flucht mitgenommen. Es sei sehr gefährlich, wenn man die Wohnung verlasse, werde man umgebracht. Die anderen Gründe wisse er nicht. Der mj. Drittbeschwerdeführer erklärte, nicht zu wissen, warum er seine Heimat habe verlassen müssen. Sein Vater habe beschlossen, aus Afghanistan wegzugehen und habe ihn und den Zweitbeschwerdeführer mitgenommen.

3. Der Erstbeschwerdeführer wurde am XXXX vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und seines Bruders als Vertrauensperson niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier gab er als Fluchtgrund an, dass einer seiner Söhne Mitglied bei der Polizei gewesen sei. Vor (damals) acht Jahren habe dieser Sohn einen Taliban, der ein Selbstmordattentat habe begehen wollen, getötet. Deshalb sei sein Sohn vier Jahre später erschossen worden. Seither habe der Erstbeschwerdeführer Angst um sich und seine anderen Söhne.

In den vorgelegten Verwaltungsakten befinden sich keine Einvernahmeprotokolle des BFA betreffend den mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer; hierzu wird auf die Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA verwiesen.

4. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge des Erst- bis Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen [gemeint: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer, die Minderjährigen vertreten durch ihren Vater, alle vertreten durch den amtswegig beigegebenen und im Spruch ausgewiesenen Rechtsvertreter, mit Schreiben vom XXXX gemeinsam vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, mangelhafter bzw unrichtiger Begründung sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und verzichtete unter einem auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

6. Mit Eingabe vom 14.12.2017 übermittelten die Beschwerdeführer Dokumente und Integrationsunterlagen.

7. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

8. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Erst- bis Drittbeschwerdeführer im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz und ihren Beschwerdegründen im Familienverfahren einvernommen wurden. Die belangte Behörde verzichtete nach Ladung schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie den Dolmetscher gut?

Beschwerdeführer 1: Ja.

Beschwerdeführer 2: Ja.

Beschwerdeführer 3: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer 1: Wir sind fit für die heutige Verhandlung und können die Fragen beantworten.

Beschwerdeführer 2: Wir sind fit für die heutige Verhandlung und können die Fragen beantworten.

Beschwerdeführer 3: Wir sind fit für die heutige Verhandlung und können die Fragen beantworten.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer 1: Ich habe Diabetes und nehme dagegen Medikamente in, welche ich heute nicht mitgebracht habe.

Beschwerdeführer 2: Wir sind gesund.

Beschwerdeführer 3: Wir sind gesund.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer 1: Ja. Ich erinnere mich und die Angaben entsprechen der Wahrheit.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer 1: Ich bin geboren am XXXX , im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Kapisa, Afghanistan.

Beschwerdeführer 2+ 3: Wir wurden an der genannten Adresse des Vaters geboren.

Beschwerdeführer: 2: XXXX .

Beschwerdeführer 3: XXXX .

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer 1: Dari und ein bisschen Paschtu. Mit der Deutschen Sprache habe ich neu angefangen.

Beschwerdeführer 2: Ich spreche Dari und Deutsch.

Beschwerdeführer 3: Dari und Deutsch.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer 1: Ich bin verheiratet und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Ich bin sunnitischer Moslem. Meine Söhne sind auch Tadschiken und sunnitische Moslems.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer 1: Ja. Ich habe insgesamt sieben Kinder, davon sind sechs Söhne und eine Tochter. Drei von meinen Söhnen leben derzeit in Österreich, einer lebt in der Türkei, meine Tochter lebt in Afghanistan gemeinsam mit meiner Frau und mit meinen weiteren zwei Söhnen habe ich derzeit keinen Kontakt, weil sie bereits Afghanistan verlassen haben. Wo sie sich gerade befinden, ist mir nicht bekannt.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

Beschwerdeführer 1: In Afghanistan bin ich lediglich acht Jahre zur Schule gegangen, danach brach dort der Krieg aus und ich konnte nicht mehr zur Schule gehen. Danach fing ich an mit meiner Zusammenarbeit mit den damaligen Regierungen an deren Spitze damals Präsident Dr. Nadschibullah und Präsident Babrak Karmal standen. Ich leistete während der Regierungszeiten dieser beiden Präsidenten meinen Präsenzdienst. Wie bereits vom ersichtlich, bin ich in der Provinz Kapisa geboren, eine Zeit lang habe ich dort gelebt, im Alter von ungefähr 18 Jahren, im Jahr 1359 (Dolmetscher: 1980) des Sonnenkalenders ging ich nach Kabul und begann mit meiner Ausbildung in der Harbi Schowazai (Dolmetscher: Militärakademie). Während meiner Ausbildung in der militärischen Akademie, ging ich einst in meine Heimatprovinz. Unterwegs wurde ich von der Gegnerpartei, Hezb-e-Islami aufgegriffen und wurde gezwungen mit meiner Ausbildung in dieser Akademie sofort aufzuhören. Ich ging dieser Aufforderung nach. Sie haben mich damals nicht nur aufgefordert, sondern ins Gefängnis gesteckt, ich war im Gefängnis. Nach meiner Freilassung aus dem Gefängnis ging ich wieder zu der damaligen afghanischen Regierung, ließ mich als Soldat bei der Armee registrieren und leistete meinen Präsenzdienst beim Militär, ich habe diesen Dienst damals abgeschlossen und bekam dafür meine Bestätigung, die ich vorlegt habe. Als Soldat war ich damals im Flughafen Kabul eingesetzt. Diese Regierung war die Regierung von Dr. Nadschibullah. Meine Familie lebte damals in der Heimatprovinz, ich war in Kabul. Nach dem Strutz der letzten linken Regierung in Afghanistan, der von Dr. Nadschibullah, ging ich in die Heimatprovinz Kapisa und lebte dort gemeinsam mit meiner Familie. Dann kamen die Mudschahiddin nach Afghanistan, danach eroberten die Taliban Kabul. Ich wurde sogar in der Regierungszeit der Taliban damals auch ins Gefängnis gesteckt und festgenommen. Nach dem Sturz der Regierung Taliban und beim Beginn der Regierung von Hamid Karsei war ich immer noch in der Heimatprovinz Kapisa. Ich hatte damals dort ein Geschäft. Dann wurden meine Kinder langsam erwachsen. Einer von ihnen wurde damals ein Offizier bei der afghanischen Armee in der Regierungszeit von Karsei und wurde dann in dieser Regierungszeit von den Taliban getötet. Ich habe bis zu meiner Ausreise in der Heimatprovinz Kapisa gelebt.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführer 1: Ich habe damals auch mit meinen Eltern gelebt, danach mit meiner Kernfamilie, mit meinen Kindern, in unserem eigenen Haus, in der Provinz Kapisa.

Richter: Was haben Sie in Afghanistan gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer 1: Ich lebte von meinem Einkommen als Soldat, damals, danach lebte ich von meinem Geschäftseinkommen, das Geschäft, dass ich führte, in dem ich verkaufte. Ich wurde damals ebenso von meinen drei Brüdern finanziell unterstützt. Zwei von diesen Brüdern lebten sowohl damals, als auch heute in Österreich. Einer von ihnen lebte damals in Deutschland und heute auch noch. Sie haben finanziell geholfen.

Richter: Haben Sie in Afghanistan noch andere Verwandte, von denen Sie noch nicht erzählt haben oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer 1: Es leben dort derzeit in Afghanistan meine Frau, meine Tochter und meine Schwestern. Die Schwestern leben in unterschiedlichen Provinzen des Landes und sind alle bereits verheiratet.

Richter: Wollen Ihre Frau und Ihre Kinder auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer 1: Wenn sich die Möglichkeiten ergeben, würden sie hierher nach Österreich kommen, weil sie derzeit ohne einen Mann, ohne Familienoberhaupt dort leben.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer 1: Nach dem Aufstehen bereits ich das Frühstück vor und mache gemeinsam mit meinen Kindern Frühstück, bereite diese vor für die Schule, dann nehme ich sie mit zur Schule und auch nach der Schule mit nach Hause. Wenn ich selber zu Hause bin, nachdem ich die Kinder zur Schule bringen, lerne ich ein bisschen Deutsch zu Hause und bereite ich mich für meinen Deutschkurs vor. Um 13:00 Uhr beginnt der Deutschkurs und dauert bis 18:00 Uhr am Abend an. Dann komme ich nach Hause. Ich gehe auch nach dem Kurs, oder in der Früh einkaufen. Am Abend bereiten wir das Abendessen, dann unterhalten wir uns ein bisschen, die Kinder lernen, danach sehen wir fern, dann gehen wir ins Bett. So sieht ein typischer Alltag aus.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer 1: Ja, die habe ich. Ich habe Österreichische Freunde namens XXXX , Frau XXXX , Frau XXXX und meine Nachbarn. Mit den Afghanen habe ich außer mit meinen Brüdern keinen Kontakt.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer 1: Hier in Österreich, nein. Ich bin neu hier.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer 1: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer 1: Wie bereits erwähnt war einer von meinen Söhnen Offizier in der Regierung von Hamid Karsei. Nach der ersten Amtszeit waren dort wieder Präsidentschaftswahlen, Hamid Karsei hatte noch einmal kandidiert. Während des Wahlkampfes ging Präsident Hamid Karsei gemeinsam mit seinem Berater namens XXXX in die Provinz Baktia, in die Gegend Gardez. Mein Sohn war Wache dieses Beraters. Während dieses Wahlkampfes dort merkte mein Sohn damals plötzlich, dass ein Talib unter der Burqua bei sich eine Kalaschnikow hatte und ebenso eine Sprengstoffweste umhatte. Sobald mein Sohn das merkte und bevor er sich in die Luft sprengen konnte erschoss mein Sohn ihn. Er konnte sich nicht in die Luft sprengen. Damals war der Innenminister Hanif Atmar. Er beförderte meinen Sohn. Mein Sohn bekam damals auch ein Lobschreiben von den amerikanischen Streitkräften. Wollen Sie, dass ich das Schreiben vorlege? Die Taliban haben nach diesem Vorfall während des Wahlkampfs meinen Sohn verfolgt. Nach vier Jahren gelang es den Taliban meinen Sohn auf seinem Weg in die Heimatprovinz zu erschießen. Die Taliban wollten uns als Verwandte und Angehörige dieses Offiziers auch weh tun. Sie wurden dort später sehr mächtig. Dann ergriffen wir die Flucht von der Provinz Kapisa und kamen dann nach Europa.

Richter: Sind Sie jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer 1: Nein, direkt wurde ich nicht bedroht und verfolgt. Die Taliban hatten aber auch meinen Sohn damals nicht direkt bedroht und verfolgt, irgendwann haben sie ihn aber aufgegriffen und erschossen. Wir waren auch gefährdet. Die Taliban wurden in unserer Gegend stärker und stärker, wir konnten dort dann nicht mehr leben. Wir hatten Angst, sie hatten bereits unseren Sohn getötet.

Richter: Hatten Sie eine Auseinandersetzung oder einen Konflikt mit den Taliban zu der Zeit, zu der Ihr Sohn erschossen wurde?

Beschwerdeführer 1: Ich wurde mal von ihnen festgenommen und ins Gefängnis gesteckt, in das große Gefängnis in Kabul, in Pol-e-Tscharkhi. Es war ungefähr von heute weg vor 20 Jahren.

Richter: Warum sollten die Taliban wegen des Konfliktes zwischen Ihrem Sohn und ihnen, Sie erschießen zu wollen?

Beschwerdeführer 1: Weil wir damals einen von ihren wichtigsten Männern getötet hatten. Nachgefragt meine ich mit "wir", meinen Sohn. Ich war doch aber trotzdem sein Vater, das Oberhaupt seiner Familie. Wenn man mich tötet, mich umbringt, würde es bedeuten, dass man beabsichtigt meine gesamte Familie umzubringen. Wenn jemand aus einer Familie bei der Regierung Afghanistans, beim Staat Afghanistan arbeitet, wird nicht nur diese Person selbst, sondern auch seine gesamte Familie von den Taliban verfolgt. Geschweige denn, jemand der beim Staat arbeitet, direkt und aktiv einen von ihren wichtigsten Männern tötet. Wir wurden von ihnen verfolgt.

Richter: Worin hat sich eine allfällige Verfolgung der Familie durch die Taliban geäußert?

Beschwerdeführer 1: Der Verfolgung wie diese sich geäußert hat, würde ich Sie bitten den Bezug auf den Vorfall, bei dem mein Sohn seitens der Taliban erschossen wurde, zu nennen. Er wurde verfolgt und dann erschossen. Ziehen Sie das in Betracht.

Richter: Ist es jemals zu einer konkreten, feststellbaren, bemerkbaren Verfolgungshandlung gegen die Familie gekommen?

Beschwerdeführer 1: Sie waren in der Gegend anwesend, wurden Tag für Tag stärker, brachten endlich meinen Sohn um, weil sie ihn davor verfolgt hatten. Sie kommen nicht zu Ihnen und informieren sie nicht zuerst, dass man Sie verfolgt, dann töten sie später, das tun sie nicht.

Richter: Wodurch sind Sie in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer 1: Durch die Taliban und durch die Tatsache, dass unser Sohn ein Offizier war und er wurde endlich von den Taliban erschossen. Die Taliban und die islamische Partei Heszb-e- Islami sind seit dreißig Jahren unsere Feinde, ich meine damit konkret unsere Familie. Ich wurde damals sowohl von der Heszb-e- Islami gefangen genommen, als auch von den Taliban, als sie damals Afghanistan regierten, und ins Gefängnis gesteckt. Es gibt auch hier eine Bestätigung darüber, dass wir unter der Verfolgung standen und sowohl die Dorfbewohner als auch Dorfvorsteher und der afghanische Staat haben es offiziell bestätigt, dass meine Familie in Gefahr ist. Falls Sie es brauchen. Bei diesem Schreiben geht es um eine Anfrage seitens meiner Frau an den Dorfvorsteher, damit er das bestätigt, dass ihr Mann und seine gesamte Familie in Gefahr ist, oder nicht. Der Malik (Dorfvorsteher) hat es bestätigt, sich diesbezüglich geäußert, dann ist dieses Schreiben zur Provinzregierung in Kapisa gegangen, sie haben es auch bestätigt. Darum geht es in dem Schreiben.

Richter: Wann wurde das Schreiben ausgestellt?

Beschwerdeführer 1: Ungefähr vor einem Jahr.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer 1: Wir (Beschwerdeführer 1, 2, 3) sind mit dem Flugzeug geflogen. Bis in die Türkei, dann von der Türkei kamen wir über das Meer nach Griechenland, mit dem Schiff. Von Griechenland brachte man uns hier her nach Österreich.

Richter: Wer hat gebracht?

Beschwerdeführer 1: Diese Person, der wir damals zahlten.

Richter: Einem Schlepper?

Beschwerdeführer 1: Ja.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer 1: Wir zahlten ihm in Afghanistan.

Richter: Woher hatten Sie das Geld dafür?

Beschwerdeführer 1: Meine Brüder halfen mir alle gemeinsam finanziell.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer 1: Weil die Behörde einen negativen Bescheid in

Bezug unseres Asylverfahrens erlassen hat, deswegen. ... Ja,

deswegen, weil die Taliban meinen Sohn erschossen haben, dadurch wurde unsere ganze Familie dort gefährdet, wir hatten nur Probleme mit den Taliban.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer 1: Als wir damals Afghanistan verlassen mussten, waren die Taliban nicht so mächtig wie heute, sie haben jetzt mehrere Gegenden unter Kontrolle und sind noch brutaler und stärker geworden. Wir können auf keinen Fall heute dort zurückkehren. 50% des Landes sind derzeit in den Händen der Taliban. Die Taliban würden uns töten. Es gibt aber auch noch eine Nebensache, wie bereits erwähnt leide ich unter Diabetes und Zugang zu der medizinischen Versorgung ist dort betrachtend der Umstände sehr eingeschränkt. Ich bin nicht sicher ob ich dort gut medizinisch versorgt werden kann.

Die Beschwerdeführer bringen nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

Beschwerdeführer 1: Ja.

Beschwerdeführer 2: Ja.

Beschwerdeführer 3: Ja."

9. Den Beschwerdeführern wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.4.2019 eine Ergänzung sowie Aktualisierung des Länderinformationsblatts vom 29.6.2018 (Stand: 26.3.2019) zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und die gegenständlichen Verfahrensakten betreffend die Beschwerdeführer, durch Einsicht in die vorgelegten Integrationsunterlagen sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

1. Feststellungen

1.1 Zu den Personen der Beschwerdeführer und ihrem Leben in Afghanistan

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Der Erstbeschwerdeführer spricht zudem etwas Paschtu; alle Beschwerdeführer sprechen ein wenig Deutsch.

Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführers.

Der Erstbeschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt volljährig, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind im Entscheidungszeitpunkt unmündige Minderjährige im Alter von zehn und elf Jahren.

Die Beschwerdeführer sind alle in der afghanischen Provinz Kapisa, Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und lebten dort bis zu ihrer gemeinsamen Ausreise aus Afghanistan.

Der Erstbeschwerdeführer lebte, abgesehen von einem Aufenthalt in Kabul während seiner Ausbildung in der Militärakademie, an keinem anderen Ort Afghanistans als in seiner Herkunftsprovinz. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer hielten sich bis zu ihrer Ausreise aus Afghanistan ausschließlich in ihrer Herkunftsprovinz auf.

Der Erstbeschwerdeführer ist in Afghanistan traditionell verheiratet und hat - neben dem Zweit- und Drittbeschwerdeführer, bei welchen es sich um die jüngsten Söhne des Erstbeschwerdeführers handelt - noch fünf weitere Kinder. Die mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind ledig und kinderlos.

Die vier weiteren Söhne des Erstbeschwerdeführers sind bereits volljährig, die Tochter des Erstbeschwerdeführers ist im Entscheidungszeitpunkt noch minderjährig. Ein Sohn des Erstbeschwerdeführers lebt in Österreich, ein weiterer in der Türkei. Zwei weitere Söhne sind ebenfalls aus Afghanistan ausgereist, zu diesen besteht kein Kontakt. Ein Sohn ist verstorben. Die einzige Tochter des Erstbeschwerdeführers und seine Ehefrau leben in Afghanistan, in der Provinz Kapisa. In Afghanistan, konkret in Kabul und in Kapisa, leben zudem die drei Schwestern des Erstbeschwerdeführers bzw die Tanten des Zweit- und Drittbeschwerdeführers väterlicherseits.

Der Erstbeschwerdeführer verfügt über eine achtjährige Schulbildung und über Berufserfahrung. Bis zum Jahr 1990/91 arbeitete der Beschwerdeführer als Soldat für die afghanische Regierung und war danach, bis zu Ausreise aus Afghanistan, als Bekleidungsverkäufer in seinem eigenen Geschäft tätig. Der mj. Zweitbeschwerdeführer besuchte in Afghanistan drei Jahre die Grundschule, der mj. Drittbeschwerdeführer besuchte in Afghanistan keine Schule.

Die Beschwerdeführer verfügen in Afghanistan außerhalb ihrer Herkunftsprovinz, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, über kein soziales oder familiäres Netzwerk.

1.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer reisten im Februar 2016 gemeinsam aus ihrem Herkunftsstaat Afghanistan aus.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurden oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätten.

Die mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer machten keine eigenen Fluchtgründe geltend.

1.3 Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich

Die Beschwerdeführer gelangten im Mai bzw Juni 2016 (getrennt voneinander) illegal in das österreichische Bundesgebiet. Der mj. Drittbeschwerdeführer stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der mj. Zweitbeschwerdeführer stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Verfahren wird als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt.

In Österreich leben zwei Brüder des Erstbeschwerdeführers bzw Onkel des Zweit- und Drittbeschwerdeführers namens XXXX und XXXX sowie der Sohn des Erstbeschwerdeführers bzw. der ältere Bruder des Zweit- und Drittbeschwerdeführers namens XXXX , welcher vom Bruder des Erstbeschwerdeführers XXXX adoptiert wurde. Die Brüder des Erstbeschwerdeführers haben die österreichische bzw deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Einreise im Mai bzw Juni 2016 durchgehend in Österreich auf und leben in der Wohnung des älteren Sohnes XXXX . Die Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und sind nicht erwerbstätig.

Der Erstbeschwerdeführer nahm bereits an mehreren Basisbildungskursen sowie Deutschkursen teil und besuchte einen Integrationskurs, dessen Test er mit voller Punktzahl bestanden hat. Derzeit besucht er einen weiteren Deutschkurs, ein Sprachzertifikat legte er nicht vor. Der mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer besuchen in Österreich eine Schule.

Der Erstbeschwerdeführer leidet an Diabetes und nimmt deshalb Medikamente. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind gesund.

Der Erstbeschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten; die mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind strafunmündig.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.6.2018 mit aktualisierten Kurzinformationen bis 26.3.2019):

1.4.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1 Kurzinformation vom 26.3.2019

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai undmehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

1.4.1.2 Kurzinformation vom 1.3.2019

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019). Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

1.4.1.3 Kurzinformation vom 31.1.2019

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019) , fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

1.4.1.4 Kurzinformation vom 22.1.2019

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

1.4.1.5 Kurzinformation vom 8.1.2019

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

1.4.1.6 Kurzinformation vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

1.4.1.7 Kurzinformation vom 29.10.2018

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand di

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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