TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/14 W154 2126752-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2019
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Entscheidungsdatum

14.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W154 2126752-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2016, Zahl: Zl. 1090827400/151535851, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am 13.10.2015 niederschriftlich im Rahmen einer Erstbefragung einvernommen. Dabei führte er aus, aus Laghman zu stammen, ledig, sunnitischen Glaubens sowie zuletzt Feldarbeiter gewesen zu sein und drei Jahre die Koranschule besucht zu haben.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, sein Onkel habe sich in ein Mädchen verliebt und sei mit den Angehörigen des Mädchens in Streit geraten. Dadurch hätte es Konflikte zwischen den beiden Familien gegeben, der Bruder und der Onkel des Beschwerdeführers seien dabei getötet worden. Da auch er bedroht worden sei, sei der Beschwerdeführer aus Angst um sein Leben geflüchtet.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 18.4.2016 erklärte der Beschwerdeführer zunächst, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Seine Tazkira habe er unterwegs verloren. Zudem wolle er bezüglich des Erstbefragungsprotokolls richtigstellen, dass er neun Jahre die Schule besucht habe. Er habe drei Brüder und vier Schwestern, zwei der Brüder und zwei der Schwestern seien älter als er. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Familie im Elternhaus in einem Dorf nahe der Hauptstadt von Laghman gewohnt. Die gesamte Familie sei noch dort, bis auf zwei bereits verheiratete Schwstern, die in Nachbardörfern leben würden. Ein bis zweimal monatlich telefoniere der Beschwerdeführer mit seinem Vater. Die Familie habe auf den eigenen Feldern und Grundstücken gearbeitet, der Beschwerdeführer sei dort ca. vier jahre tätig gewesen. Der Beschwerdeführer sei sunnitischer Moslem und Paschtune.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, sein Onkel väterlicherseits hätte seit Mitte 1388 (Ende 2009) eine Liebesbeziehung zu einem Mädchen gehabt, weshalb der Vater des Beschwerdeführers die Mutter des Beschwerdeführers zur Familie des Mädchens geschickt hätte, um das Mädchen für den Onkel freizubekommen. Die Familie des Mädchens hätte dies aber abgelehnt und die Mutter des Beschwerdeführers gewarnt, dass weder sie noch der Onkel kommen dürfen. Letzterer habe aber die Beziehung aufrecht erhalten wollen und sei am 15.3.1389 (5.5.2010) auf dem Heimweg von der Moschee von der Familie des Mädchens getötet worden. Die Familie habe die Schüsse gehört und sei hingegangen. Sie hätten das Begräbnis für den darauffolgenden Tag um 13:00 Uhr geplant, doch um 11:00 Uhr seien sie von Regierungsleuten aufgesucht worden, denen der Vater des Beschwerdeführers von der Geschichte berichtet habe. Die Feinde hätten vier Dörfer entfernt gelebt und nach der Ermordung des Onkels den Wohnort in ein Gebiet der Taliban verlegt. Sie hätten gute Kontakte zur Regierung und zu den Taliban gehabt. Der älteste Bruder des Beschwerdeführers hätte einige Zeit später den Tod des Onkels rächen wollen, sei am 1.6.1393 (23.8.2014) nachts zu den Feldern gegangen und bei dem Versuch, das Wasser umzuleiten, auch umgebracht worden. Die Familie habe die Schüsse gehört, ein paar Dorfbewohner hätten die Leiche geholt. Am nächsten Tag seien sie wieder von Regierungsleuten aufgesucht worden, die ein paar Fragen gestellt hätten und wieder gegangen wären. Da der andere Bruder invalid sei, hätten die Feinde geglaubt, dass der Beschwerdeführer den Tod des Bruders rächen wolle, woraufhin ihn die Eltern aus Angst weggeschickt hätten. Nachgefragt, warum er nach dem Tod des Bruders noch ein Jahr bis zur Ausreise gewartet habe, antwortete der Beschwerdeführer, er habe seinem alten Vater in der Landwirtschaft helfen wollen.

Vorgelegt wurden ein E-Mail Anhang, der von den Dorfältesten herrühren und die Fluchtgeschichte bestätigen soll, sowie eine Anmeldebestätigung bezüglich eines Deutschkurses vom 4.3.2016.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i. V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Am 20.11.2016 hielt das Bundesverwaltungsgericht im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Pashtu sowie eines länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, von der Geburt bis zu seiner Ausreise in seinem Heimatdorf in der Provinz Laghman, bei der Provinzhauptstadt Mehtarlam gelebt, bis zur neunten Klasse die Schule besucht und im Heimatort als Bauer gearbeitet zu haben. Zudem sei er davor drei Jahre in die Koranschule gegangen. Beendet habe er die neunte Klasse im Jahr 1390 (2011/2012). Er gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer konkret zu den Namen seiner Angehörigen befragt.

Der Vater habe als Bauer gearbeitet, die Mutter sei Hausfrau gewesen. Die Großeltern hätten ebenfalls landwirtschaftliche Grundstücke gehabt, die sie an ihre Kinder weitervererbt hätten.

Vor zwei Monaten habe ihn ein Onkel mütterlicherseits angerufen und berichtet, dass sein Vater den Bruder des betreffenden Mädchens getötet habe. Daraufhin seien Angehörige dieser Familie in ihr Haus gekommen und hätten den Vater und den behinderten Bruder des Beschwerdeführers erschossen. Die Familie sei geflüchtet und habe vor, entweder in den Iran oder nach Pakistan zu gehen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Onkel väterlicherseits in ein Mädchen im Ort verliebt gewesen und immer wieder in die Nähe ihres Hauses gegangen sei. Auf Ersuchen dieses Onkels habe der Vater des Beschwerdeführers die Mutter zum Haus dieser Familie geschickt, um um die Hand des Mädchens anzuhalten. Dessen Familie habe jedoch diesen Antrag abgelehnt und die Mutter ersucht, kein zweites Mal dort hinzukommen. Auch solle sie dafür sorgen, dass sich ihr Schwager nicht in der Nähe des Hauses blicken lasse. Am 15.3.1389 sei der Onkel abends alleine in die Moschee gegangen, beim Rückweg in einen Hinterhalt geraten und erschossen worden. Der Vater und der ältere Bruder seien sofort hinausgelaufen und einige Minuten später mit dem Leichnam zurückgekehrt. Am nächsten Tag seien Leute von der Regierungsbehörde gekommen und hätten nach dem Vorfall gefragt. Nachdem der Vater von jener Familie berichtet habe, seien Leute dieser Behörde zu deren Haus gegangen, nach einiger Zeit zurückgekehrt und hätten berichtet, dass diese Familie nicht mehr dort lebe.

Nachdem viel Zeit vergangen sei, habe der ältere Bruder des Beschwerdeführers überall im Dorf angekündigt, den Tod des Onkels rächen zu wollen. Am 1.6.1393 sei der Bruder nachts auf die Felder gegangen, um diese zu bewässern. Dabei habe ihm jemand aufgelauert und ihn erschossen. Am nächsten Tag sei der Bruder bestattet worden und gegen 11:00 Uhr wären Leute der Regierungsbehörde gekommen, denen der Vater vom Vorfall berichtet habe. Diese Personen hätten berichtet, dass die gegnerische Familie nach wie vor nicht an ihrer ursprünglichen Adresse lebe, sondern in einem von den Taliban beherrschten Dorf. Einige Zeit später habe sein Vater dem Beschwerdeführer erzählt, dass ihm jemand berichtet habe, die gegnerische Familie plane, dem Beschwerdeführer ebenfalls zu töten. Der Beschwerdeführer habe nicht mehr aus dem Hause gehen und auf den Feldern arbeiten dürfen. Schließlich sei die Flucht des Beschwerdeführers organisiert worden.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer konkret zu seinen Familienverhältnissen und seinem Heimatdorf befragt.

Am 12.2.2017 erstellte der länderkundige Sachverständige ein Gutachten zum Fall des Beschwerdeführers auf Basis von Nachforschungen in dem von diesem genannten Heimatortort und in dessen Heimatregion.

Demnach sei nach Angaben befragter Personen aus dem Heimatort des Beschwerdeführers eine Person nach Europa gegangen, deren Spitzname in etwa dem in Österreich angegebenen Vornamen des Beschwerdeführers entspricht. Das Heimatdorf dieser Person sei das des Beschwerdeführers, die Namen der Geschwister, des Vaters sowie des Onkels seien ident. Daher gehe der Sachverständige davon aus, dass der Beschwerdeführer einen anderen offiziellen Namen als im Asylverfahren angegeben trage. Der laut den Angaben des Beschwerdeführers von der verfeindeten Familie getötete ältere Bruder sei in einer näher genannten Brigade in Kandarhar als Soldat tätig und seit 18 Monaten nicht mehr nach Laghman gekommen. Daher seien sich die Mitarbeiter des Gutachters nicht sicher, ob er sich noch in Kandarhar befinde oder auch aus Afghanistan ausgereist sei. Im Heimatdorf des Beschwerdeführers habe niemand vom Tode des Bruders gesprochen. Der angeblich ebenfalls umgebrachte zweite Bruder befinde sich ein Europa. Der dritte Bruder sei in der Provinzhauptstadt, besitze eine Rikscha und verdiene seinen Lebensunterhalt als Fahrer. Er lebe, wie auch die weiteren Familienmitglieder, im Heimatdorf des Beschwerdeführers, und zwar in der Nachbarschaft des Onkels mütterlicherseits, der wiederum im Lyzeum als Lehrer tätig sei. Der Onkel des Beschwerdeführers sei Soldat der Taliban gewesen und ca. im Jahre 2004 in der Provinz Kunar bei einem Luftangriff der Amerikaner getötet worden. Dessen angeblicher Feind sei Ortskommandant in der Region und habe keine Feindschaft mit dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers. Letzterer habe auch keine Beziehung zu der vom Beschwerdeführer genannten Frau gehabt. Weder der Onkel des Beschwerdeführers noch sein Bruder seien von dieser Person getötet worden. Das Dorf des Beschwerdeführers befinde sich seit zehn Monaten unter dem Einfluss der Taliban und die Sicherheitslage in dieser Region sei sehr prekär.

Am 18.4.2017 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt und dem Beschwerdeführer das Gutachten des länderkundigen Sachverständigen übersetzt. Die rechtliche Vertreterin des Beschwerdeführers erklärte dazu, dass letzterer seit seiner Geburt den im Asylverfahren angegebenen Namen getragen habe und davon auszugehen sei, dass die Informationen von einer falschen Person eingeholt worden wären. Der älteste Bruder wäre nie in der Armee tätig, sondern Bauer gewesen und auf den Feldern erschossen worden. Der zweite Bruder sei behindert gewesen und laut den Angaben des Onkels des Beschwerdeführers ebenfalls ermordet worden. Der dritte Bruder sei erst zehn Jahre alt. Weiters wolle sie anführen, dass sie vom Beschwerdeführer erfahren habe, dass dieser nunmehr Kontakt zu seinem Onkel mütterlicherseits hätte. Dieser lebe im Iran, wo sich auch die Mutter des Beschwerdeführers, der jüngere Bruder sowie zwei Schwestern beim Onkel aufhielten. Weiters halte sie die Aussagen des Beschwerdeführers aufrecht.

Bei der weiteren Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 1.3.2019 gab der Beschwerdeführer an, teilweise mit dem Nachforschungsergebnis des Sachverständigen einverstanden zu sein. Zuhause heiße er phonetisch wie im Asylverfahren angegeben. Es stimme, dass der Onkel mütterlicherseits Lehrer sei. Auch sei der Bruder, von dem er angegeben habe, als zweiter getötet worden zu sein, geflüchtet. Wo er sich befinde, wisse der Beschwerdeführer nicht, er stehe nicht im Kontakt zu ihm. Da der Beschwerdeführer unterwegs seine Tazkira verloren habe, könne er seine Identität nicht nachweisen. Wie der Sachverständige bestätigt habe, sei ihre Ortschaft unter der Kontrolle der Taliban. Wenn man etwas größer werde, müsse man sich entweder diesen oder den Dorfpolizisten anschließen. In beiden Fällen komme man ums Leben. Seine Mutter habe zu ihm gesagt, sein Bruder wäre dort bedroht gewesen, weil die Dorfpolizisten gewollt hätten, dass er sich ihnen anschließe und die Taliban, dass er sich den Taliban anschließe. Aus diesem Grund sei der Bruder weggegangen. Die Familie wäre unter Druck gesetzt worden, die Söhne zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund habe sie mithilfe des Onkels mütterlicherseits Afghanistan verlassen und befinde sich nunmehr im Iran. Die Familie sei von den Taliban stark bedroht worden, den Vater hätten sie schon umgebracht, als der Beschwerdeführer noch sehr klein gewesen sei.

Der länderkundige Sachverständige erklärte, am Tag vor dieser Verhandlung mit seinem Mitarbeiter in Afghanistan telefoniert zu haben, der bestätigt habe, dass der Beschwerdeführer in seinem Dorf unter den beiden im Gutachten genannten Namen bekannt sei. Da sich der Mitarbeiter zurzeit in Kabul befinde, könne er keine genauen Informationen über den aktuellen Verbleib der Familie geben. Nach der allgemeinen Lage sei es jedoch nicht ausgeschlossen, dass diese aufgrund des brutalen Vorgehens der Taliban in der Region ins Ausland gezogen sei. Der länderkundige Sachverständige habe im Oktober 2018 Teile Laghmans besucht und festgestellt, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung den Taliban unterworfen habe. Es bleibe den Familien nur die Alternative, entweder mit ihnen zu kooperieren oder aus deren Herrschaftsregion fortzugehen. Wenn man bleibe und nicht kooperiere, sei man der Verfolgung der Taliban ausgesetzt.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, mehrmals versucht zu haben, über die Caritas einen Deutschkurs zu besuchen. Er sei auf die Warteliste gesetzt worden, habe aber nie einen Deutschkurs bekommen. Seitens der erkennenden Richterin wurde angemerkt, dass der Beschwerdeführer über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Weiters legte er Arbeits- und Lohnbestätigungen seines Arbeitgebers vor. Der Beschwerdeführer erklärte, nicht Mitglied eines Vereines zu sein. Bei der Gemeinde habe er sich für ehrenamtliche Tätigkeiten angemeldet, jedoch habe sich niemand bei ihm gemeldet. Er lebe gemeinsam mit zwei Freunden in einer Mietwohnung, sie würden sich die Wohnungskosten teilen, er sei Hauptmieter. Zudem habe er einen Fitnessclub besucht und dort viele österreichische Freunde gehabt. Sein bester Freund sei Österreicher, am Wochenende würden sie manchmal nach Wien zum Kaffeetrinken oder zum Tanzen oder Spazierengehen fahren. Der Beschwerdeführer lebe alleine und sei nicht verheiratet. Er habe sich in einer Schule angemeldet, aber leider keinen Platz bekommen.

Am 4.4.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgehändigten aktuellen Länderfeststellungen ein, der ein Sozialversicherungsdatenauszug vom 11.3.2019, eine Arbeits- und Lohnbestätigung vom 27.2.2019 sowie ein Mietvertrag beigelegt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum sunnitischen Glauben.

Er stammt aus einem Dorf in der Nähe von Mehtarlam in der Provinz Laghman, in dem er bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie lebte.

Die vorgebrachte Bedrohung durch Blutrache ist nicht glaubwürdig. Weitere konkrete persönliche Bedrohungen des Beschwerdeführers wurden im gesamten Verfahren nicht vorgebracht bzw. liegen keinerlei Hinweise darauf vor.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig und leidet an keiner schweren Erkrankung. Er wuchs in Afghanistan auf, wurde dort sozialisiert und beherrscht eine Landessprache (Paschtu) auf muttersprachlichem Niveau. Zudem hat er eine heimatliche Schubildung von neun Jahren und zusätzlich drei Jahre die Koranschule besucht. Er arbeitete vier Jahre lang in der familieneigenen Landwirtschaft.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Laghman in Afghanistan aufgrund der zurzeit schlechteren Sicherheitslage eine Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar, sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Der Beschwerdeführer ist ledig, jung, arbeitsfähig, mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig. Auch verfügt er über eine heimatliche Schulbildung und Arbeitserfahrung.

Er hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem kann er selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif unterstützen.

Die Stadt Mazar-e-Sharif ist von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Oktober 2015 im Bundesgebiet. Er hat hier keine Familie und keine familienähnliche Lebensgemeinschaft.

Der Beschwerdeführer verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse, konnte jedoch kein Zertifikat vorlegen. Schule oder sonstige Fortbildungen besuchte er keine. Der Beschwerdeführer verrichtete nie ehrenamtliche Tätigkeiten. Er besuchte einen Fitnessclub und hat österreichische Freunde. Gemeinsam mit zwei Freunden lebt er in einer Mietwohnung, in der er der Hauptmieter ist. Von 1.10.2017 bis 5.12.2017 war er legal als geringfügig beschäftigter Arbeiter, von 25.5.2018 bis 7.6.2018 sowie von 2.7.2018 bis laufend als Arbeiter tätig.

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu

Afghanistan vom 29.6.2018, Stand Jänner 2019:

KI 8.1.2019 Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht konnten afghanische Sicherheitskräfte die Angreifer besiegen. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zu dem Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der

Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC sind mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dann, dass sie ihre Entscheidung revidieren würde, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf Neuauszählung von ca. 10% der abgegebenen Stimmen in Kabul nach einer neuen Methode, welche die Transparenz und Glaubwürdigkeit wahren sollte (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssten im Falle einer Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Quellen:

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AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https://www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-electionspostponed-july-20-official-181230185336213.html. Zugriff 8.1.2019

-

AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill

dozens,

https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-

government-compound-gun-battle-ensues-181224115249492.html. Zugriff 8.1.2019

-

IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home. Zugriff 17.12.2018

-

NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militantattack.html, Zugriff 8.1.2019

-

ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf

Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/. Zugriff 8.1.2019

-

Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delaypresidential-election-to-julv-election-bodv-idUSKCN1OT0FR. Zugriff 8.1.2018

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rferl.org/a/ afghan-commission-invalidates-all-kabul-votes-in-october-parliamentary-election/

29640679.html, Zugriff 17.12.2018

-

TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos,

https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018

-

Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen,

https://www.heise.de/tp/features/Chaos-nach-Parlamentswahlen-4248743.html.

Zugriff 17.12.2018

-

Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations,

https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fakeresult-sheets-polling-stations%E2%80%99. Zugriff 8.1.2019

-

Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43,

https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43.

Zugriff 8.1.2019

-

Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recountingkabul-votes-under-new-method, Zugriff 17.12.2018

-

Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision

%C2%A0%C2%A0review-kabul-votes. Zugriff 17.12.2018

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WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July,

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistanspresidential-elections-delayed-until-july/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-

6f878a26288a_story.html?noredirect=on&utm_term=.07428f9afbb6. Zugriff 8.1.2019

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ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul.

https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-

99-340827. Zugriff 8.1.2018

KI vom 31.1.2019 Friedensgespräche zwischen USA und Taliban

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.- Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

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CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peacetalks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

-

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende,

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-

dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

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FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,

https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-beknown-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/. Zugriff 31.1.2019

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IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe

italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-

contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/

4930395/, Zugriff 31.1.2019

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Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwvnne-dver/2019/01/30/trattativa-afghanistan-

ritardo, Zugriff 31.1.2019

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NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to

Peace Framework, Envoy Says,

https://www.nvtimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html.

Zugriff 31.1.2019

-

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consulttalks-taliban, Zugriff 31.1.2019

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WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/

2019/01 /30/12229732-23ee-11 e9-ad53-824486280311 story.html?

noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79. Zugriff 31.1.2019

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/

afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison? fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https:// www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack- 181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security,

https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul- 181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018): Afghanistan:

67 morti in 24 ore, http://

www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182- a798-34b9ace3ae65.html, Zugriff 22.11.2018

Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison, https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlagattentat-ulema-rat-versammlung-tote, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-talibanregierungstruppen-ghasni, Zugriff 12.11.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan, attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi,

https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistanattacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/, Zugriff 22.11.2018

KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence, https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabulover-recent-wave-of-violence-02722/?

fbclid=IwAR2cNyRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT_4yCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g, Zugriff 22.11.2018

LE - L'Express (21.11.2018): Attentat à Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue, raconte un blessé, https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a-kaboul-lalecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html, Zugriff 22.11.2018

NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering,

https://www.nytimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html, Zugriff 22.11.2018

Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead, https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6- people-dead, Zugriff 22.11.2018

SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43, wounds 83,

https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397, Zugriff 22.11.2018

TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack,

https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion,

https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (12.11.2018): MoI Confirms 6 Death In Kabul Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul, Zugriff 22.11.2018

TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul, https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html, Zugriff 22.11.2018

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Quellen:

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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