TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/17 98/06/0085

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Veröffentlicht am 17.12.1998
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Index

L85005 Straßen Salzburg;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1488;
LStG Slbg 1972 §40 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des RH in S, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei V, Kommandit-Partnerschaft D in S, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde St. Gilgen am Wolfgangsee, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Straßensache, zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG und § 66 Abs. 4 AVG wird der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Gilgen am Wolfgangsee vom 21. September 1997, Zl. EAP 616/201/1-1997, insofern abgeändert, als er wie folgt lautet:

"Gemäß § 3 Abs. 2 und § 40 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 Salzburger Landesstraßengesetz 1972, LGBl. Nr. 119/1973 in der Fassung LGBl. Nr. 70/1973, wird festgestellt, daß die über die Grundstücke Nr. 509, 877, 507/1, 506/2 KG S, beginnend bei der Kreuzung Salzburgerstraße bis in Höhe der Zufahrtsstraße zur Liegenschaft Grundstück Nr. 467/2 KG S verlaufende Straße in der Breite von durchgehend 2,5 m eine Privatstraße mit Öffentlichkeitsrecht hinsichtlich des Geh- und Radfahrrechtes darstellt. In diesem Rahmen besteht an diesem Straßenverlauf der Gemeingebrauch, der durch niemanden eigenmächtig behindert werden darf."

Die Gemeinde St. Gilgen hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer der Grundstücke Nr. 509, 877 und 506/2 KG S. Mit Kaufvertrag vom 15. Mai 1953 hat der damals minderjährige Beschwerdeführer sowie sein vollentmündigter Bruder, beide vertreten durch ihren Vormund bzw. Kurator, die Liegenschaft "Mittermühle" Nr. 120 in S, inneliegend in der EZ 32 des Grundbuches über die Katastralgemeinde S, und zwar Nr. 667/2 Acker mit 1636 m2 und Nr. 468 Wiese mit 134 m2, im Gesamtausmaß von 1770 m2 an KS verkauft. In Punkt IX. dieses Kaufvertrages ist vereinbart, daß die Verkäufer für sich und ihre Rechtsnachfolger dem Käufer und dessen Rechtsnachfolger im Besitz der kaufgegenständlichen Grundstücke das immerwährende unentgeltliche Recht einräumen, auf den über die Grundstücke Nr. 510, 507/1 und 506/2 führenden Weg zu gehen und zu fahren. Dieser Weg werde von beiden Vertragsteilen gemeinsam erhalten.

Am 13. Juni 1995 sprach KS im Gemeindeamt der Gemeinde St. Gilgen vor, es wurde mit ihm eine Niederschrift aufgenommen des Inhaltes, daß durch den Beschwerdeführer bzw. vermutlich über dessen Veranlassung am Beginn der Zufahrtsstraße (zur Liegenschaft R-Tal 8), die auch als öffentlicher Gehweg diene und sowohl zum sogenannten "Totenwegerl" sowie weiter über die Zufahrtsstraße des Einschreiters hinaus in den Bereich R-Tal entlang dem Lohwandl führe, am Freitag, dem 9. Juni 1995, ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Geh- und Fahrtrecht nur für R-Tal 8" angebracht worden sei. Da der Hinweis zu Unrecht angebracht worden sei, werde um entsprechende Wahrnehmung der Öffentlichkeitsrechte durch die Gemeinde ersucht. Zu Zeiten der Lokalbahn sei dieser Weg an dem Bahnübergang mit einer Überfahrtsschwelle ausgestattet und lediglich der Hinweis der Bahn "Halt wenn ein Zug kommt" angebracht gewesen.

Aufgrund dieser Niederschrift beraumte der Bürgermeister der Gemeinde St. Gilgen eine Verhandlung für den 16. Juni 1995 an, der Gegenstand der Amtshandlung war mit "öffentlicher Gehweg auf Grundstücken Nr. 509, 877, 507/1, 506/2 u.a. KG S - Ausschluß des Öffentlichkeitsrechtes" angegeben. In dieser Verhandlung hielt der Verhandlungsleiter folgendes fest:

"Aus der Sicht der Gemeinde St. Gilgen stellt sich die Weganlage als Wegverbindung zum Ortszentrum St. Gilgen sowie über das Lohwandl Richtung Steinklüftstraße dar. Die Weganlage ist im Bereich des nunmehr gekennzeichneten Teiles als Schotterstraße in einer Breite von ca. 2,5 m ausgebildet. Diese Straße führt zum Haus R-Tal 6 und 8 bzw. zum Grundstück Nr. 467/2 KG S im Eigentum von Herrn KS.Weiterführend ist dieser Weg als Wiesenweg ohne entsprechende Ausbildung vorhanden. Abzweigend im Bereich des Grundstückes 847/2, dem Bach entlang verläuft der 'Totenweg' Richtung Zentrum der Gemeinde St. Gilgen. Aus den Unterlagen der Gemeinde St. Gilgen ist ersichtlich, daß diese Weganlage seit langer Zeit besteht. Lt. Niederschrift vom 13.6.1995 war zuzeiten der Lokalbahn über die Schienentrasse eine Holzschwelle angebracht, sodaß ein gefahrloses Überqueren möglich war. Beiderseits des Bahngleises stand ein Schild mit der Aufschrift 'Halt wenn ein Zug kommt'. Diese Weganlage hat für die Öffentlichkeit eine große Bedeutung und wird dieser Weg zumindest für Fußgänger aufgrund eines dringenden öffentlichen Verkehrbedürfnisses länger als über einen Zeitraum von 20 Jahren genutzt.

Weiters wird ausdrücklich festgestellt, daß bisher keine Behinderung dieser Verkehrstätigkeit durch den Grundeigentümer (Herrn RH) erfolgt ist.

Ausdrücklich ist auch anzumerken, daß für die Zufahrtstätigkeit zum Grundstück Nr. 467/1 KG S eine dienstbarkeitsvertragliche Vereinbarung besteht.

Aus der Sicht der Gemeinde St. Gilgen ist daher festzustellen, daß die nunmehr angebrachte Tafel am Beginn des Weges den öffentlichen Fahrverkehr ausschließt. Weiters ist festzustellen, daß nachdem es sich nach den bisherigen Ermittlungen um eine Straße mit Öffentlichkeitsrecht handelt, ein wirksamer Ausschluß des öffentlichen Verkehrs nur durch die entsprechende Beschilderung nach den Bestimmungen der StVO (Straßenverkehrsordnung) möglich ist. Dies wurde dem Grundeigentümer zur Kenntnis gebracht."

Der Beschwerdeführer erklärte anläßlich dieser Verhandlung, daß ein öffentlicher Fahrverkehr in diesem Teil des Weges nicht erfolgt sei. KS gab an, daß diese Weganlage seit dem Jahr 1953 in der heute sichtbaren Wegbreite vorhanden sei. Ein Ausschluß des Verkehrs habe nicht stattgefunden. Benützer dieser Straße seien hauptsächlich seine Familie als Bewohner der Liegenschaft Haus R-Tal 6 + 8 sowie Gäste und Lieferanten zu ihrer Liegenschaft gewesen. Die Benützung des Weges als Fußweg durch die Öffentlichkeit könne durch ihn ausdrücklich bestätigt werden. Eine Fahrtätigkeit durch Radfahrer habe früher vereinzelt, in letzter Zeit durch die allgemeine Entwicklung des Radsportes verstärkt stattgefunden. Auf der jetzt angebrachten Tafel mit dem Ausschluß des Verkehrs sei nur das Haus R-Tal 8 bezeichnet, damit sei eine Zufahrtstätigkeit zu seinem Haus R-Tal 6 theoretisch ausgeschlossen. Laut Kaufvertrag sei die Parzelle mit einem Geh- und Fahrtrecht ausgestattet. Aufgrund der Beschilderung fürchte er allfällige Geschäftseinbußen, da bereits zuletzt ein Gast bemerkt habe, daß er sich nicht zum Haus zufahren traue, da er befürchte, eine ungesetzliche Handlung zu begehen.

Der als Zeuge einvernommene JF bestätigte, daß eine Nutzung dieses Weges mit landwirtschaftlichen Geräten durch ihn seit ca. 1950 erfolgt sei. Die Fahrtätigkeit habe sich ausschließlich auf landwirtschaftliche Zufahrtstätigkeiten zur Liegenschaft Grundstück Nr. 470 u.a. KG S beschränkt, wobei jeweils mit dem Grundeigentümer der Straße bezüglich der Straßennutzung Rücksprache gehalten worden sei. Die Fahrtätigkeit sei von ihm seit einigen Jahren nicht ausgeübt worden, da die Weiterfahrt wegen Anpflanzungen nicht mehr möglich sei. Daß diese Weganlage bzw. die weiterführende Weganlage mittels Fahrzeugen im Rahmen eines öffentlichen Verkehrs genutzt worden sei, könne er nicht sagen, er könne jedoch angeben, daß die Weganlage auch weiterführend durch Radfahrer benützt worden sei.

Der Vertreter des Gendarmeriepostens St. Gilgen, J.L., gab an, im Zusammenhang mit dieser Weganlage seien keine Amtshandlungen in der Vergangenheit vorgenommen worden. Im Gendarmeriepostenkommando sei diese Weganlage als öffentliche Fußweganlage bekannt. Ob eine Nutzung mit Fahrrädern erfolgt sei, könne nicht näher angegeben werden.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1995 gaben E. und KS an, zu den Grundflächen der Einschreiter führe über die Grundstücke Nr. 509, 507/1 und 506/2 KG S, die im Eigentum Privater stehende Zufahrtsstraße. Diese diene auch den beiden Bauten auf Grundstück Nr. 467/2 u.a. KG S, in denen sie und ihre Familienmitglieder wohnten und einen Gastgewerbebetrieb führten, als deren Aufschließung. Für beide Baulichkeiten, die seit weit über 20 Jahren bestünden, sei dies die einzige Aufschließung. Diese Verkehrsfläche werde auch durch andere Verkehrsteilnehmer, die die weiterführende Verkehrsfläche über Grundstück Nr. 469 KG S benützten, seit Menschengedenken in Anspruch genommen.

In seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 1995 führte der Beschwerdeführer aus, die Nutzung als Gehweg, vereinzelt zum Zwecke der landwirtschaftlichen Zufahrtstätigkeit nach Einholung der Zustimmung des Grundeigentümers, die vereinzelte Nutzung durch Radfahrer und die aufgrund einer zivilrechtlichen Vereinbarung erfolgte Nutzung der Zu- und Abfahrt von und zu den Grundstücken 467/2 und 468 stelle jedenfalls keine allgemeine und ungehinderte Benutzung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses dar.

In der Folge hat der Beschwerdeführer beim Landesgericht Salzburg zu 10 Cg 205/96 eine Klage gegen KS wegen unberechtigter Erweiterung der Dienstbarkeit eingebracht. Mit Beschluß vom 10. Jänner 1997 hat das Landesgericht Salzburg das Zivilrechtsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei der Gemeinde St. Gilgen anhängigen straßenrechtlichen Feststellungsverfahrens unterbrochen. Dem dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Rekurs hat das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht mit Beschluß vom 27. Februar 1997 Folge gegeben und den Antrag des KS auf Unterbrechung des Zivilrechtsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei der Gemeinde anhängigen straßenrechtlichen Feststellungsverfahrens abgewiesen.

In der Folge hat die Gemeinde neuerlich eine mündliche Verhandlung für den 21. Mai 1997 anberaumt. Dem Akt wurde ein Bauplatzerklärungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 29. Mätz 1957 und die diesem vorangegangene Niederschrift vom 22. März 1957 angeschlossen. Der Niederschrift über die Verhandlung vom 22. März 1957 zufolge hat der bautechnische Amtssachverständige damals festgestellt, daß die GP 467/2 und 468 KG S als Bauplatz erklärt werden sollten, das gesamte Flächenausmaß des Bauplatzes betrage 1770 m2. Der Bauplatz liege am nördlichen Ortsrand von St. Gilgen und nordöstlich von der Überführung der Salzkammergutlokalbahn über die Wolfgangsee-Bundesstraße. Die westliche Grundstücksgrenze werde durch die Bahntrasse GP 922 der Salzkammergutlokalbahn gebildet. Die Aufschließung des Bauplatzes erfolge von der Wolfgangsee-Bundesstraße ausgehend über einen öffentlichen Privatweg, der im Eigentum der Brüder H stehe und zum nördlichsten Teil des Bauplatzes führe. Vor Einmündung dieses Weges auf dem Bauplatz überquere er die Trasse der Salzkammergutlokalbahn. Diese Überquerung sei bereits bei Erstellung der Trasse errichtet worden.

Anläßlich der Verhandlung vom 21. Mai 1997 wurden folgende Zeugen vernommen: AE, Vorstandsmitglied des Fremdenverkehrsverbandes St. Gilgen; sie gab an, daß seitens des Fremdenverkehrsverbandes vehementes Interesse an der Erhaltung dieser Weganlage als Fußweganlage bestehe. JF ergänzte seine in der Verhandlung vom 16. Juni 1995 erfolgte Aussage dahingehend, daß sein Hinweis bezüglich Befahrens mit Zustimmung des Grundeigentümers auf das Gartengrundstück des Grundeigentümers bezogen war. Zur Frage, ob der Weg durch Dritte mit Kraftfahrzeugen befahren wurde, erklärte er, dazu keine näheren Angaben machen zu können. Radfahrer seien gelegentlich über den Weg gefahren. Seit vier Jahren halte er sich im Bereich dieser Straße nicht mehr auf, seit diesem Zeitpunkt habe er einen größeren und stärkeren Traktor, der es ihm erlaube, seine landwirtschaftliche Fläche auch von seinem Grund aus bewirtschaften zu können. Gäste und Besucher könnten zur Familie S nur auf dieser Straße fahren, es gebe sonst keine andere Möglichkeit. JK, geboren 1920, gab an, daß ihm diese Weganlage seit jeher bekannt sei, sie sei seit jeher begangen und mit dem Rad befahren worden. Zum Befahren des gegenständlichen Weges mit Kraftfahrzeugen könne er keine Angaben machen. FR, Vertreter des Gendarmeriepostenkommandos St. Gilgen, gab an, laut Anzeige von KS habe der Beschwerdeführer bzw. seine Beauftragten eine Fahrverbotstafel aufgestellt.

JS, geboren 1931, gab an, er selbst sei über diese Weganlage immer gefahren, klar gesagt, zur Familie S. Zum Wegverlauf gab er an, daß die Breite ab der Salzburgerstraße bis Zufahrt Haus S in etwa im gleichen Ausmaß damals wie heute gegeben sei bis zur Bahnüberführung. Circa ab der Bahnübersetzung sei der Weg als Feldweg, einer nach links und einer nach rechts, weitergegangen. Als er sein Haus errichtet habe, habe er von der hier befindlichen Querung der Bahntrasse Güter von der Bahn auf Fahrzeuge verladen und zur Baustelle gebracht. Das Brennholz habe er von der Bahn immer ausgeladen und hier auf Pferdefuhrwerken zu seinem Grundstück weitergebracht. Diese Angaben bezögen sich auf den Zeitraum von 1945 bis 1957. Sonst sei die Weganlage nach seiner Wahrnehmung durch Fußgänger und Radler genutzt worden. Auf die Frage des Rechtsvertreters des KS, ob er irgendwelche Fahrtätigkeit mit Kraftfahrzeugen auf diesem Weg, ausgenommen Zufahrt zum Haus S, beobachtet habe, erklärte er, er schaue nicht, welche Fahrzeuge jetzt führen, nach 1959 müsse, wer diesen Weg benutzt habe, unweigerlich zu S zufahren. Andere Nachbarn außer R.H. hätten diese Querung der Bahn für Ladezwecke nicht benutzt.

Die Verhandlungsleiterin stellte fest, daß die Salzkammergutlokalbahntrasse am 2. Oktober 1957 aufgelassen worden sei. Die Verhandlungsleiterin berichtete aus ihrer Jugendzeit, daß sie als Kinder ständig in diesem Bereich unterwegs gewesen seien, mit Schiern und Fahrrädern und zu Fuß gegangen bzw. die Weganlage benützt hätten. Dies sei immer ein Weg gewesen, den man mit einem Fuhrwerk bzw. Auto benützt habe.

ES gab an, daß die Weganlage nie abgesperrt bzw. gekennzeichnet gewesen sei und die Anlage daher auch von Fremden benützt worden sei und sie bis zur Zufahrt zum Haus S zugefahren seien. Dies auch durch Nichtangehörige bzw. nicht in ihrem Haus befindliche Gäste.

In der Folge erließ der Bürgermeister der Gemeinde St. Gilgen den Bescheid vom 29. September 1997 mit dem Spruch, daß die über die Grundstücke Nr. 509, 877, 507/1, 506/2 KG S, beginnend bei der Kreuzung Salzburgerstraße bis in die Höhe der Zufahrt zur Liegenschaft Grundstück Nr. 467/2 KG S verlaufende Straße in der Breite von durchgehend 2,5 m eine Privatstraße mit Öffentlichkeitsrecht darstelle und damit an diesem Straßenverlauf der Gemeingebrauch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften bestehe, der durch niemanden eigenmächtig behindert werden dürfe. Allfällige bestehende Einschränkungen bzw. sonstige Kennzeichnungen, die den Ausschluß des öffentlichen Verkehrs auf dieser Straße bewirken sollten oder könnten, seien mit Rechtskraft des Bescheides durch den Wegeigentümer ersatzlos zu entfernen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit dem Antrag, die Gemeindevertretung der Gemeinde St. Gilgen wolle den Bescheid des Bürgermeisters dahingehend abändern, daß der Ausschluß des Fahrverkehrs auf dem über die im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücke verlaufenden Weg beginnend bei der Kreuzung Salzburgerstraße bis in Höhe der Zufahrt zur Liegenschaft Grundstück Nr. 467/2 KG S mit Ausnahme des Verkehrs von Fahrrädern und mit Ausnahme der Zufahrt zu den Häusern R-Tal Nr. 6 und Nr. 8 im Ausmaß und im Umfang der mit Kaufvertrag vom 15. Mai 1953 (berichtigt am 5. November 1953) eingeräumten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges zulässig sei, in eventu den angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Aufgrund der am 8. Juni 1998 eingebrachten Säumnisbeschwerde leitete der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 18. Juni 1998 gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Gleichzeitig wurde der belangten Behörde die Beschwerde mit dem Auftrag zugestellt, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die belangte Behörde wurde auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, allein aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers zu erkennen.

Die belangte Behörde erließ in der Folge den versäumten Bescheid nicht und legte mit Schreiben vom 19. September 1998 die Verwaltungsakten mit der Bitte vor, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG u.a. erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Unbestritten ist im Beschwerdefall davon auszugehen, daß über die Berufung des Beschwerdeführers vom 3. November 1997, eingelangt bei der genannten Behörde am 5. November 1997, gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht entschieden wurde. Der Beschwerdeführer hat sohin zu Recht Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers über seine Berufung zu entscheiden.

Gemäß § 3 Abs. 1 des (Salzburger) Landesstraßengesetz, LGBl. Nr. 119/1972 in der Fassung LGBl. Nr. 70/1973, ist der Gemeingebrauch einer Straße jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gestattet und darf von niemanden eigenmächtig behindert werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Straßenrechtsbehörde (§ 4) über den Bestand und Umfang des Gemeinbrauches zu entscheiden. Nach § 40 Abs. 1 leg. cit. dient eine Privatstraße dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie nicht durch äußere Kennzeichen (Abschrankungen, ausdrückliches Benützungsverbot usw.) diesen Verkehr ausschließt. Eine solche Ausschließung darf soweit nicht erfolgen, als a) die Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde, b) die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung entscheidet über die Zulässigkeit und den Umfang des Ausschlusses des Verkehrs über Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch Anschlag in der Gemeinde kundzumachen ist. Ein solcher Antrag kann vom Eigentümer der Privatstraße und von jedem die Privatstraße aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses Benützenden gestellt werden. Partei im Verfahren ist außer dem Antragsteller nur der Eigentümer der Privatstraße.

Aufgrund des Berufungsantrages, der mit dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag, in der Sache selbst zu entscheiden, wiederholt wurde, ist nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Gemeingebrauch hinsichtlich des Gehens und Fahrens mit Rädern besteht, strittig ist allein, ob das Befahren dieses Wegstückes mit anderen Fahrzeugen als Rädern und ohne Berücksichtigung der mit Kaufvertrag vom 15. Mai 1953 eingeräumten Geh- und Fahrservitut zulässig ist.

Voraussetzung einer derartigen Feststellung ist, daß bestimmte Grundstücke während eines der Einleitung des Feststellungsverfahrens vorausgehenden ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens 20 Jahren aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurden.

Der Umstand, daß am 9. Juni 1995 ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Geh- und Fahrtrecht nur für R-Tal 8" angebracht wurde, hindert die Beurteilung im Feststellungsverfahren, ob die Privatstraße zumindest nach zwanzigjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde, nicht, weil, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/05/0192, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur ausgeführt hat, im Falle der Behinderung des Gemeingebrauches die Bestimmung des § 1488 ABGB analog heranzuziehen sei. Es komme also darauf an, ob und inwieweit schon drei Jahre vor der Einleitung des Feststellungsverfahrens die Wegbenützung behindert worden sei. Da im Beschwerdefall unmittelbar nach Aufstellung des Verbotsschildes das Feststellungsverfahren eingeleitet wurde, ist die dadurch allfällig eingetretene Behinderung in diesem Feststellungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

In seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 92/06/0238, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Salzburger Landesstraßengesetz ausgeführt, daß eine vertraglich eingeräumte Wegeservitut nicht zu berücksichtigen sei. Durch bestimmte, auf besonderen Rechtstiteln des Privatrechtes oder des öffentlichen Rechtes beruhende Wegerechte könne ein Gemeingebrauch im Sinne des § 40 Abs. 1 lit. b des Landesstraßengesetzes jedenfalls nicht begründet werden. Soweit daher Servitute für die gegenständlichen Wegparzellen mit Kaufvertrag vom 15. Mai 1953 eingeräumt wurden, kommt dem daraus erfließenden Gebrauch für die hier maßgebende Frage keine Bedeutung zu. Soweit aus den im Sachverhalt geschilderten Zeugenaussagen daher vom Befahren der gegenständlichen Grundstücke mit Fahrzeugen aufgrund der Servitute auszugehen ist, konnte dadurch ein Gemeingebrauch nicht begründet werden.

Es war daher zu prüfen, ob die gegenständlichen Grundstücke außer von der Familie S (und allenfalls ihren Gästen) durch Dritte aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses ungehindert benutzt wurden. Für eine derartige allgemeine, ungehinderte Benutzung mit Fahrzeugen (außer Rädern) während eines Zeitraumes von 20 Jahren vor Einleitung des Feststellungsverfahrens bietet aber die Aktenlage keinen Hinweis. Der Zeuge JF hat angegeben, die Straße jeweils nach Rücksprache mit dem Grundeigentümer benützt zu haben, daß Dritte diese Weganlage mit Fahrzeugen benützt haben, konnte er nicht angeben. In der Verhandlung vom 15. Juni 1995 hat auch der Einschreiter, KS, nicht angegeben, daß außer seiner Familie als Bewohner der Häuser R-Tal 6 und 8 und deren Gäste und Lieferanten der Weg mit Fahrzeugen befahren worden sei. Auch der 1920 geborene JK konnte nur angeben, daß die Weganlage seit jeher begangen und mit dem Rad befahren wurde. Zum Befahren des Weges mit Kraftfahrzeugen konnte er keine Angaben machen. Der 1931 geborene JS erklärte, von 1945 bis 1957 die Weganlage mit Fahrzeugen befahren zu haben, sonst sei die Weganlage nach seiner Wahrnehmung durch Fußgänger und Radler benutzt worden. Da der Zeitraum von 1945 bis 1957 außerhalb des gemäß § 40 Abs. 1 lit. b des Landesstraßengesetzes zu berücksichtigenden zwanzigjährigen Zeitraumes liegt, war er nicht zu berücksichtigen.

AE, die Vertreterin des Fremdenverkehrsverbandes St. Gilgen, hat über die Dauer der Benützung der Wegeanlage keine Angaben gemacht, hinsichtlich eines dringenden Verkehrsbedürfnisses hat sie dieses nur in bezug als Fußweganlage dargelegt.

Aus diesen Beweisergebnissen kann nur der Schluß gezogen werden, daß die gegenständliche Weganlage nicht allgemein und ungehindert mit Fahrzeugen (mit Ausnahme von Fahrrädern) benutzt wurde, sodaß auf die Frage des dringenden Verkehrsbedürfnisses gar nicht mehr einzugehen war.

Wenn der erstinstanzliche Bescheid unter anderem darauf gestützt war, daß der Sachverständige anläßlich der am 22. März 1957 stattgefundenen Verhandlung festgestellt habe, daß es sich bei der gegenständlichen Wegeanlage um eine "öffentliche Privatstraße" handle, ist dazu auszuführen, daß aus Ausführungen eines Sachverständigen im Jahre 1957 weder eine behördliche, der Rechtskraft fähige Feststellung abgeleitet werden kann, noch diese Ausführungen einen Schluß darauf zulassen, ob in den letzten 20 Jahren vor Juni 1995 (Einleitung des Feststellungsverfahrens) eine ungehinderte Benutzung mit Fahrzeugen aller Art erfolgte.

Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers war daher der erstinstanzliche Bescheid abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998060085.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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