TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/17 W133 2165964-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.05.2019
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Entscheidungsdatum

17.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2165961-1/13E

W133 2165964-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER über die Beschwerden von

1.) XXXX , geboren am XXXX , und

2.) XXXX , geboren am XXXX ,

beide Staatsangehörigkeit Afghanistan, beide vertreten durch den XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

1.) vom 13.07.2017, Zl. XXXX (betreffend XXXX ) und

2.) vom 13.07.2017, Zl. XXXX (betreffend XXXX ),

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.05.2018 zu Recht:

A)

I. Den Beschwerden wird stattgegeben und es wird

XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass beiden oben genannten Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist in beiden Fällen gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten gemeinsam nach Österreich ein und stellten am 11.06.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Am 12.06.2015 fanden vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftlichen Erstbefragungen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers statt. Dabei gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie am XXXX in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren worden sei und die afghanische Staatsangehörigkeit besitze. Sie sei mit dem Zweitbeschwerdeführer traditionell verheiratet. Sie gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Moslem sunnitischer Ausrichtung. Sie habe von 1986 bis 1998 in Kabul die Schule besucht, zuletzt sei sie in Afghanistan als Lehrerin tätig gewesen. Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er am XXXX in Kabul geboren worden sei und die afghanische Staatsangehörigkeit besitze. Er sei mit der Erstbeschwerdeführerin traditionell verheiratet. Er habe von 1988 bis 2000 in Kabul die Schule besucht, zuletzt habe er in Afghanistan als Fahrer gearbeitet. Die beiden Beschwerdeführer gaben an, dass sie vor zweieinhalb Jahren von Afghanistan in den Iran gezogen seien, dort hätten sie zwei Jahre lang gelebt. Befragt zu ihrem Fluchtgrund brachten sie vor, dass sie in Kabul geheiratet hätten und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin damit ein Problem gehabt habe. In Afghanistan dürfe man nicht nur aus Liebe heiraten, daher hätten sie heimlich geheiratet. Wegen der heimlichen Heirat seien sie in den Iran gegangen. Als sie im Iran gewesen seien, habe die Schwester der Erstbeschwerdeführerin angerufen und ihnen mitgeteilt, dass der Bruder mit ein paar anderen männlichen Verwandten der Erstbeschwerdeführerin auf dem Weg in den Iran sei, um sie beide zu töten. Bei der Erstbefragung wurden die afghanischen Reisepässe der beiden Beschwerdeführer sichergestellt.

Im Akt befinden sich ein Aufnahmebefund und eine Ambulanzkarte eines näher genannten Krankenhauses betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 11.06.2015. Außerdem befindet sich der afghanische Führerschein des Zweitbeschwerdeführers im Akt, welcher von der belangten Behörde ins Deutsche übersetzt wurde.

Am 13.04.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie gesund sei. Sie habe am 29.11.2016 eine Operation in Österreich gehabt. Sie sei auf der Flucht vom Zug gestürzt und habe eine Verletzung am Rücken gehabt, weswegen sie operiert werden habe müssen. Jetzt habe sie mit dem Rücken jedoch keine Probleme mehr. Zu ihrer Person legt die Beschwerdeführerin dar, dass sie am XXXX in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren worden sei. Sie besitze die afghanische Staatsangehörigkeit, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Ihre Eltern seien verstorben, zwei ihrer Brüder würden in Kabul wohnen, eine Schwester lebe in der Provinz Parwan, außerdem habe sie noch je einen Bruder in Kanada und einen in Russland. Als die Beschwerdeführerin ein Kind gewesen sei, sei sie mit ihrer Familie aufgrund der Arbeit des Vaters nach Kabul gezogen. Sie und ihre Geschwister hätten in Kabul die Schule besucht und diese auch abgeschlossen. Nach der Schule habe die Erstbeschwerdeführerin begonnen, für das Lehramt zu studieren. Sie habe nach dem Studium jedoch nicht gleich zu arbeiten beginnen dürfen, sondern habe zuhause bleiben müssen. Im Jahr 2012 habe sie dann schließlich angefangen, als Lehrerin zu arbeiten. Sie legte weiters dar, dass sie mit dem Zweitbeschwerdeführer verheiratet sei, sie hätten am 11.04.1391 bei der Schwester ihres Mannes traditionell geheiratet, es seien zwei Zeugen und ein Mullah anwesend gewesen. Befragt zu ihrem Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Bruder leben habe müssen. Dieser sei sehr streng gewesen und habe ihre Freiheit sehr eingeschränkt. Als sie ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgenommen habe, habe sie ihren Ehemann kennengelernt, er sei ihr Taxifahrer gewesen. Sie habe mit ihm eine heimliche Beziehung begonnen. Zu dieser Zeit habe auch ein anderer Mann Interesse gehabt, sie zu heiraten, er habe bei ihrem Bruder um ihre Hand angehalten. Die Erstbeschwerdeführerin habe diesen Mann aber nicht heiraten wollen. Ihr Bruder habe sie gefragt, warum sie diesen Mann nicht heiraten wolle, sie habe ihm nicht die Wahrheit sagen können, da sie große Angst gehabt habe. Sie habe aber mit der Frau ihres Bruders über die Beziehung zu ihrem jetzigen Ehemann gesprochen. Als diese davon gehört habe, sei sie sehr erschrocken gewesen und habe zur Erstbeschwerdeführerin gesagt, dass sie niemals mit ihrem Bruder über die heimliche Beziehung sprechen dürfe. Sie habe gemeint, dass - wenn er davon erfahren würde - er sie töten würde. Als sie ihrem jetzigen Ehemann von den Problemen erzählt habe, habe dieser vorgeschlagen, dass sie heiraten und dann zusammen in den Iran gehen sollten. Sie habe dann unter der Bedingung, dass niemand davon erfährt, zugestimmt. Sie hätten sich einen gemeinsamen Reisepass und ein Visum ausstellen lassen wollen, jedoch hätten sie dafür eine Heiratsurkunde benötigt. Sie hätten sich daher heimlich bei der Schwester des Zweitbeschwerdeführers trauen lassen. Am 17.08.1391 seien sie in den Iran geflüchtet. Als sie im Iran gelebt hätten, seien eines nachts Einbrecher gekommen und hätten sie bedroht. Sie habe ihren Schwestern von diesem Vorfall erzählt, diese hätten daraufhin gemeint, dass die Brüder der Erstbeschwerdeführerin von ihrer Reise in den Iran wissen würden und dass sie glauben würden, dass diese sie und ihren Ehemann im Iran bedroht hätten. Auch hätten sie und der Zweitbeschwerdeführer im Iran Angst davor gehabt, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden, da sie illegal im Iran aufhältig gewesen seien. Im Rahmen der Einvernahme wurden ein Dankesschreiben einer afghanischen Schule, ein Empfehlungsschreiben vom 07.04.2017, eine Deutschkursbesuchsbestätigung vom 07.04.2017 und eine Bestätigung betreffend gemeinnütziger Tätigkeiten in einem Altersheim vom 11.04.2017 vorgelegt.

Ebenfalls am 13.04.2017 wurde der Zweitbeschwerdeführer einvernommen. Dabei führte er aus, dass er gesund sei und am XXXX in Kabul in Afghanistan geboren worden sei. Er besitze die afghanische Staatsangehörigkeit, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Seine Eltern und seine Geschwister würden nach wie vor in Kabul leben. Er habe von 1988 bis 1999 in Kabul die Schule besucht. Im Jahr 2000 sei seine Familie aufgrund der Arbeit des Vaters in den Iran gegangen, dort hätten sie dann circa neun Jahre lang gelebt. Der Zweitbeschwerdeführer gab an in dieser Zeit im Iran als Steinmetz gearbeitet zu haben. Da seine Schwestern im Iran nicht die Schule besuchen hätten können, sei ein Großteil seiner Familie nach Afghanistan zurückgekehrt. Er habe sich ein Taxi gekauft und die Arbeit als Taxifahrer in Kabul aufgenommen, diese Arbeit habe er bis 2013 gemacht. Danach sei er mit seiner Frau, der Erstbeschwerdeführerin, für zwei Jahre in den Iran gezogen. Von dort seien sie dann weiter nach Europa gereist. Er führte aus, dass er die Erstbeschwerdeführerin am 11.04.1391 (01.07.2012) traditionell in Kabul geheiratet habe. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass es um ein familiäres Problem gehe. Er habe seine Frau in der Schule, wo sie als Lehrerin gearbeitet habe, kennengelernt. Die Beziehung habe circa vierzehn Monate gedauert, bevor sie geheiratet hätten. Es habe auch einen anderen Mann gegeben, der seine Frau heiraten habe wollen. Auch der Bruder seiner Frau habe gewollt, dass sie diesen Mann heirate. Als seine Frau das erfahren habe, sei sie zu ihm gekommen und sie hätten sich dann entschieden, zu heiraten ohne den Bruder der Erstbeschwerdeführerin darüber zu informieren. Seine eigene Familie sei mit dieser Heirat ebenfalls nicht einverstanden gewesen. Ein Freund des Zweitbeschwerdeführers habe vorgeschlagen, dass er mit seiner Frau fliehen solle. Dafür habe er jedoch einen Reisepass und ein Visum benötigt. Für den Reisepass habe er außerdem eine Heiratsurkunde gebraucht. Er habe seine Schwester gebeten, ihm zu helfen und eine Trauungszeremonie bei ihr zuhause abzuhalten. Seine Schwester habe daraufhin einen Mullah und ein paar Zeugen organisiert. Er und die Erstbeschwerdeführerin seien dann heimlich bei seiner Schwester zuhause getraut worden, von dieser Trauung habe nur seine Schwester gewusst. Nachdem er die Heiratsurkunde seinem Freund gegeben habe, habe es ungefähr zwei Monate gedauert, bis er ihm den Reisepass und das Visum für den Iran besorgt habe. Am 17.04.1391 (07.07.2012) seien sie in den Iran ausgereist. Aus dem Iran seien sie geflüchtet, da an dem Platz, an dem er als Hausmeister gearbeitet habe, eines Tages ein Einbrecher gekommen sei. Sie seien geflüchtet, da der Zweitbeschwerdeführer Angst gehabt habe, dass die Polizei zu ihm kommen könnte und ihn fragen würde, warum er seine Hausmeistertätigkeit nicht richtiggemacht habe. Außerdem seien sie im Iran illegal aufhältig gewesen und hätten Angst davor gehabt, wieder zurück nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Deswegen seien sie dann nach Europa geflüchtet. Im Rahmen der Einvernahme wurden eine Bestätigung betreffend gemeinnütziger Tätigkeiten in einer näher genannten Gemeinde vom 12.04.2017, ein Empfehlungsschreiben vom 07.04.2017 und eine Deutschkursbesuchsbetätigung vom 07.04.2017 vorgelegt.

Das BFA wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber den Beschwerdeführern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom 13.07.2017 wurde den Beschwerdeführern ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom selben Tag ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 27.07.2017 erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die oben genannten Bescheide fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde.

Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.07.2017 vom BFA vorgelegt.

Mit E-Mail vom 02.08.2017 übermittelte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema "Außereheliche Beziehung, Ehebruch" in Afghanistan.

Das Bundesverwaltungsgericht brachte den Beschwerdeführern bzw. ihrer rechtsfreundlichen Vertretung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis.

Mit E-Mail vom 09.04.2018 übermittelte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine Anfragebeantwortung von ACCORD zum Thema "Staatlicher Schutz vor Zwangsheirat; Sanktionen für Mädchen bei Flucht aus Zwangsheirat" in Afghanistan.

Mit E-Mail vom 08.05.2018 wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen vorgelegt. Dabei handelt es sich um Basiskursbesuchsbestätigungen vom 30.10.2017, 10.11.2016 und 27.11.2017, Deutschkursbesuchsbestätigungen vom 29.11.2017, Arbeitsbestätigungen für die Erstbeschwerdeführerin vom 02.05.2018 und 03.05.2018, einen Antrag auf Saisonbewilligung nach § 5 Abs. 2 AuslBG des Zweitbeschwerdeführers vom 02.01.2018, eine Bescheidausfertigung gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG für den Zweitbeschwerdeführer vom 05.04.2018, Arbeitsbestätigungen für den Zweitbeschwerdeführer vom 27.07.2017 und 12.04.2017, ein Empfehlungsschreiben vom 07.04.2017 und medizinische Unterlagen betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 10.10.2016, 28.09.2016 und 17.05.2017. Außerdem wurden zwei ÖSD Zertifikate A2 vom 03.01.2018 vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die Beschwerdeführer die entsprechende Prüfung nicht bestanden haben.

Am 15.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer, deren Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb entschuldigt der Verhandlung fern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in Kabul geboren. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitische Muslime. Die Identitäten der beiden Beschwerdeführer stehen fest.

Beide Beschwerdeführer haben die Schule besucht. Die Erstbeschwerdeführerin hat auch ein Studium absolviert und im Jahr 2012 als Lehrerin in Kabul gearbeitet. Der Zweitbeschwerdeführer hat von 2000 bis 2008 als Steinmetz im Iran gearbeitet, ab 2010 hat er als Taxifahrer in Kabul gearbeitet.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben sich in Kabul kennengelernt und am 01.07.2012 vor einem Mullah und in Anwesenheit von Zeugen geheiratet. Die beiden Beschwerdeführer haben keine Kinder.

Die beiden Beschwerdeführer reisten gemeinsam am 07.12.2012 legal mit ihren afghanischen Reisepässen und einem Visum in den Iran. Im Iran hat der Zweitbeschwerdeführer als Hausmeister gearbeitet.

Die Beschwerdeführer stellten in Österreich am 11.06.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist.

Sie bewegt sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum, geht hier alleine einkaufen, geht alleine zum Arzt und ist darum bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen; sie spricht ein einfaches, aber gutes Deutsch. Einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 hat die Beschwerdeführerin bereits absolviert, zur A2-Prüfung ist sie zwar schon angetreten, hat diese aber noch nicht bestanden. Sie absolvierte in Österreich auch bereits einige Basisbildungskurse. Sie kleidet, frisiert und schminkt sich in Österreich nach westlicher Mode. Sie ist zwar muslimischen Glaubens, jedoch nicht streng gläubig. Sie trägt in Österreich kein Kopftuch. Die Erstbeschwerdeführerin geht in Österreich gerne joggen und wandern und fährt gelegentlich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich in Österreich bereits mehrfach ehrenamtlich engagiert: Seit 01.04.2018 ist sie in einer Kinderkrippe tätig. Davor hat sie zwanzig Wochenstunden in einem Altersheim in der Reinigung gearbeitet. Sie hat auch österreichische Bekannte, diese kommen regelmäßig am Wochenende zu Besuch.

Die Erstbeschwerdeführerin musste in Afghanistan in einem sehr konservativen Familienverband leben. Als ihre Eltern verstorben sind, musste sie zu einem ihrer Brüder ziehen. Obwohl sie in Afghanistan ein Studium abgeschlossen hat, durfte sie vorerst nicht als Lehrerin arbeiten. Sie durfte ihre Arbeit als Lehrerin nur aufnehmen, weil ihr Bruder acht Kinder hatte und er daher die Erstbeschwerdeführerin nicht mehr erhalten konnte. Sie durfte in Afghanistan nur mit Hijab außer Haus gehen.

Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab, sie würde ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und kann sich nicht vorstellen, nach dem konservativ-afghanischen Wertebild zu leben, wobei auch der in Österreich aufhältige Zweitbeschwerdeführer ihr westliches Leben unterstützt.

Die selbständige Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil im Leben der Erstbeschwerdeführerin geworden. Eine Rückkehr in ein eingeschränktes Leben nach dem Frauenbild der afghanischen Gesellschaft wird von ihr abgelehnt. Sie möchte ihre Freiheiten auch Weiterhin leben können.

Die Erstbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld daher als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden, weshalb sie in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre. Die von der Erstbeschwerdeführerin in Österreich angenommene westliche Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Es kann von ihr daher nicht erwartet werden, diese Lebensweise in Afghanistan zu unterdrücken oder überhaupt abzulegen, um dort nicht physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweibeschwerdeführer von den Brüdern der Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer angeblich nicht tolerierten Beziehung verfolgt wurden bzw. im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wären.

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Frauen

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Bildung

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

Frauenuniversität in Kabul

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Berufstätigkeit

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Frauen im öffentlichen Dienst

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vgl. auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vgl. auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen - womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Strafverfolgung und Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9.2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016)

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9.2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9.2016).

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9.2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9.2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW-Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: UNAMA 4.2015).

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 - März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9.2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt - in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9.2016).

Ehrenmorde

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70% (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9.2016).

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9.2016).

Frauenhäuser

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9.2016).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

Medizinische Versorgung - Gynäkologie

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9.2016).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9.2016).

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Geburtsorten und den Geburtsdaten der beiden Beschwerdeführer ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Reisepässen der Beschwerdeführer. Da davon ausgegangen wird, dass die vorgelegten Reisepässe echt sind, konnten die Identitäten der beiden Beschwerdeführer zweifelsfrei festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer sowie zu deren Bildung und deren bisherigen beruflichen Tätigkeiten gründen sich auf die von der Erstbeschwerdeführerin und vom Zweitbeschwerdeführer im Laufe der Verfahren vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem BFA sowie dem Bundesverwaltungsgericht dahingehend stets gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben.

Die Feststellung, dass die Erst- und der Zweibeschwerdeführer am 01.07.2012 traditionell vor einem Mullah und Zeugen in Kabul geheiratet haben, ergibt sich aus ihren diesbezüglich gleichbleibenden Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführer im Iran ergeben sich ebenfalls aus den gleichbleibenden Aussagen diesbezüglich im Laufe des Verfahrens.

Das Datum der Antragstellungen ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der beiden Beschwerdeführer folgt aus den eingeholten Strafregisterauszügen.

Dass die Erstbeschwerdeführerin eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ist und diese Lebensweise zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, ergibt sich insbesondere aus dem vom erkennenden Gericht von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck und ihren diesbezüglichen eigenen überzeugenden Angaben, die durch die Aussagen des Zweitbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurden.

Die Erstbeschwerdeführerin sagte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft aus, dass sie sich in Österreich alleine im öffentlichen Raum bewege, alleine einkaufen gehe und alleine zum Arzt gehe. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus den von ihr dahingehend vorgelegten Unterlagen (vgl. die vorgelegten Deutschkursbesuchsbestätigungen und das vorgelegte ÖSD Zertifikat A2 vom 03.01.2018) und dem vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung dahingehend gewonnenen persönlichen Eindruck. Die Feststellung zum Besuch von diversen Basisbildungskursen ergibt sich aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Davon, dass sich die Erstbeschwerdeführerin nach westlicher Mode kleidet, frisiert und schminkt und kein Kopftuch trägt, konnte sich das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Diesbezüglich wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Foto angefertigt, welches sich im Akt der Erstbeschwerdeführerin befindet. Ihr Verhältnis zur Religion ergibt sich aus ihren Aussagen dazu in der mündlichen Verhandlung, daraus ergeben sich auch die Feststellungen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Österreich gerne alleine frei bewegt, z.B. gerne joggen und wandern geht und gelegentlich mit dem Rad in die Arbeit fährt. Die Feststellungen zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und aus den vorgelegten Bestätigungen vom 02.05.2018 und 03.05.2018. Die Feststellungen zu ihren österreichischen Bekannten ergeben sich aus den dahingehend glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung. Die Aussagen der Erstbeschwerdeführerin stehen mit den Ausführungen des Zweitbeschwerdeführers im Einklang.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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