TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/24 W260 2164642-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.05.2019
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Entscheidungsdatum

24.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W260 2164642-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 30.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 21.09.2015 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung am 22.09.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen befragt an, sein Vater sei vor ungefähr zwei Monaten von einem Mann namens

XXXX und dessen Begleitern zusammengeschlagen worden, weil sich der Vater geweigert habe, diesem Mann Grundstücke zu verkaufen. Der Vater habe bei dem Vorfall einen Schlaganfall erlitten. Da auch der Beschwerdeführer Angst um sein Leben gehabt habe, habe er sich entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Zu seinen allgemeinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei Paschtune, sunnitischer Moslem und stamme aus der Stadt Paghman in der Provinz Kabul. Er habe fünf Jahre lang die Grundschule besucht. Die Eltern und vier Brüder des Beschwerdeführers würden noch in Afghanistan leben.

3. Dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten über die Volljährigkeitsbeurteilung vom 22.06.2016 ist zu entnehmen, dass das errechnete "fiktive" Geburtsdatum der XXXX sei.

4. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 13.07.2016 zur Kenntnis gebracht.

Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.

5. Am 04.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Dabei bestätigte er zusammengefasst, wie in der Erstbefragung ausgeführt, die Anzahl seiner Familienangehörigen, seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, seine Schulbildung und Herkunftsprovinz. Er gab zusammengefasst an, dass er gesund sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass sein Vater eine Schneiderei betrieben, sowie in der Landwirtschaft gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe ihm geholfen. Die Familie des Beschwerdeführers lebe mittlerweile beim Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers, der auch für den Lebensunterhalt aufkomme, da es dem Vater des Beschwerdeführers gesundheitlich nicht gut gehe.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass die Familie Probleme mit einem Mann namens XXXX gehabt habe. Dieser habe die Grundstücke der Familie gefordert. Der Vater des Beschwerdeführers habe sich geweigert und sei daher von XXXX und seinen Leuten in der Schneiderei der Familie zusammengeschlagen worden und trage gesundheitliche Folgen davon. Der Beschwerdeführer sei bei diesem Vorfall anwesend gewesen und ebenfalls bedroht und geschlagen worden.

Im Zuge der Befragung legte der Beschwerdeführer ein Schreiben über Grundstücksstreitigkeiten zwischen seiner Familie und XXXX vor und gab an, dies sei vom Bürgermeister bzw. Ältestenrat an den "Volksanwalt" bzw. umgekehrt geschrieben worden und würde bestätigen, dass es Streitigkeiten wegen ihres Grundstückes gegeben habe.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründe zu oberflächlich und zu wenig detailreich seien. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schreiben sei übersetzt worden und werde darin von einem Mord und einem Zeugen, der Drohanrufe erhalte, gesprochen und stimme der Inhalt daher überhaupt nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers überein. Der Beschwerdeführer habe auch nicht einmal angeben können, von wem das Schreiben verfasst und an wen es geschrieben worden sei. Die belangte Behörde gehe daher von einer konstruierten Fluchtgeschichte aus. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.

7. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und führte zusammengefasst aus, aufgrund der Blutfehde sei der Beschwerdeführer asylrelevant verfolgt. Dem Streit seien bereits mehrere Menschen zum Opfer gefallen. Blutfehden seien Teil der paschtunischen Tradition. Soweit ihm vorgeworfen werde, er habe nicht einmal angeben können, von wem das Schreiben verfasst und an wen es geschrieben worden sei, so sei dies auf einen Fehler des Dolmetschers zurückzuführen. Dem Beschwerdeführer seien die betreffenden Personen selbstverständlich bekannt. Zum Vorwurf, dass das vorgelegte Schreiben - nach Übersetzung - inhaltlich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers übereinstimme, führte der Beschwerdeführer aus, dieses Beweismittel sei ihm von seiner Mutter, die Analphabetin sei, fälschlicherweise übermittelt worden und angesichts des jungen Alters des Beschwerdeführers sei zu berücksichtigten, dass er den Inhalt dieses Schreibens nicht ordnungsgemäß geprüft habe. Die Sicherheitslage und Versorgungslage sei im gesamten Staatsgebiet Afghanistans prekär und angespannt und bestehe allein aus diesem Grund die Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK.

8. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.07.2017 wurde der Bezug habende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht und langte dieser am 18.07.2017 ebendort ein.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.10.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 27.11.2017 anberaumt.

10. Der Beschwerdeführer legte namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 31.10.2017 Integrationsunterlagen (Lehrvertrag, Beschäftigungsbewilligung, Lohn-Gehaltsabrechnung) vor.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./I zum Akt genommen wurden.

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung wurde Herr XXXX , Arbeitgeber des Beschwerdeführers, als Zeuge niederschriftlich einvernommen.

Aufgrund der fortgeschrittenen Verhandlungsdauer wurde das Verfahren unterbrochen.

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2018 wurde eine fortgesetzte mündliche Verhandlung für den 05.02.2018 anberaumt.

13. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 05.02.2018 eingeholten Auszug aus dem Strafregister des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass keine Verurteilungen aufscheinen.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.02.2018 eine fortgesetzte öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./IV zum Akt genommen wurden.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welches dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde und Stand 30.01.2018, welches dem Beschwerdeführervertreter in der Verhandlung ausgehändigt wurde; Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachtens vom 15.05.2017; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 19.04.2016, interne Schutzalternative; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Schreiben vom 04.05.2016; ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-8798-1, vom 25.08.2015, zur Blutrache.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

15. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 27.02.2018 eine schriftliche Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial und legte Integrationsunterlagen vor. In dieser Stellungnahme wurde insbesondere auf das Gutachten von Mag. Mahringer Bezug genommen und Berichte von Friederike Stahlmann und Thomas Ruttig zitiert.

16. Mit Schreiben vom 02.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung weitere Integrationsunterlagen.

17. Mit Schreiben vom 05.03.2018 übermittelte die Dolmetscherin die vom Bundesverwaltungsgericht beauftragte schriftliche Übersetzung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens.

18. Diese Übersetzung wurde den Verfahrensparteien mittels Schreiben vom 05.03.2018 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") übermittelt und eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen festgesetzt.

19. Mit Schreiben vom 05.03.2019 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung weitere Integrationsunterlagen.

20. Am 19.03.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Beschwerdeführer bemängelte, dass die von der belangten Behörde in Auftrag gegebene Übersetzung seines Schriftstückes falsch gewesen sei. Außerdem wäre die belangte Behörde dazu verpflichtet gewesen, ihm die vermeintlichen Widersprüche zwischen seiner Aussage und dem übersetzten Schriftstück vorzuhalten. Die nunmehr vom Bundesverwaltungsgericht beauftragte "richtige" Übersetzung beweise, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen immer korrekt und gleichlautend geschildert habe.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

21. Mit Schreiben vom 26.03.2018 und 16.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung weitere Integrationsunterlagen.

22. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, sowie eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen und Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

23. Der Beschwerdeführer übermittelte mit Schreiben vom 18.02.2019 namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde geltend gemacht, dass sich die Sicherheitslage in diversen Teilen Afghanistans rapide verschlechtert habe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege weder in Kabul noch in Mazar-e Sharif vor. Besonders für junge, gesunde Männer habe sich die Lage verschärft. In der Stellungnahme werden diverse Berichte zitiert.

Mit der Stellungnahme wurden weitere Integrationsunterlagen vorgebracht.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , in XXXX , in der Provinz Kabul.

Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Kabul auf und lebte dort mit seinen Eltern und vier Brüdern bis zu seiner Ausreise ins Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre lang die Grundschule und absolvierte eine ungefähr achtmonatige Ausbildung als Steinmetz.

Die Familie des Beschwerdeführers ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken in Paghman. Der Vater war als Landwirt und Schneider tätig.

Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Er reiste 2015 aus Afghanistan aus und gelangte in der Folge illegal ins Bundesgebiet, wo er am 21.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 21.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten zwischen seiner Familie und einem Mann namens XXXX verfolgt und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat keiner konkreten Verfolgung ausgesetzt oder hat eine solche, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan, nicht zu befürchten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer in Afghanistan psychischer und/ oder physischer Gewalt aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätte.

Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Volksgruppenzugehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich seit dreieinhalb Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Kabul aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat in Afghanistan eine fünfjährige Schulausbildung absolviert, ist mobil und anpassungsfähig und hat bereits Berufserfahrung als Steinmetz in Afghanistan und als Koch in Österreich gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im September 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des AMS vom 01.09.2017 eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Koch (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom 01.09.2017 bis 30.11.2020 erteilt. Der Beschwerdeführer steht in einem Lehrverhältnis in einem Hotel. Laut Lehrvertrag ist eine Lehrzeit bis 31.08.2020 vorgesehen.

In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer Ringen und besucht das Fitnessstudio.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom August 2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1. Herkunftsprovinz Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi.

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt.

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen.

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden.

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden.

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an.

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte).

1.5.1.2. Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2. Sichere Einreise

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der Beschwerdeführer ist.

1.5.7. Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zuürckkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund oberflächlicher und detailarmer Angaben als nicht glaubhaft. Im Laufe des Beschwerdeverfahrensmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit, zumal der Beschwerdeführer auch mit seinen Schilderungen in den Beschwerdeverhandlungen eine Bedrohung im Herkunftsstaat nicht überzeugend darlegen konnte.

2.2.1. Zunächst einmal ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibend geschildert hat. Er brachte vor, dass es Grundstücksstreitigkeiten gegeben habe und ein Mann namens XXXX sich die Grundstücke der Familie des Beschwerdeführers widerrechtlich aneignen habe wollen. Es habe einen Vorfall gegeben, bei dem der Vater des Beschwerdeführers von XXXX und seinen Leuten schwer verprügelt worden sei und seither gesundheitliche Probleme habe. Auch der Beschwerdeführer sei bedroht worden und daher ausgereist.

Hinsichtlich der Details und genaueren Umstände blieb der Beschwerdeführer aber sowohl in der Einvernahme bei der belangten Behörde als auch in den mündlichen Beschwerdeverhandlungen vage und auch widersprüchlich und erweckte nicht den Eindruck, dass er die Vorfälle tatsächlich selbst erlebt hat. Beispielsweise erklärte der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde, dass der Vater des Beschwerdeführers immer nur erzählt habe, dass er von XXXX bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer könne aber nicht sagen, wann das gewesen und was genau passiert sei. Er wisse auch nicht wie oft etwas passiert sei (vgl. AS 117).

Der Beschwerdeführer war auch nicht in der Lage gleichbleibend anzugeben, wie dieser XXXX an seinen Vater herangetreten sei und die Grundstücke gefordert habe, also ob er z. B. eine Geldsumme geboten habe. Wie die belangte Behörde im angefochten Bescheid zurecht argumentiert hat, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb XXXX die Grundstücke der Familie des Beschwerdeführers nicht einfach weggenommen hat, zumal der Beschwerdeführer in der Einvernahme zunächst angegeben hat, dass dieser XXXX ein sehr einflussreicher Mann sei und immer schaue, wer Grundstücke in guter Lage habe. Dann nehme er sie den Leuten einfach weg und es gehöre ihm (vgl. AS 117). Auf Vorhalt, warum dieser XXXX das Grundstück seines Vaters dann nicht einfach weggenommen habe, sagte der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde aber plötzlich, XXXX sei ein Machthaber in ihrem Bezirk und möchte nicht Geld für Grundstücke ausgeben. Er könne das Grundstück aber nicht so einfach wegnehmen. Er möchte die Unterlagen über das Grundstück haben und es auf seinen Namen überschreiben lassen (vgl. AS 118). Mit dieser allgemein und auch widersprüchlich geschilderten Vorgehensweise von XXXX war der Beschwerdeführer aber nicht in der Lage darzulegen, wie sich die Umstände der versuchten Wegnahme der Grundstücke seiner Familie zugetragen haben.

Dem Beschwerdeführer ist weiters vorzuhalten, dass es hinsichtlich der Fragen, wie oft der Vater von XXXX und dessen Leuten bedroht worden sei und ob und wie oft der Beschwerdeführer selbst bedroht worden sei, gewisse Ungereimtheiten im Vorbringen gibt. In der Einvernahme bei der belangten Behörde sagte der Beschwerdeführer, er wisse nicht, wie oft sein Vater vom XXXX aufgesucht worden sei. Befragt, ob auch der Beschwerdeführer von XXXX aufgesucht bzw. kontaktiert worden sei, sagte er, dass er, nur als er mit seinem Vater unterwegs gewesen sei, von XXXX aufgehalten und bedroht worden sei (vgl. AS 116). Erneut befragt, ob auch der Beschwerdeführer bedroht worden sei, sagte er, dass er eben diese zwei Mal bedroht worden sei. Weiters befragt, ob es irgendwelche Vorfälle gegeben habe, als der Beschwerdeführer bei seinem Onkel gewesen sei (Anm.:

also zu einem Zeitpunkt, als sein Vater nach der Prügelattacke bereits im Krankenhaus war) sagte er plötzlich, ja, er sei bedroht worden. Auf Aufforderung, dies genauer zu erzählen, sagte der Beschwerdeführer, es sei am Abend auf dem Heimweg gewesen. Er sei von diesen Leuten angehalten worden. Sie haben gesagt, dass der Beschwerdeführer ihnen das Grundstück geben müsse, sonst werde er getötet (vgl. AS 117). Diese Angabe widerspricht dem zuvor Gesagten, nämlich der Aussage, wonach der Beschwerdeführer nur in Anwesenheit seines Vaters bedroht worden sei. In der Beschwerdeverhandlung am 05.02.2018 stellte der Beschwerdeführer die Situation wieder ein wenig anders dar. Im Zuge der Schilderung seiner Fluchtgründe gab er an, dass er seinen Vater, der nach dem Vorfall im Koma gelegen sei, im Spital besucht habe und es fielen folgende Sätze: "Nachts, wenn ich meinen Vater besucht habe, haben diese Leute mich bedroht."

"Wenn ich auf dem Weg diese Leute getroffen habe, haben sie mir gedroht." (vgl. S 7 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 05.02.2018). Auf Vorhalt seiner soeben getätigten Aussage, "immer wenn er diese Leute getroffen habe" und befragt, wie oft er diese Leute, nachdem sein Vater zusammengeschlagen worden sei, getroffen habe, sagte der Beschwerdeführer, er habe immer große Angst gehabt. Nachdem sein Vater zusammengeschlagen worden sei, sei er zwei oder drei Mal von diesen Leuten angehalten und bedroht worden (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 05.02.2018).

Diese Angaben, wonach es zu mehreren Vorfällen nach der Prügelattacke auf seinen Vater gekommen sei, klingen daher anders als die zuvor geschilderte Aussage in der Einvernahme bei der belangten Behörde, wo nur von einem Vorfall nach der Attacke auf seinen Vater die Rede war (vgl. AS 117).

Erneut nach dem Zeitpunkt seiner persönlichen Bedrohung befragt, sagte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung, er sei bedroht worden, als sein Vater zusammengeschlagen worden sei. Und auch nachdem der Vater bereits im Krankenhaus gewesen sei, sei der Beschwerdeführer bedroht worden. Davor sei er nicht bedroht worden. Man habe ihn deshalb zuvor nicht bedroht, da sein Vater noch da gewesen sei. Seitdem sein Vater im Koma liege und gelähmt sei, haben diese Leute begonnen ihn zu bedrohen, weil er jetzt Oberhaupt der Familie sei(vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 05.02.2018). Dass es - wie in der Einvernahme bei der belangten Behörde angegeben ("Also nur als ich mit meinem Vater unterwegs war wurden wir 2-3 Mal aufgehalten von ihm", vgl. AS 116) - bereits Bedrohungen gegen den Beschwerdeführer vor der Attacke auf seinen Vater gegeben hat, schloss der Beschwerdeführer mit der Aussage in der Beschwerdeverhandlung explizit aus.

Die soeben dargelegten Angaben des Beschwerdeführers weisen daher einige Widersprüche und Ungereimtheiten auf und ergeben sich daher ernsthafte Zweifel, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründe der Wahrheit entsprechen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde ausgesagt hat, dass es nach seiner Ausreise aus Afghanistan noch Vorfälle gegeben habe. Seine Familie sei drei bis vier Mal von XXXX bedroht worden (vgl. AS 117). Im weiteren Verfahren erwähnte er diesen Umstand aber nicht mehr. In der Beschwerdeverhandlung am 27.11.2017 gab er zudem an, zuletzt vor vier oder fünf Monaten Kontakt zu seiner Familie gehabt zu haben. Er arbeite viel und habe wenig Zeit um mit seiner Familie zu telefonieren (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017). Auch in der Beschwerdeverhandlung am 05.02.2018 sagte der Beschwerdeführer, keinen Kontakt mehr zu seiner Familie zu haben (vgl. S 4 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 05.02.2018). Dass der Beschwerdeführer ein derartiges Desinteresse am Verbleib und Wohlergehen seiner Familie im Herkunftsstaat an den Tag legt, wirkt seltsam, insbesondere in Anbetracht seines Vorbringens bei der belangten Behörde, dass diese Probleme haben und bedroht werden und erschüttert auch in der Zusammenschau seine Glaubwürdigkeit an sich.

2.2.2. Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 04.04.2017 ein Schriftstück vor, dass die Grundstückstreitigkeiten zwischen seiner Familie und XXXX belegen soll.

Er gab dazu etwas unübersichtlich an, dass dieses Schreiben vom Bürgermeister bzw. Ältestenrat an den Volksanwalt bzw. vom Volksanwalt an den Bürgermeister geschrieben worden sei (vgl. AS 112).

Die belangte Behörde ließ das Dokument übersetzen (vgl. AS 127f) und hielt dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid vor, dass Inhalt dieses Schreibens ein Mord und eine Zeugenbedrohung sei und dies nichts mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu tun habe und seine Fluchtgeschichte daher auch deshalb unglaubwürdig sei (vgl. AS 244f). Zum Vorwurf, dass das vorgelegte Schreiben - nach Übersetzung - inhaltlich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers übereinstimme, führte der Beschwerdeführer in der Beschwerde dann aus, dieses Beweismittel sei ihm von seiner Mutter, die Analphabetin sei, fälschlicherweise übermittelt worden und angesichts des jungen Alters des Beschwerdeführers sei zu berücksichtigten, dass er den Inhalt dieses Schreibens nicht ordnungsgemäß geprüft habe (vgl. AS 298).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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