Entscheidungsdatum
24.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W191 2204578-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Sri Lanka, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zahl 16-1111044502-160510416, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2019 zu Recht (ergänzendes Teilerkenntnis):
A)
I. In Stattgebung der Beschwerde werden die Spruchpunkte I. bis VI. sowie VIII. behoben.
II. XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
III. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und wurde am 09.04.2016 gemeinsam mit zwei Landsleuten in 1100 Wien, Hauptbahnhof, mangels eines Aufenthaltstitels vorläufig festgenommen.
1.2. Bei seiner Einvernahme am 10.04.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Tamil - im Verwaltungsakt unchronologisch erst nach der Erstbefragungsniederschrift gereiht - stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) und machte gleichlautende Angaben wie bei seiner Erstbefragung am nachfolgenden Tag.
1.3. In seiner Erstbefragung am 11.04.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Tamil im Wesentlichen Folgendes an:
Er nannte seine Personalia und gab an, er sei Angehöriger der Volksgruppe der Tamilen und der Religionsgemeinschaft der Hindus und verheiratet. Seine Ehefrau, Eltern und Schwestern würden zu Hause leben, sein Bruder lebe in Qatar.
Der BF schilderte seine Reiseroute über Dubai, Iran, Griechenland und weitere europäische Länder recht detailliert.
Als Fluchtgrund gab er an, dass er sein Land aus politischen Gründen verlassen habe. Sein Schwiegervater sei vom Geheimdienst erschossen worden, da er Informationen über die Rebellengruppe LTTE gehabt habe. Der BF werde daher verdächtigt, ebenfalls Informationen zu haben. Er sei vom Geheimdienst auch geschlagen worden und habe Angst um sein Leben.
1.4. Bei seiner Einvernahme am 17.07.2018 vor dem BFA, Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Tamil, führte der BF sein Vorbringen näher aus und machte auf Nachfragen detaillierte Angaben zu seinen Lebensumständen und zu seinem Fluchtvorbringen. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Im Juni 2016 habe er sich kurz in der Schweiz aufgehalten, wo er Verwandte bzw. Bekannte habe, sei aber wieder nach Österreich zurückgeschickt worden.
Der BF legte Belege vor (Sterbeurkunde seines Onkels - Tod im Jahr 2007 infolge schwerer Kopfverletzungen durch Schusswunden - Sterbemeldung bei der Behörde; Schriftstück betreffend dessen Frau über die Aufnahme im Krankenhaus wegen einer Verletzung an der Hand; Heiratsurkunde des BF aus 2014).
Seine jetzige Frau sei seit 2006 mit ihm zusammen. Im Jahr 2007 wären während einer Feier Leute des CID (Geheimdienst) in ihr Haus gekommen und hätten den Vater seiner Frau erschossen. Daraufhin seien deren Brüder nach Dubai gegangen. Im Februar 2014 seien sie zurückgekommen, weil sie gedacht hätten, die Lage sei besser geworden. Er habe dann seine Frau geheiratet und sei mit ihr geblieben, wohingegen ihre Familie nach Malaysia gegangen sei.
Am 02.09.2014 seien CID-Leute gekommen und hätten den BF mitgenommen, sechs Tage lang festhalten, gefoltert und verletzt (Finger gebrochen). Er habe noch Narben davon. Sie hätten ihn wegen seiner Narbe auf seinem Oberschenkel, die er bei einem Unfall in seiner Schulzeit erlitten habe, beschuldigt, dass er für die LTTE (tamilische Befreiungsbewegung) gearbeitet habe. Tatsächlich sei dies jedoch nicht der Fall gewesen. Anschließend habe er sich zwei bis drei Monate bei seinen Eltern und dann acht bzw. vier Monate in anderen Provinzen aufgehalten. Als die CID-Leute wieder in seinem Elternhaus nach ihm gefragt hätten, sei er ausgereist, seine Eltern hätten die Reise organisiert.
Dem BF wurde die Möglichkeit eingeräumt, in die vom BFA herangezogenen "allgemeinen Länderfeststellungen zu seinem Heimatland" [Anmerkung: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA] Einsicht und Stellung zu nehmen, worauf er verzichtete.
1.5. Mit Eingabe vom 03.08.2018 gaben die nunmehrigen anwaltlichen Vertreter des BF ihre Bevollmächtigung bekannt und ersuchten - ungeachtet des vom BF bei seiner Einvernahme am 17.07.2018 abgegebenen Verzichts - um Ausfolgung der Länderfeststellungen zu Sri Lanka zur [Einräumung der Möglichkeit einer] Stellungnahme dazu.
1.6. Das BFA folgte diesem Ersuchen - ohne Reaktion darauf - nicht und wies mit Bescheid vom 09.08.2018, Zahl 16-1111044502-160510416, den Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 10.04.2016 gemäß §§ 3 und 8 AsylG ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkte I. bis III.), sprach in Spruchpunkt V. aus, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig sei, und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG).
In Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VI. wurde demgemäß festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
In Spruchpunkt VIII. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von "2" [zwei] Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der BF habe keine erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sei arbeitsfähig.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Sri Lanka.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Sri Lanka wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Der BF habe sein Fluchtvorbringen zum Teil vage und unkonkret geschildert. Die von ihm vorgelegten Belege seinen nicht hinreichend auf ihre Echtheit überprüfbar. Zudem seien die Angaben des BF bezüglich des Motivs für die behauptete Verfolgung durch den Geheimdienst CID nicht einheitlich und somit unstimmig.
Schließlich drohe dem BF auch bei Wahrunterstellung seiner Aussagen keine asylrelevante Verfolgung, zumal der Staat Sri Lanka nach aktueller Amtskenntnis schutzfähig und -willig sei. Er sei mit Verordnung der Bundesregierung im Jahr 2018 als sicherer Herkunftsstaat festgelegt worden.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid stützte das BFA auf diese Qualifizierung von Sri Lanka als sicherer Herkunftsstaat.
Die Erlassung eines Einreiseverbotes stützte das BFA auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ["... Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag"] und begründete dies weiter wie folgt (Schreibfehler nicht korrigiert): "In Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht kann niemals als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet werden." Hier seien "nicht nur spezialpräventive sondern vor allem auch generalpräventive Überlegungen anzustellen". Da der BF offensichtlich nicht bereit sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten, könne die Behörde nur zum Schluss kommen, dass sein Aufenthalt in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
1.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seiner anwaltlichen gewillkürten Vertreter vom 23.08.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit ein.
In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen moniert, dass die belangte Behörde den vom BF glaubhaft vorgebrachten und mehrfach belegten Fluchtgrund nicht näher geprüft und - unzutreffend - als unglaubhaft beurteilt habe und somit ihre Ermittlungspflicht verletzt habe. Die Beweiswürdigung basiere auf bloß scheinbaren Widersprüchen zwischen Erstbefragung und Einvernahme und sei willkürlich unter Außerachtlassung des konkreten Sachverhalts und unter grober Verkennung der Rechtslage erfolgt.
Das BFA hätte bei seiner Entscheidung die von ihr selbst zugrunde gelegten Länderfeststellungen zu Sri Lanka nicht beachtet, wonach sehr wohl Gefahren wie die vom BF angegebenen drohen können. Das Einreiseverbot werde auf angebliche Verwaltungsübertretungen gestützt, die dem BF nicht bekannt seien, sodass das Überraschungsverbot verletzt worden sei. Da die Beweiswürdigung bezüglich Einreiseverbot "komplett willkürlich" geführt worden sei, sei dieses zur Gänze zu beheben.
Schließlich wurde auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (in der Folge EuGH) vom 19.06.2018, C-181/16, Gnandi gg. Belgien, bezüglich der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen hingewiesen.
1.8. Das BFA legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
1.9. Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 31.08.2018, W191 2204578-1/3Z, wurde in teilweiser Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides behoben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Nach auszugsweiser Zitierung des § 18 BFA-VG, gemäß dessen Abs. 5 das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen hat, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, wurde in der (Teil-) Erkenntnisbegründung auszugsweise ausgeführt:
"[...] Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des BF nach Sri Lanka aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Das Bundesverwaltungsgericht war daher im Ergebnis gehalten, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vorzugehen. [...]"
1.10. Das BVwG führte am 04.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Tamil durch, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"[...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?
BF: Tamil. Darüber hinaus spreche ich ein wenig Englisch.
RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?
D: Tamil.
RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.
Zur heutigen Situation:
RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?
BF: Ja, aber ich zittere etwas vor Angst.
RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?
BF: Derzeit nicht.
[...]
Der BF hat bisher seine Heiratsurkunde, die Sterbeurkunde seines Schwiegervaters (mit Übersetzung ins Englische), eine Krankenhausbestätigung seiner Schwiegermutter (alle in Kopie) vorgelegt. Identitätspapiere hat er bisher weder im Original noch in Kopie vorgelegt.
Weiters hat er Belege zu seiner Integration (Empfehlungsschreiben Tiroler Soziale Dienste, drei Fotos (Wasserwacht, Flurreinigung, Freunde bei Grillparty) sowie zu ärztlichen Behandlungen in Österreich vorgelegt.
RI: Haben Sie, wie in der Einvernahme vor dem BFA gesagt, die Originale besorgt?
BF: Ja, ich habe das gesagt, und ich habe sie bei mir.
RI: Haben Sie das Kuvert, mit dem Sie die Schreiben bekommen haben?
BF: Das habe ich zu Hause liegen.
BF legt vor: Geburtsbestätigung des BF (in Tamil im Original und in englischer Übersetzung sowie eine englische Übersetzung eines Auszugs aus dem Geburtenregister vom 11.02.2019), eine Übersetzung eines Auszugs aus dem Heiratsregister (vom 11.02.2019), ein Schreiben der Baptistenkirche von Trincomalee vom 12.02.2019, eine Übersetzung eines Auszugs aus dem Sterberegister bezüglich des Schwiegervaters (vom 23.08.2017), Fotos aus Innsbruck, ein Schreiben der Tiroler Wasserwacht (vom 13.07.2018), ein Empfehlungsschreiben der Tiroler sozialer Dienste (vom 16.07.2018) und eine Ambulanzkarte (vom 20.08.2017).
Diese Schreiben werden eingesehen und in Kopie zum Akt genommen.
[...]
Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen
Lebensumständen:
RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?
BF: Ja.
RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
BF: Ich bin Tamile.
RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?
BF: Ich bin gläubiger Hindu, meine Frau ist gläubige Christin.
RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?
BF: Ich bin verheiratet.
RI: Haben Sie Kinder?
BF: Nein.
RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?
BF: Ich habe zwölf Jahre die Schule besucht und abgeschlossen. Danach habe ich als Verkäufer/Vertreter gearbeitet.
RI: Wo und wie leben Ihre Verwandten?
BF: In Sri Lanka, ein Bruder lebt in Katar.
RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?
BF: Nein.
RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?
BF: Ich habe Sri Lanka am 15.01.2016 verlassen.
BF schildert seine Reise so, wie er sie bei seiner Erstbefragung (Aktenseite 7) angegeben hat.
Zur derzeitigen Situation in Österreich:
RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?
BF: Nein.
RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern? Haben Sie in Österreich wichtige Kontaktpersonen, und wie heißen diese?
BF: Ich habe in Innsbruck viele Bekannte.
RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.
RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?
BF: Ich kann Ihre Fragen schon teilweise verstehen, ich kann nur nicht gut antworten.
RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen nur teilweise verstanden und kaum auf Deutsch beantwortet hat.
RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs, oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?
BF: Nein.
RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?
BF: Ich verkaufe die Straßenzeitung "Zwanzg'er". Im Sommer werde ich bei der Tiroler Wasserwacht einmal wöchentlich für eine geringe Entlohnung Reinigungsdienste leisten.
RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach? Wie ist Ihr Tagesablauf?
BF: Ich spiele nur manchmal bei Cricket Spielen mit.
RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?
BF: Ich wurde zwei Mal beim Schwarzfahren erwischt und musste jeweils ca. 100 Euro Geldstrafe bezahlen.
RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?
BF: Ich telefoniere ca. einmal wöchentlich mit meinen Eltern und meiner Ehefrau.
Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.
Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht?
BF: Ja.
RI: Erzählen Sie noch einmal Ihr Fluchtvorbringen. Warum haben Sie Ihre Heimat verlassen?
Der BF schildert sein Fluchtvorbringen im wesentlichen übereinstimmend mit seinen Angaben vor dem BFA vom 17.07.2017 (Aktenseiten 161ff.). Seine beiden Schwager seien nach Malaysia gegangen.
RI: Sie haben ein Schreiben der Baptistengemeinde von Trincomalee vorgelegt, wonach Ihre Ehefrau eine Menschenrechtsbeschwerde einbringt, wie ist das gemeint?
BF: Sie ist zu einem Menschenrechtsbüro gegangen.
RI: Wieso konnten Sie vom Flughafen in Colombo unbehelligt ausreisen?
BF: Ich habe Bedienstete bestochen.
RI: Sie haben im Verfahren angegeben, Ihre Frau wechsle regelmäßig ihre Telefonnummer und rufe Sie alle zwei bis drei Monate an. Wieso können Sie jetzt mit ihr wöchentlich telefonieren?
BF: Weil ich sie anrufe und sie meine Nummer sieht.
RI: Und das ist früher nicht gegangen?
BF: Ich habe auch früher öfter mit ihr telefoniert.
RI: Wo lebt Ihre Frau jetzt? Lebt sie alleine?
BF: Sie lebt bei meiner Mutter und meinem Vater. Meine Schwiegermutter lebt jetzt in Malaysia.
RI: Ist Ihre Ehefrau nicht in Gefahr?
BF: Nein, die Geheimagenten kommen zwar weiterhin zu ihr und fragen nach mir. Aber sie werden meine Frau nicht einsperren.
RI: Warum haben die Geheimagenten Ihren Schwiegervater erschossen und fahnden jetzt nach Ihnen?
BF: Mein Schwiegervater hat Hilfsdienste für den LTTE (Nahrungsmittel etc.) geleistet. Sie hatten Verdacht, dass er zum LTTE gehört hätte, weil er Nahrungsmittel in großen Mengen gekauft hatte und weil er im Krieg ein Auge verloren hatte. Ich werde verfolgt, nehme ich an, weil ich einen der Geheimagenten geschlagen habe und weil sie mich wegen meiner Narbe am Bein verdächtigen, für die LTTE im Krieg mitgekämpft zu haben.
BF zeigt auf Ersuchen dem RI seine größerflächige Narbe am oberen rechten Oberschenkel.
BF: Ich habe diese Verletzung erlitten, als im tamilischen Wohngebiet eine Bombe abgeworfen worden ist.
RI: Wo haben die Geheimagenten Sie verletzt?
BF: Sie haben mich an der rechten Schulter und Oberarm verletzt, mein rechter Ellenbogen wurde gebrochen.
RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Ich bin nicht sicher, ob ich nach meiner Heimkehr den Flughafen lebendig verlassen werde oder auf dem Heimweg getötet werde.
Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...] in das gegenständliche Verfahren ein.
Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.
Dem BF werden Kopien der vorliegenden Berichte und Feststellungen ausgefolgt und für eine allfällige schriftliche Stellungnahme dazu sowie für die Vorlage einer ärtzlichen Bestätigung bezüglich seiner angegebenen Verletzung eine Frist von zwei Monaten eingeräumt.
RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.
BF äußert Sorge, dass er zurückgeschickt wird.
RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"
Das erkennende Gericht brachte zusätzliche Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt.
1.11. Mit Eingabe vom 30.04.2019 nahm der BF zur Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12.01.2012 zu Sri Lanka betreffend Verfolgung von Angehörigen der Volksgruppe der Tamilen Stellung und legte einen Röntgenbefund der Radiologie Innsbruck vom 29.01.2019 vor, wonach eine alte Fraktur des Radiushalses (Ellbogen) beim BF bestätigt wurde.
Auch diese Eingabe wurde dem BFA übermittelt.
1.12. Mit Nachreichung vom 29.04.2019 übermittelte das BFA eine Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Innsbruck von der Einstellung des Verfahrens gegen den BF nach Bericht durch das Landesamt für Verfassungsschutz/Terrorismus. Es sei mangels jeglicher belastender Beweisergebnisse weder nachweisbar noch wahrscheinlich, dass der Beschuldige einer terroristischen Vereinigung (LTTE) angehört oder sich als deren Mitglied beteiligt habe.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 11.04.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 17.07.2018, die vom BF vorgelegten Belege (Heiratsurkunde, Sterbeurkunde seines Schwiegervaters mit Übersetzung ins Englische, Krankenhausbestätigung seiner Schwiegermutter) sowie die Beschwerde vom 23.08.2018
* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 270 bis 321)
* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.03.2019 sowie Einsichtnahme in folgende in der Verhandlung vorgelegte Dokumente:
? Geburtsbestätigung des BF (Original in Tamil und in englischer Übersetzung sowie eine englische Übersetzung eines Auszugs aus dem Geburtenregister vom 11.02.2019)
? Übersetzung eines Auszugs aus dem Heiratsregister (vom 11.02.2019)
? Schreiben der Baptistenkirche von Trincomalee vom 12.02.2019
? Übersetzung eines Auszugs aus dem Sterberegister bezüglich des Schwiegervaters des BF vom 23.08.2017
* Einsichtnahme in folgende im Verfahren vor dem BVwG in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Kurzinformation/Ergänzung zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 24.05.2018) sowie
o Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) - Länderanalyse vom 21.02.2018 zu Sri Lanka: Gefährdung von Personen mit Erwähnung auf staatlicher Liste von Terrorismus-Verdächtigen (Auszug) und eine Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) - Länderanalyse vom 12.01.2018 zu Sri Lanka:
Entführungen von tamilischen Personen mit LTTE-Verbindungen im Distrikt Jaffna und in der Nordprovinz (Auszug)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger von Sri Lanka, stammt aus dem Distrikt Trincomalee (Ostprovinz), gehört der Volksgruppe der Tamilen an, bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Hindus und ist verheiratet. Er hat keine Kinder.
Der BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und mit der Matura abgeschlossen und dann als Buchverkäufer gearbeitet. Zu Hause leben weiterhin seine Eltern, seine Ehefrau und zwei Schwestern, sein Bruder lebt in Qatar. Die Familie seiner Ehefrau lebt in Malaysia.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er lebt von der Grundversorgung für Asylwerber in Österreich, verkauft in Innsbruck eine Straßenzeitung und leistet einmal wöchentlich gemeinnützige Tätigkeiten für die Tiroler Wasserwacht.
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat glaubhaft gemacht, dass er vom Geheimdienst (CID) des Staates Sri Lanka wegen des Verdachtes der Betätigung für die tamilische Befreiungsbewegung (LTTE) und des Besitzes von Informationen über diese sowie im Zusammenhang mit seinem Schwiegervater, der aus diesen Gründen im Jahr 2007 erschossen worden ist, mit Festnahme und Folter - wie es dem BF bereits im Jahr 2014 geschehen ist - bedroht ist.
Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen wäre oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hätte.
3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:
3.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 24.05.2018 (Schreibfehler teilweise korrigiert)
"[...] 2. Politische Lage
Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 20.04.2018). Der direkt vom Volk gewählte Präsident hat eine große Machtfülle und ist gleichzeitig Staats- und Regierungschef. Der von ihm ernannte Ministerpräsident führt ein eigenes Ressort neben den zahlreichen Fachministerien. Das Einkammerparlament mit 225 Sitzen geht mittels eines modifizierten Verhältniswahlrechts aus allgemeinen, gleichen Wahlen hervor. Die unitarische Staatsverfassung weist seit Verabschiedung des 13. Verfassungszusatzes 1987 begrenzt dezentralisierende Elemente auf. Es wurden neun Provinzen geschaffen, die gewählte Provinzräte und -regierungen haben mit einem leitenden Minister (Chief Minister) an der Spitze, dem ein vom Präsidenten ernannter Gouverneur an die Seite gestellt ist. Unterhalb der Provinzebene existieren die Ebenen der Distrikte und der Kommunalverwaltung mit ebenfalls gewählten Stadt- und Gemeinderäten (AA 3.2018a).
In seiner zweiten Amtszeit ab 2009 besaß der damalige Präsident Rajapaksa eine umfassende Machtfülle und erhielt Zugriff auf die Besetzung von Positionen in eigentlich unabhängig angelegten Institutionen, im öffentlichen Dienst, bei Justiz und Polizei. Die demokratischen Strukturen des Landes waren zunehmend Belastungsproben ausgesetzt. Obwohl unter Präsident Rajapaksa die weitgehend zerstörte Infrastruktur im Norden und Osten wiederhergestellt wurde, bemühte er sich nicht, die Wiederversöhnung weiter voranzutreiben. Mit dem im April 2015 verabschiedeten 19. Verfassungszusatz wurden einzelne Vollmachten des Präsidenten gestrichen, und im Gegenzug wurde die Rolle des Parlaments gestärkt. 2016 lief auch ein neuer Verfassungsreformprozess an, dessen Kernelemente eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Zentralregierung und Provinzen (Dezentralisierung), ein neues Wahlrecht und die Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft sind. Ziel der Regierung ist es, die Reform 2018 abzuschließen. Präsident und Ministerpräsident haben im September 2017 angekündigt, dass künftig bei allen Wahlen ein System gelten soll, das eine Mischung von Mehrheits- und Verhältniswahl vorsieht (AA 3.2018a).
Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BTI 2018). Am 08.01.2015 wählten die Wähler bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl den Oppositionskandidaten Maithripala Sirisena für fünf Jahre zum Präsidenten (AA 3.2018a; vgl. USDOS 20.04.2018). Er erhielt die Unterstützung von 51,28% der Wähler, während für den bisherigen Amtsinhaber 47,58% stimmten. Die Wahlbeteiligung war mit 81,5% sehr hoch. Sirisena wurde bereits am 09.01.2015 vereidigt (AA 3.2018a).
Bei der Parlamentswahl am 17.08.2015 erzielte eine Allianz der liberalen United National Party (UNP) mit anderen Parteien im Rahmen der United National Front for Good Governance 45,66%. Die UPFA, ein Parteienbündnis, dessen Mehrheit eine Rückkehr Rajapaksas in die Politik als Premierminister angestrebt hatte, unterlag mit 42,38%. Die Wahlbeteiligung war mit rund 77% für eine Parlamentswahl sehr hoch. Die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) des Präsidenten und die UNP des Premierministers unterzeichneten am 21.08.2016 eine Vereinbarung, mit der sie sich auf eine Zusammenarbeit zunächst für zwei Jahre verständigten. Im August 2016 wurde entschieden, die Zusammenarbeit auf die gesamte Legislaturperiode von fünf Jahren auszudehnen. Oppositionsführer ist mit R. Sampanthan von der Tamil National Alliance (Bündnis gemäßigter tamilischer Parteien) erstmals seit 1977 wieder ein Vertreter der Tamilen (AA 3.2018a).
Die neue Regierung unter Premierminister Wickremeshinghe konnte zahlreiche Versprechen des "100-Tage-Programmes" umzusetzen. Unter anderem wurden mit dem 19. Verfassungszusatz Verfassungsänderungen von Präsident Rajapaksa rückgängig gemacht und die Machtfülle des Präsidenten beschnitten (AA 3.2018a).
Bei den Lokalwahlen am 10.02.2018 mussten die Regierungsparteien einen Rückschlag hinnehmen. Die neue Partei, Sri Lanka People's Front (Sri Lanka Podujana Peramuna, SLPP), die den Ex-Präsidenten Rajapaksa unterstützt, erzielte 44.65% der Stimmen, die UNP 32,63% und die SLFP (mit Verbündeten) 13,38%. Gründe dafür waren die Unzufriedenheit über steigende Preise für Grundnahrungsmittel sowie mangelnde Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung (AA 3.2018a).
Am 01.10.2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens mit Sri Lanka die Resolution "Promoting reconciliation, accountability and human rights in Sri Lanka" (A/HRC/30/L.29) und im März 2017 eine Folgeresolution beschlossen. Sri Lanka hat sich damit bereit erklärt, die mutmaßlichen im Bürgerkrieg begangenen (Kriegs-)Verbrechen in einem glaubwürdigen Prozess aufzuarbeiten (AA 16.12.2017).
Die Regierung möchte die nationale Wiederversöhnung vorantreiben. Gegenüber dem Menschenrechtsrat erklärte sich die Regierung bereit, zahlreiche Maßnahmen umzusetzen. Im August 2016 wurde ein Gesetz zur Einrichtung eines Büros für Vermisste ("Office of Missing Persons") beschlossen, die des leitenden Beauftragten (Commissioners) jedoch erst im Februar 2018 ernannte. Auch eine Wahrheitskommission ("Truth and Reconciliation Commission") soll eingerichtet werden. Weitere wichtige Schritte hat die Regierung noch vor sich, darunter auch die Verfassungsreform, deren Prozess 2017 ins Stocken geraten ist (AA 3.2018a).
3. Sicherheitslage
Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Allerdings gibt es in Teilen des Nordens und Ostens ein erhöhtes Sicherheitsrisiko mit einigen gewalttätigen Zwischenfällen. Im April 2014 erschoss das sri-lankische Militär drei mutmaßliche tamilische Nationalisten in Nedunkerni (Distrikt Vavuniya). Im Oktober 2016 wurden zwei tamilische Studenten von der Polizei an einem Kontrollpunkt in Kokuvil (Bezirk Jaffna) erschossen. Im Zusammenhang mit dem zweiten Vorfall wurden fünf Polizisten verhaftet (BTI 2018).
Seit Ende des Bürgerkriegs im Mai 2009 haben in Sri Lanka keine Terroranschläge mehr stattgefunden. Militär und Polizei sind weiterhin sichtbar präsent (AA 08.05.2018).
Die Landrückgabe wird fortgesetzt - nach dem aktuellen Zeitplan der Regierung (Oktober 2017) soll Ende 2018 noch eine Fläche von etwa 145 km2 bei den Sicherheitskräften verbleiben, bei der es sich vor allem um staatliches Land handeln soll. Der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat dürfte insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein, tritt aber nach außen nicht mehr so häufig wie früher in Erscheinung (AA 16.12.2017).
Am 01.03.2018 ist Sri Lanka der Konvention über Streumunition von 2008 beigetreten, weniger als drei Monate nachdem das Land dem Minenverbotsvertrag von 1997 beigetreten ist (HRW 14.03.2018). Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne "Hochsicherheitszonen" um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 16.12.2017). Im Juni 2017 betrug die verbliebene verminte Gesamtfläche 25,5km2, die sich über zehn Distrikte verteilt, was eine deutliche Reduktion gegenüber 68km2 im Jahr 2014 darstellt. Bei der derzeitigen Rate könnte Sri Lanka bis Ende 2021 frei von Landminen sein (MAG 02.04.2018).
4. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Die neue Regierung muss aber noch eine Lösung für die zahlreichen "Altfälle", also bereits Inhaftierte, finden. Darunter sind auch politische Gefangene, die auf Grundlage des Prevention of Terrorism Act (PTA) inhaftiert wurden. Die Regierung hat zugesagt, diese Fälle zu überprüfen. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 16.12.2017).
Der 2015 verabschiedete 19. Verfassungszusatz hat die Macht des Präsidenten in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Er verringerte etwa den Einfluss des Präsidenten auf die Justiz und die Verwaltung, indem er die bisher praktisch uneingeschränkte Befugnis des Präsidenten einschränkte, eine Reihe öffentlicher Amtsträger direkt zu ernennen, darunter Richter des Obersten Gerichtshofs und des Berufungsgerichts, den Generalstaatsanwalt, den Generalprüfer und den Generalinspekteurs der Polizei. Diese Ernennungen sowie Ernennungen in die Wahlkommission, die Kommission für den öffentlichen Dienst, die nationale Polizeikommission, die Menschenrechtskommission, die Kommission zur Untersuchung von Korruptions- und Bestechungsvorwürfen und die Abgrenzungskommission können nun vom Präsidenten nur noch auf Empfehlung des Verfassungsrates vorgenommen werden, dem sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition angehören (BTI 2018).
Unter der neuen Regierung haben Ermittlungsbehörden und Justiz begonnen, mutmaßliches Unrecht in der Vergangenheit - z.B. das Verschwinden von Journalisten, ungewöhnliche Todesfälle, Korruption, Geldabflüsse ins Ausland - zu untersuchen. Zahlreiche Kommissionen sind tätig. In manchen Bereichen, wie z.B. bei der Aufklärung von Todesfällen, gibt es Fortschritte. Auch gegen Militärangehörige wird ermittelt. Die Kommissionen laden regelmäßig hochrangige Vertreter der Rajapaksa-Zeit - auch Mahinda Rajapaksa und seine Familienmitglieder - zu Verhören vor, haben aber noch keine Verurteilung erreicht (AA 16.12.2017).
Kritisch diskutiert wird momentan ein Reformentwurf des Strafprozessrechts, welcher Untersuchungsgefangenen den Zugang zu einem Rechtsbeistand erst nach Abgabe ihrer ersten Aussage gewähren würde. Auch der neueste (noch inoffizielle) Entwurf der Strafprozessordnung (Oktober 2017) beinhaltet keinen unbedingten Zugang von Untersuchungsgefangenen zu ihren Anwälten (AA 16.12.2017).
Die Untersuchungshaftzeiten sind lang; es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate - verlängerbar in dreimonatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt. Insbesondere bei Inhaftierungen nach dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) kam es oft zu sehr langen, in einzelnen Fällen bis zu fast zwanzigjährigen Gefängnisaufenthalten ohne Urteil oder richterliche Entscheidung. Nach Angaben der Opposition waren Ende 2015 noch immer 217 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Sympathisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hatten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert. Derzeit (31.05.2017) sollen aufgrund des PTA noch 56 Tamilen inhaftiert sein (AA 16.12.2017).
Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 59 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um neun Plätze im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 91 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 53 von 113 Staaten ein (WJP 31.01.2018).
5. Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Ministerium für Recht und Ordnung. Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die äußere Sicherheit zuständig. Nach der Strafprozessordnung kann das Militär aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 6.000 Mitglieder zählende paramilitärische Special Task Force fällt in die Verantwortung das Ministerium für Recht und Ordnung, koordiniert aber gelegentlich auch Operationen der inneren Sicherheit mit dem Militär. Der Präsident dient als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 20.04.2018).
Die sri-lankische Regierung hat noch nicht die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen. Alte Verhaltensmuster bestehen teilweise noch fort: Auch 2017 berichten einzelne Menschenrechtsaktivisten vor allem im Norden und Osten von gelegentlichen Schikanen durch staatliche Sicherheitskräfte. Insbesondere im Militär und bei den Geheimdiensten gibt es Elemente, die den Kurs der neuen Regierung nicht unterstützen, sich einer Kontrolle entziehen und ex-Präsident Rajapaksa loyal gesinnt sind. Der Widerstand bei Teilen der Sicherheitskräfte lässt sich auch aus dem Umstand erklären, dass sie unter dem vormaligen Premierminister Rajapaksa eine tragende Rolle mit weitgehenden Kompetenzen bei gleichzeitiger Straflosigkeit hatten. Die neue Regierung hingegen drängt den Einfluss des Militärs zurück und unterwirft sein Handeln der geltenden Rechtsordnung (AA 16.12.2017).
Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Folter und lange andauernde Inhaftierung ohne Prozess an (FH 2017). Während eine Quelle davon berichtet, dass Tamilen unverhältnismäßig oft betroffen sind (FH 2017), berichtet eine andere, dass unverhältnismäßiger Zwang nicht gegen eine bestimmte Gruppe als solche gerichtet ist (AA 16.12.2017).
Die Sicherheitskräfte hatten nur begrenzte interne Mechanismen, um Missbrauchsfälle zu untersuchen. Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch das HRCSL und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Die Regierung hat in mehreren hochkarätigen Fällen gegen Mitglieder der Sicherheitsdienste Anklage erhoben und Verurteilungen erwirkt. Das Ministerium für Recht und Ordnung ist für die Feststellung zuständig, ob eine Tötung durch Sicherheitskräfte gerechtfertigt war (USDOS 20.04.2018). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2017).
Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte weitgehend zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen, obwohl sich die Situation im Vergleich zu 2016 gebessert hat. Strafverfolgungen wegen Missbrauchs durch Sicherheitskräfte und die Polizei sind selten, nehmen aber, ebenso wie Verfolgungen wegen Korruption und Ordnungswidrigkeiten, zu. Für Straftaten aus den Konfliktjahren bestand jedoch weiterhin weitgehend Straffreiheit für Beamte des Sicherheitsapparats, die in Fälle angeblicher gezielter Tötungen von Parlamentariern, mutmaßliche Entführungen und Tötungen von Journalisten und Privatpersonen verwickelt waren. Am 04.04.2017 erklärte die Polizei jedoch, dass Polizei- und Militärbeamte nicht von polizeilichen Ermittlungen ausgenommen werden können. Im Lauf des Jahres wurden 26 Offiziere wegen krimineller Handlungen strafrechtlich verfolgt (USDOS 20.04.2018).
Die Regierung führte in der Verteidigungsakademie eine Menschenrechtsausbildung ein, um die Achtung der Menschenrechte zu verbessern, und unterstützte interne Ausbildung durch das IKRK (USDOS 20.04.2018).
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Das Verbot der Folter ist in Art. 11 der Verfassung verankert. Internationalen Organisationen und Presseberichten zufolge ist Folter durch Polizisten weiterhin verbreitet, um Geständnisse zu erpressen. Dies hat auch der UN-Sonderberichterstatter über Folter Méndez nach seinem Besuch im April/Mai 2016 festgestellt und darauf hingewiesen, dass 90% der Verurteilungen in Sri Lanka aufgrund von Aussagen in Polizeigewahrsam erfolgten (AA 16.12.2017).
Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (HRCSL) berichtet, dass Folter im ganzen Land Routine ist und weiterhin angewandt wird. Bis September 2017 wurden 271 Foltervorwürfe staatlicher Akteuren gemeldet. Viele Berichte beziehen sich auf Polizeibeamte, die angeblich Verdächtige "aufmischen", um Geständnisse zu erhalten (USDOS 20.04.2018). UNHCR Sri Lanka verzeichnete für die ersten acht Monate 2016 208 Beschwerden aufgrund von Folter (2015: 420; 2014:
489; 2013: 600, jeweils gesamtes Jahr). Während Folter früher vor allem Tamilen betraf, stellen jüngere Berichte von Human Rights Watch (HRW) sowie lokalen Menschenrechtsorganisationen heraus, dass Singhalesen in gleichem Maße betroffen sind (AA 16.12.2017).
Das Gesetz macht Folter strafbar und schreibt eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als sieben Jahren und nicht mehr als zehn Jahren vor. Die Regierung unterhält einen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der den Vorwurf der Folter prüft und vorbeugende Maßnahmen ergreift (USDOS 20.04.2018). Die gerichtliche Verfolgung von Folter ist mit enormem Zeit- und Geldaufwand für die Opfer verbunden, so dass in der Realität kaum ein Fall zur Anzeige kommt. HRW zufolge haben auch Fälle, die vor Gericht behandelt werden, auf Grund langer Verfahren, hoher Gerichtskosten und Einflussnahme durch die Polizei kaum eine Chance auf Verurteilung der Täter (AA 16.12.2017).
Polizei- und Militärkräfte setzten unter dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) Folter und sexuellen Missbrauch ein, um Geständnisse zu erwirken (USDOS 20.04.2018). Auf Grundlage des PTA können Verdächtige - unter Hinweis auf die angeblich noch andauernde Bedrohung der inneren Sicherheit - bis zu 18 Monate in Administrativhaft gehalten werden (AA 16.12.2017; vgl. AI 22.02.2018). Die Polizei darf körperlichen Zwang ausüben, um Aussagen zu erhalten. Gemäß PTA sind diese Aussagen grundsätzlich vollständig verwertbar (AA 16.12.2017; vgl. USDOS 20.04.2018). Der den PTA ablösende Counter Terrorism Act (CTA) wurde noch nicht verabschiedet (AA 16.12.2017).
Der PTA wurde 1979 als Reaktion auf separatistische Aufstände, insbesondere der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), erlassen und während der 26 Jahre des Bürgerkriegs weitreichend eingesetzt. Doch während andere Notfallregelungen mit dem Ende des Konflikts im Mai 2009 ausgelaufen sind, blieb der PTA in Kraft. Noch 2016 wurden mindestens elf Personen im Rahmen des PTA wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten verhaftet (HRW 29.01.2018). Im Februar 2017 verkündigte der damalige Justizminister Wijedayasa Rajapakshe, dass die Regierung weitere Verhaftungen im Rahmen des PTA ausgesetzt habe. Schätzungsweise 70 bis 130 Personen befanden sich noch wegen PTA-Verhaftungen in Gewahrsam (USDOS 20.04.2018). Das Anti-Terrorgesetz "Prevention of Terrorism Act" (PTA) ist trotz umfassender Kritik aus dem In- und Ausland noch in Kraft, neue Fälle werden jedoch seit Ende 2016 nicht mehr unter dem PTA behandelt (AA 16.12.2017). Sri Lanka hat es versäumt, seine Verpflichtung von 2015 zu erfüllen, den PTA aufzuheben und durch Rechtsvorschriften, die den internationalen Standards entsprechen, zu ersetzen (AI 22.02.2018; vgl. HRW 29.01.2018).
Die "International Truth und Justice Project" und Associated Press berichten über Anschuldigungen von Entführungen und Folter sowie sexuellem Missbrauch durch Sicherheitskräfte. Die meisten Opfer waren tamilische Männer, die beschuldigt wurden, Verbindungen zur LTTE zu haben (USDOS 20.04.2018).
Es git in Sri Lanka keine Körperstrafen und unverhältnismäßige Strafen. Misshandlungen bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen kommen aber weiterhin vor (AA 16.12.2017).
7. Korruption
Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um. Regierungsbeamte sind manchmal in korrupte Aktivitäten unter Straffreiheit involviert. Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 20.04.2018).
Das Gesetz verpflichtet alle Kandidaten für Parlaments-, Kommunal-, Provinz- und Präsidentschaftswahlen, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Parlamentspräsidenten zu erklären. Einige, aber nicht alle Kandidaten bei den Parlamentswahlen, haben ihre Finanzberichte vorgelegt. Die Behörden haben die Einhaltung nicht durchgesetzt. Nach dem Gesetz kann man gegen Zahlung einer Gebühr auf die Aufzeichnungen über das Vermögen und die Schulden der gewählten Amtsträger zugreifen (USDOS 20.04.2018).
Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Sri Lanka unter 180 Ländern und Territorien an 91. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (TI 2017). In der Unterskala "Abwesenheit von Korruption" des World Justice Project nimmt Sri Lanka Rang 58 von 113 Staaten ein (WJP 31.01.2018). Im World Competitive Index 2017/18 des Weltwirtschaftsforums nimmt Sri Lanka im Segment "illegale Zahlungen und Bestechungen" Rang 86 von 137 Staaten ein (WEF 26.12.2017).
8. Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt in Sri Lanka keine allgemeine Wehrpflicht (AA 16.12.2017). Man kann sich im Alter von 18 bis 22 Jahren freiwillig zum Militärdienst melden, wobei für die Luftwaffe eine fünfjährige Dienstverpflichtung erforderlich ist (CIA 01.05.2018).
9. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert, darunter den Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, den Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Anti-Folter-Konvention (jedoch nicht das Zusatzprotokoll CAT-OP) und die Kinderrechtskonvention (AA 16.12.2017).
Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehörten unrechtmäßige Tötungen, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten. Die Diskriminierung von Tamilen und nichtkonfessionellen christlichen Gruppen durch die Regierung und die Sicherheitskräfte hielt an. Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten ist gesetzlich verboten, wird aber selten strafrechtlich verfolgt (USDOS 20.04.2018).
Zahlreiche NGOs engagieren sich aktiv für ärmere Bevölkerungsschichten und die neue Regierung ist viel offener für ihre Aktivitäten als die frühere Regierung, die eine restriktive Politik verfolgte. Prominente Akteure, die mit zivilgesellschaftlichen Organisationen verbunden sind, sind heute in Regierungskommissionen tätig (z.B. Bestechungs-, Polizei- und Justizkommissionen). Das gesamte zivilgesellschaftliche Umfeld unterscheidet sich stark von dem, was Gruppen während der Mahinda-Rajapaksa-Jahre erlebten. Auch internationale NGOs werden nun von der neuen sri-lankischen Regierung, die internationale Organisationen zur Lösung von Menschenrechtsproblemen verpflichtet hat, als Entwicklungspartner gesehen. Auch die Einstellung des Staates gegenüber extern finanzierten Institutionen innerhalb des Landes hat sich verändert und unterliegt nicht mehr der Verunglimpfung durch staatliche Akteure (BTI 2018).
Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen und kann nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung (USDOS 20.04.2018)
Das Center for Human Rights Development (CHRD) berichtet, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten und weitere 24 gegen Kaution freigelassen haben. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und der Prison Welfare Society regelmäßig Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 20.04.2018).
Als Folge dess Bürgerkrieges mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden, einschließlich derer, die in den erste