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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Oktober 1995, Zl. 96 205/21-IX/6/95, betreffend Umwandlung des Grundsteuerkatasters in den Grenzkataster und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch den Landeshauptmann von Kärnten), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Abweisung der Berufung gegen die Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Grenzverhandlung richtet, als unbegründet abgewiesen.
2. Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
3. Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Das Vermessungsamt Villach führte im Rahmen einer Grenzvermessung zum Zwecke der Umwandlung des Grundstückes Nr. 502/1 der KG. S am 12. September 1986 um 10.00 Uhr eine Verhandlung über die Grenze des Grundstückes Baufläche Nr. .198 der KG. S mit dem Grundstück Nr. 502/1 durch. Eigentümer des Grundstückes Nr. .198 waren zum Zeitpunkt der Grenzverhandlung die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte. Die Grundstückseigentümer wurden mittels Rückscheinbriefes, aber nicht zu eigenen Handen, zu dieser Grenzverhandlung geladen. Die Ladung wurde am 8. August 1986 von Herrn G, einem Arbeitnehmer der A-Mühlen Ges.m.b.H. (deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin war), übernommen.
Der Grenzverlauf zwischen den oben genannten Grundstücken wurde in der Grenzverhandlung am 12. September 1986 in Abwesenheit der Eigentümer des Grundstückes Nr. .198 (also auch in Abwesenheit der Beschwerdeführerin) auf Grund der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne u.a.) im Sinne des § 25 Abs. 1 des Vermessungsgesetzes (VermG) festgelegt und gekennzeichnet.
Mit Bescheid vom 30. November 1994 wurde nach Abschluss aller Grenzverhandlungen und Gerichtsverfahren gemäß § 25 Abs. 4 VermG die Umwandlung des Grundstückes Nr. 502/1 der KG. S vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster gemäß § 17 Z 2 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 und § 34 Abs. 1 des Vermessungsgesetzes verfügt.
Mit Schreiben vom 17. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdevertreter im Namen der Beschwerdeführerin beim Vermessungsamt Villach, den Umwandlungsbescheid der Beschwerdeführerin (zu seinen Handen) zuzustellen. Gleichzeitig wurde gegen eine allfällige Fristversäumnis "gemäß § 18 a Abs. 2 VermG" ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Mit Schreiben vom 13. Februar 1995 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Grenzverhandlung vom 12. September 1986 gestellt und die Anberaumung einer neuen Grenzverhandlung beantragt.
Mit Schreiben vom 20. Februar 1995 übermittelte die Beschwerdeführerin eine eidesstattliche Erklärung an die Behörde, dass sie von der Ladung zur Grenzverhandlung keine Kenntnis gehabt habe, da die Ladung von Herrn G (dem oben genannten Arbeitnehmer) nicht ausgefolgt worden sei.
Der Bescheid vom 30. November 1994 über die Umwandlung des Grundstückes Nr. 502/1 wurde der Beschwerdeführerin vom Vermessungsamt Villach mit Begleitschreiben vom 23. Februar 1995 zugestellt. Die Beschwerdeführerin erhob mit Schreiben vom 28. Februar 1995 Berufung gegen den Umwandlungsbescheid und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und des bisherigen Verfahrens sowie die Anberaumung einer neuerlichen Grenzverhandlung gemäß §§ 24 ff VermG bzw. in eventu die Abweisung des Antrages der Republik Österreich vom 12. Juli 1985 auf Grenzvermessung zum Zwecke der Umwandlung.
Am 6. März 1995 wurde der Umwandlungsbescheid vom 30. November 1994 mit einem Zusatz im Spruch ("das an Ihr Grundstück Baufläche .198 KG. S angrenzt") noch einmal zugestellt.
Gegen diesen am 6. März 1995 zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. März 1995 ebenfalls Berufung.
Mit Bescheid vom 2. Mai 1995 wies das Vermessungsamt Villach den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Grenzverhandlung ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit einem gemeinsamen Bescheid vom 22. August 1995 sprach das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen über die Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung und über die Berufung gegen den Umwandlungsbescheid ab. Beide Berufungen wurden abgewiesen, wobei das Bundesamt hinsichtlich des Verfahrens über den Umwandlungsbescheid sowohl die Berufung vom 28. Februar 1995 als auch die (gegen den neuerlich zugestellten Bescheid gerichtete) Berufung vom 9. März 1995 als unbegründet abwies.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung im wesentlichen ab, änderte jedoch den Spruch des zweitinstanzlichen Bescheides insoferne, als die Abweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 6. März 1995 aufgehoben wurde und in einem neu formulierten eigenen Spruchteil III. des Bescheides des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 6. März 1995 ausgesprochen wurde.
Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die Ladung zur Grenzverhandlung vom 12. September 1986 nicht zu eigenen Handen zu erfolgen gehabt hätte. Soweit die Materiengesetze keine Regelung enthielten, läge die Anordnung einer eigenhändigen Zustellung im Ermessen der Behörde. Im Sinne des § 22 AVG sei im Einzelfall zu prüfen, ob besonders wichtige Gründe im Sinne des § 22 AVG vorlägen. Die Berufung übersehe auch, dass der nicht zur Grenzverhandlung erschienene Eigentümer keinesfalls einen umfassenden Rechtsverlust erleide. Die Grenze werde in der in seiner Abwesenheit durchgeführten Verhandlung "auf Grund der Behelfe" festgelegt, der Rechtsverlust beschränke sich also auf die Präklusion von Einwendungen im Sinne des § 42 AVG. Gerade im verfahrensgegenständlichen Bereich seien eindeutige technische Unterlagen für die Grenzfestlegung vorgelegen. Es könne daher gefolgert werden, dass die sich aus der Ladung zur Grenzverhandlung ergebenden Rechtsfolgen zwar wichtige Gründe im Sinne des § 22 erster Satz AVG seien, nicht jedoch "besonders wichtige Gründe" im Sinne des § 22 zweiter Satz AVG. Zu dem Einwand, eine Ersatzzustellung an Herrn G hätte nicht wirksam durchgeführt werden können, weil § 16 Abs. 2 Zustellgesetz als Ersatzempfänger für den nicht anwesenden Empfänger lediglich Personen vorsehe, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnen oder aber Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers seien, Herr G aber Angestellter der A-Mühlen Ges.m.b.H., nicht aber der Beschwerdeführerin gewesen sei, wird ausgeführt, dass der zur Annahme bereite Arbeitnehmer des Empfängers Ersatzempfänger sein könne. Als Abgabestelle sei insbesondere die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers genannt. Ob die anwesende Person Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers sei, habe der Zusteller nach den ihm im konkreten Fall zugänglichen Indizien zu beurteilen. Auf dem Zustellnachweis sei die Eigenschaft des Übernehmenden als Arbeitnehmer des Empfängers auch entsprechend ausgefüllt worden. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich darüber hinaus, dass die Beschwerdeführerin geschäftsführende Gesellschafterin der A-Mühlen Ges.m.b.H. gewesen sei. In der bereits erwähnten eidesstattlichen Erklärung der Beschwerdeführerin heiße es dazu, "Herr G, der in der von mir und meinem verstorbenen Gatten E.A. betriebenen A-Mühlen Ges.m.b.H. angestellt war ...". Auch sei die Firmenanschrift mit der Wohnadresse der Empfängerin ident.
Dem mit dem Empfänger nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ersatzempfänger könne rechtswirksam nur zugestellt werden, wenn er zur Annahme bereit sei. Die Annahmeverweigerung stehe in seinem freien, nicht begründungsbedürftigen Belieben. Aus der Annahme des RSb-Briefes durch Herrn G, der in der Berufung selbst als "zuverlässiger Mitarbeiter" geschildert werde, dem niemals eine Unterlassung oder ein Versehen unterlaufen wäre, könne daher der Umkehrschluss gezogen werden, dass er sich durch die Entgegennahme des Schriftstückes durchaus als geeigneten Ersatzempfänger im Sinne des § 16 Abs. 2 Zustellgesetzes gesehen habe. Wenn aber eine rechtswirksame Ersatzzustellung bewirkt worden sei, gehe das Risiko, das sich aus der Nichtweiterleitung der Ladung ergebe, zu Lasten des Empfängers.
Zu der auf die hg. Erkenntnisse VwSlg. 1141 A und Slg. 7403 A gestützten Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt, dass in der Berufung an sich zutreffend darauf hingewiesen werde, dass der Verwaltungsgerichtshof von seiner früheren Rechtsprechung abgegangen sei und nunmehr die Möglichkeit der Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für Fälle bejahe, in denen eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten der Partei versäumt wurde, es sei denn es liege Verschulden auf Seiten der Partei (des Parteienvertreters) vor. Der Verwaltungsgerichtshof anerkenne in seiner nunmehrigen Rechtsprechung auch jene Fälle, in denen die Wiedereinsetzungsgründe beim gesetzlichen Vertreter oder Bevollmächtigten im Sinne des § 12 AVG vorliegen. Der Ersatzempfänger sei jedoch weder bevollmächtigter noch gesetzlicher Vertreter des Empfängers. Herr G sei weder Angestellter noch Kanzleibediensteter eines Bevollmächtigten der Partei im Sinne des § 12 AVG; nur für diesen Hilfsapparat aber würde, "bei zumutbarer und nach der Sachlage gebotener Überwachungspflicht, ein Versehen für den Vertreter und damit für die von ihm vertretene Partei ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" darstellen.
Die Abweisung der Berufungen vom 28. Februar 1995 und vom 9. März 1995 bleibe in der "nunmehrigen Berufung" unbekämpft, der diesbezügliche Spruchteil sei jedoch von Amts wegen abzuändern gewesen. Durch die neuerliche Zustellung des Bescheides über die Umwandlung des Grundstückes sei kein weiteres Verfahren eingeleitet worden. Werde das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt, so sei nach § 6 des Zustellgesetzes die erste Zustellung maßgebend. Eine abermalige Zustellung vermöge an der Rechtswirksamkeit der ersten Zustellung nichts zu ändern. Nach der Begründung des Bescheides sei der am 6. März 1995 zugestellte Bescheid mit jenem, der am 27. Februar 1995 zugestellt worden sei, vom normativen Abspruch her ident. Mit der Berufung vom 28. Februar 1995 habe die Beschwerdeführerin ihr Berufungsrecht gegen den Bescheid konsumiert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Bescheid von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den zweitinstanzlichen Bescheid vom 22. August 1995 sich gegen diesen Bescheid zur Gänze und insbesondere gegen die Abweisung der Berufung gegen den Umwandlungsbescheid des Vermessungsamtes Villach richtete (insbesondere wurde in der Antragstellung auf den Umwandlungsbescheid des Vermessungsamtes Villach vom 30. November 1994 Bezug genommen und auch dessen Aufhebung beantragt) und (in eventu) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung beantragt wurde.
Es ist daher aktenwidrig, wenn im angefochtenen Bescheid festgestellt wird, dass die Abweisung der Berufung vom 28. Februar 1995 (das ist die Berufung gegen den Umwandlungsbescheid) bzw. der Berufung vom 9. März 1995 (gegen den neuerlich zugestellten Umwandlungsbescheid) in der Berufung an die belangte Behörde unbekämpft geblieben sei.
Gegenstand des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war sowohl die Abweisung der Berufung gegen den Umwandlungsbescheid als auch die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages.
Es ist daher auch auf das Beschwerdevorbringen betreffend die Abweisung der Berufung gegen den Umwandlungsbescheid einzugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass auch der Umstand, dass in derselben Sache durch die neuerliche Zustellung eines (nicht völlig mit dem zunächst zugestellten Bescheid identen, siehe unten, 6.) Bescheides, der zwar mit der im angefochtenen Bescheid erfolgten Abweisung der Berufung formell rechtskräftig wurde, aber ebenfalls mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft wurde, jedenfalls im vorliegenden Beschwerdefall nichts daran ändert, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde ein anfechtbarer Bescheid vorlag. Die in Lehre und Rechtsprechung erörterte Frage, ob ein später erlassener Bescheid (auch wenn er inhaltlich gleichlautend ist) einem früher erlassenen Bescheid derogiere, stellt sich erst, wenn die Bescheide rechtskräftig wurden (vgl. z.B. Wiederin, Gilt die lex-posterior-Regel zwischen Bescheiden, ZfV 1992, 249, und Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 462).
2. Die belangte Behörde ist nach der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Berufung gegen den Umwandlungsbescheid nicht näher eingegangen. Sie hat sich jedoch ausführlich mit der Frage der Zustellung der Ladung zur Grenzverhandlung auseinandergesetzt. Träfen die Überlegungen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zu, so wäre allenfalls die Abweisung der Berufung gegen den Umwandlungsbescheid im Ergebnis rechtmäßig, da die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt wäre, wenn der erstinstanzliche Bescheid aufgrund der ordnungsgemäßen Ladung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Berufung nicht mehr abänderbar war.
Weiters ist im Zusammenhang mit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Beschwerdeführerin insbesondere rechtserheblich, ob eine Versäumung der Verhandlung tatsächlich gegeben war. War die Ladung nicht wirksam erfolgt, lag keine Säumnis vor.
Ausschlaggebend für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist daher sowohl hinsichtlich der Berufung gegen den Umwandlungsbescheid als auch hinsichtlich der Frage der Wiedereinsetzung zunächst, ob die Zustellung an den Angestellten der A-Mühlen Ges.m.b.H. eine wirksame Ersatzzustellung der Beschwerdeführerin gegenüber darstellte.
3. Wie die Beschwerdeführerin in einer ergänzenden Stellungnahme zutreffend festgestellt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Möglichkeit einer Ersatzzustellung einer Sendung an den Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. im Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/07/0076, festgestellt, dass die Übernahme des Schriftstückes durch einen Dienstnehmer der Gesellschaft keine wirksame Ersatzzustellung dem Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber darstellen könne.
Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen, insbesondere hinsichtlich der Angabe der Eigenschaft des Übernehmenden als Arbeitnehmer des Empfängers bzw. der Auffassung des vermeintlichen Ersatzempfängers über seine Eignung als Ersatzempfänger sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Rechtslage nahe zu legen. Es kommt nicht darauf an, ob (objektiv gesehen fälschlich) die Eigenschaft des Übernehmers als Arbeitnehmer des Empfängers auf dem Rückschein angegeben wird, sondern ob der Arbeitnehmer tatsächlich ein Arbeitnehmer des Empfängers ist. Dies ist jedoch dann, wenn der Übernehmende Angestellter einer Ges.m.b.H. ist, die nicht der Empfänger ist, nicht der Fall.
Es war daher die Zustellung an die Beschwerdeführerin betreffend die Ladung zur Grenzverhandlung am 12. September 1986 nicht wirksam.
4. Wenn keine wirksame Ladung zur Grenzverhandlung vorlag, lag auch keine Fristversäumung auf Seiten der Beschwerdeführerin vor. Eine Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.
Daher entsprach die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages insoferne nicht dem Gesetz, als der Antrag richtigerweise zurückzuweisen gewesen wäre. Durch die Bestätigung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages an Stelle seiner Zurückweisung durch die Behörde zweiter Instanz wurde die Beschwerdeführerin jedoch nicht in Rechten verletzt, sodass auch die Abweisung der Berufung gegen die Bestätigung der Abweisung mit dem angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt. Es ist bei dieser Sach- und Rechtslage auch nicht auf die Frage einzugehen, ob der Antrag rechtzeitig gestellt war oder auch wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen wäre.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages richtet, abzuweisen.
5. § 25 Vermessungsgesetz, BGBl. Nr. 306/1968, lautet:
"(1) In der Grenzverhandlung ist von den erschienenen beteiligten Eigentümern nach Vorhalt der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) der Verlauf der Grenzen festzulegen und in der Weise zu kennzeichnen, wie sie § 845 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Kommen die Eigentümer der Kennzeichnungspflicht nicht nach, so ist die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen.
(2) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Läßt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt.
(3) Wird eine von einem Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 eingebrachte Klage rechtskräftig abgewiesen, so gilt im Verhältnis zu ihm der von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebene Grenzverlauf als richtig.
(4) Bringt ein Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 einen Antrag auf Berichtigung der Grenze nach den §§ 850 ff. des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ein, so steht den Parteien die Möglichkeit, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen (§ 851 Abs. 2 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), nur innerhalb von sechs Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des außerstreitigen Verfahrens offen.
(5) Kommt der Eigentümer der Aufforderung nach Abs. 2 nicht fristgerecht nach oder setzt er ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fort, so ist er als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen.
(6) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist ein gerichtliches Verfahren anhängig, so sind hierauf die Bestimmungen der Abs. 3 bis 5 sinngemäß anzuwenden."
Gemäß Art. II Abs. 2 Z 35 EGVG ist das AVG auf das behördliche Verfahren des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen, der Eichämter und der Vermessungsämter anzuwenden. Soweit sich aus dem Vermessungsgesetz nicht anderes ergibt, sind somit auch die §§ 40 bis 44 AVG im Verfahren nach den §§ 15 ff. Vermessungsgesetz anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/06/0078, sowie Dietrich/Hrbek/Kaluza, Das österreichische Vermessungsrecht, Anmerkung 1 zu § 25 Vermessungsgesetz).
§ 25 Vermessungsgesetz kann aber bei Beurteilung der Frage, welche Folgen das Übergehen eines Nachbarn hat, als eine derartige Bestimmung, die etwas anderes als das AVG vorsieht, verstanden werden. Gemäß § 25 Abs. 2 VermG ist im Falle der Nichteinigung der Eigentümer über den Grenzverlauf jener Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, ein gerichtliches Verfahren zur Bereinigung des Grenzverlaufes anhängig zu machen. Während (jedenfalls etwa für das Baurecht) der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Auftretens einer übergangenen Partei keine Verpflichtung zur Wiederholung der mündlichen Verhandlung angenommen hat, kann auf Grund der damit gegebenen besonderen Funktion der Grenzverhandlung nach § 25 VermG davon ausgegangen werden, dass im Falle des Vorliegens einer übergangenen Partei im Verfahren nach dem Vermessungsgesetz jedenfalls eine Wiederholung der Verhandlung durchzuführen ist.
Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass der nicht zur Grenzverhandlung erschienene Nachbar "keinesfalls einen umfassenden Rechtsverlust erleide", sondern die Grenze aufgrund der Behelfe festzusetzen sei und der Rechtsverlust sich "auf die Präklusion von Einwendungen im Sinne des § 42 AVG" beschränke, so verkennt sie die Funktion verfahrensrechtlicher Vorschriften, die mit dem Teilnahmerecht an einer mündlichen Verhandlung und den Einwendungsmöglichkeiten auch den Verlust der prozessualen Verfolgbarkeit von Rechten verbindet, wie dies auch bei § 25 VermG der Fall ist. Dabei ist unerheblich, ob im Fall der Versäumung einer Grenzverhandlung nach § 25 VermG Präklusion im Sinn des § 42 AVG eintritt oder nicht. Auch wenn - wie die belangte Behörde insofern in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin annimmt - § 25 VermG davon ausgehen sollte, dass auch im Fall der Versäumung der Verhandlung nicht allein aufgrund der Behauptungen des Antragstellers zu entscheiden sei, womit die belangte Behörde gerade keine Präklusion annähme, könnte auch dieser Umstand nicht die sanktionslose Verweigerung der Mitwirkungsrechte des Nachbarn rechtfertigen, ist doch mit der Teilnahme an der Verhandlung jedenfalls die Möglichkeit der Bestreitung des Grenzverlaufes, wie er sich aus den Behelfen ergibt, mit der dargestellten Rechtsfolge des § 25 Abs. 2 VermG verbunden.
Im Fall des Übergehens eines Nachbarn im Verfahren nach den §§ 17 und 20 iVm § 25 VermG ist daher die Verpflichtung der Behörde zur Durchführung der Grenzverhandlung mit dem übergangenen Nachbarn gegeben.
Nach den obigen Ausführungen ist die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ladung zur Grenzverhandlung der Beschwerdeführerin wirksam zugestellt wurde. Die Behörde zweiter Instanz hätte daher die Berufung nicht mit Hinweis auf die erfolgte Ladung der Beschwerdeführerin abweisen dürfen. Dadurch, dass die belangte Behörde diesen Mangel nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
6. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abänderung des zweitinstanzlichen Bescheides im Zusammenhang mit der Berufung gegen den am 6. März 1995 zugestellten Bescheid der Behörde erster Instanz richtet, ist folgendes auszuführen:
Der am 6. März 1995 der Beschwerdeführerin zugestellte Bescheid spricht über die gleiche Sache ab, die Gegenstand des der Beschwerdeführerin bereits am 23. Februar 1995 zugestellten Bescheides war. Beide Bescheide sind gleich datiert (30.11.1994) und unterscheiden sich im Spruch nur durch den oben wiedergegebenen Zusatz. Die Begründung ist im wesentlichen übereinstimmend. Aus der Begründung ergibt sich eindeutig, dass die Behörde erster Instanz in beiden Fällen über denselben Antrag der Republik Österreich abspricht.
Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass nicht das gleiche Schriftstück mehrfach zugestellt wurde (§ 6 Zustellgesetz), sondern dass die Behörde erster Instanz in derselben Sache neuerlich entschieden hat. Durch die abweichende Formulierung des Spruches kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur eine zweimalige Zustellung desselben Bescheides vorliege.
Es ist im Beschwerdefall nicht der Frage nachzugehen, welche Rechtswirkungen aufgrund der Rechtskraft des zweiten Bescheides gegeben sind (ob dem ersten Bescheid derogiert wurde):
gleichgültig, ob man mit Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 462, annimmt, dass beide Bescheide dem Rechtsbestand angehören, oder aber eine Derogation des ersten Bescheides durch den zweiten Bescheid annimmt, gehört in beiden Fällen jedenfalls der spätere Bescheid dem Rechtsbestand an. Die Partei (im Beschwerdefall die Beschwerdeführerin) hat daher jedenfalls ein subjektives Recht auf beseitigen des Bescheides, soweit dieser nicht rechtmäßig ist. Dabei ist es wiederum gleichgültig, ob sich die Rechtswidrigkeit bereits aus dem Umstand ergibt, dass neuerlich entschieden wurde, oder ob eine Rechtswidrigkeit erst vorliegt, wenn sich die Entscheidung inhaltlich als verfehlt erweist.
Es ist daher jedenfalls rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Berufung gegen den zweiten Bescheid zurückzuweisen war. Durch die Zurückweisung der Berufung verbliebe der am 6. März 1995 zugestellte Bescheid im Rechtsbestand (und würde selbst durch die mit dem vorliegenden Erkenntnis erfolgende Aufhebung des angefochtenen Bescheides, soweit er die Berufung gegen den am 23. Februar 1995 zugestellten Bescheid betrifft, in seinem Bestand nicht berührt, wollte man nicht - wogegen aber auch gute Gründe sprechen - davon ausgehen, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden einer jener Fälle gegeben sei, in denen mit der Aufhebung eines Bescheides auch bestimmte, nachfolgend erlassene Bescheide automatisch in Wegfall gerieten; vgl. etwa Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 398 ff). Gleichgültig, ob man annimmt, dass ein neuerlicher Bescheid in einer Angelegenheit, in der bereits eine Entscheidung erging, die jedoch nicht rechtskräftig entschieden ist, schon aus dem Grund rechtswidrig ist, weil keine neuerliche Entscheidung ergehen hätte dürfen (vgl. demgegenüber Walter/Mayer, a.a.O., Rz 463, die den Beginn der Unwiederholbarkeit erst mit der Rechtskraft annehmen), oder aber ob man eine neue Entscheidung vor Eintritt der Rechtskraft grundsätzlich für zulässig hält, erweist sich die Abänderung des Spruches der Behörde zweiter Instanz in diesem Zusammenhang als rechtswidrig:
Da der Bescheid als solcher selbständig existent wurde, war eine Berufung gegen ihn zulässig. Die Zurückweisung der Berufung verletzte die Beschwerdeführerin daher in ihrem Recht auf Entscheidung über die Berufung.
Der angefochtene Bescheid war daher auch insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für die ergänzende Stellungnahme angesprochenen Schriftsatzaufwand, da Schriftsatzaufwand im VwGG nur für die Beschwerde vorgesehen ist.
Wien, am 17. Dezember 1998
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995060254.X00Im RIS seit
18.02.2002