TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W154 2219772-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W 154 2219772-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Nicaragua, vertreten durch RA Mag. Juraczka, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019 zur Zl. 1025811101 - 190547702/BMI-BFA_WIEN_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 29.05.2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 29.05.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 29.05.2019 zugestellt.

Am 05.06.2019 langte die Schubhaftbeschwerde des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen.

Die Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Fluchtgefahr im Fall des BF nicht gegeben sei, zumal der BF in Österreich behördlich gemeldet sei, sich in der Wohnung auch aufhalte, wie auch seine Festnahme am 29.05.2019 zeige. Des Weiteren verweist der BF auf die Tatsache, dass seine Frau hochschwanger sei, was ebenfalls gegen eine Fluchtgefahr spreche. Darüber hinaus hätten sich zahlreiche Verwandte des BF in Österreich niedergelassen, zu denen der BF eine enge Beziehung pflegen würde und die ihn auch finanziell unterstützen würden.

Des Weiteren macht die Beschwerde Unverhältnismäßigkeit der Haft und die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels geltend.

Auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung wurden dem Bundesverwaltungsgericht in Folge vom BFA die Verwaltungsakten übermittelt und eine Stellungnahme erstattet. Darin führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Der Beschwerdeführer (Bf.) reiste lt. vorliegendem Reisepass am 19.10.2012 nach Spanien ein und ist seit dem 20.10.2012 im österreichischen Bundesgebiet aufrecht gemeldet.

Am 17.07.2014 wurde der Reisepass des Bf. sichergestellt. Der Bf. wurde für den 29.08.2014 geladen und kam dieser Ladung nicht nach.

Am 03.09.2014 stellte der Bf. einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG und begründete diesen Antrag damit, dass seine Gattin und sein Kind mit gültigen Aufenthaltstiteln nach dem NAG in Österreich aufhältig wären.

Der Bf. wurde für den 06.02.2015 geladen und wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag negativ zu entscheiden und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Er wurde darüber belehrt, dass aufgrund der familiären Konstellation ein Aufenthaltstitel allenfalls von der NAG-Behörde zu prüfen wäre.

Am 08.04.2015 zog der Bf. seinen Antrag gem. § 55 Abs. 1 AsylG zurück.

Mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 08.06.2015 wurde dem Bf. ein schriftliches Parteiengehör gewährt und wurde er darüber informiert, dass beabsichtigt ist, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Es wurde ihm eine Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt, die er ungenutzt verstreichen ließ.

Der Bf. stellte am 25.06.2015 auf dem Postweg einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel nach dem NAG.

Mit Urteil des BG FUENFHAUS 014 U 44/2015w vom 25.06.2015 RK 30.06.2015 wurde der Bf. wegen Verstößen nach § 15 StGB § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen bedingt verurteilt und wurde die Bewährungshilfe angeordnet.

Mit Bescheid vom 25.08.2015 wurde der Antrag des Bf. von der NAG-Behörde zurückgewiesen, da er bei der Herstellung eines Aufenthaltstitels erforderlichen erkennungsdienstlichen Daten nicht mitgewirkt und nicht persönlich bei der Behörde vorgesprochen hatte.

Am 19.12.2017 wurde neuerlich der Reisepass des Bf. sichergestellt.

Mit Ladung vom 04.01.2018 wurde der Bf. für den 18.01.2018 zur niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA geladen. Diesem Ladungstermin blieb der Bf. unentschuldigt fern.

Mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 18.01.2018 wurde dem Bf. ein schriftliches Parteiengehör gewährt und wurde er darüber informiert, dass beabsichtigt ist, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Es wurde ihm eine Frist von 14 Tagen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Der Bf. ersuchte über seinen rechtsfreundlichen Vertreter jeweils am 07.02.2018, am 21.02.2018 und am 07.03.2018 um Erstreckung der Frist für die Abgabe einer Stellungnahme. In der schriftlichen Stellungnahme vom 28.03.2018 gab der Bf. im Wesentlichen an, dass seine Kinder ein Recht auf ihren Vater hätten und wäre er praktizierender Priester, sodass seine Interessen an einem Verbleib überwiegen würden.

Mit Bescheid vom 24.07.2018 wurde gegen den Bf. eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die vom Bf. eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 30.01.2019 als unbegründet abgewiesen.

Die Abschiebung des Bf. wurde für den 11.03.2019 organisiert und wurde der Bf. mittels Ladungsbescheid für den 04.03.2019 zum BFA geladen.

Es wurde mehrfach erfolglos zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten durch die LPD Wien versucht den Ladungsbescheid zuzustellen und wurden auch Verständigungszettel hinterlassen, auf die der Bf. nicht reagierte. Befragungen von Hausparteien ergaben, dass der Bf. vermutlich an seiner Meldeanschrift nicht mehr aufhältig ist.

Am 23.04.2019 wurde gegen den Bf. ein Festnahmeauftrag ausgeschrieben.

Am 21.05.2019 wurde die LPD Wien um Hauserhebung sowie Vollziehung des Festnahmeauftrages bei Antreffen des Bf. ersucht.

Der Bf. konnte am 29.05.2019 festgenommen werden und wurde er ins PAZ-HG verbracht.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.05.2019 gab der Bf. im Wesentlichen an, dass ihm die Polizei der Erlaubnis zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegeben hätte und wäre er deshalb seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er habe zudem weder Ladungen noch Bescheide erhalten und hätte ihm sein Anwalt auch nichts übermittelt.

Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme wurde zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Mangels ausreichend vorhandener Geldmittel zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung, der Bf. und seine Gattin mitsamt den Kindern sind angewiesen auf finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige, kam die Hinterlegung eines Sicherstellungsbetrages nicht in Betracht.

Eine freiwillige Ausreise nach Nicaragua kam für den Bf. nicht in Betracht, da er nicht über ausreichend Barmittel verfügt, um seine Ausreise, bzw. den Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet bis zur Ausreise aus eigenem mit legalen Mitteln zu bestreiten, und hat er auch keine Chance, sich diese Geldmittel auf legalem Wege zu verdienen. Zudem war er trotz bestehender Ausreiseverpflichtung auch bisher nicht gewillt dieser Folge zu leisten, sondern entzog sich dem Verfahren.

Die Verhängung des Gelinderen Mittels kam für den Bf. ebenfalls nicht in Betracht, da er schon bisher seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen war, mehrmals Ladungstermine nicht befolgte und bestritt überhaupt eine Ladung oder einen Bescheid erhalten zu haben. Zudem behauptete er beharrlich, dass ihm ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet von der Polizei erlaubt worden wäre. Er war bislang nur sehr schwer für die Behörde greifbar trotz aufrechter Meldung, lt. Angaben von Hausparteien war er an seiner Meldeanschrift nicht mehr aufhältig und reagierte er auch nicht auf hinterlassene Verständigungszettel der LPD. Das unmittelbar vor der Festnahme erfolgte Betreten des Hauses kann auch im Zuge eines Besuches gewesen sein, dafür spricht, dass es zahlreicher Versuche der LPD zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten brauchte um seiner habhaft zu werden, und musste deswegen auch bereits eine organisierte Abschiebung storniert werden.

Somit hätte ihn auch eine angeordnete Unterkunftnahme nicht vom neuerlichen Untertauchen abgehalten, sondern hätte er lediglich seinen unrechtmäßigen Aufenthalt weiterhin im Bundesgebiet im Verborgenen fortgesetzt, wie er es auch bisher getan hat.

Daher musste von einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen werden und wurde als ultimo ratio über den Bf. zum Zweck der Sicherung der Abschiebung nach Nicaragua die Schubhaft angeordnet.

Von der Bf. wurden keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht, es gab keinerlei Anzeichen für eine allfällige Haftunfähigkeit, und kann ihm auch im Stande der Schubhaft adäquate medizinische Hilfe geboten werden, sollte sich sein Gesundheitszustand verschlechtern. Zudem ist im PAZ eine Sanitätsstelle eingerichtet, jeder Häftling wird dem Amtsarzt vorgeführt und besteht für den Bf. auch die Möglichkeit zusätzlich auf eigenen Wunsch nochmals dem Amtsarzt vorgeführt zu werden.

Der Bf. verfügt über einen gültigen Reisepass und ist beabsichtigt ihn am 20.06.2019 nach Nicaragua abzuschieben."

In der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde abschließend die Abweisung der Beschwerde sowie die Feststellung gemäß § 83 Abs. 4 FPG, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Nicaragua und nicht österreichischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der BF reiste im Oktober 2012 in das Bundesgebiet ein.

Mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018, Zl. IFA- 1025811101/VZ- 180009053, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nicaragua zulässig sei (Spruchpunkt III.) und eine Frist für eine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid des BFA erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.01.2019, Zahl: G301 2204907-1/5Z, gekürzte Ausfertigung des am 30.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 18.02.2019, Zahl: G301 2204907-1/7E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Verhandlungsprotokoll zusammen mit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.01.2019 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF am 31.01.2019, die gekürzte schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses am 19.02.2019 zugestellt.

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 29.05.2019 zugestellt. Die Schubhaft wird gegenwärtig im Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, vollzogen.

Der BF hält sich seit 2012 in Österreich auf. Der BF ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung bis heute nicht nachgekommen.

In Österreich verfügt der BF über familiäre Anknüpfungspunkte, so leben seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder sowie Verwandte des BF in Österreich. Die Ehefrau des BF ist im 8. Monat schwanger. Die Ehefrau sowie die beiden Kinder des BF sind zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Anhaltspunkte für eine umfassende Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht sind - trotz des mehrjährigen Aufenthalts - nicht hervorgekommen. Der BF wird seitens seiner in Österreich lebenden Verwandten finanziell unterstützt.

Der BF ist seit 22.10.2012 durchgehend an Wiener Adressen, zum überwiegenden Teil mit Hauptwohnsitz, meldeamtlich gemeldet, der BF wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern. An der aktuellen Adresse wurde der BF am 29.05.2019 festgenommen und in Folge über ihn die gegenständliche Schubhaft angeordnet.

Der BF wurde mit Urteil des BG FUENFHAUS vom 25.06.2015, RK 30.06.2015, 014 U 44/2015w, wegen Verstößen nach § 15 StGB § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen bedingt verurteilt und die Bewährungshilfe angeordnet.

Es gibt keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der BF nach Entlassung aus der Schubhaft dem Zugriff der Behörden umgehend entziehen würde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Strafregister sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung hinsichtlich der aufrechten Wohnsitzmeldung ergibt sich aus einer Abfrage beim Zentralen Melderegister.

Im Übrigen beruht der oben festgestellte Sachverhalt auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, auf Grundlage der Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Die Feststellung, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF nach einer Entlassung aus der Schubhaft sich umgehend der Zugriffsmöglichkeit der Behörden entziehen würde, stützt sich darauf, dass der BF seit Oktober 2012 durchgehend an Wiener Adressen, zum überwiegenden Teil mit Hauptwohnsitz, meldeamtlich gemeldet ist. An der aktuellen Adresse wurde der BF am 29.05.2019 auch festgenommen. An der genannten Adresse lebt der BF zusammen mit seiner in Österreich zum Aufenthalt berechtigten Ehegattin und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern, im kommenden Juli erwartet die Ehefrau des BF das dritte gemeinsame Kind. In Österreich leben auch nahe Verwandte des BF, die den BF und dessen Familie finanziell unterstützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog gegeben, dies insbesondere in Hinblick auf den jahrelangen illegalen Aufenthalt des BF sowie die mangelnde soziale und (legale) berufliche Anbindung des BF in Österreich. Auch hat sich der BF der Behörde und auch dem Bundesverwaltungsgericht gegenüber in Bezug auf diverse Ladungen in der Vergangenheit äußerst unkooperativ verhalten.

3.1.4. Die angeordnete Schubhaft ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes nicht als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt hätte Gebrauch machen müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung des BF als ausreichend erachtet. Der BF ist zum einen seit Oktober 2012 durchgehend an Wiener Adressen, zum überwiegenden Teil mit Hauptwohnsitz, meldeamtlich gemeldet. An der aktuellen Adresse wurde der BF am 29.05.2019 auch festgenommen. Zum anderen lebt der BF zusammen mit seiner in Österreich zum Aufenthalt berechtigten Ehegattin sowie den beiden gemeinsamen Kindern in einer Wohnung, die Ehefrau des BF erwartet darüber hinaus in wenigen Wochen das dritte gemeinsame Kind, weshalb der BF durchaus persönliche Bindungen zu Österreich aufweist. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat zwar häufig Ladungen staatlicher Institutionen negiert, hat aber in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat.

Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 18.02.2019 für rechtswidrig zu erklären.

3.1.6. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. - Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Aufgrund obiger Erwägungen - des Nichtvorliegens ihrer Notwendigkeit - war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.

3.4. Zu Spruchpunkt V. - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

familiäre Situation, gelinderes Mittel, Kostenersatz,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2219772.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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