TE Vwgh Beschluss 2019/5/28 Ra 2019/22/0105

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2019
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
NAG 2005 §24
NAG 2005 §30 Abs1

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des I N, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. März 2019, VGW-151/007/11813/2018- 31, betreffend Wiederaufnahme von Verfahren nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem serbischen Staatsangehörigen, wurde über Antrag vom 26. März 2015 aufgrund seiner Ehe mit der in Österreich über einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügenden serbischen Staatsangehörigen M V ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt, der in der Folge bis zum 30. April 2017 verlängert wurde. Die Ehe zwischen dem Revisionswerber und M V wurde am 28. Oktober 2016 geschieden. Am 31. März 2017 stellte der Revisionswerber einen (nicht mehr auf die Ehe mit M V gestützten) Zweckänderungsantrag, dem stattgegeben wurde.

2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 24. Juli 2018 wurden die drei (auf Grund der Anträge des Revisionswerbers vom 26. März 2015, vom 3. März 2016 und vom 31. März 2017 geführten) rechtskräftig abgeschlossenen Aufenthaltstitelverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder aufgenommen. Der Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen. Die Verlängerungsbzw. Zweckänderungsanträge wurden mangels Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG abgewiesen. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. März 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass in Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides (betreffend die Abweisung der drei Anträge auf Titelerteilung) die Formulierung sowie die Rechtsgrundlagen richtiggestellt bzw. konkretisiert wurden. Dem Revisionswerber wurde der Ersatz näher bestimmter Barauslagen auferlegt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass es sich bei der Ehe des Revisionswerbers mit M V (nach einer erneuten Eheschließung am 3. Juni 2017 nunmehr M C) um eine bloße Aufenthaltsehe gehandelt habe, geschlossen zum Zweck des Erwerbs eines Aufenthaltstitels. Ein gemeinsames Familienleben zwischen dem Revisionswerber und M C habe nicht festgestellt werden können und der Revisionswerber habe auch keine Belege dafür angeboten (die angekündigte Namhaftmachung von Zeugen sei nicht erfolgt). Vielmehr habe M C (auch während aufrechter Ehe mit dem Revisionswerber) eine tatsächliche Lebensgemeinschaft mit ihrem nunmehrigen Ehemann Z C geführt. Das Verwaltungsgericht ging weiter davon aus, dass eine dauerhafte Verbindung des Revisionswerbers zu seiner nunmehrigen Ehefrau S K (diese Eheschließung sei am 9. September 2017 erfolgt) bestanden habe, mit der er zwei gemeinsame, 2006 und 2010 geborene Kinder habe. Dabei stützte sich das Verwaltungsgericht insbesondere auf einen Erhebungsbericht der Landespolizeidirektion Wien vom 7. Mai 2018 samt den (im Akt befindlichen) zahlreichen Screenshots der Facebook-Profile von M C und Z C sowie auf die in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2019 erfolgten Vernehmungen des Revisionswerbers und mehrerer Zeugen.

In seinen Anträgen vom 26. März 2015 und vom 3. März 2016 habe sich der Revisionswerber - so das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung - auf seine Ehe mit M C berufen, sodass von einem "Erschleichen" im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG auszugehen sei. Die durch das Berufen auf die Aufenthaltsehe herbeigeführte positive Erledigung des Erstantrages sei Voraussetzung für die Beurteilung (und Bewilligung) der nachfolgenden Verlängerungs- und Zweckänderungsanträge. Insofern schlage das Erschleichen des ersten Aufenthaltstitels "auf alle unmittelbar in der Verlängerungskette folgenden Verlängerungs- /Zweckänderungsverfahren durch". Im Ergebnis seien daher alle über die Anträge des Revisionswerbers ergangenen Entscheidungen erschlichen worden. Die drei Anträge und Titelerteilungen stünden insoweit "in einem unauflösbaren Zusammenhang". Die Wiederaufnahme sei somit zu Recht erfolgt.

Im Hinblick auf die erfolgte Scheidung von M C sei der Revisionswerber nicht mehr Familienangehöriger einer Zusammenführenden. Im Fall der Scheidung sehe § 27 NAG zwar unter bestimmten Voraussetzungen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht vor. Voraussetzung sei aber, dass bereits ein Aufenthaltstitel vorhanden gewesen sei, was vorliegend im Hinblick auf die Wiederaufnahme und die Abweisung des Erstantrages nicht der Fall sei. Es seien daher alle drei Anträge auf Titelerteilung abzuweisen gewesen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, es sei für jedes einzelne Verfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gegeben seien. Hinsichtlich des nach der Ehescheidung durchgeführten Verfahrens, in dem sich der Revisionswerber nicht mehr auf die Ehe berufen habe, liege kein "Erschleichen" vor und seien somit die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht erfüllt.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG dann vor, wenn dieser in der Art zu Stande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/22/0250, Rn. 11, mwN). 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorlage einer falschen Urkunde bereits festgehalten, diese führe - auch wenn die Vorlage nur im Verfahren über die erstmalige Aufenthaltstitelerteilung erfolgt sei - (auch) zur Wiederaufnahme der Verfahren über die nachfolgenden Verlängerungsanträge (siehe VwGH 19.1.2012, 2010/22/0031; 23.2.2012, 2009/22/0138). Da die durch die Urkundenvorlage herbeigeführte positive Erledigung des Erstantrags Voraussetzung für die Beurteilung der nachfolgenden Anträge als Verlängerungsanträge und für deren Erfolg war, wurde durch die Urkundenvorlage im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG bewirkt, dass die Behörde die Verlängerungsanträge bewilligt hat. Diese mittelbare Wirkung der Vorlage einer falschen Urkunde für die Verlängerungsverfahren besteht auch dann, wenn das Verfahren über die Erstbewilligung nicht wieder aufgenommen wurde (vgl. zu allem erneut VwGH 2010/22/0031).

9 Nichts anderes gilt für ein Erschleichen eines ersten Aufenthaltstitels durch das Berufen auf eine Aufenthaltsehe. Im gegenständlichen Fall war das Berufen auf die Aufenthaltsehe in den ersten beiden Verfahren und die dadurch herbeigeführte positive Erledigung dieser Anträge Voraussetzung für die Titelerteilung im Zweckänderungsverfahren und hat diese Titelerteilung somit - mittelbar - bewirkt (eine derartige mittelbare Wirkung wurde vom Verwaltungsgerichtshof im Verhältnis zwischen einem Erstantrag und darauf aufbauenden Verlängerungsanträgen - wie dargestellt - bereits anerkannt). Diesen für die positive Erledigung im Zweckänderungsverfahren wesentlichen Umstand hat der Revisionswerber in diesem Verfahren auch verschwiegen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte zudem bereits amtswegige Wiederaufnahmen von Aufenthaltstitelverfahren zu beurteilen, bei denen der (jeweils) letzte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der erfolgten Scheidung (und somit ohne ausdrückliche Berufung auf die vormalige Ehe in diesem Verfahren) gestellt worden war, und er hat dabei eine Wiederaufnahme (auch) dieser Verfahren unbeanstandet gelassen (vgl. neuerlich VwGH Ra 2018/22/0250; 4.10.2018, Ra 2018/22/0174). Ausgehend davon ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Zweckänderungsverfahrens einen Wiederaufnahmegrund als gegeben angenommen hat.

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220105.L00

Im RIS seit

01.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten