TE Vwgh Beschluss 2019/6/25 Ra 2019/10/0061

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2
VwRallg

Betreff

? Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des O Z in K, vertreten durch Mag. Herbert Juri, Mag. Thomas Schuster, Mag. Christian Thon und Mag. Stefan Zankl, Rechtsanwälte in 9400 Wolfsberg, Roßmarkt 13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 6. März 2019, Zl. KLVwG-280/2/2019, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages i.A. des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadt Klagenfurt am Wörthersee), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. März 2019 wies das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Belang - einen Antrag des Revisionswerbers vom 8. Februar 2019, ihm die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 23. August 2017, KLVwG-2139/20/2015, abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGVG zu bewilligen, ab.

2 Mit dem erwähnten, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 23. August 2017 wurden der Antrag des Revisionswerbers auf (teilweise nachträgliche) Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung für eine Rodung im Gesamtausmaß von etwa 8.000 m2 auf seinem im Europaschutzgebiet Lendspitz-Maiernigg gelegenen Grundstück gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 3 Kärntner Naturschutzgesetz 2002 - K-NSG 2002 - sowie §§ 3 und 5 der Verordnung über die Erklärung des Gebietes Lendspitz-Maiernigg zum Europaschutzgebiet abgewiesen und dem Revisionswerber gemäß § 57 K-NSG 2002 der Auftrag erteilt, auf diesem Grundstück "den rechtmäßigen Zustand des geschlägerten Bruchwaldes" im Ausmaß von ca. 4.750 m2 binnen eines Jahres durch Wiederaufforstung auf näher bestimmte Weise herzustellen. (Eine Revision gegen dieses Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. November 2017, Ra 2017/10/0177, zurück.) 3 Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe in seinem Wiederaufnahmeantrag vorgebracht, aufgrund von Ausführungen des Sachverständigen DI Dr. H.S. vom 29. Jänner 2019 sei klar, dass die Aussagen von zwei Sachverständigen (auf denen das mit dem Erkenntnis vom 23. August 2017 abgeschlossene, wiederaufzunehmende Verfahren beruhe) falsch seien, weshalb dieses Erkenntnis durch ein "falsches Zeugnis" im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG herbeigeführt worden sei. Außerdem sei dem Revisionswerber erst aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen DI Dr. H.S. vom 29. Jänner 2019 bekannt geworden, dass es sich bei dem gegenständlichen Grundstück ursprünglich um eine feuchte Wiese gehandelt habe, welche erst Mitte des 20. Jahrhunderts in Richtung eines Fichten-Föhrenwaldes verändert worden sei; diese Tatsache habe der Revisionswerber im wiederaufzunehmenden Verfahren ohne sein Verschulden nicht geltend machen können, was den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstelle. 4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG beinhalte den Wiederaufnahmegrund der "gerichtlich strafbaren Handlung"; eine gerichtlich strafbare Handlung habe der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, dass sowohl der von der belangten Behörde als auch der vom Verwaltungsgericht beigezogene Amtssachverständige ein falsches Gutachten erstellt hätte, nicht behauptet, weshalb der Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG auszuschließen sei. 5 Was das Vorbringen des Revisionswerbers zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG anlange (dass nämlich das gegenständliche Grundstück früher eine feuchte Wiese gewesen und erst Mitte des 20. Jahrhunderts in Richtung eines Fichten-Föhrenwaldes verändert worden sei) sei zunächst auszuführen, dass auch für eine naturschutzrechtliche Beurteilung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich sei (Hinweis auf VwGH 18.6.1990, 89/10/0204, VwSlg. 13.219 A); es sei daher nicht entscheidungswesentlich gewesen, ob zu einem früheren Zeitpunkt ein Zustand (feuchte Wiese) gegeben gewesen sei, der dem vom Revisionswerber beantragten Projekt (dem die naturschutzrechtliche Bewilligung versagt worden war) gleiche.

6 Außerdem seien nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung eingeholte Sachverständigengutachten nicht "neu hervorgekommen", sondern neu entstanden und könnten schon deshalb nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein. Da der Revisionswerber somit keine Wiederaufnahmegründe im Sinn des § 32 Abs. 1 VwGVG geltend machen habe können, sei dessen Antrag abzuweisen.

7 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 3. Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich nach dem darin geltend gemachten Revisionspunkt (zu dessen Bedeutung vgl. etwa den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2019/10/0064, mwN) ausschließlich gegen die wiedergegebene Abweisung des Wiederaufnahmeantrages des Revisionswerbers vom 8. Februar 2019.

11 3.1. Soweit sich der Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsausführungen zunächst gegen die bloß formelhafte Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Nichtzulassung der Revision wendet, bringt der Revisionswerber nicht im Ansatz vor, weshalb die angefochtene Entscheidung seiner Meinung nach von der hg. Rechtsprechung abweiche.

12 Im Übrigen führt der Umstand, dass das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht näher begründet hat, für sich alleine noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären (vgl. etwa die Nachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, E 32 und 33 zu § 25a VwGG).

13 3.2. Zur Bekämpfung der vom Verwaltungsgericht nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG vorgenommenen Beurteilung bringt der Revisionswerber im Weiteren vor, er habe im Antrag auf Wiederaufnahme angeführt, dass die Ausführungen der Amtssachverständigen "objektiviert widerlegt" worden seien und daher der "dringende Verdacht einer falschen Gutachtenserstattung im Sinne § 32 Abs. 1 Ziffer 1 VwGVG" bestehe.

14 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass mit diesem Vorbringen eine "gerichtlich strafbare Handlung", auf welche § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG abstellt, nicht behauptet worden sei, wirft allerdings eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf:

15 Zum einen beschränkte sich das Vorbringen des Revisionswerbers in seinem Antrag darauf, einen "dringenden Verdacht" zu formulieren; zum anderen gibt es eine gerichtlich strafbare Handlung einer "falschen Gutachtenserstattung" im Sinne § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht. Das dem Revisionswerber offenbar vor Augen stehende Delikt der "Falschen Beweisaussage" gemäß § 288 Abs. 1 dritter Fall StGB setzt die vorsätzliche Erstattung eines falschen Befundes oder eines falschen Gutachtens durch den Sachverständigen voraus (vgl. etwa Fabrizy, StGB13, Rz 12 zu § 288); eine derartige Behauptung ist dem vom Verwaltungsgericht erledigten Wiederaufnahmeantrag des Revisionswerbers nicht zu entnehmen.

16 Dem Verwaltungsgericht kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es nicht von einer ausreichend konkretisierten Darlegung des Wiederaufnahmegrundes des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausgegangen ist (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 56 zu § 69, mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

17 3.3. In seinem weiteren, auf die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG bezogenen Zulässigkeitsvorbringen hebt der Revisionswerber hervor, dass nach hg. Rechtsprechung Gutachten von Sachverständigen bezüglich Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen könnten (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb a.a.O. Rz 33 angeführte Judikatur), lässt aber die Begründungsausführungen des Verwaltungsgerichts zur anzuwendenden Sach- und Rechtslage außer Betracht.

18 3.4. Soweit im Folgenden der Entfall einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aspekt gerügt wird, im Rahmen einer Verhandlung hätten die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (näher) dargestellt werden können, ist dem mit der hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, dass nach Ablauf der zweiwöchigen Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrags weder die Wiederaufnahmegründe ausgetauscht noch neue Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden dürfen; insofern ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme an die von der Partei fristgerecht vorgebrachten Gründe gebunden (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb a.a.O. Rz 56). Da § 32 VwGVG inhaltlich weitgehend § 69 AVG entspricht, kann auch insofern auf das bisherige Verständnis des § 69 AVG zurückgegriffen werden (vgl. etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2018/10/0095, mwN).

19 Aus diesem Grund gelingt es dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. dazu etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2015/10/0127, mwN).

20 3.5. Auch mit dem weiteren Vorbringen des Revisionswerbers zu einem Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses im Zusammenhang mit der vorgelegten Stellungnahme des DI Dr. H.S. wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 11.4.2018, Ra 2017/12/0053, oder 28.2.2019, Ra 2018/12/0023, jeweils mwN).

21 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2019

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100061.L00

Im RIS seit

25.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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