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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ApG 1907 §29 Abs1Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der M R in N, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts
Steiermark vom 21. Dezember 2018, Zl. LVwG 48.25-2747/2016-35, betreffend Versagung der Parteistellung in Angelegenheit der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murau; mitbeteiligte Partei: F D in S, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser in 4600 Wels, Maria-Theresia Straße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 2016 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 29 Abs. 1 und § 53 des Apothekengesetzes (ApG) aufgrund seines Antrages vom 30. Juni 2016 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an seinem Berufssitz in S. ab 1. Oktober 2016 erteilt. Die dagegen von anderen Verfahrensparteien erhobenen Beschwerden wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: VwG) mit Erkenntnis vom 24. November 2016 ab, die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde wies es mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurück. Der dagegen erhobenen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2018, Ro 2017/10/0010, insofern statt, als der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde der Revisionswerberin wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das Vorliegen einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft im Verhältnis eines Konzessionsverfahrens zur Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zu einem Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in einer Ein-Arzt-Gemeinde sei zu verneinen. Im Sinn des § 48 Abs. 2 ApG sei den "Inhabern einer öffentlichen Apotheke" Parteistellung im Verfahren betreffend die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einzuräumen, wobei es darauf ankomme, ob die beantragte Apothekenkonzession im Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke rechtskräftig erteilt worden sei und ob ein rechtzeitig erhobener Einspruch vorliege. Das VwG habe in der Meinung, es komme nicht auf eine rechtskräftige Konzessionserteilung an, sondern auf die tatsächliche Inbetriebnahme der Apotheke, Ermittlungen dazu unterlassen.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 2016, erlassen am 27. Oktober 2016, wurde dem Antrag der Revisionswerberin vom 22. Juni 2016 auf Erteilung einer Konzession für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke in S. stattgegeben. Die dagegen vom Mitbeteiligten und einer weiteren Allgemeinmedizinerin erhobenen Beschwerden wurden mit Beschluss des VwG vom 5. Mai 2017, zugestellt am 15. Mai 2017, mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückgewiesen. 3 Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vom 21. Dezember 2018 gab das VwG der Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 2016, mit dem dem Mitbeteiligten die Bewilligung zur Führung einer ärztlichen Hausapotheke erteilt worden war, keine Folge. Begründend führte das VwG nach Darstellung des Verfahrensgangs und Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, Darlegung seiner Beweiswürdigung und Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, es sei in Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 24. Oktober 2018, Ro 2017/10/0010, zu prüfen, ob der Revisionswerberin im Hinblick auf eine allfällige Konvalidierung die Einspruchsberechtigung zugekommen sei und ein allfälliger Einspruch auch rechtzeitig erhoben worden sei. Ein hausapothekenführender Arzt, dessen Ordination weniger als vier Straßenkilometer von der künftigen Betriebsstätte einer neuen öffentlichen Apotheke entfernt sei und dessen Bewilligung zurückzunehmen sei, habe Parteistellung im Konzessionsverfahren betreffend die öffentliche Apotheke. Fallbezogen sei dem Mitbeteiligten mit Erkenntnis des VwG vom 24. November 2016, zugestellt am 28. November 2016, die in Rede stehende Hausapothekenbewilligung "damals" rechtskräftig erteilt worden. Da dem Mitbeteiligten ab dem 28. November 2016 aufgrund der Hausapothekenbewilligung auch Einspruchsberechtigung im Konzessionserteilungsverfahren zugekommen sei, sei sein Einspruch vom 29. Juli 2016 konvalidiert. Dies sei zu einem Zeitpunkt gewesen, als das VwG insbesondere über die rechtzeitige Beschwerde des Mitbeteiligten vom 15. November 2016 im Konzessionserteilungsverfahren für die öffentliche Apotheke der Revisionswerberin noch nicht entschieden hatte, sodass dem VwG im Beschwerdeverfahren gegen den am 27. Oktober 2016 erlassenen Konzessionserteilungsbescheid bis zur beschlussmäßigen Zurückweisungsentscheidung des VwG am 15. Mai 2017 eine Beschwerde des Mitbeteiligten vorgelegen sei, zu deren Erhebung er seit 28. November 2016, dem Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Hausapothekenbewilligung (Anmerkung: im ersten Rechtsgang) auch legitimiert gewesen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Konzessionserteilungsbescheid der Revisionswerberin vor diesem Hintergrund erst mit der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses vom 5. Mai 2017 am 15. Mai 2017, und nicht mit Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist am 25. November 2016, in Rechtskraft erwachsen sei.
4 Daraus folge, dass die Revisionswerberin im gegenständlichen Hausapothekenbewilligungsverfahren weder im Zeitpunkt ihres Einspruchs am 12. August 2016, noch in jenem der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 8. September 2016, einspruchsberechtigt gewesen sei. Auch zum Zeitpunkt ihrer Beschwerde am 5. Oktober 2016, ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 2016 sowie ihres Vorbringens anlässlich der Verhandlung am 18. November 2016 sei die Revisionswerberin nicht zum Einspruch berechtigt gewesen, zumal Rechtskraft ihres Konzessionserteilungsbescheides noch nicht vorgelegen sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 24. November 2016 sei am 28. November 2016, also vor Eintritt der Rechtskraft des Konzessionserteilungsbescheides, erlassen worden. Insofern vermöge das Verwaltungsgericht im Lichte der späteren Rechtskraft des Konzessionserteilungsbescheides (15. Mai 2017) im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung am 28. November 2016 nicht von einem fristgerechten und wirksamen Einspruch der Revisionswerberin im Hausapothekenbewilligungsverfahr en des Mitbeteiligten auszugehen.
5 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte erstatteten Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter näherer Begründung vor, das VwG habe die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Vorfragenentscheidung missachtet, indem es die Zulässigkeit der im Konzessionserteilungsverfahren der Revisionswerberin erhobenen Beschwerden trotz rechtskräftiger Vorfragenentscheidungen selbst beurteilt habe, und es sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Eintritt der Rechtskraft bei unzulässigen Rechtsmitteln und hinsichtlich der Wirkung aufhebender Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs nach § 42 Abs. 3 VwGG abgewichen.
8 Die Revision ist im Hinblick auf ihr Zulassungsvorbringen zulässig; sie ist auch begründet.
9 Das VwG hatte im fortgesetzten Verfahren die Parteistellung der Revisionswerberin im Verfahren über die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zu beurteilen, was u.a. die rechtskräftige Erteilung der von ihr beantragten Apothekenkonzession voraussetzt.
10 Das VwG verneinte diese Parteistellung unter Hinweis auf die rechtskräftige Erteilung der Hausapothekenbewilligung an den Mitbeteiligten mit dem am 28. November 2016 zugestellten Erkenntnis des VwG vom 24. November 2016. Mit Erlangung der Hausapothekenbewilligung sei die Beschwerde des Mitbeteiligten im Konzessionsverfahren der Revisionswerberin zulässig geworden, sodass die Konzessionserteilung erst mit der Zustellung des Beschlusses des VwG über die Zurückweisung dieser Beschwerde am 5. Mai 2017 in Rechtskraft erwachsen sei.
11 Dabei verkennt das VwG jedoch die Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2018:
12 Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses befunden hatte. Die mit dieser Bestimmung angeordnete ex-tunc-Wirkung von aufhebenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes hat zur Folge, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten gewesen wäre, als ob das angefochtene Erkenntnis nie erlassen worden wäre (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2014/07/0007; 28.4.2015, Ro 2015/18/0001, jeweils mwN). 13 Mit der ex tunc wirkenden Aufhebung des im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisses des VwG vom 24. November 2016 mit hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2018, Ro 2017/10/0010, trat das auf Antrag des Mitbeteiligten eingeleitete Verfahren zur Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in das Stadium vor Erlassung der aufgehobenen Entscheidung, somit in das Stadium des im Hinblick auf die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde offenen Beschwerdeverfahrens zurück.
14 Das aufgehobene Erkenntnis des VwG vom 24. November 2016 vermag aufgrund der Rückwirkung der Aufhebung keine Rechtswirkungen mehr zu entfalten, sodass sich die darauf aufbauende Beurteilung des VwG als rechtswidrig erweist. 15 In diesem Zusammenhang verkennt das VwG auch, dass hinsichtlich der von ihm zu beurteilenden Frage der Rechtskraft der der Revisionswerberin erteilten Apothekenkonzession die Vorfrage, ob die im Konzessionserteilungsverfahren eingebrachten Beschwerden unzulässig waren, als Hauptfrage mit Beschluss des VwG vom 5. Mai 2017 durch deren Zurückweisung abgesprochen worden war (vgl. VwGH 27.9.1994, 94/07/0054; 28.6.1994, 94/04/0031). 16 Eine bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung hat - soweit die Rechtskraft reicht - für die Behörde, für die die Frage, auf die sich die Entscheidung bezieht, eine Vorfrage bildet, entsprechend dem Grundsatz der gegenseitigen Bindung der Behörden an ihre Entscheidungen unter allen Umständen bindende Wirkung. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist in diesen Fällen nicht mehr zulässig, die Behörde ist vielmehr verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen (vgl. VwGH 28.1.2016, 2013/07/0288; 12.10.2007, 2007/02/0137). Dies gilt gleichermaßen für die Verwaltungsgerichte (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2015/08/0177).
17 Das VwG hätte daher in Bindung an die rechtskräftige Entscheidung über die Zurückweisung der im Apothekenkonzessionsverfahren der Revisionswerberin erhobenen Beschwerden keine eigene Beurteilung der Zulässigkeit dieser Beschwerden vornehmen dürfen und in weiterer Folge von der Rechtskraft der erteilten Apothekenkonzession ausgehen müssen. 18 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2019/01/0074; 28.1.2019; Ro 2018/01/0018; 19.12.2018, Ra 2015/08/0098, jeweils mwN).
19 Die Beurteilung, ob der Revisionswerberin eine rechtskräftige Apothekenkonzession erteilt worden war, hatte dabei auch nicht rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des - mit ex-tunc-Wirkung aufgehobenen und daher als nie erlassen zu betrachtenden (s. oben) - Erkenntnisses vom 24. November 2016 zu erfolgen, sondern hätte, da das VwG grundsätzlich die Sach- und Rechtslage in seinem Entscheidungszeitpunkt anzuwenden hat, auf den Zeitpunkt der Erlassung der Ersatzentscheidung im zweiten Rechtsgang abzustellen gehabt. Dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung eines VwG gemäß § 41 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen ist (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0005; 11.11.2016, Ro 2016/12/0010, 0011 und 0013), ändert nichts daran, dass das VwG bei seiner nach Aufhebung seiner Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof zu treffenden Ersatzentscheidung neuerlich auf die Sach- und Rechtslage in seinem aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzustellen hat (vgl. im Zusammenhang mit der Beurteilung einer Einspruchs- und Berufungslegitimation nach dem ApG ausführlich VwGH 20.12.1993, 92/10/0108, worauf im hg. Vorerkenntnis vom 24.10.2018, Ro 2017/10/0010, verwiesen wurde).
20 Nach dem Gesagten verkannte das VwG die Rechtslage mehrfach und belastete damit das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 201
4.
Wien, am 25. Juni 2019
Schlagworte
AllgemeinAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100012.L00Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019