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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §5Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des H B, vertreten durch Mag. Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilferstraße 66/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. August 2018, Zl. W144 2204372- 1/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein minderjähriger irakischer Staatsangehöriger, und sein volljähriger Bruder reisten über Bulgarien kommend nach Österreich ein und beantragten hier am 2. Mai 2018 internationalen Schutz.
2 Aufgrund eines EURODAC-Treffers vom 19. Dezember 2017 betreffend den volljährigen Bruder des Revisionswerbers richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 7. Mai 2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Mit Schreiben vom 11. Mai 2018 stimmte die zuständige bulgarische Behörde der Wiederaufnahme des Revisionswerbers und seines Bruders ausdrücklich zu.
3 Infolge unbekannten Aufenthaltes des Revisionswerbers und seines Bruders ab dem 3. Mai 2018 setzte das BFA die bulgarische Behörde mit Schreiben vom 24. Mai 2018 über die Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO in Kenntnis. Eine niederschriftliche Einvernahme des Revisionswerbers vor dem BFA erfolgte nicht.
4 Mit Bescheiden jeweils vom 27. Juni 2018 wies das BFA die Anträge des Revisionswerbers und seines Bruders auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO Bulgarien für die Prüfung der Anträge zuständig sei, ordnete jeweils die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
5 Seitens des volljährigen Bruders wurde keine Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid des BFA erhoben; jener Bescheid erwuchs somit in Rechtskraft.
6 Die vom Revisionswerber gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 7 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass für den minderjährigen Revisionswerber gemäß Art. 8 Dublin III-VO Österreich und für dessen volljährigen Bruder gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 13 leg. cit. Dublin III-VO Bulgarien zuständig wäre, was jedoch zu einer Trennung der Familie führen würde, sodass Art. 11 leg. cit. als Korrektiv zur Anwendung gelange. Da Bulgarien für das ältere Familienmitglied zuständig sei, bestehe auch für den Revisionswerber eine Zuständigkeit Bulgariens. Vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sei kein Gebrauch zu machen, weil nicht ersichtlich sei, dass bei Rücküberstellung aufgrund der bulgarischen Rechtslage bzw. Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden oder diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit eines "real risk" bestehen würde. Auch nach dem Bericht des UNHCR von April 2014 erscheine eine generelle Suspendierung von Überstellungen nach Bulgarien als nicht gerechtfertigt. Der Revisionswerber habe zudem keine gravierenden gesundheitlichen Probleme geltend gemacht, die in Bulgarien nicht behandelbar wären, es bestehe kein schützenswertes Privat- oder Familienleben nach Art. 8 EMRK und dem Kindeswohl werde durch die Vermeidung der Trennung des Revisionswerbers von seinem Bruder entsprochen. 8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit unter Anführung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, Art. 11 Dublin III-VO sei mangels Vorliegen der Voraussetzungen fallbezogen nicht anwendbar. Bei dem minderjährigen Revisionswerber und seinem volljährigen Bruder handle es sich weder um Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO, weil der volljährige Bruder des Revisionswerbers nicht obsorgeberechtigt sei, noch um minderjährige Geschwister. Der Revisionswerber sei ein unbegleiteter Minderjähriger gemäß Art. 2 lit. j Dublin III-VO, weshalb die Prüfung der Zuständigkeit nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO zu beurteilen gewesen sei.
9 Darüber hinaus habe das BVwG entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vulnerabilität des minderjährigen Revisionswerbers nicht berücksichtigt und seine Entscheidung auf Berichte aus den Jahren 2015 bis 2017 gestützt. Der UNHCR habe bereits im April 2014 auf die Notwendigkeit hingewiesen, jeden Fall individuell zu prüfen und für besonders vulnerable Personen eine Überstellung nach Bulgarien zu überdenken. Die rechtliche Schlussfolgerung des BVwG, die Überstellung des vulnerablen Revisionswerbers nach Bulgarien sei aus menschenrechtlicher Sicht unbedenklich, lasse sich auf Grundlage der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht nachvollziehen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens über die Revision - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
12 Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU)
Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), lauten auszugsweise:
"Artikel 2
Definitionen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
(...)
g) ‚Familienangehörige' die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:
-
der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare,
-
die minderjährigen Kinder des im ersten Gedankenstrich genannten Paares oder des Antragstellers, sofern diese nicht verheiratet sind, gleichgültig, ob es sich nach nationalem Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt,
-
bei einem minderjährigen und unverheirateten Antragsteller, der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem der Erwachsene sich aufhält, für den Minderjährigen verantwortlich ist,
-
bei einem unverheirateten, minderjährigen Begünstigten internationalen Schutzes, der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der/die entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem sich der Begünstigte aufhält, für ihn verantwortlich ist;
h) ‚Verwandter': der volljährige Onkel, die volljährige Tante oder ein Großelternteil des Antragstellers, der/die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, ungeachtet dessen, ob es sich gemäß dem nationalen Recht bei dem Antragsteller um ein ehelich oder außerehelich geborenes oder adoptiertes Kind handelt;
i) ‚Minderjähriger' einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren;
j) ‚unbegleiteter Minderjähriger' einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt einen Minderjährigen ein, der nach Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wird;
(...)
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
(...)
Artikel 8
Minderjährige
(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener - der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist - oder sich eines seiner Geschwister aufhält.
(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt, was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.
(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwister oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(...)
Artikel 11
Familienverfahren
Stellen mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:
a) zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger und/oder unverheirateter minderjähriger Geschwister ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist;
b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.
(...)"
13 Unstrittig ist, dass im Hinblick auf die Zuständigkeitsprüfung betreffend den minderjährigen Revisionswerber Art. 8 Dublin III-VO anzuwenden ist. Der Revisionswerber reiste nur mit seinem volljährigen, nicht obsorgeberechtigten Bruder gemeinsam nach Österreich ein, der weder nach dem Recht noch nach den Gepflogenheiten in Österreich als Verantwortlicher des Revisionswerbers zu betrachten ist. Somit ist der Revisionswerber als unbegleiteter Minderjähriger im Sinne der Legaldefinition des Art. 2 lit. j Dublin III-VO anzusehen. Da sich zudem nach seinem Vorbringen lediglich die nicht obsorgeberechtigten Cousinen seines Vaters in Bulgarien aufhalten würden, die weder Familienangehörige nach Art. 2 lit. g Dublin III-VO noch Verwandte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 2 lit. h Dublin III-VO sind, wäre im Ergebnis Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO als maßgebliches Zuständigkeitskriterium heranzuziehen gewesen.
14 Obwohl das BVwG zunächst eine Zuständigkeit Österreichs unter Anwendung des Art. 8 Dublin III-VO betreffend den Revisionswerber bejahte, kam es zu dem Schluss, dass Bulgarien für die Prüfung der Anträge des Revisionswerbers und dessen Bruder zuständig sei. Das BVwG begründete seine Entscheidung damit, dass Art. 11 Dublin III-VO ein Korrektiv für die in Art. 7 Dublin III-VO normierte grundsätzliche Rangfolge der Zuständigkeitskriterien schaffe, sofern die Anwendung der generellen Kriterien zu einer Trennung der gemeinsam eingereisten Familienmitglieder führen würde. Hierbei verkannte das BVwG, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 11 Dublin III-VO nicht vorlagen. Art. 11 Dublin III-VO spricht einleitend von "Familienangehörigen und/oder unverheirateten minderjährigen Geschwistern". Mangels Obsorgeberechtigung des volljährigen Bruders für den minderjährigen Revisionswerber sind sie weder Familienangehörige im Sinne der Legaldefinition des Art. 2 lit. g Dublin III-VO noch - mangels Minderjährigkeit des Bruders - minderjährige Geschwister, sodass die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 11 Dublin III-VO nicht vorlagen (vgl. VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0068; 2.5.2018, Ra 2017/18/0433, jeweils mwN).
15 Soweit die Revision darüber hinaus vorbringt, die besondere Vulnerabilität des unbegleiteten minderjährigen Revisionswerbers sei nicht berücksichtigt worden und die rechtliche Schlussfolgerung des BVwG, wonach die Überstellung des Revisionswerbers nach Bulgarien zulässig sei, sei auf Grundlage seiner Feststellungen nicht nachvollziehbar, ist die Revision auch aus diesem Grund zulässig und begründet.
16 Der unbegleitete minderjährige Revisionswerber ist als schutzbedürftige Person mit besonderen Bedürfnissen anzusehen (vgl. die Umschreibung vulnerabler Personen in Art. 21 der EU-Richtlinie 2013/33/EU - Aufnahme-RL). Für die rechtliche Schlussfolgerung, wonach eine Überstellung des vulnerablen Revisionswerbers aus menschenrechtlicher Sicht unbedenklich sei, bedarf es einer genauen, auf aktuellen Berichten beruhenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob der (vulnerable) Revisionswerber bei Rückkehr nach Bulgarien in einer Art und Weise untergebracht und versorgt würde, dass ihm keine Verletzung seiner durch Art. 3 MRK (Art. 4 GRC) garantierten Rechte droht. Wenn das BVwG sich darauf bezieht, dass UNHCR bereits im April 2014 seine zuvor ausgesprochene Empfehlung, Überstellungen nach Bulgarien wegen der dortigen schlechten Aufnahmebedingungen auszusetzen, wieder zurückgenommen habe, so ist anzumerken, dass UNHCR dabei auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, jeden Fall individuell zu prüfen (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0036- 0041).
17 Eine über die Zitierung von Rechtsprechung und die pauschale Schlussfolgerung des BVwG, der Revisionswerber habe betreffend die von ihm behaupteten Misshandlungen und Übergriffe durch bulgarische Sicherheitsbeamte keine eigenen Erfahrungen dargetan und gegebenenfalls sei der bulgarische Rechtsweg zu beschreiten, hinausgehende individuelle Auseinandersetzung mit der Situation des Revisionswerbers im Fall seiner Rückführung nach Bulgarien vor dem Hintergrund der zitierten Länderfeststellungen sowie dessen spezifischer Vulnerabilität kann dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnommen werden.
18 Im Übrigen setzt die Anwendung des Selbsteintritts nach Art. 17 Dublin III-VO, der selbst keine Kriterien für die Zuständigkeitsbestimmung normiert, eine abschließende Zuständigkeitsprüfung nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO, wozu jedenfalls Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO gehört, voraus (vgl. wiederum VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0068). Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO knüpft die Zuständigkeit des Antragsstaates an das Wohl des Minderjährigen. Nach dem 13. Erwägungsgrund zur Dublin III-VO haben die Mitgliedstaaten bei Beurteilung des Wohls des Kindes unter anderem das Wohlbefinden und die soziale Entwicklung des Minderjährigen, Erwägungen der Sicherheit sowie der Gefahrenabwehr zu berücksichtigen. Insofern wären sowohl die Überlegungen zu den Aufnahmebedingungen in Bulgarien betreffend unbegleitete Minderjährige, als auch jene zur Frage, ob trotz der mit der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des volljährigen Bruders verbundenen Trennung der beiden Brüder ein betreffend den Revisionswerber in Österreich abzuführendes Asylverfahren dem Wohl des Minderjährigen dient, bereits bei Prüfung der Zuständigkeit Österreichs nach Art. 8 Abs. 4 Dublin-III-VO und nicht erst im Rahmen der Anwendung des Selbsteintritts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO anzustellen gewesen. 19 Das angefochtene Erkenntnis leidet somit auch an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, war jedoch bereits gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. 20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Juni 2019
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018200495.L00Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019