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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des T K in G, vertreten durch Mag. Hans Peter Puchleitner, Rechtsanwalt in 8350 Fehring, Taborstraße 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 2018, G308 2004084-1/22E, betreffend Behebung und Zurückverweisung in einer Angelegenheit der Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Pensionsversicherungsanstalt,
2.
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 3. Ing. G A in K,
4.
J G in H, 5. M H in M, 6. A K in F, 7. C K in G, 8. B M in N,
9.
K P in G, 10. P P in W, 11. E E in G, 12. K R in K, 13. D R in G, 14. G S in S, 15. Mag. T U in G, 16. M W in G, und 17. R Z in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse auf Entscheidung in der Sache, in eventu Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 19. März 2012 stellte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK) fest, dass die mitbeteiligten Parteien 3 bis 17 aufgrund ihrer Beschäftigung beim Revisionswerber in näher genannten Zeiträumen der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG (Spruchpunkt I.) bzw. gemäß § 7 Z 3 lit. a iVm § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG der Teilversicherung in der Unfallversicherung (Spruchpunkt II.) unterlegen seien. Unter einem verpflichtete die Steiermärkische Gebietskrankenkasse den Revisionswerber, die sich aus den Beitragsabrechnungen und Prüfberichten vom 10. Mai 2011 und 2. Februar 2012 ergebenden Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge nach den dort angeführten Beitragsgrundlagen für die dort näher bezeichneten Zeiten sowie Verzugszinsen im Betrag von insgesamt EUR 52.469,76 nachzuentrichten. Die Beitragsabrechnungen und Prüfberichte vom 10. Mai 2011 und 2. Februar 2012 erklärte die StGKK zu einem integrierenden Bestandteil dieses Bescheides (Spruchpunkt III.).
2 Begründend führte die StGKK hinsichtlich des Spruchpunktes III. aus, aufgrund der mit den Spruchpunkten I. und II. erfolgten Qualifizierung der mitbeteiligten Parteien als Dienstnehmer nach § 4 Abs. 2 ASVG seien Beiträge zur Sozialversicherung zu Dienstgeberkontonummer 8(...) von insgesamt EUR 47.971,74 nachzuverrechnen gewesen. Davon seien im Prüfbericht und der Beitragsabrechnung vom 10. Mai 2011 Beiträge zur Sozialversicherung von EUR 46.817,38 ausgewiesen. Da sich nach Erstellung dieser Unterlagen ergeben habe, dass eine (namentlich genannte) Mitbeteiligte noch nicht erfasst worden sei, seien der Prüfbericht und die Beitragsabrechnung vom 10. Mai 2011 hinsichtlich weiterer nachzuverrechnender Beiträge von EUR 1.154,36 erstellt worden. Zu diesen Sozialversicherungsbeträgen
seien die in den Prüfberichten angeführten Verzugszinsen von insgesamt EUR 4.498,02 hinzuzurechnen (Anmerkung: daraus ergibt sich der vorgeschriebene Gesamtbetrag von EUR 52.469,76). Aufgrund der "Umqualifizierung" der freien Dienstverhältnisse der mitbeteiligten Parteien in Dienstverhältnisse nach § 4 Abs. 2 ASVG seien im Übrigen auf dem (weiteren) Dienstgeberkonto 3(...) Beiträge von insgesamt EUR 25.617,16 "rückverrechnet" worden; und zwar EUR 22.671,16 aufgrund des Prüfberichtes vom 10. Mai 2011 und EUR 3.524,77 aufgrund eines weiteren Prüfberichtes vom 14. März 2012.
3 Mit Erkenntnis vom 5. November 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht den (mit Ablauf des 31. Dezember 2013 als Beschwerde zu behandelnden) Einspruch des Revisionswerbers gegen die Spruchpunkte I. und II. des genannten Bescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse mit einer - hier nicht relevanten - Maßgabe als unbegründet ab.
4 Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss aus, dass der Bescheid der StGKK hinsichtlich seines Spruchpunktes III. aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die StGKK zurückverwiesen werde. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses aus, die StGKK sei zu einer klaren und übersichtlichen Begründung ihres Bescheides verpflichtet gewesen. Im Akt befänden sich drei Prüfberichte, wobei der dritte Prüfbericht vom 14. März 2012 "augenscheinlich keinerlei Berücksichtigung" gefunden habe. Über den Verweis auf die Prüfberichte und Beitragsabrechnungen hinaus, enthalte der Bescheid zu Spruchpunkt III. keine Begründung hinsichtlich der Höhe der nachverrechneten Beträge. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, von welchen Lohnansprüchen der mitbeteiligten Parteien die StGKK bei ihrer Berechnung der Beiträge ausgegangen sei. Eine Überprüfung der Richtigkeit des Bescheides sei daher diesbezüglich nicht möglich.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision. Die StGKK hat nach Einleitung des Vorverfahrens einen als "Revisionsbeantwortung" bezeichneten Schriftsatz eingebracht, in dem sie beantragt, den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde zur Gänze abgewiesen werde, in eventu den Beschluss aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Fall VwGVG abgewichen. 9 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig und berechtigt.
10 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, rechtfertigen keine Zurückverweisung der Sache, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung zu vervollständigen sind (vgl. VwGH 8.5.2018, Ro 2018/08/0007, mwN). 11 Die StGKK verwies zur Begründung der mit Spruchpunkt III. ihres Bescheides erfolgten Vorschreibung (Nachverrechnung) von Beiträgen, Nebenumlagen, Sonderbeiträgen und Zuschlägen sowie Verzugszinsen auf die Beitragsabrechnungen und Prüfberichte vom 10. Mai 2011 bzw. 2. Februar 2012 und erklärte diese zu integrierenden Bestandteilen des Bescheides. Diese Vorgehensweise der StGKK begegnet keinen Bedenken. Eine Behörde darf nämlich bei Erlassung eines Bescheides auf einen Text verweisen und zu ihrem eigenen machen, wenn er der Partei zugegangen ist (vgl. VwGH 28.2.2012, 2011/09/0054; 24.6.2015, Ra 2015/09/0012; jeweils mwN).
12 Die Beitragsabrechnungen und Prüfberichte vom 10. Mai 2011 und 2. Februar 2012 enthalten eine detaillierte Darstellung der monatlichen Beitragsgrundlagen und Beiträge hinsichtlich der einzelnen mitbeteiligten Parteien bzw. eine Gegenüberstellung mit bereits geleisteten Beiträgen und eine Auflistung der sich daraus ergebenden Forderungen samt Verzugszinsen, von denen die StGKK in ihrem Bescheid ausgeht. Vor diesem Hintergrund trifft es nicht zu, dass die dem Revisionswerber vorgeschriebenen Beträge nicht nachvollziehbar bzw. hinsichtlich ihrer Richtigkeit nicht überprüfbar gewesen wären. Hinsichtlich bestehender Unklarheiten in der Berechnung bzw. der Richtigkeit der Annahmen der StGKK wäre es dem Bundesverwaltungsgericht offen gestanden, die Parteien zu einem ergänzenden Vorbringen bzw. zur Mitwirkung am Beweisverfahren aufzufordern. Entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes trifft es auch nicht zu, dass der (dritte) Prüfbericht vom 14. März 2012 im Bescheid der StGKK keine Berücksichtigung gefunden hätte, wird dieser doch ausdrücklich in der Begründung des Bescheides erwähnt.
13 Damit waren die dargestellten Voraussetzungen für eine kassatorische Entscheidung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht gegeben. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 14 Der Antrag der StGKK in ihrem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz, den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde zur Gänze abgewiesen werde, in eventu den Beschluss aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen, stellt der Sache nach eine Revision dar, die schon aufgrund ihrer Verspätung zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 11.4.2018, Ra 2017/08/0124; 26.2.2019, Ra 2018/03/0071; jeweils mwN).
15 Ein Aufwandersatz war dem Revisionswerber mangels darauf gerichteten Antrags (§ 59 VwGG) nicht zuzusprechen. Wien, am 2. Juli 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080252.L00Im RIS seit
01.10.2019Zuletzt aktualisiert am
01.10.2019