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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
AlVG 1977 §33 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des L V in S, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Dezember 2017, W209 2155875- 1/7E, betreffend Einstellung der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung des Bescheides des Arbeitsmarktservice St. Pölten (AMS) vom 2. Februar 2017 - aus, dass der Bezug der Notstandshilfe des Revisionswerbers gemäß §§ 24 Abs. 1, 33 und 38 AlVG in Verbindung mit § 2 Notstandshilfeverordnung mangels Notlage ab 7. Februar 2017 eingestellt werde. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das AMS habe den Revisionswerber aufgefordert, einen Nachweis über das Einkommen seiner in Ungarn aufhältigen Ehegattin zu erbringen, und ihn informiert, dass er die gegenüber seiner Ehefrau bestehenden Unterhaltsansprüche geltend machen müsse, damit es nicht zur Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruches auf seine Notstandhilfe komme. Auch die Ehegattin des Revisionswerbers sei aufgefordert worden, einen Nachweis ihres Einkommens vorzulegen. Der Revisionswerber sowie seine Ehegattin seien den Aufforderungen ohne Begründung nicht nachgekommen. Eine amtswegige Ermittlung der Höhe des Einkommens der in Ungarn wohnhaften Ehefrau des Revisionswerbers sei nicht möglich gewesen. Der Revisionswerber habe somit seine Mitwirkungspflicht verletzt, sodass gemäß § 36c Abs. 6 AlVG kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben sei.
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision vor, nach § 36 Abs. 2 AlVG und § 2 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung sei nur die Berücksichtigung des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitslosen lebenden Ehegatten vorgesehen. Der Revisionswerber habe niemals mit seiner in Ungarn lebenden Ehegattin zusammengewohnt. Vor diesem Hintergrund sei auch die Annahme nicht haltbar, dass er die Hausgemeinschaft mit seiner Ehegattin nur deshalb aufgegeben hätte oder ihr ferngeblieben wäre, um der Anrechnung ihres Einkommens auf die ihm geb??hrende Notstandshilfe zu entgehen. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2006, 2004/08/0213, auf das das Bundesverwaltungsgericht sich stütze, habe einen Fall betroffen, in dem eine Notstandshilfebezieherin einen bereits rechtskräftig im Weg eines Vergleiches festgestellten Unterhaltsanspruch nicht verfolgt habe. Die abstrakte Möglichkeit, einen Unterhaltsanspruch zu erlangen, genüge dagegen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
6 Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Rechtslage vor der AlVG-Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 entspricht, dass ein als Unterhaltsleistung eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartners bezogenes Einkommen des Arbeitslosen gemäß § 36a Abs. 3 Z 1 AlVG in Verbindung mit § 29 Z 1 EStG 1988 in gleicher Weise zu berücksichtigen ist wie ein Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit des Arbeitslosen (vgl. VwGH 12.9.2012, 2010/08/0230; 22.12.2010, 2008/08/0270).
7 Bei Überprüfung des Vorliegens einer Notlage ist grundsätzlich nur auf das tatsächlich dem Arbeitslosen zufließende Einkommen abzustellen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob er durch eine bessere Verwertung seines Vermögens ("bestmögliche Nutzung von Einnahmequellen") überhaupt bzw. höhere Einkünfte erzielen könnte, es sei denn, er würde sich für bestimmte die Erzielung von Einkommen betreffende Gestaltungsmöglichkeiten nur deshalb entscheiden, um einer Einkommensanrechnung "zu entgehen", indem er zum Beispiel seinen Schuldner von seiner Verpflichtung zu Lasten der Versichertengemeinschaft befreit. Eine derartige Konstellation kann auch vorliegen, wenn es der Arbeitslose unterlässt, eigene Unterhaltsforderungen zu verfolgen. Als Vorgehen in rechtsmissbräuchlicher Absicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft kann es daher gewertet werden, wenn der Arbeitslose im Verfahren zur Kenntnis nimmt, dass zumindest die ernsthafte Verfolgung seiner Unterhaltsansprüche gegenüber seinem Ehegatten dem AMS nachzuweisen ist, widrigenfalls er mit der Einstellung der Notstandshilfe rechnen müsse, der Arbeitslose jedoch dennoch die Verfolgung seiner Unterhaltsansprüche gegenüber seinem Ehegatten unterlässt, ohne dafür eine plausible Begründung zu nennen (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 2010/08/0230, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.
8 Soweit der Revisionswerber weiters vorbringt, es komme nicht - wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen - ungarisches, sondern österreichisches Unterhaltsrecht zur Anwendung, so übersieht er, dass von dieser Frage das Schicksal der Revision nicht abhängt, weil - wie bereits vom Bundesverwaltungsgericht ausgeführt und vom Revisionswerber auch nicht bestritten - auch nach österreichischem Recht ein Unterhaltsanspruch des Revisionswerbers gegenüber seiner in Ungarn lebenden Ehegattin dem Grunde nach besteht.
9 Der Revisionswerber rügt - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung. Dabei übersieht er jedoch, dass das Bundesverwaltungsgericht in vertretbarer Weise davon ausgegangen ist, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt festgestanden ist.
10 Diesem dem Erkenntnis zugrundeliegenden Sachverhalt tritt auch die Revision nicht konkret entgegen, sodass sie nicht erkennen lässt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd.
§ 24 Abs. 4 VwGG hätte erwarten lassen (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132; 20.9.2018, Ra 2018/09/0050). Es entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 EMRK, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. In diesen Fällen kann daher nach § 24 Abs. 4 VwGG im Verfahren des Verwaltungsgerichtes eine Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 9.5.2018, Ra 2018/03/0046; 21.2.2019, Ra 2019/08/0027; unter Hinweis auf EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 2. Juli 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080026.L00Im RIS seit
01.10.2019Zuletzt aktualisiert am
01.10.2019