Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Dr. H*****, vertreten durch Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. Februar 2019, GZ 4 R 7/19i-12, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 19. November 2018, GZ 6 Cg 49/18v-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 1.849,92 EUR (darin 308,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 656,29 EUR (darin 73,71 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte betreibt (bzw betrieb) die als permanentes elektronisches Medium geltende Homepage „d*****“ auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko, die er auch als öffentliches Diskussionsforum zur Verfügung stellt(e).
Über Antrag von Prof. Dr. ***** erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, worin ihm untersagt wurde, Behauptungen öffentlich zu verbreiten, denen zufolge Prof. ***** Künstlerinnen der T***** sexuell genötigt und/oder vergewaltigt haben solle. Über Antrag der T***** GmbH erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, worin ihm die Äußerung verboten wurde, wonach beim Betrieb der T***** der Verdacht auf Korruption und Parteienfinanzierung vorliegen solle. Über Antrag der hier klagenden Partei wurde dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung verboten, dass Landeshauptmann P***** die Festspiele in ***** massiv sponsere und der Kläger wiederum die Tiroler Volkspartei sponsere, obwohl ein Zusammenhang zwischen Förderungen der T***** durch das Land Tirol einerseits und materiellen Leistungen des Klägers an die Tiroler Volkspartei gar nicht bestehen könne, weil der Kläger derartige Leistungen gar nicht erbringe. Letzteres Verfahren ist mittlerweile durch klagsstattgebendes rechtskräftiges Versäumungsurteil beendet.
Am 2. 5. 2018 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Homepage einen Blogeintrag, in welchem „d***** – die diskussionsplattform *****“ rot durchgestrichen wird und welcher die Überschrift „Herr H***** mag kein liberales Forum“ trägt. Weiters wird dort ausgeführt:
„Dem vom Steuerzahler mäzensierten Mäzen von ***** gefällt es ganz offenbar nicht, dass man auf d***** offen über die unterirdischen Zustände bei den Festspielen diskutieren und ihn und seinen Günstling ***** kritisieren darf. Also hat H***** gegen den Betreiber des Forums eine Unterlassungsklage mit einem Streitwert von 100.000 EUR eingebracht. Das Forum wird daher bis auf Weiteres eingestellt. Protestschreiben sind bitte direkt an mich, Dankschreiben hingegen an Herrn H***** oder seinen Herrn Anwalt zu richten.“
Der Kläger machte Unterlassungs-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren Verfahrensgegenstand.
Das Erstgericht gab sämtlichen Begehren statt.
Der Beklagte behaupte auf seinem Blog unwahr, dass der Kläger mit der von ihm eingebrachten Klage den Beklagten gezwungen habe, das Diskussionsforum einzustellen. Der Beklagte vermittle durch die festgestellte Veröffentlichung den die Ehre des Klägers verletzenden Eindruck, der Kläger wolle öffentlichen Meinungspluralismus verhindern.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren abwies. Der Beklagte habe unterschlagen, dass ihm mit der vom Kläger im Vorverfahren eingebrachten Klage keineswegs der Betrieb seiner Homepage schlechthin verboten werden wollte, sondern lediglich die öffentliche Verbreitung von Beiträgen von Usern auf dieser Diskussionsplattform zu unterlassen, soweit sich die Beiträge auf Berichte dieser Webseite beziehen, die dem Kläger unehrenhafte Charaktereigenschaften unterstellten oder in den Beiträgen der User die Privat- und/oder Intimsphäre des Klägers erörtert werde. Das Unterlassungsbegehren sei daher berechtigt, ein Anspruch auf Widerruf und Veröffentlichung bestehe jedoch nur bei Verstoß gegen § 1330 Abs 2 ABGB, nicht hingegen bei bloßen Ehrenbeleidigungen nach § 1330 Abs 1 ABGB. Voraussetzung für eine Stattgebung des Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens wäre daher, dass mit dem Blog des Beklagten auch ein Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf des Klägers verbunden gewesen wäre. Im vorliegenden Fall sei auszuschließen, dass der Kredit oder das wirtschaftliche Fortkommen des 1945 geborenen Klägers, der nach seinem eigenen Vorbringen Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa sei, durch den Blogeintrag des Beklagten beeinträchtigt werden könne.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht auf die Lehre und Rechtsprechung bei Lösung der wesentlichen Rechtsfragen stützen habe können.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Ein Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung besteht nur bei Verstößen gegen § 1330 Abs 2 ABGB, nicht aber gegen dessen Abs 1 (RS0085170).
1.2. § 1330 Abs 2 ABGB ist erfüllt, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. Nicht erforderlich ist, dass der Betroffene durch die Äußerungen einen konkreten Schaden erlitten hat. Ausreichend ist daher der Nachweis der Eignung der Äußerung, solche Nachteile herbeizuführen (RS0032410, RS0032294). Während eine Kreditgefährdung dann vorliegt, wenn die Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt wird, betrifft der „Erwerb“ die gegenwärtige wirtschaftliche Lage des Betroffenen, das „Fortkommen“ hingegen seine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, eine bestimmte Position zu erreichen bzw eine Aufstiegschance wahrzunehmen oder zu verbessern. Der Begriff des „Fortkommens“ darf nicht zu eng verstanden werden (RS0120862). Der Betroffene muss aber zumindest eine abstrakte Gefährdung seines Fortkommens dartun (6 Ob 53/09a).
1.3. Unter § 1330 Abs 2 ABGB fällt jede Gefährdung wirtschaftlich bedeutsamer Beziehungen oder Verhältnisse. Tatsachenbehauptungen, die überhaupt keinen Bezug zur wirtschaftlichen Wertschätzung des Betroffenen aufweisen, wird zwar die Schädigungseignung im Sinne des § 1330 ABGB abzusprechen sein; zur Schädigung geeignet sind aber auch solche Behauptungen, die sich nicht unmittelbar mit der Wirtschaftslage des Betroffenen befassen. Eine Gefährdung, die mittelbar wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben kann, reicht für den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB hin (RS0031697).
1.4. In diesem Sinne wurde etwa auch das wirtschaftliche Fortkommen eines Weltpriesters (6 Ob 611/87), einer evangelischen Pfarrerin (implizit in 6 Ob 244/98w bejaht), einer politischen Partei (4 Ob 598/87) oder eines Politikers (4 Ob 82/92) unter § 1330 Abs 2 ABGB subsumiert.
2.1. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, es sei auszuschließen, dass der Kredit oder das wirtschaftliche Fortkommen des Klägers, der nach seinem eigenen Vorbringen Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa ist, durch den Blogeintrag des Beklagten beeinträchtigt werden könnte, steht mit der zitierten Rechtsprechung nicht in Einklang. Letztlich liefe die Rechtsansicht des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass sehr reiche Personen nicht den Schutz des § 1330 Abs 2 ABGB genießen, weil deren „Fortkommen“ nicht mehr beeinträchtigt werden könne. Diese Auffassung entspricht jedoch nicht dem Gesetz.
2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Kläger Generalbevollmächtigter des größten Baukonzerns in Mittel- und Osteuropa, Mitglied des Stiftungsvorstands der T*****, Mitglied des Stiftungsvorstands des O*****, sogenannter Retter einer der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst Europas und Förderer einer Vielzahl gemeinnütziger Einrichtungen. Zutreffend verweist der Kläger auch darauf, dass er als Förderer liberaler politischer Parteien in Österreich bekannt sei. Vor diesem Hintergrund kann dem Blogbeitrag die abstrakte Eignung, das Fortkommen des Klägers zu gefährden, nicht abgesprochen werden, wird in diesem dem Kläger doch ein Vorgehen gegen die freie Meinungsäußerung und damit ein liberale Grundwerte beeinträchtigendes Verhalten unterstellt. Eine derartige Maßnahme könnte die Glaubwürdigkeit des Klägers beeinträchtigen und mittelbar sein Fortkommen gefährden. Gerade bei öffentlich exponierten Personen wie dem Kläger kann auch dem Ansehen in der Öffentlichkeit (gewissermaßen sein „good will“) ein Einfluss auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dieser Person nicht abgesprochen werden.
3. Zusammenfassend erweist sich die Revision somit als berechtigt, sodass die zutreffende klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.
4. Aufgrund der Abänderung des angefochtenen Urteils war auch die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren neu zu fassen. Diese sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Schlagworte
Ansehen in der Öffentlichkeit,Textnummer
E125652European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00088.19P.0627.000Im RIS seit
25.07.2019Zuletzt aktualisiert am
16.02.2021