TE OGH 2019/7/5 4Ob114/19x

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Veröffentlicht am 05.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden (und widerbeklagten) Partei f***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Klaus Burgholzer, Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei S***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte (und widerklagende) Partei G***** R*****, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.543,73 EUR sA und 45.572,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2019, GZ 13 R 161/18v-99, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte beauftragte die Klägerin im April 2013 mit der Lieferung von Glaselementen und der Errichtung von Glasfassaden. Auf der Website und in den Werbeprospekten der Klägerin wurde in Bezug auf diese Glaselemente zum Ausdruck gebracht, dass sie eine „perfekte Qualität“ aufwiesen. Weder die Klägerin noch die Nebenintervenientin wollte durch diese Anpreisungen jemanden täuschen. Im zugrunde liegenden Werkvertrag (Beilage ./A) werden als Auftragsgrundlagen die einschlägigen fachspezifischen ÖNORMEN genannt. Unter Zugrundelegung einer hohen Qualität weisen die Werkleistungen der Klägerin nur geringe Mängel auf. Die Reparaturkosten dafür betragen 2.120 EUR bzw im Fall der Ersatzvornahme 2.530 EUR. Weitere Mängel konnten nicht festgestellt werden. Die vom Beklagten reklamierten Glaselemente weisen auch keine optische Beeinträchtigung auf. Im März 2015 legte die Klägerin Schlussrechnung über 191.109,64 EUR (einschließlich eines Haftrücklasses von 9.555,48 EUR), worauf der Beklagte insgesamt 153.030,82 EUR zahlte.

Die Klägerin begehrt an restlichem Werklohn 27.543,73 EUR sA. Im Vertrag mit dem Beklagten sei ein Qualitätsstandard nach den einschlägigen fachspezifischen Normen vereinbart worden. Den von ihr zugesagten Austausch von zwei Glaselementen habe der Beklagte verweigert.

Der Beklagte entgegnete, dass aufgrund der werblichen Anpreisungen der Klägerin und des gehobenen Preises eine perfekte Qualität im Sinn einer 100%-igen Qualität geschuldet sei. Dementsprechend dürften keine Unregelmäßigkeiten und auch keine optischen Mängel vorliegen. Tatsächlich seien aber fünf Gläser mangelhaft; außerdem seien 15 Beschädigungen am Fensterrahmen und elf mangelhafte Abdeckprofile vorhanden. Dazu erhob der Beklagte Gegenforderungen im Betrag von zumindest 70.089,53 EUR. Mit seiner Widerklage begehrte er den Zuspruch von 45.542,59 EUR sA.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 27.543,73 EUR und die Gegenforderung mit 2.490 EUR als zu Recht bestehend fest und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 25.053,73 EUR sA. Dem Widerklagebegehren des Beklagten gab es mit 2.490 EUR sA statt. Die jeweiligen Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Bei den werblichen Anpreisungen der Klägerin handle es sich um eine nicht wörtlich zu nehmende reklamenartige Übertreibung. Nach dem Gesamteindruck der Werbeangaben sei eine hohe bzw erstklassige Qualität zugesagt worden. Die in dieser Hinsicht berechtigten Reparaturkosten habe das Erstgericht berücksichtigt. Eine Täuschung des Beklagten sei nicht ersichtlich.

In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision führt der Beklagte aus, dass die Klägerin mit ihren Hinweisen auf eine „perfekte Qualität“ eine Spitzenstellung in Anspruch genommen habe, mit der eine 100%-ige Qualität zugesagt worden sei. Die vorhandenen Mängel widersprächen der proklamierten Detailgenauigkeit und dem versprochenen Perfektionismus. Bei einem teuren Luxusprodukt komme auch der Ästhetik eine wertbildende Eigenschaft zu, zumal die Klägerin auch eine „detailverliebte, perfektionistische Optik“ zugesichert habe. Das Werk der Klägerin weise die zugesagte 100%-ige Qualität nicht auf. Außerdem habe der Prokurist der Klägerin zugestanden, dass es eine perfekte Qualität nicht gäbe, weshalb auch eine listige Irreführung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Richtig ist, dass nach § 922 Abs 2 ABGB die Frage, ob die Sache dem Vertrag entspricht, auch nach den öffentlichen (Werbe-)Äußerungen des Übergebers zu beurteilen ist und die öffentlichen Angaben des Übergebers daher in die Vertragsauslegung miteinfließen (8 Ob 7/10b). Dies bezieht sich in erster Linie auf für den Erklärungsempfänger ernstzunehmende Angaben zur Beschaffenheit des Produkts (vgl 4 Ob 110/02h; 4 Ob 65/10b). Außerdem schließt es § 922 Abs 2 ABGB nicht aus, dass die Parteien von den öffentlichen Ankündigungen des Übergebers abweichende Vereinbarungen treffen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vertrag zum Leistungsgegenstand individuelle Leistungsbeschreibungen enthält (vgl RIS-Justiz RS0018588). Letztlich ist der Vertragsinhalt maßgebend, der unter Bedachtnahme auf die Werbeankündigungen im Hinblick auf die konkret vereinbarten wertbildenden Eigenschaften auszulegen ist. Die Auslegung richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042776).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die in der Werbung der Klägerin abstrakt gehaltenen Aussagen zu einer „perfekten Qualität“ der Glaselemente bei objektiver Betrachtung als reklamenartige Übertreibung zu verstehen waren und nach dem Werkvertrag eine hohe Qualität des Produkts, nicht aber eine 100%-ige Qualität (im Sinn einer garantierten Fehlerfreiheit) geschuldet war, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 111/10t etwa ausgesprochen, dass die Ankündigung einer „Top-Qualität“ als Versprechen überdurchschnittlicher Güte zu verstehen sein kann.

2. Eine Vertragswidrigkeit besteht in der Abweichung des Geleisteten vom vertraglich Geschuldeten. Beim Werkvertrag liegt ein Mangel im Fall einer Abweichung von einem vorgegebenen oder im Vertrag spezifizierten Leistungsmerkmal oder bei einer Fehl- oder Minderleistung aus einem anderen Grund in der Sphäre des Unternehmers vor (8 Ob 19/12w; 8 Ob 59/12b). Ob ein Mangel besteht, richtet sich nach dem konkreten Vertragsinhalt (8 Ob 19/12w; 4 Ob 168/18m).

Die nach den Feststellungen des Erstgerichts bestehenden Abweichungen der Werkleistungen der Klägerin von den im Vertrag vereinbarten Leistungsmerkmalen unter Zugrundelegung einer hohen Qualität haben die Vorinstanzen zu Gunsten des Beklagen berücksichtigt. Darüber hinausgehende Vertragswidrigkeiten wurden nicht festgestellt. Dies gilt auch für die vom Beklagten behauptete optische Beeinträchtigung der Glaselemente. Soweit der Beklagte in dieser Hinsicht auf die zu berücksichtigende Ästhetik bei einem Luxusprodukt hinweist, ist zu erwidern, dass die von ihm geforderte „detailverliebte, perfektionistische Optik“ nach den Vertragsgrundlagen nicht zugesichert war.

3. Eine vom Beklagten behauptete arglistige Irreführung setzt voraus, dass der Vertragsschließende durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in Irrtum geführt oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in seinem Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt wird. Arglist kann auch in einer Verschweigung liegen, wenn dadurch eine Aufklärungspflicht verletzt wird (8 Ob 91/17s; vgl auch RS0014809). Nach ständiger Rechtsprechung setzt List im Sinn des § 870 ABGB die Absicht oder das Bewusstsein der Täuschung des anderen Vertragspartners voraus. Der Täuschende muss demnach positive Kenntnis davon haben, dass der andere Teil irrt und dieser Irrtum einen Einfluss auf den Willensentschluss hat (RS0014833; RS0014765). Ob der Irreführende absichtlich oder bewusst vorgegangen ist, ist eine Tatfrage (8 Ob 106/17x; vgl dazu auch 3 Ob 234/11z).

Das Berufungsgericht ist auch in dieser Frage von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die einzelfallbezogene Beurteilung, wonach für eine arglistige Irreführung des Beklagten durch die Klägerin und die Nebenintervenientin kein Raum bestehe, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung. Mangels Zusage einer 100%-igen Qualität musste die Klägerin den Beklagten auch nicht darüber aufklären, dass sie eine solche Qualität nicht garantieren kann. Zudem hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin und die Nebenintervenientin mit den werblichen Anpreisungen niemanden täuschen wollten.

4. Der Warengutschein im Wert von 5.000 EUR wurde dem Prokuristen der Klägerin mit der Erklärung übergeben, er solle dem Beklagten einen guten Preis machen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Gutschein dem Prokuristen persönlich (ad personam) übergeben worden sei und der Beklagte eine Enttäuschung in der Preiserwartung gar nicht behauptet habe, tritt die außerordentliche Revision nicht entgegen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne den von ihm dazu begehrten Wertersatz nicht verständlich machen, ist nicht korrekturbedürftig.

5. Insgesamt gelingt es dem Beklagten mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Textnummer

E125651

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00114.19X.0705.000

Im RIS seit

25.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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