Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hagassner und die Hofrätin Mag. Korn (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Y*****, vertreten durch Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 38 Cga 33/16z des Arbeits- und Sozialgerichts Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2019, GZ 7 Ra 108/18f-7, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Wurde – wie hier – eine Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, ist der angefochtene Beschluss, weil der Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt, nicht jedenfalls unanfechtbar (RS0125126).
Das ändert aber nichts daran, dass der Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 528 Abs 1 ZPO). Dies ist hier nicht der Fall.
2. Die Wiedergabe des Parteivorbringens stellt keine Feststellung dar. Eine Bekämpfung durch Beweisrüge ist daher weder möglich noch notwendig. Eine unrichtige Wiedergabe begründet weder den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO (RS0043402), noch der Nichtigkeit (RS0042103). Sie kann aber – wenn das Berufungsgericht Vorbringen übersehen oder missverstanden hat – zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt haben (RS0043402 [T5]).
Soweit die Wiederaufnahmsklägerin rügt, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringen zu dem Gespräch zwischen der Wiederaufnahmsbeklagten und dem nunmehr beantragten Zeugen teilweise zeitlich falsch einordnet, lässt sich nicht ausschließen, dass die tatsächlich nicht eindeutige Formulierung in der Klage von den Vorinstanzen anders interpretiert wurde, als sie von der Wiederaufnahmsklägerin gemeint war. Damit wird jedoch – wie noch darzustellen ist – keine aufzugreifende rechtliche Fehlbeurteilung aufgezeigt.
3. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neue Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die ein solches Wiederaufnahmsbegehren gestützt wird, müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken; es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen, wobei auch neue Hilfstatsachen, aus denen Schlüsse auf eine Haupttatsache gezogen werden können, in Betracht kommen (RS0044411, RS0044510).
Eine Wiederaufnahme wegen neu aufgefundener Beweismittel kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo im Vorprozess eine bestimmte Tatsache zwar behauptet wurde, aber nicht bewiesen werden konnte, und die neu aufgefundenen Beweismittel eben den Beweis dieser Tatsache erbringen sollen (RS0040999 [T2]). Richtig ist, dass das für die erste Alternative des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO („neue Tatsachen“) nicht zutrifft (RS0040999 [T1]).
Die Wiederaufnahmsklägerin behauptet aber ohnehin keine neu hervorgekommenen Tatsachen, die sie zu neuen Einwendungen gegen das Klagebegehren im wiederaufzunehmenden Verfahren berechtigen würden, sondern will vielmehr durch einen neuen Zeugen den Nachweis für ihr bisheriges Vorbringen (berechtigte Entlassung wegen unentschuldigtem Nichterscheinen der Arbeitnehmerin) erbringen. In diesem Sinn sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts, eine Eigenkündigung der Arbeitnehmerin sei im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht vorgebracht worden (ergänzt werden kann: auch nicht im Wiederaufnahmsverfahren) zu verstehen.
4. Eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage ist bereits im Vorprüfungsverfahren (§ 538 ZPO) zurückzuweisen, wenn das neue Beweismittel in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit dem wiederaufzunehmenden Verfahren steht. Im Vorprüfungsverfahren ist also zunächst abstrakt zu prüfen, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände – ihre Richtigkeit unterstellt (RS0044631 [T2]) – ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können (RS0044504). Trifft Letzteres zu, ist die Wiederaufnahmsklage unschlüssig (RS0044504 [T8]). Diese Schlüssigkeitsprüfung kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall vorgenommen werden, womit in der Regel – wie auch im vorliegenden Fall – eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu beantworten ist (RS0037780 [T14]; RS0044411 [T19]).
Die Wiederaufnahmsklägerin macht geltend, dass der nunmehr aufgefundene Zeuge Aussagen zu Gesprächen mit der Wiederaufnahmsbeklagten machen könne, nämlich, dass (so der Revisionsrekurs: „in der Vergangenheit“) die Wiederaufnahmsbeklagte ihm gesagt habe, dass sie kündigen, aber auch eine Abfertigung für sich herausschlagen wollte, was im Wesentlichen den im wiederaufzunehmenden Verfahren getroffenen Feststellungen entspricht, dass die Wiederaufnahmsbeklagte das Arbeitsverhältnis beenden, zugleich aber nicht auf ihre Abfertigung verzichten wollte. Weiter habe der Zeuge beobachtet, dass die Wiederaufnahmsbeklagte ihren Schlüssel, ihre Zutrittskarte und ihre Zeiterfassungskarte abgegeben habe. Auch dies wurde im wiederaufzunehmenden Verfahren bereits festgestellt.
Als Wiederaufnahmsgrund relevant könnte daher nur die vom Zeugen kolportierte Bemerkung der Wiederaufnahmsbeklagten, sie habe gekündigt und werde nicht mehr kommen, angesehen werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Wiederaufnahmsklägerin eine Eigenkündigung der Wiederaufnahmsbeklagten nicht behauptet, sondern eine Entlassung wegen unberechtigtem Nichterscheinen zum Dienst. Weiters wurde im wiederaufzunehmenden Verfahren festgestellt, dass die Wiederaufnahmsbeklagte aufgrund ihres Gesundheitszustands damals davon ausging, dass ihr Krankenstand länger dauern werde, und hoffte, dabei eine Lösung hinsichtlich des Dienstverhältnisses zu finden. Wenn daher die Vorinstanzen auf dieser Grundlage davon ausgingen, dass die Aussage des Zeugen über die Bemerkung der Wiederaufnahmsbeklagten auch abstrakt nicht geeignet ist, zu anderen Feststellungen und einer anderen Beurteilung darüber zu führen, ob die Klägerin dem Dienst ungerechtfertigt ferngeblieben ist oder gerechtfertigt in Krankenstand war, hält sich diese Beurteilung im gesetzlichen Ermessensspielraum.
4. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt somit nicht vor. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Textnummer
E125631European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00052.19S.0625.000Im RIS seit
24.07.2019Zuletzt aktualisiert am
24.07.2019