Entscheidungsdatum
26.02.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17Spruch
W170 2201770-1/7E
W170 2201666-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den 1. MigrantInnenverein St. Marx und 2. ehem. Rechtsanwalt Dr. Lennart BINDER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zl. 1084340307-151177017, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2
Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch den 1. MigrantInnenverein St. Marx und 2. ehem. Rechtsanwalt Dr. Lennart BINDER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.06.2018, Zl. 1084337508-151176945, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2
Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) und XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) sind Geschwister, die gemeinsam mit ihrem Onkel
XXXX , XXXX geb., in das Bundesgebiet einreisten und am 25.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe Syrien wegen des Krieges und da sie dort die Schule nicht mehr besuchen könne, verlassen. Auch habe ihr Vater in Syrien an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen und drohe ihr Verfolgung durch die freie syrische Armee (FSA), da sie ihr von der FSA beherrschtes Herkunftsgebiet verlassen habe, um in einer vom Regime beherrschten Stadt Prüfungen abzulegen und dies von der FSA zuerst verboten und dann mit Strafe bedroht worden sei.
Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die Beschwerdeführerin einen syrischen Personalausweis vor.
Der Beschwerdeführer verwies im Administrativverfahren vor allem auf die Fluchtgründe seiner Schwester und auf den in Syrien herrschenden Krieg; er legte lediglich einen Personenregisterauszug vor.
3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheiden jeweils vom 19.06.2018, jeweils erlassen am 29.06.2018, hinsichtlich der Zuerkennung des "Status des Asylberechtigten" abgewiesen. Unter einem wurde der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer jeweils der "Status des subsidiär Schutzberechtigten" zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend wurde im Wesentlichen jeweils ausgeführt, dass diese Syrien wegen des Krieges verlassen hätten; das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin sei unglaubwürdig.
4. Mit am 17.07.2018 jeweils bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den jeweiligen Spruchpunkt I. der im Spruch bezeichneten Bescheide Beschwerde erhoben.
Begründend wurde hinsichtlich der Beschwerdeführerin auf die bereits vorgebrachten Fluchtgründe verwiesen und ergänzend ausgeführt, der Beschwerdeführerin drohe auch eine Verfolgung als Frau in Syrien; hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde auf die ihm drohende, asylrelevante Gefahr einer Zwangsrekrutierung und die Folgen einer Weigerung, Kriegsdienst für Assad zu versehen, verwiesen.
5. Die Beschwerden wurden samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten jeweils am 25.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt; am 29.01.2019 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX ist eine zum Antragszeitpunkt minderjährige, nunmehr volljährige syrische Staatsangehörige, deren Identität feststeht und die in Österreich unbescholten ist, XXXX ist ein immer noch minderjähriger, syrischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist. XXXX und XXXX sind Geschwister. Deren Eltern befinden sich nicht im Bundesgebiet.
1.2. XXXX und XXXX sind im August 2015 aus ihrem Heimatdorf im Gouvernement Daraa rechtswidrig aus Syrien ausgereist; beide sind nicht im Besitz eines syrischen Reisepasses.
Das Herkunftsgebiet von XXXX und XXXX , das Gouvernement Daraa, war eines der Zentren des Aufstandes gegen das syrische Regime und ist nunmehr und wohl auf Dauer in der Hand des syrischen Regimes.
Es ist glaubhaft, dass sich der Vater von XXXX und XXXX an Demonstrationen gegen das syrische Regime beteiligt hat und mehrmals von den syrischen Sicherheitskräften angehalten und notiert worden ist.
Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht XXXX , dass dieser im Falle einer Rückkehr nach Syrien trotz seiner Minderjährigkeit vom syrischen Militär zwangsrekrutiert und als Soldat eingesetzt werden wird; dies wäre mit dem Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen verbunden.
1.3. XXXX und XXXX könnten nur über den Flughafen von Damaskus sicher und legal nach Syrien zurückkehren; dieser ist in der Hand des syrischen Regimes. Diesfalls würden diese wegen ihrer rechtswidrigen Ausreise näher kontrolliert werden und würde ihnen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wegen der Teilnahme ihres Vaters an regimekritischen Demonstrationen und ihres Herkunftsgebietes, das eines der Zentren des Aufstandes gegen das Regime war, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, XXXX und XXXX deswegen festgenommen und zumindest mehrere Tage angehalten und unter Anwendung von Folter verhört werden.
1.4. XXXX und XXXX haben keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage, den Aussagen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers, insbesondere aber aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ausweis sowie dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokument und den in das Verfahren eingeführten Strafregisterauskünften.
2.2. Die Feststellung zur Ausreise ergibt sich aus der diesbezüglich glaubwürdigen, weil gleichbleibenden Aussage der Beschwerdeführerin; jene hinsichtlich des Umstandes, dass weder die Beschwerdeführerin noch der Beschwerdeführer im Besitz eines syrischen Reisepasses sind, aus der unstrittigen und unbedenklichen Aktenlage.
Dass Daraa eines der Zentren des Aufstandes gegen das syrische Regime war und ist nunmehr und wohl auf Dauer in der Hand des syrischen Regimes ist, ergibt sich aus dem in der Verhandlung vorgehaltenen Amtswissen, dem nicht entgegengetreten wurde, sowie - hinsichtlich der Machtverhältnisse - aus den Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.
Dass glaubhaft ist, dass sich der Vater der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers in Syrien an Demonstrationen gegen das syrische Regime beteiligt hat und mehrmals von den syrischen Sicherheitskräften angehalten und notiert worden ist, ergibt sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin; der Glaubwürdigkeit steht die etwas abweichende Aussage des Beschwerdeführers hiezu nicht entgegen, weil dieser grundsätzlich die Teilnahme des Vaters an Demonstrationen vorgebracht hatte und Abweichungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin mit seinem kindlichen Alter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Verlassens Syriens zu erklären sind. Die Beschwerdeführerin, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig war, hat bereits vor dem Bundesamt angegeben, dass ihr Vater in einem nicht vom Regime kontrollierten Gebiet lebt. Das Bundesamt hat unterlassen, nachzufragen, warum dies so ist. Daher kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr Vater habe sich in Syrien an Demonstrationen gegen das syrische Regime beteiligt und sei mehrmals von den syrischen Sicherheitskräften angehalten und notiert worden, nicht falsifiziert werden. Da es insbesondere mit der Situation in Daraa in Einklang zu bringen ist und der Beschwerdeführerin die persönliche Glaubwürdigkeit nicht in einem solchen Umfang abgesprochen werden kann, dass ihr ein unbewiesenes Vorbringen grundsätzlich nicht zu glauben wäre, ist daher im Zweifel von der Richtigkeit des Vorbringens auszugehen.
Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit trotz seiner Minderjährigkeit vom syrischen Militär zwangsrekrutiert und als Soldat eingesetzt werden würde, ergibt sich aus den Länderberichten (siehe etwa Länderinformationsblatt S. 42) und aus der Wahrnehmung des erkennenden Richters in der Verhandlung, nach der der Beschwerdeführer als groß gewachsener sportlicher Jugendlicher durchaus als Rekrut für die syrische Armee interessant sein könnte. Darüber hinaus wäre der unbegleitete minderjährige Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in einer besonders verletzlichen Situation, da sich kein Erwachsener für ihn einsetzen könnte, insbesondere wenn er am Flughafen im Rahmen der Einreisekontrolle festgenommen und dem Wehrdienst zugeführt werden würde.
Dass der Wehrdienst in der syrischen Armee mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen verbunden ist, entspricht dem Amtswissen und den Länderberichten.
2.3. Die Feststellung zu 1.3. ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Bundesverwaltungsgericht keine anderen hinreichend sicheren und legalen Einreisemöglichkeiten in den vom Regime beherrschten Teil Syriens bekannt sind und die Behörde solche auch nicht aufgezeigt hat.
Hinsichtlich der Feststellungen zur Behandlung im Rahmen der Einreise ist auf folgende, auf den Länderberichten fußenden Überlegungen zu verweisen:
Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, S. 3).
Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte (iSv Angestellte des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren (UNHCR, ebendort, S. 3 f).
Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können; Berufssoldaten, die ohne entsprechende Genehmigung ausreisen, werden als Deserteure behandelt (UNHCR, ebendort, S. 3).
Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, ebendort, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischen Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, ebendort, S. 4 f) überprüft.
Personen, die unter ein unten dargestelltes Risikoprofil fallen, können mit realer Wahrscheinlichkeit mit Isolationshaft und Folter rechnen (UNHCR, ebendort, S. 5), ebenso werden Rückkehrende inhaftiert, weil ein Familienmitglied, etwa wegen Nichtbeachtens eines Einberufungsbefehls, gesucht wird (UNHCR, ebendort, S. 5).
Die genannten Risikogruppen sind (UNHCR, ebendort, S. 13 ff):
• Personen mit einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung;
• Personen, die aus einem Gebiet stammen, das von der Opposition beherrscht wird oder wurde, vor allem wehrfähige Männer;
• Wehrdienstflüchtige;
• Deserteure und
• Exiloppositionelle, insbesondere Teilnehmer an regimekritischen Demonstrationen
Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer gehören als Personen, die aus einem Gebiet stammen, das von der Opposition beherrscht wird oder wurde und deren Vater aktenkundig an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen hat, in einer Gesamtbetrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Risikogruppe im Sinne des oben Ausgeführten.
2.4. Die Feststellung zu 1.4. ergibt sich aus dem Umstand, dass keinerlei Hinweise auf vorliegende Asylausschluss- oder -endigungsgründe vorgefunden werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.
2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
Hinsichtlich der Beschwerde des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Auffassung vertritt, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.3.2003, 2001/01/0009, zitiert nach Feßl/Holzschuster [Asylgesetz 2005, 117 ff]). Dies wird auch ausdrücklich im Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU als asylrelevante Verfolgung festgehalten. Daher ist eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.
Festgestellt wurde, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zu durch staatliche Stellen zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen kommt. Auch wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit trotz seiner Minderjährigkeit dem Wehrdienst zugeführt werden würde. Schließlich wurde festgestellt, dass in Syrien Soldaten zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen werden, widrigenfalls ihnen jedenfalls eine Gefängnisstrafe droht. Daher droht dem Beschwerdeführer jedenfalls eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Darüber hinaus würden die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien wegen der ihnen unterstellten oppositionellen Gesinnung unter dem Vorwand der rechtswidrigen Ausreise festgenommen und zumindest mehrere Tage angehalten und unter Folter verhört werden. Daher droht der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer jedenfalls auch diesbezüglich eine asylrelevante Verfolgung, nämlich eine mit Folter verbundene Anhaltung wegen ihrer, allenfalls unterstellten, politischen Gesinnung.
3. Da die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül die sichere und legale Erreichbarkeit des ins Auge gefassten Gebietes erfordert (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063) und eine sichere und legale Rückkehr der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers nach Syrien nur über den Flughafen von Damaskus möglich wäre, dieser aber in der Hand des Regimes ist und dieses der Verfolger der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers ist, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht; ebenso liegen keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe vor.
4. Daher ist den jeweiligen Beschwerden gegen den jeweiligen Spruchpunkt I. der im Spruch bezeichneten Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), stattzugeben und der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG jeweils der Status der bzw. des Asylberechtigten zuzuerkennen; gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist weiters auszusprechen, dass diesen somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2201770.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.07.2019