TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/18 95/21/0971

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des RU in Altmünster, geboren am 22. November 1968, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 3. August 1995, Zl. Fr-303/95, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer in der Republik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung in die Jugoslawische Föderation sei zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe während des gesamten Fremden- und Asylverfahrens keine konkreten, gegen ihn gerichteten individuellen Verfolgungen durch die Jugoslawische Föderation glaubhaft geltend gemacht. Er habe angegeben, daß er seit dem Jahr 1992 Mitglied der "Demokratischen Liga" und Vorsitzender des "Jugendforums" der genannten Organisation gewesen wäre und sich seit diesem Zeitpunkt mit der Politik dieser Gruppierung beschäftigt hätte. Aus diesem Grund wäre er mehrmals von der Polizei befragt und auch geschlagen worden. Als Ende Mai 1995 ein weiterer Vorsitzender des angeführten Jugendforums festgenommen worden wäre, hätte sich der Beschwerdeführer entschlossen, zu fliehen. Er sei aber entsprechende Bescheinigungsmittel zur Untermauerung seiner Angaben schuldig geblieben. Ein weiterer Fluchtgrund wäre - nach Ansicht des Beschwerdeführers - darin gelegen, daß er bereits 1987 einen Einberufungsbefehl erhalten hätte und fünf mittlerweile ergangenen Einberufungen nicht nachgekommen wäre, weil er den serbischen Staat nicht akzeptiere und auch nicht einsehen würde, warum er für diesen Staat in den Krieg ziehen sollte. Er hätte Angst, in den Krieg nach Bosnien geschickt zu werden. Er vermeinte zu wissen, daß nur Angehörige der albanischen Minderheit an die vorderste Front in den Krieg geschickt würden, um dort als Kanonenfutter zu dienen. Weiters habe er angegeben, daß seit Kriegsausbruch in Bosnien kein Kosovo-Albaner lebend vom Militärdienst zurückgekehrt wäre. Entsprechende Bescheinigungsmittel oder Unterlagen zur Untermauerung dieser allgemein in den Raum gestellten und unbewiesenen Behauptungen habe er nicht beigebracht.

Sein Berufungsvorbringen zur allgemeinen politischen Situation in seiner Heimat vermöge nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht die Glaubhaftmachung von Gefahren im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG zu begründen. Derartige allgemeine Ausführungen seien nicht geeignet, konkret gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtete staatliche Maßnahmen darzutun. Die Ableistung des Präsenzdienstes diene lediglich der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten. Die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung stelle eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar, die alle (männlichen) Staatsbürger eines gewissen Alters im gleichen Maß treffe, weshalb von einer Verfolgung im Sinn der vorgenannten Bestimmung nicht gesprochen werden könne. Da der Beschwerdeführer während des gesamten "Fremdenverfahrens" nicht in der Lage gewesen sei, entsprechend konkrete Angaben über stichhaltige, seine Person betreffende Gründe im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG glaubhaft vorzubringen, sondern nur allgemein gehaltene Behauptungen in den Raum gestellt habe, gelange die erkennende Behörde zur Ansicht, daß er gegenwärtig in der Jugoslawischen Föderation nicht verfolgt werde. Aufgrund seines "überschießenden" Vorbringens, insbesondere jenes wegen des angeblich gegen ihn erlassenen Haftbefehls sowie seines angeblich bevorstehenden Einsatzes an der Kriegsfront in Bosnien, dränge sich bei der erkennenden Behörde - ebenso wie bei der Asylbehörde - unweigerlich der Schluß auf, daß seine diesbezüglichen Angaben nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmten und lediglich den Zweck hätten, die Chance auf Asylgewährung oder Verbleib in Österreich zu erhöhen. Die angeführten Behauptungen seien nicht nur unsubstantiiert, standardisiert sowie ohne nähere Begründung und Untermauerung, sondern vielfach auch unglaubwürdig und unwahrscheinlich. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme im gegenständlichen Verfahren unter Beiziehung eines Dolmetschers erscheine der erkennenden Behörde entbehrlich, weil der zu beurteilende Sachverhalt ausreichend geklärt sei. Zudem sei ihm durch die Fremdenpolizeibehörde erster Instanz mitgeteilt worden, daß diese in seinem bisherigen Vorbringen keine "stichhaltigen Gründe" im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 FrG zu erblicken vermochte, er jedoch in Anbetracht der beabsichtigten Abweisung seines Antrages die Möglichkeit hätte, hiezu ausführlich Stellung zu nehmen und weitere Beweismittel zu bringen. Statt dessen habe er allgemein gehaltene Berichte über die Lage im Kosovo sowie seinen Einberufungsbefehl vorgelegt und im übrigen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0229) vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen.

Im Asylverfahren brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, er sei politisch tätig gewesen und mehrmals von der Polizei befragt und dabei auch geschlagen worden. Seiner Einberufung zum Wehrdienst habe er deswegen nicht Folge geleistet, weil die Angehörigen der albanischen Minderheit an vorderster Front in den Krieg geschickt würden und als "Kanonenfutter" dienten; es sei kein Kosovo-Albaner lebend vom Militärdienst zurückgekehrt. Wegen der Militärdienstverweigerung habe er mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren zu rechnen und er wisse von Freunden, die vom Militär desertiert seien, daß Angehörige der albanischen Minderheit beim serbischen Militär schlechter behandelt würden.

Der Beschwerdeführer bekämpft zwar die Beweiswürdigung der belangten Behörde, bringt aber kein Argument vor, warum diese Beweiswürdigung mangelhaft sein soll. Angesichts dessen, daß der Beschwerdeführer seine Behauptungen über eine politische Tätigkeit in keiner Weise untermauerte, kann der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Prüfung der Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit nicht finden, daß diese mit den Denkgesetzen nicht in Einklang stehe.

Zu den - erkennbar im Hinblick auf § 37 Abs. 2 FrG aufgestellten - Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ableistung des Wehrdienstes ist auszuführen, daß die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes für sich allein keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellt, desgleichen eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung. Die Furcht, wegen Desertion bestraft zu werden, kann jedoch dann asylrechtlich - und damit iSd § 37 Abs. 2 FrG - relevant sein, wenn die Einberufung zum Militärdienst aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt oder aus solchen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung als bei anderen Staatsangehörigen zu befürchten wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0221). Ebenso kann eine Bedrohung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG vorliegen, wenn ein Fremder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bei Ableistung des Militärdienstes in einer sein Leben oder seine Freiheit bedrohenden Weise schlechter als andere Wehrpflichtige behandelt wird.

Die Angaben des Beschwerdeführers über eine Schlechterbehandlung der Angehörigen der albanischen Volksgruppe und deren Verwendung als "Kanonenfutter" sind jedoch zu unbestimmt, um mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung der vorgenannten Art darzutun.

Soweit der Beschwerdeführer der Behörde vorwirft, sie habe jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen, zeigt er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, weil er nicht vorbringt, anhand welcher Ermittlungsergebnisse welche Feststellungen zu treffen gewesen wären, die zu einem für ihn günstigen Ergebnis in der Sache geführt hätten.

Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995210971.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten