Entscheidungsdatum
25.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G310 2213072-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Ungarn, vertreten durch Dr. Günter SCHMID, Mag. Rainer HOCHSTÖGER, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.01.2018, XXXX, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Mit Schreiben des Bundeamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.05.2018 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Prüfung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen. Eine entsprechende Stellungnahme langte am 18.06.2018 beim BFA ein.
Am 17.09.2018 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme erfolgte ohne Beisein eines Dolmetschers mit dem Vermerk, dass der BF gut Deutsch spricht.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2. FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid betreffend das Aufenthaltsverbot aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass aus dem Strafantrag ersichtlich sei, dass die große Menge gerade erreicht worden sei, weswegen nicht mehr nach § 27 SMG vorgegangen werden hätte können. Für die Begehung nach § 28a Abs. 1 SMG sei eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen und sei der BF zu sechs Monaten verurteilt worden, wobei die Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen worden sei, was bedeute, dass die Bestrafung gerade im Bereich eines Zwölftes des Strafrahmens liege. Dies entspreche einer äußerst geringen kriminellen Energie und somit einem Bagatelldelikt. Verwiesen werde auch auf seine bisherige Unbescholtenheit und sein umfassendes, reumütiges Geständnis. Nicht entsprechend gewürdigt worden seien die Bestätigungen über die erfolgte Psychotherapie, die psychosoziale Beratung sowie die vorgelegten Unterlagen betreffend die Integration des BF. Hervorzuheben seien der Schulbesuch, die abgeschlossene Lehre zum Bäcker, das bestehende Beschäftigungsverhältnis, der große Freundeskreis, seine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin sowie sein Engagement im Tierschutzbereich. Auch die Mutter des BF und sein Bruder seien bestens integriert und würden einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen.
Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 16.01.2019 einlangten.
Am 01.02.2019 langte beim BVwG eine Verständigung von einer Amtshandlung gegen den BF ein, wonach dieser am XXXX2019 bei der Staatsanwaltschaft XXXX wegen des Verdachts, einen Diebstahl begangen zu haben, angezeigt worden sei. Der entsprechende Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 28.01.2019 und die Beschuldigtenvernehmung vom 25.01.2019 langte am 05.02.2019 bzw. am 18.02.2019 beim BVwG ein.
Feststellungen:
Der BF ist ein 21-jähriger ungarischer Staatsbürger. Im August 2012 zog der BF mit seiner Mutter und seinem Bruder, zu welchen er ein gutes Verhältnis hat, nach Österreich. Seit XXXX.2012 weist er eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf. Ihm wurde am 14.04.2015 eine Anmeldebescheidung für EWR-Bürger (Familienangehöriger) ausgestellt.
In Ungarn hat der BF den Kindergarten sowie die Volks- und Hauptschule besucht. Der Hauptschulabschluss erfolgte in Österreich. Danach besuchte der BF die Polytechnische Schule in XXXX. In der Folge begann er mit einer Lehre zum Koch/Kellner, wechselte sodann den Lehrberuf und absolvierte eine Lehre zum Bäcker. Der Lehrabschluss erfolgte im September 2018.
Der BF ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er führt eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin und hat sich in Österreich einen großen Freundeskreis aufgebaut. Er spricht Ungarisch, Deutsch und Englisch. Der BF hat ein Vermögen von 3.500,-- EUR und einen laufenden Bausparvertrag bis Juni 2020. Bis Februar 2019 erfolgte die Rückzahlung eines Kredites in der Höhe von 1.500,-- EUR, welcher für die Anschaffung eines Mopeds aufgenommen wurde. Weiters verfügt der BF über eine Unfallversicherung.
2015 war der BF für die WKO bei der Messe für Jugend und Beruf im Einsatz. Seit 2017 ist er Förderer des Vereins Vier Pfoten. Im Zeitraum November bis Dezember 2018 erfolgte der Abschluss des oberösterreichischen Finanzführerscheins basic.
In Ungarn leben noch sein Vater und seine Großmutter. Zu diesen hat der BF nur über seinen ebenfalls in Österreich lebenden Bruder Kontakt.
Der Verurteilung des BF liegt zugrunde, dass er vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen teils gewinnbringend überlassen hat, indem er im Zeitraum von März 2016 bis September 2017 insgesamt cirka 1.100 Gramm Cannabiskraut (Reinheitsgehalt 13 % THCA und 0,99% Delta-9-THC; 4,12 fache Grenzmenge) zum Gesamtpreis von 10,-- EUR in zahlreichen Teilverkäufen sowie eine geringe Menge Speed (Amphetamin) unentgeltlich an insgesamt sieben Abnehmer überließ sowie im Zeitraum von Anfang 2016 bisXXXX2017 vorschriftswidrig Suchtgift zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen hat, und zwar insgesamt unbekannte Mengen Cannabiskraut bis zum jeweiligen Eigenkonsum. Als mildernd wurden seine Unbescholtenheit, das Alter unter 21 und das umfassende Geständnis gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen.
Seit Februar 2018 wird der BF im Rahmen der Bewährungshilfe betreut, nimmt eine Psychotherapie sowie eine psychosoziale Beratung wahr und kommt auch der Weisung des Gerichts sich einer Drogentherapie zu unterziehen nach.
Verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bezüglich des BF liegen im Zuständigkeitsbereich des Magistrat XXXX nicht auf.
In Österreich war der BF vom XXXX2014 bis XXXX2016 sowie vom XXXX2016 bis XXXX2018 als Lehrling beschäftigt. Dazwischen bezog er vom XXXX2016 bis XXXX2016 Arbeitslosengeld. Vom XXXX2018 bisXXXX2018 weist der BF weitere Beschäftigungszeiten auf, bezog aber sodann vom XXXX2018 bis XXXX2018 erneut Arbeitslosengeld. Vom XXXX2018 bis XXXX2019 war der BF wiederum im Bundesgebiet als Arbeiter beschäftigt, bezog vomXXXX2019 bis XXXX2019 Arbeitslosengeld und kann seit XXXX2019 wieder eine laufende Beschäftigung nachweisen.
Im Rahmen des Dienstverhältnisses von November 2018 bis Februar 2019 ereignete sich der im Abschlussbericht vom 28.01.2019 angeführte Vorfall. Demnach steht der BF in Verdacht, am XXXX2019 zum Nachteil seines damaligen Arbeitgebers Lebensmittel im Wert von 22,74 EUR gestohlen zu haben. Der BF ist geständig und erfolgte die Schadenwiedergutmachung durch den BF.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.
Die Identität des BF wird durch seinem im Akt in Kopie aufliegenden ungarischen Personalausweis belegt. Die Ausstellung der Anmeldebescheinigung ist im Fremdenregister dokumentiert.
Der Aufenthalt des BF in Österreich ergibt sich aus seinen Hauptwohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister. Seine Beschäftigungszeiten ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug.
Die Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, seinen Sprachkenntnissen, seiner schulischen und beruflichen Ausbildung ergeben sich aus seinen Angaben in der Stellungnahme sowie anlässlich der Einvernahme vor dem BFA und aus den Ausführungen in der Beschwerde. Belegt werden seine Angaben durch folgende im Akt aufliegenden Unterlagen: sämtliche Schulzeugnisse und Lehrverträge, Lehrbrief über die bestandene Lehrabschlussprüfung, Bausparvertrag, Kreditvertrag, Versicherungspolizze betreffend die Einzelunfallversicherung, Schreiben von Bezugspersonen, Bestätigung der WKO und des Vereins Vier Pfoten sowie das Zertifikat der Schuldnerhilfe Oberösterreich betreffend den Finanzführerschein.
Dass keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufliegen, ergibt sich aus dem Schreiben des Magistrat XXXX vom 29.11.2018.
Die Feststellung zu der vom BF begangenen Straftat, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichts XXXX.
Aus den vorgelegten Schreiben des Vereins Neustart und Point, Beratungsstelle für Suchtfragen, lässt sich entnehmen, dass sich der BF einer Drogentherapie, einer psychosozialen Beratung sowie einer Psychotherapie unterzieht und im Rahmen der Bewährungshilfe betreut wird.
Der Verdacht des Diebstahls ergibt sich aus dem Abschlussbericht und der Beschuldigtenvernehmung. Daraus geht auch die geständige Verantwortung des BF und die erfolgte Schadenswiedergutmachung hervor.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Der BF ist als Staatsangehöriger von Ungarn EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.
Art 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) lautet:
"Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen."
Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in Art 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach auch voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309). Auch ein festgestelltes Fehlverhalten seines Fremden, das (noch) nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat, kann zur Beurteilung der für ein Aufenthaltsverbot erforderlichen Gefährdungsprognose herangezogen werden (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Aufgrund des rechtmäßigen über fünfjährigen, aber unter zehnjährigen Aufenthalts des BF in Österreich (seit 2012) ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") iVm § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit") anzuwenden.
Obwohl der BF wegen begangener Drogendelikte verurteilt wurde und in Verdacht steht, einen Ladendiebstahl begangen zu haben, weisen die von ihm begangenen Taten - insbesondere unter Berücksichtigung, dass im Strafverfahren mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten das Auslangen gefunden wurde - nicht eine solche Schwere auf, dass der anzuwendende Gefährdungsmaßstab erfüllt ist. Unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte erreicht die Delinquenz des BF nicht den in § 67 Abs. 1 zweiter Satz iVm § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG festgelegten Schweregrad.
Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass es sich bei Delikten nach dem SMG um Handlungen mit erheblichem sozialen Störwert handelt, was sich auch in der Strafdrohung (Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach § 28a Abs. 1 SMG) widerspiegelt. Der seiner Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt lässt aber den Schluss auf einen das übliche mit solchen strafbaren Handlungen verbundene Maß unterschreitenden Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert zu, was sich auch in der vom Gericht verhängenden Strafe widerspiegelt.
Auch das Gesamtverhalten des BF verwirklicht diesen Gefährdungsmaßstab noch nicht. Selbst wenn sich der BF durch die Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe nicht von einer weiteren Delinquenz abhalten ließ, ist dennoch zu berücksichtigen, dass sich der BF zu den ihm zur Last gelegten Handlungen stets geständig zeigte und zuletzt auch umgehend Schadenswiedergutmachung leistete. Ebenso ist nicht außer Acht zu lassen, dass der BF sogleich nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses im Februar 2019 bemüht war, erneut eine Arbeitsstelle zu finden. Darüber hinaus hat er seinen Aufenthalt in Österreich dazu genutzt, sich beruflich und sozial zu integrieren. Er hat hier seine Schul- und Berufsausbildung abgeschlossen und sich danach stets um eine Beschäftigung bemüht. Die im Akt aufliegenden Schreiben seiner Freunde bzw. Bezugspersonen zeugen von seiner sozialen Verankerung im Bundesgebiet.
Im Sinne einer vernetzten Betrachtung der begangenen Straftaten und in Zusammenschau mit der Persönlichkeit des BF sind die Voraussetzungen des Gefährdungsmaßstabs gemäß § 67 Abs. 1 zweiter Satz iVm § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG somit nicht erfüllt.
Eine Prüfung, ob der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF verhältnismäßig wäre, muss daher mehr nicht vorgenommen werden. Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF im Ergebnis nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben.
Sollte der BF in Zukunft wieder wegen entsprechend schwerwiegender Taten strafgerichtlich verurteilt werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu Spruchteil B):
Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH Ra 11.05.2017, 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Privat- und Familienleben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2213072.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.07.2019