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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller,1) über den Antrag des J in B, vertreten durch Dr. Ferdinand Gross, Rechtsanwalt in Kapfenberg, Grazerstraße 5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, betreffend den unter Punkt 2) genannten Bescheid beschlossen und 2) über die Beschwerde des unter 1) genannten Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Stmk. vom 13. Juli 1998, Zlen. UVS 303.11-9/98-38 und UVS 30.11-26/98-34, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
1) Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
2) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer der Begehung von sieben Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe vom 20. Mai 1997 bis 22. Mai 1997 die tschechischen Staatsangehörigen K, R und Z, vom 14. Mai 1997 bis 15. Mai 1997 die tschechischen Staatsangehörigen C, S und N sowie vom 2. Mai 1997 bis 15. Mai 1997 die tschechische Staatsangehörige B im Nachtklub "S" in B als Arbeitgeber beschäftigt, obwohl für diese Ausländerinnen weder Beschäftigungsbewilligungen erteilt noch Anzeigebestätigungen, Arbeitserlaubnisse oder Befreiungsscheine ausgestellt worden seien. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils ein Tag) und vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zwei Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist verbundene Beschwerde.
Der Beschwerdeführer begründet seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gegen den am 21. Juli 1998 zugestellten Bescheid der belangten Behörde sei am 13. August 1998 vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers unterfertigt worden; ab 14. August 1998 habe sich der Vertreter des Beschwerdeführers auf Urlaub befunden. Die verläßliche Schreibkraft habe die unterfertigte Beschwerde nicht zur Post gegeben, sondern diese mit anderen Akten vermengt und abgelegt. Der Vertreter des Beschwerdeführers sei davon ausgegangen, daß der Beschwerdeschriftsatz ordnungsgemäß zur Post gegeben worden sei. Der Fehler der verläßlichen Schreibkraft sei weder dem Beschwerdeführer noch seinem Vertreter anzulasten. Auf Grund des am 9. September 1998 zugestellten Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur sei das Hindernis der unterlassenen Postaufgabe festgestellt worden.
Zur Bescheinigung der Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag wurde die eidesstättige Erklärung der Kanzleikraft E und ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur (Strafreferat) über die Aufforderung zur Bezahlung der Geldstrafen beigebracht.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/09/0319, und vom 29. August 1996, Zl. 96/09/0181, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur).
Ausgehend von den bescheinigten Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ist die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung im vorliegenden Fall auf ein unvorhergesehenes Ereignis, nämlich auf ein der sonstigen Verläßlichkeit widersprechendes Verhalten der Kanzleiangestellten bei der Bewerkstelligung der Postaufgabe des Beschwerdeschriftsatzes zurückzuführen. Es liegt auch kein Anlaß zur Annahme vor, der Vertreter des Beschwerdeführers habe die Durchführung dieser Postaufgabe einer untauglichen Kanzleiangestellten übertragen, oder in diesem Zusammenhang seine Kontrollpflicht grob vernachlässigt. Da auch die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zu bewilligen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm nach dem AuslBG zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird im wesentlichen geltend gemacht, eine Beschäftigung sei nicht vorgelegen. Die Mädchen seien völlig selbständig bzw. wirtschaftlich nicht abhängig gewesen; sie seien zwar angeworben und eingestellt worden, hätten die Dauer ihres "Dienstvertrages" aber selbst bestimmen und das Etablissement verlassen können "wann sie wollen". Es habe sich um eine selbständige, in einem Club ausgeübte Tätigkeit gehandelt. Eine Prostituierte mit einer Genehmigung nach dem AuslBG könne bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als Dienstnehmerin nicht angemeldet werden. Eine Bewilligung nach dem AuslBG sei nicht erforderlich gewesen. Die belangte Behörde habe nicht erhoben und auch nicht festgestellt, ob es überhaupt möglich gewesen wäre, die Anmeldung bei der Sozialversicherung durchzuführen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung unter anderem in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird (lit. b). Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinn des Abs. 2 vorliegt, ist zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Die belangte Behörde hat als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer im Juli 1994 eine Nachtbar gepachtet habe und seit diesem Zeitpunkt an diesem Standort das Animierlokal "S" betreibe. Im genannten Animierclub des Beschwerdeführers würden seit Herbst 1996 vornehmlich Frauen aus Tschechien der Prostitution nachgehen. Der Beschwerdeführer habe diese Frauen zu Beginn ihrer Betätigung "ins Geschäft eingeführt" und über ihre Umsatzbeteiligungen von S 30,-- pro Cocktail und S 50,-- pro Piccolosekt aufgeklärt; die Frauen hätten in drei Zimmern im Obergeschoß der Prostitution nachgehen können. Außerhalb der Öffnungszeiten des Animierclubs seien die Zimmer von den Frauen gegen Bezahlung von S 100,-- pro Tag als Unterkünfte genützt worden. Der Beschwerdeführer habe auch selbst gekocht und für das Essen S 50,-- täglich von den Frauen verlangt. Kunden, die mit einer der Frauen aufs Zimmer gingen, um Geschlechtsverkehr durchzuführen, hätten beim Beschwerdeführer für 20 Minuten S 700,-- für 30 Minuten S 1.000,-- für 45 Minuten S 1.500,-- und für 60 Minuten S 2.000,-- bezahlen müssen. Bei der nach einer "Stricherlliste" geführten Abrechnung habe die Prostituierte meist 50 % des kassierten Betrages vom Beschwerdeführer erhalten. Über Weisung des Beschwerdeführers hätten die Prostituierten Geschlechtsverkehr grundsätzlich unter Verwendung von Kondomen durchführen müssen; diese Kondome hätten die Prostituierten beim Beschwerdeführer kaufen müssen. Der Beschwerdeführer habe die Anweisung erteilt, daß die Frauen im Lokal nicht nackt bzw. im BH oder Bikini hätten bekleidet sein dürfen, sondern normale Straßenkleidung hätten tragen müssen; geregelte Anwesenheitszeiten habe es nicht gegeben. Im Lokal habe es keine Putzfrau gegeben; die Frauen hätten beim Putzen auf freiwilliger Basis mitgeholfen.
Ausgehend von diesen Feststellungen und der Tatsache, daß die Verwendung auch der verfahrensgegenständlichen sieben Ausländerinnen unter diesen festgestellten Bedingungen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt wird, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322, und vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0195) im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, daß die Ausländerinnen nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeiten unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer verwendet wurden. In der Beschwerde wird kein wesentlicher Gesichtspunkt dargelegt, der diese Beurteilung der Arbeitnehmerähnlichkeit der Ausländerinnen bzw. die Annahme ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit im vorliegenden Fall als rechtswidrig erschienen ließe.
Ob die Ausländerinnen als Prostituierte bei der Sozialversicherung hätten angemeldet werden können bzw. ob Anmeldungen beim zuständigen Sozialversicherungsträger gescheitert wären, ist für die Beurteilung, ob Beschäftigungsverhältnisse nach dem AuslBG vorgelegen sind bzw. auch dafür, ob der Beschwerdeführer Arbeitgeber im Sinne des AuslBG ist, nicht erheblich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 96/09/0366, und die darin angegebene Vorjudikatur). Die gerügte Unterlassung von Erhebungen und Feststellungen in dieser Hinsicht stellen daher keinen Verfahrensfehler dar.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998090281.X00Im RIS seit
13.06.2001