TE Bvwg Beschluss 2019/5/10 W169 2218564-1

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Veröffentlicht am 10.05.2019
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Entscheidungsdatum

10.05.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2218564-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Babara MAGELE als Einzelrichterin in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019, Zl. 1029253107-190434371, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.08.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Bruder und seine Freunde eine Auseinandersetzung mit unbekannten Männern gehabt hätten, wobei dabei Leute von beiden Seiten verletzt worden seien. Auch sein Bruder sei einmal schwer verletzt worden. Sein Bruder und seine Freunde seien von der Polizei wegen Körperverletzung angezeigt worden, weshalb sein Bruder untergetaucht sei. Folglich sei der Beschwerdeführer statt seinem Bruder von der Polizei festgenommen und einen Tag eingesperrt, befragt und geschlagen worden. Anschließend habe man ihn entlassen und aufgefordert, sich am nächsten Tag wieder bei der Polizei zu melden, ansonsten würde man auch ihn anzeigen. Aus Angst habe er Indien verlassen. Zudem sei der Beschwerdeführer von den Leuten, mit denen sein Bruder Streit gehabt habe, mit dem Tod bedroht worden.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.05.2017 führte der Beschwerdeführer an, dass er seit seiner Geburt bis 2013 in Ludhiana sowie von 2013 bis 2014 in New Delhi gelebt habe. Er habe im Heimatland mit seinen Eltern im Elternhaus gewohnt und sei von seinem Vater unterstützt worden. Sein Vater sei Lehrer und seine Mutter Hausfrau. Er habe in Indien zehn Jahre die Schule und zwei Jahre ein College besucht. In Indien würden nach wie vor seine Eltern und sein Bruder leben. Zu diesen habe er telefonischen Kontakt. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass sein älterer Bruder im Jahr 2012 einen Streit gehabt habe und dabei jemand ums Leben gekommen sei. Die Leute und deren Verwandte seien zum Bruder gekommen und die Polizei habe auch einige Male den Beschwerdeführer und seinen Vater mitgenommen. Deshalb habe er sich entschlossen, das Land zu verlassen. Nach Aufforderung, seine Fluchtgründe zu konkretisieren, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder seinen Gegner mit einem Messer attackiert habe und dieser zehn Tage später im Spital verstorben sei. Sein Bruder habe sich danach versteckt. Die Gegner hätten zur Polizei gesagt, dass der Beschwerdeführer bzw. sein Vater wissen würden, wo sich sein Bruder versteckt halten würde. Deshalb seien sie immer wieder von der Polizei befragt worden. Auch sei der Beschwerdeführer vom Bruder des Ermordeten und dessen Freunden bedroht worden. Auf die Frage, warum er nicht bei der Polizei gemeldet habe, dass er bedroht worden sei, gab der der Beschwerdeführer an, dass die Gegner "irgendwelche Verwandten" hätten, die in der Politik tätig seien und sie die Polizei beeinflusst hätten. Welche Verwandte dies seien, wisse er nicht. Sein in Indien lebender Vater habe keine Probleme mit den Verwandten des Ermordeten. Freunde des Ermordeten bzw. der Bruder des Ermordeten sei einmal beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen, ein paar Mal sei er von diesen auch auf der Straße angehalten worden. Handgreiflichkeiten habe es aber keine gegeben. An einem anderen Ort in Indien hätte er sich nicht niederlassen können, zumal er dort niemanden kenne und keine Arbeit finde.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Familienangehörigen in Österreich habe und mit niemanden in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er habe keine österreichischen Freunde oder Bekannte. In der Freizeit sei er immer zu Hause. Deutschkurse bzw. sonstige Kurse und Ausbildungen habe er keine absolviert. Auch sei er nicht in Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig und nehme auch nicht in anderer Weise am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teil. Er sei bereits drei Jahre in Österreich und fühle sich hier sehr wohl. Er habe in Österreich in einer Bäckerei gearbeitet. Seit einem Monat arbeite er nicht mehr.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Einsicht und dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer verzichtete jedoch auf diese Möglichkeit.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist und gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes aus, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei. Zudem existiere kein Meldewesen in Indien, sodass dem Beschwerdeführer jedenfalls die Möglichkeit offenstehe, sich an einem anderen Ort in seinem Herkunftsstaat zu begeben, um den vom Beschwerdeführer behaupteten Problemen zu entgehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer sei eine erwachsene, arbeitsfähige, gebildete Person, der es jedenfalls zumutbar sei, im Falle einer Rückkehr, etwa durch Arbeitsaufnahme, selbst für sein Auskommen zu sorgen. Seine Familienangehörigen würden sich in Indien befinden. Er verfüge somit über ein soziales Netzwerk im Heimatland. Ferner sei es in Betracht zu ziehen, dass er den Großteil seines Lebens im Heimatland verbracht habe und dort auch über Familie und Verwandte verfüge, welche ihn unterstützen könnten. Der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er habe keine Gründe namhaft machen können, die für eine Integration sprechen würden, weshalb die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 ERMK geschützten Rechte des Beschwerdeführers darstellen würden.

4. Da der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel erhob, erwuchs dieser in Rechtskraft.

5. Am 29.04.2019 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft seinen zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer auf die Frage, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, obwohl sein Verfahren bereits im August 2017 rechtskräftig negativ entschieden worden sei, an, dass er nicht nach Indien zurückwolle, da er dort Probleme habe. Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie und wisse nicht, wo sie leben würde. Er habe Angst, in Indien getötet zu werden.

6. Am 06.05.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er Probleme mit der Polizei in Indien gehabt habe, da er mit Leuten aus der "Gruppe Khalistan" zusammen gewesen sei. Nach Vorhalt, dass er dies aber im ersten Asylverfahren nicht erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne. Nach Wiederholung der Frage gab der Beschwerdeführer dann an, dass er nicht danach gefragt worden sei. Er habe sein Heimatland verlassen, weil es ein Problem mit seinem Bruder gegeben habe. Sein Bruder sei beschuldigt worden, eine Vergewaltigung begangen zu haben. Nach weiterem Vorhalt, dass er auch dieses Vorbringen im Erstverfahren nicht erwähnt habe, führte der Beschwerdeführer an, dass er im ersten Verfahren alles angegeben habe. Er habe auch den Namen seines Bruders genannt. Im Heimatland würden zurzeit seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester leben. Zu diesen habe er aber seit einem Jahr keinen Kontakt. Seine Gründe aus dem ersten Verfahren seien nach wie vor aufrecht. Nach Aufforderung, seine damaligen Gründe kurz zu nennen, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder und seine Freunde beschuldigt worden seien, eine Vergewaltigung begangen zu haben. Die Polizei habe deshalb seinen Bruder gesucht, weshalb dieser geflüchtet sei. Dann hätten sie den Beschwerdeführer beschuldigt. Aus Angst habe er Indien verlassen. Nach Vorhalt, dass dies nicht seine Gründe aus dem Erstverfahren gewesen seien und er dort etwas ganz anderes angegeben habe, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er das alles in Traiskirchen erwähnt habe. Nach Vorhalt, dass er damals angegeben habe, dass sein Bruder einen Mord begangen habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass es kein Mord gewesen sei, sondern eine Vergewaltigung. Vielleicht habe er das auch damals falsch gesagt.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich keine Familienangehörigen bzw. sonstige Verwandten habe, auch lebe er mit niemanden in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er habe bisher noch keinen Deutschkurs besucht. Er habe einen österreichischen Führerschein gemacht und als Lieferant für Medikamente gearbeitet. Diese Arbeit habe er ca. ein Jahr ausgeübt.

Nach Vorhalt, dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG erhalten habe, womit mitgeteilt worden sei, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, gab der Beschwerdeführer an, dass er nichts dazu zu sagen habe.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderfeststellungen zu Indien vom Dolmetscher übersetzt. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme dazu ab.

Auch der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater stellte keine Anträge bzw. Fragen.

7. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Indien ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Erstverfahren andere Gründe angegeben habe, als im gegenständlichen Verfahren, obwohl die Gründe, die er im zweiten Asylverfahren vorgebracht habe, nach Angaben des Beschwerdeführers bereits zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen sei. Zudem habe der Beschwerdeführer widersprüchlich zum Erstverfahren ausgeführt, dass sein Bruder bezichtigt worden sei, eine Vergewaltigung begangen zu haben, während er im Erstverfahren ausdrücklich angeführt habe, dass er eine Person mit einem Messer verletzt habe, die dann zehn Tage später verstorben sei, weshalb er wegen Mordes angezeigt worden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer erstmals im gegenständlichen Verfahren vorgebracht, dass er in Indien Probleme mit der Polizei gehabt habe, zumal er mit einer Gruppe zusammen gewesen sei, die für ein unabhängiges Khalistan kämpfen würde. Dieses Vorbringen habe er jedoch im ersten Asylverfahren mit keinem Wort erwähnt, obwohl dem Beschwerdeführer dies laut eigenen Angaben bereits damals bekannt gewesen sei, weshalb die Behörde von der Unglaubwürdigkeit auch dieses Vorbringens ausgehe.

Die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Der diesbezüglich für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Indien in Verbindung mit seinem Vorbringen drohe dem Beschwerdeführer keine Verletzung wie in

§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich auch diesbezüglich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren rechtskräftig entschieden sei. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal der Beschwerdeführer zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und er sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe, welche bereits als unglaubwürdig gewertet worden seien. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers weise keinen glaubhaften Kern auf. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers habe sich nicht entscheidungsrelevant geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung nicht maßgeblich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben vom 06.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo es am 09.05.2019 einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des Beschwerdeführers.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

2.1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.2. Die Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 21.08.2014 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.04.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

2.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

2.4. Mit Bescheid vom 01.06.2017 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Dieser Bescheid erwuchs mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft.

Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Da der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens Österreich nicht verlassen hat, ist die Rückkehrentscheidung gegen ihn weiterhin aufrecht.

2.5. Der Antrag vom 29.04.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:

Eine maßgebliche Änderung der Rechtsgrundlage ist nicht eingetreten.

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048; 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 31.07.2014, 2013/08/0163; vgl. dazu ausführlich die - zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren - Erwägungen in VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Im Folgeantragverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra/2014/18/0089).

Der Beschwerdeführer behauptet zum einen keine neue Sachverhaltsänderung, er behauptet ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im vorangegangenen Asylverfahren geschilderten - und für unglaubwürdig befundenen - fluchtauslösenden Umstände, da er bei der Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich angab, dass seine Gründe aus dem Vorverfahren weiterhin aufrecht seien. Zum anderen gab der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren erstmals an, dass er in Indien Probleme mit der Polizei gehabt habe, da er sich einer Gruppe angeschlossen habe, die für ein unabhängiges Khalistan kämpfen würde. Da diese Fluchtgründe jedoch bereits - laut Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - im ersten Asylverfahren vorgelegen sind bzw. dem Beschwerdeführer schon damals bekannt gewesen waren, er diese aber nicht vorgebracht hat, steht dem nunmehrigen Antrag des Beschwerdeführers nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen. Das vom Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getätigte Vorbringen, wonach sein Bruder von der Polizei beschuldigt worden sei, eine Vergewaltigung begangen zu haben, widerspricht dem Vorbringen des Beschwerdeführers im ersten Asylverfahren, wo der Beschwerdeführer ausdrücklich vorgebracht hat, dass sein Bruder von der Polizei wegen Mordes angezeigt worden sei. Folglich weist dieses neue Vorbringen keinen "glaubhaften Kern" im Sinne der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017 eingetreten ist.

2.6. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Da sich der Beschwerdeführer erst seit August 2014 im Bundesgebiet aufhält, nie über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügte, in Österreich über keine Familienangehörigen und Verwandten verfügt, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist und auch keinen Deutschkurs besucht hat, kann auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden. Darüber hinaus verbrachte der grundsätzlich gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer sein gesamtes Leben vor der Ausreise in Indien, wo er 12 Jahre die Schule besuchte und wo er nach wie vor über anhaltende soziale Bindungen verfügt.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

3. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist das Verfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
Folgeantrag, non refoulement, Privat- und Familienleben, res
iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W169.2218564.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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