Entscheidungsdatum
28.05.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W163 2219282-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2019, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß §§ 12a Abs. 2, 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang:
1.1. Vorverfahren:
1.1.1. Der Asylwerber (in der Folge AW), ein Staatsangehöriger von Indien, stellte nach schlepperunterstützter und irregulär Einreise in das Bundesgebiet am 25.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.1.2. Bei der am gleichen Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der AW zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst an, es gäbe seit ca. fünf Jahren einen Streit zwischen zwei Schulgruppen seines und des Nachbardorfes. Es sei mehrmals zu Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen gekommen. Bei einer davon sei der AW geschlagen und schwer verletzt worden, zudem sei er von der Gruppe aus dem Nachbardorf immer wieder, auch mit dem Umbringen, bedroht worden. Zudem sei er unberechtigt wegen Körperverletzung angezeigt worden.
1.1.3. In der am 20.01.2016 niederschriftlich aufgenommenen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) brachte der AW zusammengefasst zu seinem Fluchtgrund vor, er habe, als er die 12. Schulstufe besucht habe, Streit mit Klassenkollegen aus dem Nachbardorf gehabt. Ursache dafür sei gewesen, dass die Burschen von einer anderen Kaste - nämlich der Zuhr - gewesen seien als der AW und seine Freunde, die der Kaste der Jat angehören würden. Begonnen habe der Streit, als einer der Freunde des AW, ebenfalls ein Klassenkollege, bei Spielen des Mannschaftssports "Kabaaddi" mit Mitgliedern dieser Gruppe gestritten habe. Daraus sei eine tiefere Feindschaft entstanden und sie hätten den AW bei einem Streit lebensgefährlich am Kopf verletzt. Er sei mit dem Umbringen bedroht worden, weshalb seine Eltern ihn ins Ausland geschickt hätten. Der AW verneinte Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes, eine politische Tätigkeit, eine Inhaftierung seiner Person und Probleme wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit. Wegen des größeren politischen Einflusses der anderen - der Parlamentsabgeordnete von XXXX habe sehr enge freundschaftliche Bindungen zum Vater einer der Gegner des AW namens XXXX - habe der AW keine Anzeige erstattet. Auf nähere Befragung gab der AW unter anderem an, dass die vorgebrachte Verfolgung nicht in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kasten begründet gewesen sei, sondern weil sie gemeinsam zur Schule gegangen seien und sie sich in zwei Gruppen geteilt hätten, die zufällig zwei verschiedenen Kasten angehört hätten. Nach Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls gab der AW an, dass es doch zu Problemen wegen der Kaste gekommen sei - alle anderen hätten die Zuhr unterstützt und seien gegen den AW gewesen, weil er Jat sei.
1.1.4. Mit Bescheid des BFA vom 26.02.2016, Zl. XXXX , wurde der Antrag des AW auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Dem AW wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des AW gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung führte das BFA zusammengefasst aus, dass das Fluchtvorbringen des AW aufgrund mehrerer, näher dargestellter Widersprüche in seinem Vorbringen nicht glaubhaft sei. Dabei arbeitete das BFA heraus, dass sich der AW divergierend dazu geäußert habe, ob das Motiv für die Verfolgung in der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kasten oder in der Rivalität in einem Mannschaftsspiel gelegen sei und dass er widersprüchliche Angaben zu körperlichen Übergriffen auf seine Person machte. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass der AW von seinen eigenen Freunden nur Vornamen kenne und habe er sein Vorbringen im Laufe der Einvernahme gesteigert. Außerdem wertete das BFA den Verbleib über eine Zeitspanne von fünf Jahren als gegen das Vorliegen einer Bedrohungssituation sprechend. Umstände, wie, dass der AW den Namen seines Schuldirektors nicht kannte, dass sich der AW nicht an die Polizei gewandt habe und dass der AW sich trotz der behaupteten Feindschaft immer wieder zu dem Spielplatz begeben hätte, wertete das BFA ebenfalls der Glaubhaftmachung dieses Vorbringens entgegenstehend. Schließlich führte das BFA an, dass die Angaben des AW in der Erstbefragung, wonach ihm sein Reisepass vom Schlepper in Moskau abgenommen worden wäre, aufgrund der späteren Sicherstellung seines Reisepasses falsifiziert worden seien und er aufgrund dieser Falschangabe persönlich unglaubwürdig sei.
Zudem sei es dem AW offen gestanden, sich in einem anderen Teil Indiens niederzulassen. Aus den Länderinformationen gehe hervor, dass es kein Meldewesen gebe und der AW sich an einen anderen Ort begeben könnte, um seinen angeblichen Problemen zu entgehen.
Es gebe keine Anhaltspunkte, dass der AW als gesunde, erwachsene, gebildete Person bei einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt nicht durch Erwerbstätigkeit bestreiten könnte.
Der AW verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Heimat und habe dort den überwiegenden Teil seines Lebens verpasst. Eine besondere Integration in Österreich liege nicht vor.
1.1.5. Dieser Bescheid wurde dem bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter des AW am 03.03.2016 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
1.1.6. Am 21.05.2018 wurden der AW angehalten und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Dabei wurde sein illegaler Aufenthalt festgestellt. Er wurde angezeigt, dem BFA der RD Wien vorgeführt und am 22.05.2018 niederschriftlich vor dem BFA einvernommen (illegaler Aufenthalt - rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung und Überprüfung des Sicherungsbedarfs).
1.1.7. Mit Bescheid vom 22.05.2018, Zl. XXXX , wurde gegen den AW gem. § 77 Abs. 1 u. 3 iVm. § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG das gelinderer Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
1.1.8. Mit 25.05.2018 wurde dem BFA eine Vollmacht für den XXXX übermittelt, den Reisepass des AW vom BFA abzuholen, da dieser freiwillig ausreisen wolle. Zudem wurde eine Flugbuchungsbestätigung übermittelt. In weiterer Folge folgte das BFA am 07.06.2018 den Reisepass des AW einem Vertreter des VMÖ aus. Da die freiwillige Ausreise des AW nicht stattfand, wurde der Reisepass seitens des VMÖ rückübermittelt.
1.1.9. Der AW leistete seiner Meldeverpflichtung bei der PI Storchengasse nach 04.07.2018 nicht mehr Folge. Infolgedessen wurde das unter Punkt 1.2.2. bezeichnete gelindere Mittel mit 23.07.2018 aufgehoben und ein Festnahmeauftrag erlassen.
1.1.10. Die in weiterer Folge am 24.07.2018 beabsichtigte Festnahme des AW an seiner Meldeadresse verlief negativ.
1.1.11. Am 28.01.2019 wurde das BFA über eine Amtshandlung gegen den AW in Kenntnis gesetzt.
1.1.12. Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 25.04.2019 wurde in einer Strafsache gegen den AW die Untersuchungshaft verhängt.
1.2. Gegenständliches Verfahren:
1.2.1. Am 08.05.2019 stellte der AW einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
1.2.2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei brachte der AW im Wesentlichen vor, dass seine alten Asylgründe aufrecht bleiben würden. Es gebe aber auch Änderungen - ein Freund des BF sei von den gleichen Leuten (Mitglieder der gegnerischen Partei) wie der AW verfolgt worden. Sein Freund sei in Indien ins Gefängnis gekommen, der AW habe flüchten können. Im Jahr 2016 sei sein Freund, als dieser von der Polizei zum Gericht gebracht werden sollte, erschossen worden. Der AW fürchte, dass ihn Mitglieder der anderen Partei ebenfalls umbringen würden und nannte als Mitglied der gegnerischen Partei namentlich XXXX - gegen diesen würden bereits Mordanklageverfahren in Indien laufen.
1.2.3. Mit Verfahrensanordnung des BFA, dem AW ausgefolgt am 13.05.2019, teilte das BFA dem AW gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zudem sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (§ 12a Abs. 2 AsylG).
1.2.4. Am 23.05.2019 wurde der AW im Stande der Untersuchungshaft von einem Organwalter des BFA niederschriftlich im Beisein eines Rechtsberaters einvernommen.
Als Grund für die neuerliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz brachte der AW zusammengefasst vor, dass er bei der Kongresspartei beteiligt gewesen sei. Die Akali Dal, also ihre Gegner, hätten Probleme gemacht. Er sei von deren Anhängern angegriffen und am Kopf verletzt worden. Die Lage sei schlechter geworden und er habe erfahren, dass die generische Partei einen seiner Freunde, nämlich XXXX , umgebracht habe. Auf Vorhalt seiner Angaben aus dem Erstverfahren brachte der AW vor, dass in Indien Konflikte zwischen politischen Parteien normal seien und jede Partei Mitglieder aus verschiedenen Kasten habe. Er habe damals nicht gedacht, dass es wichtig sei, das zu erzählen. Sein Feind sei XXXX , dieser habe seinen Freund umgebracht und werde bei einer Rückkehr auch den AW umbringen. Schon vor seiner Ausreise habe der AW einen Drohanruf von dieser Person bekommen. Der AW und sein nunmehr getöteter Freund hätten einen Freund des XXXX geschlagen, deshalb sei nun der AW von diesem bedroht. Der AW brachte auf Vorhalt vor, dass er all dies im Erstverfahren nicht erwähnt habe, da er nicht gewusst habe, dass dieser seinen Freund und andere Leute umbringen werde. Auf Befragung hinsichtlich eines Zusammenhangs zum Vorbringen im Erstverfahren brachte der AW vor, dass er ein Freund von XXXX gewesen sei. Einer der im Erstverfahren genannten Schüler namens XXXX sei ein Freund von XXXX gewesen. Bei einer Rückkehr würden beide nach ihm suchen.
1.2.5. Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 23.05.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG in Anwendung des § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.
Begründend wurde nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges im Wesentlichen festgestellt, dass der AW keinen glaubhaften, asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Es bestünden keine Umstände, die einer Rückkehrentscheidung nach Indien entgegenstehen und der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Zum Privat- und Familienleben des AW wurde im Wesentlichen festgestellt, dass er über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge, er zu seiner in Indien lebenden Familie Kontakt halte und keine besondere Integrationsverfestigung des AW in Österreich bestehe. Er halte sich seit Jänner 2015 in Österreich auf und habe sich kurzzeitig auch in der Slowakei aufgehalten. Er spreche muttersprachlich Punjabi, seine Deutschkenntnisse seien minimal. Er sei nicht Mitglied in Vereinen und Organisationen. Zudem wurde festgestellt, dass die Lage in Indien seit der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert sei.
1.2.6. Die Verwaltungsakten langten am 28.05.2019 beim BVwG ein.
2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
2.1. Der AW ist Staatsangehöriger von Indien und führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er stellte im Bundesgebiet bereits einmal einen Antrag auf internationalen Schutz, über den mit Bescheid des BFA rechtskräftig negativ entschieden wurde. Die Identität des BF steht aufgrund des sichergestellten Reisepasses fest.
2.2. Der AW hat am 08.05.2019 gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der AW auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen vom AW initiierten Asylverfahrens bestanden haben. Außerdem bezieht er sich auf die gleichen wie im Erstverfahren vorgebrachten Gründe und solche, die auf dieses als nicht glaubhaft befundene Vorbringen aufbauen.
2.3. In Bezug auf den AW besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Es bestehen keine Hinweise, dass beim AW etwaige (schwerwiegende) physische bzw. psychische Erkrankungen vorlägen, die einer Rückkehr nach Indien entgegenstehen würden.
2.4. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des AW nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der AW verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
2.5. Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über den vorhergehenden Antrag des AW auf internationalen Schutz nicht eingetreten.
2.6. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
3. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes und des BVwG.
3.1. Zur Person des AW:
Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Name und Geburtsdatum des AW ergeben sich aus dem sichergestellten Reisepass.
Das Vorliegen eines erheblichen schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich wurde im Verfahren nicht behauptet bzw. hinreichend dargelegt. Vor dem Hintergrund, dass die Aufenthaltsdauer des AW in Österreich noch eher kurz ist, er seit Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhältig ist, dies jedoch nicht durchgängig (so war er mitunter in der Slowakei und laut eigenen Angaben auch in Italien), er nur minimale Sprachkenntnisse in Deutsch erwarb und er aktuell keine legale Erwerbstätigkeit in Österreich belegte, und der AW keine engen sozialen Bindungen geltend machte, sowie auch sonst keine besondere Integrationsverfestigung auszumachen war, war festzustellten, dass ein erhebliches schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich beim AW nicht vorliegt.
Zutreffend hat bereits das BFA herausgearbeitet, dass die vom AW in der Einvernahme geltend gemachten Depressionen nicht belegt wurden, er keine ihn an der Einvernahme hindernden Beschwerden oder Krankheiten geltend gemacht hat und zudem in Indien Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die zugänglich seien und die medizinische Versorgung gewährleistet ist, sodass nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR kein Abschiebungshindernis bestehe.
3.2. Zu den Fluchtgründen des AW:
Im gegenständlichen (zweiten) Asylverfahren bringt der AW einerseits keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Sein Fluchtvorbringen wurde in diesem Umfang bereits in den Vorverfahren als unglaubhaft beurteilt. Andererseits bezog sich der AW auf Fluchtgründe, die zwar schon vor seiner Ausreise aus Indien bestanden hätte, die er aber im Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht erwähnte - so wies bereits das BFA darauf hin, dass der AW vorbrachte, dass XXXX ihn bereits in Indien bedroht hätte (vgl. Protokoll der Niederschrift S. 7: "Vor meiner Ausreise hatte ich einen Drohanruf von ihm."). Das erkennende Gericht folgt auch der Erwägung der belangten Behörde, dass vor dem Hintergrund, dass sowohl das unglaubhafte Vorbringen im Erstverfahren mit Blick auf das (teilweise darauf aufbauende) Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, als auch der Umstand, dass der AW das bereits im Erstverfahren nicht glaubhafte Vorbringen mit dem nunmehrigen Vorbringen verknüpft, der Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens entgegenstehen. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der AW im Erstverfahren keine politische Gegnerschaft vorbrachte und insbesondere weder eine Zugehörigkeit seiner Person zur Kongresspartei noch eine der Gegner zu Akali Dal geltend machte, obwohl dies bereits damals vorgelegen haben müsste, wird der gegenständliche Antrag zurückzuweisen sein.
Im vorliegenden Fall ist somit der Behörde nicht entgegenzutreten, dass von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird.
Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidung in den Vorverfahren in Indien allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden. Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des letzten Asylverfahrens und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vom 04.02.2019 im gegenständlichen Verfahren ergibt - auch unter Beachtung der in den Medien kolportierten aktuellen Spannungen zwischen Indien und Pakistan - keine relevante Veränderung bzw. Verschlechterung der allgemeinen Situation in Indien.
5. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
5.2.1. Anzuwendendes Recht:
Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG in der geltenden Fassung lautet:
"§ 12a.
(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1) der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2) sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht."
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG in der geltenden Fassung ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
5.2.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG im Detail:
5.2.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:
Gegen den AW liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.
5.2.2.2. Res iudicata (entschiedene Sache):
Der AW hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren ein Vorbringen erstattet, dass einerseits auf dem bereits im Erstverfahren als nicht glaubhaft befundenen Vorbringen aufbaute bzw. mit diesem verknüpft war und andererseits ein Vorbringen erstattet, dass sich auf Sachverhalte bezog, die bereits vor seiner Ausreise bestanden hätten, die er jedoch im Erstverfahren nicht vorgebracht hat. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.
Auch die für den AW maßgebliche Ländersituation ist seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren im Wesentlichen gleichgeblieben, und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.
5.2.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:
Im vorangegangen Verfahren hat das BFA ausgesprochen, dass der AW bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe (§ 50 FPG).
Auch im gegenständlichen zweiten Asylverfahren sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den AW im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des AW liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des AW wurde kein entsprechendes konkretes und substantiiertes Vorbringen hiezu getätigt.
Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AW in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
5.2.2.4. Rechtmäßiges Verfahren:
Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.
Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, dem AW wurde Parteiengehör eingeräumt, und er wurde am 18.02.2019 einvernommen.
5.2.3. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH zum Themenbereich res iudicata (entschiedene Sache) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W163.2219282.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.07.2019