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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache des 1967 geborenen BY in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1996, Zl. 119.364/4-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Eingabe "gemäß § 68 Abs. 2 AVG" i.A. einer Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte über einen Wiedereinreisesichtvermerk mit Geltungsdauer vom 5. Februar 1993 bis 31. Dezember 1995. Er beantragte am 7. Dezember 1995 die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. März 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte am 3. April 1996.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
In einer mit 5. August 1996 datierten, an die belangte Behörde gerichteten Eingabe ersuchte dieser "höflich um Nachsicht" für die verspätete Einbringung der Berufung.
Mit dem zur Zl. 119.364/2-III/11/96 ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 1996 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG infolge Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen.
Mit einer mit 25. September 1996 datierten, am 27. September 1996 bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe ersuchte der Beschwerdeführer "höflich um die Behebung des Bescheides" des Landeshauptmannes von Wien vom 23. März 1996.
Zur Begründung führte der Beschwerdeführer folgendes aus:
"Gem. Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses (EWG Türkei) Nr. 1/8 (gemeint wohl: 80) gehöre ich zum regulären Arbeitsmarkt in Österreich (Mitgliedsstaat) und habe Anspruch auf Verlängerung meines Aufenthaltsrechts nach einem Jahr ordnungsgemäßer legaler Beschäftigung, wenn ich über einen Arbeitsplatz verfüge.
In meinem Fall wäre die Nichtberücksichtigung des Abkommens sehr schwerwiegend, da ich die Berufung um zwei Tage später als in der Rechtsmittelfrist vorgesehen ist, eingebracht habe.
Ich bin in Österreich seit dem 6.1.1993 ordnungsgemäß beschäftigt. Somit also auch mehr als über 3 Jahre legal beschäftigt.
Ich ersuche Sie höflich um die Aufhebung des Bescheides, da auch in meinem Fall der Vorhalt einer 'Scheinehe' sicherlich nicht aufrechterhalten werden kann.
(Siehe Berufungsschreiben samt Anlagen)."
Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung der belangten Behörde vom 27. November 1996 wurde spruchgemäß der Antrag des Beschwerdeführers "gemäß § 68 Abs. 2 AVG gegen den Bescheid des Bundesministerium für Inneres vom 05.09.1996
Zl. 119.364/2-III/11/96 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen". Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 68 Abs. 2 AVG könnten Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen habe, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Derartige Erledigungen seien somit von Amts wegen und nicht aufgrund eines Antrages eines Beteiligten vorzunehmen, weshalb darauf gerichtete Anträge, so auch jener des Beschwerdeführers vom "26. September 1996", als unzulässig zurückzuweisen seien.
Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "Recht auf Verlängerung seines Aufenthaltsrechts" verletzt, zumal er seit mehr als einem Jahr ordnungsgemäß in Österreich beschäftigt gewesen sei und über einen Arbeitsplatz verfüge. Er verweist auf Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses zwischen der EWG und der Türkei Nr. (richtig wohl:) 1/80. Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Eingabe datiere vom 25. September 1996. Er habe in dieser Eingabe keinen Antrag gemäß § 68 Abs. 2 AVG gestellt, sondern lediglich allgemein auf seine besondere Situation und auf die Rechtslage hingewiesen. Wenn sein Antrag vom 25. September 1996 aber als solcher im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zu werten gewesen wäre, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses zu prüfen und hätte daher "von Amts wegen einen entsprechenden Beschluß" zu fassen gehabt. Einer derartigen Abänderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides von Amts wegen wäre auch die Rechtskraft nicht entgegengestanden, weil im Falle des Beschwerdeführers ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen sei. Über seinen "formlosen Wiedereinsetzungsantrag" vom 5. August 1996 habe die erstinstanzliche Behörde noch nicht entschieden. Im übrigen sei die Annahme der erstinstanzlichen Behörde, der Beschwerdeführer sei eine "Scheinehe" eingegangen, im erstinstanzlichen Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
Eingangs ist festzuhalten, daß der Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 23. März 1996 im Zeitpunkt der Erlassung der nunmehr angefochtenen Erledigung rechtskräftig war. Die behauptete Säumnis des Landeshauptmannes von Wien mit der Erledigung der nach Auffassung des Beschwerdeführers als Wiedereinsetzungsantrag zu wertenden Eingabe vom 5. August 1996 kann nicht mit Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden.
§ 68 AVG räumt lediglich der Behörde die Befugnis ein, - in bestimmten Fällen - einen rechtskräftigen Bescheid abzuändern oder zu beheben, gewährt jedoch der Partei kein subjektives Recht auf einen solchen behördlichen Akt (§ 68 Abs. 7 AVG). Nur wenn die Partei ein Recht auf Abänderung des formell rechtskräftig gewordenen Bescheides geltend macht, ist ihr Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Eine Zurückweisung ist hingegen nicht vorzunehmen, wenn die Partei bloß die "Anregung" macht, von den behördlichen Befugnissen nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG Gebrauch zu machen. Will eine Partei mit einem Anbringen die Aufsichtsbehörde anregen, von ihrer Aufhebungs- bzw. Abänderungsbefugnis Gebrauch zu machen, so bedarf dieses Anbringen keiner förmlichen Erledigung (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 654, mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur).
Vorliegendenfalls kann es dahingestellt bleiben, ob die Eingabe des Beschwerdeführers vom 25./27. September 1996, auf die sich - wie dieser selbst erkennt - die Erledigung der belangten Behörde vom 27. November 1996 bezieht, als formeller Antrag auf Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides (wie von der belangten Behörde überdies offenbar angenommen des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1996) aufzufassen ist, oder vielmehr bloß zur amtswegigen Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 23. März 1996 anregen sollte.
Wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, besteht nämlich kein Anspruch auf Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 2 AVG zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes, sodaß durch die Nichtausübung desselben eine Rechtsverletzung nicht stattfinden kann, weshalb demjenigen, der ein solches Recht geltend macht, die Beschwerdelegitimation fehlt (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 235 und 236 zu § 68 AVG, wiedergegebene Judikatur). Ebensowenig erscheint die Möglichkeit einer Verletzung des Beschwerdeführers in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht auf "Verlängerung seines Aufenthaltsrechts" durch die hier angefochtene Erledigung gegeben, weil damit nicht unmittelbar über eine beantragte Verlängerung des Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers abgesprochen, sondern lediglich die Frage behandelt wird, ob der rechtskräftige erstinstanzliche Bescheid im Wege des behördlichen Aufsichtsrechtes aufgrund der Eingabe des Beschwerdeführers vom 25. September 1996 abzuändern ist. Die Möglichkeit einer mittelbaren Verletzung des Rechtes des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Bewilligung zum Aufenthalt durch die angefochtene Erledigung setzte aber jedenfalls das Bestehen eines subjektiven Rechtes des Beschwerdeführers auf Ausübung des Aufsichtsrechtes voraus.
Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zur Erhebung ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Dezember 1998
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191024.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.04.2013