TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/18 97/02/0458

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Veröffentlicht am 18.12.1998
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §89a Abs2a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte in Wien I, Nibelungengasse 1/3/46, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 9. September 1997, Zl. MA 65 - 12/57/97, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. September 1997 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 89a Abs. 7 StVO ein Kostenersatz für die von der Magistratsabteilung 68 des Magistrates der Stadt Wien am 2. Dezember 1996 vorgenommene Entfernung des an einem näher beschriebenen Ort in Wien verkehrsbeeinträchtigend abgestellt gewesenen, dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in der Höhe von insgesamt S 1.020,-- vorgeschrieben.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde u.a. ausgeführt, daß laut Aussagen des im Zeitpunkt des Vorfalls anwesenden Straßenaufsichtsorganes der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. April 1997 das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers vorschriftsmäßig, und zwar außerhalb des 5-Meter-Bereiches einander kreuzenden Fahrbahnränder und parallel zum Fahrbahnrand, "ohne Bodenmarkierungen zu überschreiten" (die es dort nicht gebe) abgestellt gewesen sei, weshalb keine Strafanzeige erstattet worden sei. Der Straßenbahnzug habe "ohne Schwierigkeiten" passieren können.

Der Aussage des Straßenbahnfahrers vom 8. April 1997 zufolge sei das Kraftfahrzeug "innerhalb des oben genannten 5-Meter-Bereiches" so abgestellt gewesen, daß die Vorderfront "genau bis zu den die Schienen begrenzenden Steinen" gereicht habe, weshalb er anhalten habe müssen, zumal auch bei langsamem Vorbeifahren ein Streifen der Fahrzeuge nicht mehr hätte ausgeschlossen werden können.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde ferner aus, das Straßenaufsichtsorgan habe "die maßgebliche Bestimmung des § 23 Abs. 1 StVO" außer Acht gelassen, wonach der Lenker das Fahrzeug zum Halten und Parken u.a. so aufzustellen habe, daß kein Lenker eines anderen Fahrzeuges (wozu auch Straßenbahnzüge zählen würden) u.a. am Vorbeifahren gehindert würden.

Aus den Feststellungen des Straßenbahnfahrers ergebe sich konkret, wie weit das Fahrzeug in Richtung der Schienen geragt habe, wobei unstrittig hinzu komme, daß es sich um einen Kurvenbereich "mit offenkundig damit verbundenen Wagenüberhängen" handle; insofern würden die Feststellungen des Straßenbahnfahrers zur Behinderung nachvollziehbar erscheinen, zumal einem Straßenbahnfahrer klar zuzubilligen sei, daß er die Möglichkeit, das Kraftfahrzeug zu streifen, richtig erkenne.

Das Straßenaufsichtsorgan stelle, abgesehen von der dargelegten "unschlüssigen Argumentation zur Behinderung" lediglich fest, der Fahrer habe ohne Schwierigkeiten passieren können, ohne daß sich hiezu nachvollziehbare Umstände ergeben hätten. Die (von der Meldungslegerin anläßlich ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme) angefertigte Skizze stehe schon hinsichtlich der Gleisführung in offenkundigem Widerspruch zur Situation am Einsatzort.

Nach Feststellungen der Magistratsabteilung 46 des Magistrates der Stadt Wien in einer Stellungnahme vom 22. Mai 1997 hätte das Kraftfahrzeug bei einem Abstand bis zu 5,4 m eine Verkehrsbehinderung dargestellt. Daß bei dieser Stellungnahme laut Vorbringen des Beschwerdeführers verschiedene Fahrzeugbreiten (im cm-Bereich) nicht berücksichtigt worden seien, stehe dem Beweisergebnis des Zusammenhanges von Verkehrsbeeinträchtigung und Örtlichkeit nicht entgegen, zumal eine insofern auf Zentimeter genaue Abstellposition nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 89a Abs. 2 a lit. a StVO ist eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 2 insbesondere gegeben, wenn Schienenfahrzeuge nicht unbehindert fahren können.

Das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes erfolgt gemäß § 89a Abs. 7 erster Satz StVO auf Kosten desjenigen, der im Zeitpunkt des Aufstellens oder Lagerns des Gegenstandes dessen Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern dessen Zulassungsbesitzer war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0224, die Ansicht vertreten, daß die Bestimmung des § 89a Abs. 2 lit. a StVO die Beseitigung eines Gegenstandes auf der Straße als den Verkehr beeinträchtigend vorsieht, wenn der Lenker eines Schienenfahrzeugs - objektiv gesehen - der Ansicht sein konnte, daß ein risikoloses Vorbeifahren an dem Gegenstand im Hinblick auf die mögliche Verursachung eines Schadens trotz Verminderung der Geschwindigkeit nicht möglich ist.

Im Beschwerdefall war daher für die belangte Behörde maßgeblich, von welcher Abstellposition des Fahrzeugs des Beschwerdeführers sie ausgehen konnte. Sie stützte sich dabei im wesentlichen auf die erst mehr als vier Monate nach dem Vorfallszeitpunkt durchgeführte zeugenschaftliche Befragung des Straßenbahnfahrers (vom 8. April 1997) sowie auf eine ergänzende gutächtliche Stellungnahme des verkehrstechnischen Sachverständigen vom 22. Mai 1997. In der genannten Zeugenaussage präzisierte zwar der Straßenbahnfahrer die Abstellposition dahin, daß das Fahrzeug mit der Vorderfront "bis zum Schienenbereich, genau bis zu den die Schienen begrenzenden Steinen" gestanden sei. Nach den ergänzenden Feststellungen des beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 22. Mai 1997 war unter Berücksichtigung der Breite des Kraftfahrzeugs des Beschwerdeführers sowie des Abstandes des Wagenkastens (des Straßenbahnzuges) zur Gleisachse bei einem Abstand des Kraftfahrzeugs zum Schnittpunkt der Fahrbahnränder von 5,2 m der Straßenbahnzug am Vorbeifahren "absolut gehindert" und bei einem Abstand von 5,4 m "behindert (durch Langsamfahrt)".

Ergänzende Ermittlungen und Feststellungen darüber, wo der Abstellort des Fahrzeuges insbesondere aufgrund der dargelegten Angaben des Straßenbahnfahrers gewesen ist und ob dieser allenfalls innerhalb des vom Amtssachverständigen beschriebenen Bereiches einer allfälligen Behinderung des Straßenbahnzuges gelegen war, hat die belangte Behörde jedoch unterlassen. Gerade darauf wäre es aber im Beschwerdefall angesichts der den durchaus durch Erhebungen an Ort und Stelle objektivierbaren Aussagen des Straßenbahnfahrers entgegenstehenden Aussage der Meldungslegerin angekommen, die als geschultes Straßenaufsichtsorgan u.a. angab, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers parallel zum Fahrbahnrand und "mehr als 5 m vom Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder geparkt" und "keinerlei Verkehrsbeeinträchtigung gegeben" gewesen sei. Anläßlich ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am 9. April 1997 bestätigte die Meldungslegerin neuerlich, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers "außerhalb des 5 m-Bereiches parallel zum Fahrbahnrand" abgestellt gewesen sei und daß ihrer Einschätzung nach der Straßenbahnfahrer "ohne Schwierigkeiten passieren" hätte können.

Allein die Tatsache, daß die Meldungslegerin nicht ausdrücklich in ihren Ausführungen auf die (nach Auffassung der belangten Behörde maßgebliche) Bestimmung des § 23 Abs. 1 StVO bzw. § 89a Abs. 2a lit. a StVO abstellte, macht diese Angaben noch nicht - wie die belangte Behörde offenbar vermeint - unschlüssig. Ebensowenig kann eine Unschlüssigkeit dieser Aussage aus einer im Zuge der Zeugeneinvernahme der Meldungslegerin aus dem Gedächtnis heraus (mehr als vier Monate nach dem Vorfall) angefertigten, und nach Ansicht der belangten Behörde "in offenkundigem Widerspruch zur Situation am Einsatzort" stehenden Handskizze abgeleitet werden. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers, die noch dazu durch eine vorgelegte Bestätigung seiner Gattin hinsichtlich des Abstellzeitpunktes glaubhaft gemacht wurden, wonach der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug am Abstellort bereits am Vorabend gegen 22.00 Uhr und somit vor Betriebsschluß der entsprechenden Straßenbahnlinie abgestellt habe und damals Straßenbahnen am Vorbeifahren nicht gehindert gewesen seien, rügte der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht, daß aufgrund der aufgezeigten, unterlassenen ergänzenden Ermittlungen ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.

Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020458.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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