TE Vfgh Erkenntnis 1996/12/11 B1549/96

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Veröffentlicht am 11.12.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm nicht durch die Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4, derogiert wurde, und der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm durch die Tir RaumOG-Nov 1996 derogiert wurde, mit E v 28.11.96, G195/96 ua.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid vom 28. März 1995 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Niederndorferberg die baubehördliche Bewilligung für ein landwirtschaftliches Betriebsgebäude mit angebautem Wohnteil und Ferienwohnsitzen. Dagegen erhoben sowohl der Bauwerber (nunmehriger Beschwerdeführer, gegen die Auflagen) als auch der Nachbar (gegen die Bewilligung) Berufung. Auf Grund der Berufungen hat der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 29. September 1995 den Bescheid des Bürgermeisters behoben und die Angelegenheit gemäß §66 Abs2 AVG zur neuerlichen Verhandlung an die Baubehörde I. Instanz verwiesen. Der Gemeindevorstand ging unter Bezugnahme auf §15 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Fassung vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. 4/1996 davon aus, daß die Ferienwohnsitze nicht bewilligungsfähig seien und daß daher eine Projektänderung notwendig sei, um das Projekt genehmigungsfähig zu machen. Den Nachbarn müsse neuerlich Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen zum geänderten Projekt zu erheben. Der Gemeindevorstand könne nicht beurteilen, inwiefern die Ferienwohnsitze durch Neu-, Zu- oder Umbauten oder durch Änderung des Verwendungszweckes geschaffen wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

1.2.1. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

1.2.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.1.1. Mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G195/96 ua., hat der Verfassungsgerichtshof das Gesetz vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol 81/1993, idF der Kundmachungen LGBl. 6/1995 und 68/1995, insoweit als verfassungswidrig aufgehoben, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle 1996, LGBl. 4/1996, derogiert wurde, und festgestellt, daß es insoweit verfassungswidrig war, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle 1996, LGBl. 4/1996, derogiert wurde.

2.1.2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt der Ausspruch, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalls so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

2.2.1. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G195/96 ua. begann am 28. November 1996. Die vorliegende Beschwerde ist bereits zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingelangt.

Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

2.2.2. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheids den als verfassungswidrig festgestellten §15 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 an. Es ist nach Lage des Falls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfGH 8.10.1996, B201/95 ua.).

2.3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B1549.1996

Dokumentnummer

JFT_10038789_96B01549_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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