Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der NM, (geboren am 1. September 1976), in Gloggnitz, vertreten durch Dr. Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in 2630 Ternitz, Hauptstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Juni 1998, Zl. Fr 2515/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Juni 1998 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin am 20. Jänner 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Einreisedokument bzw. eine Aufenthaltsberechtigung nach Österreich eingereist sei. Ihr am 22. Jänner 1998 beim Bundesasylamt eingebrachter Asylantrag sei mit Bescheid vom 30. März 1998 gemäß § 6 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, daß eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei und der Beschwerdeführerin keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz 1997 zukomme. Ihre gegen diese Entscheidung des Bundesasylamtes eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. April 1998 als verspätet eingebracht zurückgewiesen worden. Der Beschwerdeführerin sei zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung (in Österreich) zugekommen.
Der Beachtung der für die Einreise nach und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Da sich die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat, der Bundesrepublik Jugoslawien, befänden, könne die belangte Behörde einen Eingriff in ihr Privat- oder Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG nicht erkennen. Sie gelange daher zu dem Ergebnis, daß die öffentlichen Interessen bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von einer Ausweisung unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß ihr Asylantrag zwar rechtskräftig abgewiesen worden sei, sie dagegen jedoch rechtzeitig Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, weshalb die belangte Behörde das Ausweisungsverfahren bis zur Erledigung dieser Beschwerde hätte unterbrechen müssen. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland politischer Verfolgung ausgesetzt sei, stelle nämlich eine Vorfrage gemäß § 38 AVG dar. Auch würde die Beschwerdeführerin bei einer Ausweisung nach Ungarn von den ungarischen Behörden umgehend nach Jugoslawien zurückgeschickt werden.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Es besteht keine Vorschrift, die die zur Erlassung einer Ausweisung zuständige Behörde verpflichtet, mit dieser Entscheidung bis zum Abschluß des einen Asylantrag abweisenden Bescheid betreffenden Beschwerdeverfahrens bei den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts zuzuwarten. Überdies ist es für die Rechtmäßigkeit des Ausweisungsbescheides nicht maßgeblich, ob und gegebenenfalls in welchen Staaten der Fremde im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist. Denn mit einer Ausweisung ist ausschließlich die Verpflichtung des Fremden verbunden, unverzüglich auszureisen; es wird damit jedoch nicht (auch) ausgesprochen, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 96/21/0584, mwN), sodaß mit der in der Beschwerde aufgestellten Vermutung, ungarische Behörden könnten die Beschwerdeführerin umgehend nach Jugoslawien zurückschicken, für ihren Standpunkt nichts gewonnen ist.
Nach dem Gesagten ist somit kein Grund dafür ersichtlich, daß die belangte Behörde das Ausweisungsverfahren hätte unterbrechen müssen.
2.1. Die Beschwerde macht weiters geltend, daß der behauptete Verstoß gegen Einreisevorschriften tatsächlich nicht gegeben sei, weil die Beschwerdeführerin subjektiv der Meinung gewesen sei, daß sie als Flüchtling den Asylstatus erlangen würde.
2.2. Dem ist entgegenzuhalten, daß es für die Qualifikation eines Aufenthaltes als unrechtmäßig als Voraussetzung für die administrativrechtliche Maßnahme der Ausweisung nicht darauf ankommt, ob dem Fremden die Unrechtmäßigkeit bewußt ist (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0519).
2.3. Im Grunde des § 31 Abs. 1 Z. 1 und 4 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen, eingereist sind (Z. 1) oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt (Z. 4).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, daß sie unter Umgehung der Grenzkontrolle sowie ohne Einreisedokument nach Österreich eingereist und ihr Asylantrag rechtskräftig abgewiesen sowie vom Bundesasylamt ausgesprochen worden sei, daß ihr keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz 1997 zukomme.
2.4. Gegen die Beurteilung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodaß der Tatbestand des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt sei, bestehen daher keine Bedenken.
3.1. Die Beschwerde ist weiters der Ansicht, daß die belangte Behörde im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zu Unrecht die öffentlichen Interessen höher bewertet habe als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin.
3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Die Beschwerdeführerin hat durch ihre unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgte Einreise und ihren seither unrechtmäßigen Aufenthalt das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 27. November 1998, Zl. 98/21/0388) gravierend beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst kurzen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Inland und der unbestritten gebliebenen Feststellung, daß sich ihre Angehörigen in ihrem Heimatland, der Bundesrepublik Jugoslawien, befänden, liegt kein relevanter Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG vor. Dies hat zur Folge, daß die belangte Behörde einer Beurteilung der Frage, ob die Ausweisung nach dieser Bestimmung dringend geboten sei, enthoben war.
4. Ebenso sind weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde Umstände ersichtlich, die dafür sprächen, daß die belangte Behörde von dem ihr durch § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen gehabt hätte (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 98/21/0388).
5.1. Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, daß einerseits die belangte Behörde ihrer Rechtsbelehrungspflicht gemäß § 13a AVG nicht nachgekommen sei, weil insbesondere keine Anleitungen darüber erfolgt seien, wie die Beschwerdeführerin zu einer Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdengesetz oder dem Asylgesetz kommen würde, und andererseits der angefochtene Bescheid mit Begründungsmängeln behaftet sei, weil er sich in der Zitierung von verba legalia und Leitsätzen von Verwaltungsgerichtshoferkenntnissen erschöpfe.
5.2. Der ersten Rüge ist zu entgegnen, daß sich die Belehrungspflicht nach § 13a AVG nur auf Verfahrensschritte, nicht jedoch auf die Beratung in materiell-rechtlicher Hinsicht bezieht (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 180f., angeführte hg. Rechtsprechung). Der weiteren Rüge ist entgegenzuhalten, daß aus dem angefochtenen Bescheid der von der belangten Behörde angenommene maßgebliche Sachverhalt klar hervorgeht. Die belangte Behörde hat auch die die rechtliche Grundlage des Bescheides bildenden gesetzlichen Vorschriften und deren Anwendbarkeit auf den konkreten Fall ausreichend dargelegt, sodaß eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit möglich ist.
6. Schließlich kann das - im übrigen völlig unsubstantiierte - weitere Beschwerdevorbringen, daß "die Bestimmungen des Fremdengesetzes und des Asylgesetzes mit der Verfassungsrechtslage nicht im Einklang stehen", Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetze iS des Art. 140 B-VG nicht erwecken.
7. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998210441.X00Im RIS seit
20.11.2000