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27 RechtspflegeNorm
DSt 1990 §3Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchdie Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegenunzulässiger DoppelvertretungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Linz. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 11. April 2005 wurde er der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße iHv. € 1.500,- verurteilt, weil er
"mit Schreiben vom 21.06.2004, als Vertreter der S E & S E AG die S Rechtsanwälte OEG, als Vertreter der I Ö reg. Gen.m.b.H., um einen gemeinsamen Besprechungstermin zum Themenkomplex Beschwerde der S E & S E AG gegen die I Ö reg. Gen.m.b.H. und die I A GesmbH ersucht [hat]. Dies obwohl die H & Partner Anwaltsgesellschaft mbH, bei der Dr. A H geschäftsführender Gesellschafter ist, kurz davor die I Ö reg. Gen.m.b.H., die alleinige Gesellschafterin der I CR spol.
s. r.o. ... ist, beraten hat, wobei dabei der Rechtanwältin
Mgr. Z Z ... Spezialvollmacht erteilt wurde, und hat dadurch eine
unzulässige Doppelvertretung vorgenommen".
1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 22. Mai 2006 keine Folge gegeben. Begründend wird unter anderem ausgeführt:
"Im vorliegenden Fall hat der Disziplinarbeschuldigte bei der Mandatsübernahme gegen einen ehemaligen Mandanten keinesfalls ausreichend angemessene Zeit zugewartet, da zwischen der Begründung des Vollmachtsverhältnisses am 19. April 2004 und dem kartellrechtlichen Schreiben vom 21. Juni 2004 nur wenige Wochen liegen bzw. ab Beendigung der ersteren wohl nur wenige Tage. Insofern ist es entgegen den Berufungsausführungen des Disziplinarbeschuldigten für die disziplinarrechtliche Beurteilung der Doppelvertretung auch unmaßgeblich und tritt aufgrund des äußerst geringen Zeitabstandes völlig in den Hintergrund, ob ein dauerndes oder nur punktuelles Vertretungsverhältnis zwischen der I Ö reg. Gen.m.b.H. und der H und Partner Anwaltsgesellschaft mbH bzw. mit Frau Mgr. Z vorlag bzw. von welcher Dauer oder von welchem Inhalt das Vertretungsverhältnis war und ob es sich vielleicht nur um ein 'Ein-Parteien-Verfahren' handelte. Generell darf der Rechtsanwalt auch dann nicht gegen seine Partei vertreten, wenn es um eine ganz andere Sache geht, weil davon ausgegangen werden muss, dass er bestimmte Verhaltensweisen, Grundeinstellungen, Anschauungen und vor allem wirtschaftliche Gegebenheiten kennt, die er bei der Vertretung der anderen Partei in einer anderen Sache zum Nachteil seines Mandanten nützen könnte, wobei hier - wie bereits ausgeführt - allein der Anschein einer Treueverletzung genügt (...).
Entgegen der Auffassung des Disziplinarbeschuldigten ist es disziplinarrechtlich irrelevant und für die Entscheidung unwesentlich, ob Mag. G A das bestehende Vollmachtsverhältnis der H und Partner Anwaltsgesellschaft mbH mit der S E & S E AG bei der Bevollmächtigung von Frau Mgr. Z für die I Ö reg. Gen.m.b.H. billigend in Kauf genommen hätte, da selbst eine Zustimmung den Rechtsanwalt vom Verbot der unzulässigen Doppelvertretung als Vorschrift des öffentlichen Standesrechts nicht zu befreien vermag (vgl. AnwBl 1993/4432, 333). Der Disziplinarbeschuldigte ist im Übrigen nach den getroffenen Feststellungen erst nach der Bevollmächtigung von Frau Mgr. Z beauftragt worden, gegen die I Ö reg. Gen.m.b.H. im Namen der S E & S E AG aufzutreten, und es hilft ihm auch insoweit der Einwand der bestehenden Kenntnis von Mag. A nichts. Nicht die Bevollmächtigung von Mgr. Z ist dem Disziplinarbeschuldigten vorzuwerfen, sondern die Übernahme der Vertretung für die S E & S E AG trotz des bereits kurz zuvor bestandenen Vollmachtsverhältnisses zur I Ö reg. Gen.m.b.H.
Für die disziplinarrechtliche Entscheidung ist auch wesentlich, dass die H und Partner Anwaltsgesellschaft mbH durch die Hinweise auf ihren Geschäftspapieren objektiv den Eindruck einer mit den genannten Rechtsanwälten - insbesonders mit Frau Mgr. Z - bestehenden Kanzleigemeinschaft erweckt und aufgrund dieses Anscheins sämtliche Mitglieder dieser Gemeinschaft an das Doppelvertretungsverbot gebunden sind, auch wenn ein Mandant nur von einem einzigen Mitglied dieser Kanzleigemeinschaft beraten wurde."
2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Bedenken des Beschwerdeführers entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Begründend wird ausgeführt, dass das Vertretungsverhältnis der H & Partner AnwaltsgesmbH mit der S E & S E AG bereits seit 5. Oktober 2003 bestanden habe. Mit dem inkriminierten Schreiben an die S Rechtsanwälte OEG vom 21. Juni 2004 sei daher keine Doppelvertretung begangen, sondern lediglich die bereits bekannte Vertretung fortgeführt worden. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass allein Frau "Mgr. Z Z" bevollmächtigt gewesen und völlig eigenständig für die I Ö reg. Gen.m.b.H. bei der firmenrechtlichen Angelegenheit tätig geworden sei. Die belangte Behörde habe die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente unzureichend berücksichtigt und nicht abwägend den Gegenargumenten gegenübergestellt. Schließlich hätte die belangte Behörde §3 Disziplinarstatut 1990 (im Folgenden: DSt 1990) anwenden müssen.
2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Bei den durch die Beschwerde aufgeworfenen Fragen handelt es sich ausschließlich um solche, die im Zusammenhang mit der Verwirklichung der in §10 Abs1 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO) normierten Tatbestände stehen. Die belangte Behörde hat ihre Rechtsposition im angefochtenen Bescheid sehr ausführlich und in nachvollziehbarer Weise begründet (und damit die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers abgelehnt), sodass ihr keineswegs zum Vorwurf gemacht werden kann, leichtfertig entschieden zu haben.
Der Vorwurf des unzureichenden Ermittlungsverfahrens bzw. des Ignorierens des Parteienvorbringens kann der belangten Behörde, welche den Tatbestand der Doppelvertretung als gegeben ansieht, jedenfalls nicht gemacht werden. Die Beschwerde wirft hiebei lediglich Fragen der richtigen Anwendung des einfachen Gesetzes auf, die nicht der Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes unterliegen.
Der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach §3 DSt 1990 anzuwenden gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass es der Verfassungsgerichtshof allein auf Grund des - in einem unbedenklichen Ermittlungsverfahren festgestellten - Verhaltens des Beschwerdeführers für vertretbar hält, wenn die belangte Behörde keinen Anlass zur Anwendbarkeit des §3 DSt 1990 sieht. Ob die Bestimmung in jeder Hinsicht richtig angewendet wurde, ist eine Frage der Anwendung des einfachen Gesetzes, für deren Beurteilung dem Verfassungsgerichtshof keine Zuständigkeit zukommt (vgl. zB VfSlg. 17.820/2006; VfGH 28.11.2006, B1558/06).
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.
3.1. In seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art7 EMRK erachtet sich der Beschwerdeführer verletzt, weil er auf Grund der bisherigen Rechtsprechung darauf vertrauen habe dürfen, dass sein Verhalten mit dem Standesrecht vereinbar sei. Darüber hinaus müssten Bescheide - dem Klarheitsgebot entsprechend - auf konkrete Bestimmungen gestützt werden.
3.2. Eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes muss sich auf gesetzliche Regelungen oder verfestigte Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen (VfSlg. 11.776/1988). Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - sich nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt sich auf §10 RAO. Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Sachverhaltes im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich unter den Umständen des vorliegenden Falles einer Bestrafung aussetzt.
4.1. Schließlich erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Der angefochtene Bescheid sei gesetzlos ergangen. Die Verhängung der Geldstrafe sei weder notwendig noch angemessen gewesen.
4.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
Dass ein solcher Fall nicht vorliegt, wurde bereits unter Punkt II.2.2. dargelegt.
Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
5. Der Beschwerdeführer ist in den von ihm behaupteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht verletzt worden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.
Ob die Entscheidung in jeder Hinsicht rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, DisziplinarrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1914.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009