TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/11 L502 2150135-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L502 2150140-1/8E

L502 2150135-1/7E

L502 2150147-1/4E

L502 2150143-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Irak und vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2017, FZ. 1070183503-150543435, 1078445407-150879684, 1070183601-150543449 und 1078445200-150879722, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und dessen Tochter (BF3), stellten im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 21.05.2015 jeweils einen Antrag auf intentionalen Schutz. Die Ehegattin des BF1, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), stellte im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 17.07.2015 für sich und die zweite Tochter (BF4) als gesetzliche Vertreterin jeweils einen Antrag auf intentionalen Schutz.

2. Am 23.05.2015 erfolgte die Erstbefragung des BF1 und der BF3 sowie am 19.07.2015 die der BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der Folge wurden die Verfahren zugelassen.

3. Am 25.01.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), RD Wien, zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen, im Zuge dessen sie verschiedene Identitätsnachweise und sonstige Beweismittel vorlegten, die in Kopie zum Akt genommen wurden.

4. Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 01.02.2017 wurden die Anträge von BF1, BF2, BF3 und BF4 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihren Anträgen hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak stattgegeben und ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG jeweils bis zum 01.02.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 07.02.2017 wurde den BF von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

6. Gegen die am 13.02.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 10.03.2017 innerhalb offener Frist jeweils gegen Spruchpunkt I. Beschwerde erhoben.

7. Mit 15.03.2017 langten die Beschwerdevorlagen des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

8. Am 30.04.2018 langte beim BVwG ein Konvolut an diversen Beweismitteln ein, die zum Akt genommen wurden.

9. Am 19.12.2018 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in den Rechtssachen der Beschwerdeführer durch, in der der BF1 und die BF2 persönlich gehört wurden.

10. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer, deren Identitäten feststehen, sind irakische Staatsangehörige und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Der BF1 ist Moslem der sunnitischen Glaubensgemeinschaft. Die BF2 bis BF4 sind Muslime der schiitischen Glaubensgemeinschaft.

Die Beschwerdeführer stammen aus XXXX , wo sie vor der Ausreise im Stadtteil XXXX lebten. In XXXX leben noch zwei weitere Töchter des BF1 und der BF2, die verheiratet sind, mit ihren Ehegatten und Kindern, je zwei verheiratete Brüder und Schwestern des BF1, sowie die Mutter und drei verheiratete Schwestern der BF2. In der Türkei lebt eine weitere Tochter des BF1 und der BF2 und ein Bruder des BF1. Ein weiterer Bruder des BF1 lebt in den USA. Ein Bruder der BF2 lebt im Iran. BF1 und BF2 schlossen am 11.08.1981 in XXXX die Ehe. Der BF1 hat in XXXX zwölf Jahre lang die Schule besucht und danach ein fünfjähriges Studium an einer Filmakademie absolviert. Seinen Lebensunterhalt hat er als Kunst- und Zeichenlehrer sowie zuletzt als Schuldirektor in XXXX bestritten. Die BF2 hat bis zu ihrer Ausreise als Englischlehrerin gearbeitet. Die BF3 war bis zur Ausreise Schülerin.

Die Beschwerdeführer haben den Irak am 18.04.2015 ausgehend von XXXX auf dem Luftweg in die Türkei nach Ankara verlassen, anschließend setzten sie von Izmir auf die griechische Insel Lesbos über, wo sie registriert wurden, und gelangten schließlich schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Österreich, wo BF1 und BF3 am 21.05.2015 und BF2 und BF4 am 17.07.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten und sich seither aufhalten.

Die Beschwerdeführer sprechen Arabisch als Muttersprache. BF1 bis BF3 erwarben durch den Besuch von Deutschkursen und die Ablegung von Deutschprüfungen Kenntnisse der deutschen Sprache, und zwar der BF1 auf dem Niveau A1, die BF2 auf dem Niveau B1 und die BF3 auf dem Niveau A2. Die BF4 ist Schülerin an einem österreichischen Gymnasium, zuletzt in der 5. Schulstufe. Die Beschwerdeführer haben auch einen Wertekurs besucht. Der BF1 und die BF2 haben ehrenamtlich Schulpräsentationen abgehalten, die BF2 hat ehrenamtlich Englisch an einer Neuen Mittelschule unterrichtet. Die Beschwerdeführer beziehen seit der Einreise für ihren Lebensunterhalt staatliche Sozialleistungen. Die BF3 ist Mutter eines im Mai 2018 geborenen unehelichen Sohnes, dem seinem leiblichen Vater folgend die österreichische Staatsangehörigkeit zukommt.

BF1 bis BF3 sind bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es war nicht feststellbar, dass die Beschwerdeführer ihren Herkunftsstaat aufgrund individueller Verfolgung durch Dritte wegen ihrer Religionszugehörigkeit verlassen haben oder bei einer Rückkehr in den Irak einer solchen ausgesetzt wären.

1.3. Der gg. Entscheidung werden folgende länderkundliche Informationen zur allgemeinen Lage im Irak zugrunde gelegt:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um XXXX sowie im Umkreis von XXXX , im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit Oktober 2018 noch ca. 1,8 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 4,1 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Schwerpunkte für Rückkehrende sind die Provinzen Ninava, Anbar, Salah al-Din und XXXX .

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an XXXX anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in XXXX und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von XXXX . Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt XXXX . Am 15.10.2017 wurden die in XXXX stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus XXXX zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via XXXX möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt geworden.

Die Sicherheitslage im Großraum XXXX war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es jedoch im Stadtgebiet von XXXX zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in XXXX verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum XXXX sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Zuletzt kam es am 06.06.2018 im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF1, der BF2 und der BF3, der bekämpften Bescheide, der Beschwerdeschriftsätze und der sonstigen im Zuge des Verfahrens vorgelegten Beweismittel, die Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems die Beschwerdeführer betreffend.

2.2. Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer waren auf der Grundlage der vorgelegten nationalen Identitätsdokumente feststellbar.

Die Feststellungen ihrer Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe und zur sunnitischen bzw. schiitischen Religionsgemeinschaft stützen sich auf deren Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführer bzw. deren sonstige Integration im Bundesgebiet konnten anhand der vorgelegten Nachweise in Verbindung mit den entsprechenden persönlichen Aussagen vor dem BVwG festgestellt werden.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben ergaben sich in unstrittiger Weise aus einer Zusammenschau ihrer persönlichen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens, dem Inhalt der von ihnen vorgelegten Unterlagen sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zum Reiseverlauf resultieren aus einer Zusammenschau der übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer.

2.3. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF1 bzw. seiner Angehörigen vor der Ausreise aus behaupteten Gründen bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro oben gelangte das erkennende Gericht aufgrund folgender Erwägungen:

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 23.05.2015 brachte der BF1 zu seinen Antragsgründen befragt vor, dass er als Schuldirektor in einem schiitischen Stadtteil XXXX von schiitischen Milizen mit dem Tode bedroht worden sei. Aus Angst um sein Leben habe er den Irak mit seiner Familie verlassen, dies sei sein einziger Fluchtgrund.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 25.01.2017 legte er zunächst dar, er sei mittels Drohbrief in seiner Schule bedroht worden, wobei er nachgefragt angab diesen Drohbrief nicht ernst genommen zu haben, außerdem sei er 2013 von einem Angreifer "zusammengeschlagen" worden, wobei der Angreifer deshalb gerichtlich verurteilt worden sei. Eine weitere Drohung sei 2009 durch das Stehlen seiner Kennzeichentafeln und die Beschädigung seines KFZ erfolgt. Schließlich habe er 2015 einen weiteren Drohbrief an der Windschutzscheibe seines KFZ gefunden, in dem er mit dem Tod bedroht worden sei, weshalb er auf Anraten der irakischen Polizei das Land verlassen habe. Außerdem habe seine Ehegattin 2013 und 2014 zwei Drohanrufe von unbekannten Tätern erhalten.

Die BF2 brachte anlässlich ihrer Erstbefragung zu ihren Antragsgründen befragt vor, dass sie und der BF1 aufgrund ihrer sogen. "Mischehe" sowohl von Schiiten als auch Sunniten mit dem Tod bedroht würden und daher keine Sicherheit und Zukunft für sich und ihre Kinder im Irak hätten. Anlässlich ihrer Einvernahme vor dem BFA gab sie schließlich an, sie sei aus denselben Gründen wie ihr Ehemann ausgereist.

Die BF3 brachte als Fluchtgrund in ihrer Erstbefragung vor, ihre Familie werde von schiitischen Milizen bedroht und verfolgt. Anlässlich ihrer Einvernahme durch das BFA stellte die BF3 ihre Ausreisegründe dergestalt dar, dass ihr Vater und ihre Mutter bedroht worden seien.

2.3.2. Die belangte Behörde gelangte auf der Grundlage dieses Vorbringens zur Feststellung, dass die behauptete Bedrohung des BF1 zwar glaubhaft gewesen sei, dies jedoch keine individuelle Verfolgungssituation erkennen lasse.

In der Beschwerde fanden sich keine maßgeblichen weiteren Aussagen zum Sachverhalt. Es wurden lediglich länderkundliche Informationen zitiert und eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde das bisherige Vorbringen zu den Ausreisegründen neuerlich mit dem BF1 und der BF2 erörtert.

2.3.3.1. In einer Gesamtbetrachtung des Vorbringens von BF1 bis BF3 stellte sich dieses zum einen in mehrfacher Hinsicht als widersprüchlich dar, worunter schon dessen Glaubhaftmachung in maßgeblicher Weise litt.

Wurde vom BF1 wie oben erwähnt in seiner Erstbefragung ins Treffen geführt, dass er wegen seiner beruflichen Tätigkeit als der sunnitischen Bevölkerung zugehöriger Schuldirektor in einem schiitischen Stadtteil XXXX von Mitgliedern schiitischer Milizen bedroht worden und deshalb mit seinen Angehörigen ausgereist sei, behauptete seine Gattin, die BF2, dass sie beide wegen der Zugehörigkeit ihres Gatten zur sunnitischen und ihrer eigenen zur schiitischen Bevölkerung "von beiden Seiten" bedroht worden seien.

Führte der BF1 sodann in seiner Einvernahme vor dem BFA sein vorangegangenes Vorbringen zu den Ausreisegründen näher aus, verwies die BF2 in ihrer Einvernahme nunmehr summarisch auf die von diesem behaupteten Ausreisegründe (Anm.: vgl. zu den Aussagen der BF2 die im Verfahrensakt der BF3 einliegende Niederschrift dieser Aussagen, da die im Akt der BF2 einliegende Niederschrift offenkundig unvollständig blieb).

Zwar haben sich die Aussagen von Asylwerbern zu ihren Antragsgründen in einer Erstbefragung in Entsprechung der gesetzlichen Vorgaben auf die bloßen Eckpunkte des "Wer, wann, wie und wo" der die Flucht auslösenden Ereignisse zu beschränken. Doch war die maßgebliche Divergenz des Vorbringens von BF1 und BF2 in diesem Punkt anläßlich der Erstbefragungen ein erstes Indiz gegen die Glaubhaftigkeit desselben, nicht zuletzt auch deshalb, weil die BF2 ja erst zu einem späteren Zeitpunkt als ihr Gatte nach Österreich eingereist war und ihre Erstbefragung daher ca. zwei Monate nach der ihres Gatten stattfand, während die beiden nachfolgenden Einvernahmen am gleichen Tag stattfanden, was auf eine erst nach den Erstbefragungen bzw. im Vorfeld der Einvernahmen stattgefundene Abgleichung des Vorbringens durch die Antragsteller hinwies. Zu diesem Eindruck passte auch, dass die zugleich mit ihrem Vater, dem BF1, eingereiste BF3 - im Unterschied zu ihrer Mutter - bei ihrer Erstbefragung die gleichen Ausreisegründe geltend machte wie dieser.

Diese Widersprüchlichkeit in grundlegenden Punkten setzte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG fort.

Hatte der BF1 vor dem BFA ausdrücklich und abschließend nur vier Vorfälle, bei denen es auch zu Drohungen gegen ihn gekommen sei, ins Treffen geführt und diese sowohl zeitlich zugeordnet als auch in ihrem Verlauf im Einzelnen dargestellt, behauptete er erstmals in der Verhandlung, er sei über die bereits genannten vier Vorfälle hinaus bis zur Ausreise noch sieben Mal persönlich telefonisch bedroht worden. Auf Vorhalt dessen, dass sich dieses neue, über das bisherige doch erheblich hinausgehende Vorbringen in der erstinstanzlichen Niederschrift noch gar nicht fand, erwiderte er bloß, dass er dies sehr wohl schon vor dem BFA vorgetragen habe, wogegen aber die urkundliche Beweiskraft der Niederschrift stand.

Über die ihn selbst betreffenden Vorfälle hinaus hatte der BF1 vor dem BFA auf zwei telefonische Drohungen in den Jahren 2013 und 2014 gegen seine Gattin, die BF2, verwiesen, die in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin für die englische Sprache und einer Hilfstätigkeit einer seiner - nicht mitgereisten - Töchter für eine UNO-Organisation gestanden seien, woraus der Vorwurf ihrer Kollaboration "mit den Amerikanern" resultiert sei.

Wie schon oben erwähnt hatte die BF2 selbst in ihrer Erstbefragung lediglich summarisch Probleme wegen der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit der Ehegatten als Ausreisegrund genannt, ihre eigene Person betreffende Vorfälle machte sie weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA geltend.

In der Beschwerdeverhandlung hielt der BF1 vorerst auf ausdrückliche Nachfrage hin fest, dass nur er selbst und zwar wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit bedroht worden sei, nicht aber seine Familienangehörigen, zumal diese Schiiten seien bzw. als solche angesehen wurden. Erst auf Vorhalt dessen, dass er doch erstinstanzlich auch von telefonischen Drohungen gegen Gattin und Tochter berichtet habe, wiederholte er diese Behauptung. Abgesehen davon gab er in der Folge an, man habe seine Gattin durch die Drohung dazu bewegen wollen, auf die gemeinsame Tochter einzuwirken, dass diese ihre Arbeit für die UNO-Hilfsorganisation einstelle, während er noch vor dem BFA vermeinte, man habe die BF2 aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Englischlehrerin bedroht. Ein maßgeblicher Widerspruch lag auch insofern vor, als die telefonischen Drohungen, die den Aussagen vor dem BVwG wie zum Teil auch vor dem BFA zufolge insbesondere darauf abstellten, dass die Tochter des BF1 für eine UNO-Hilfsorganisation tätig war und sie diese Tätigkeit einstellen sollte, ab 2013 bzw. 2014 stattgefunden hätten, der BF1 in der mündlichen Verhandlung jedoch auf Nachfrage darlegte, seine Tochter habe ihre Tätigkeit bereits 2012 beendet. Die wenigen Aussagen der BF2 zu diesem Beweisthema vor dem BVwG vermochten diese Widersprüche ebenso nicht aufzulösen.

2.3.3.2. Darüber hinaus waren die von den Beschwerdeführern behaupteten Ausreisegründe nicht als plausibel und schlüssig anzusehen.

So stellte sich der behauptete Anlaß für die Drohungen gegen die BF2 und ihre Tochter - man habe ihnen vorgehalten sie hätten "für die Amerikaner gearbeitet" - in Anbetracht dessen, dass die Mutter (bloß) als Englischlehrerin an einer irakischen Schule in XXXX tätig war und die Tochter offenbar (bloß) an der Verteilung von Hilfsgütern an Binnenvertriebene beteiligt war, für das Gericht nicht als plausibel dar.

Insbesondere waren BF1 und BF2 aber auch nicht in der Lage nachvollziehbar darzulegen, weshalb es für die Familie nicht möglich gewesen wäre, für den Fall des Zutreffens einer substantiellen Bedrohung den Wohnsitz zu verlegen um sich der behaupteten Gefahr ausgehend von schiitischen Bewohnern ihres Wohnviertels, die sie ja auch zum Wegzug aufgefordert hätten, zu entziehen.

Der BF1 versuchte diesen Standpunkt vor dem BVwG zum einen damit zu begründen, dass es für die Familie aufgrund unterschiedlicher Glaubensausrichtung zu schwierig gewesen wäre, in XXXX einen Bezirk zu finden, in dem Sunniten und Schiiten zusammenleben könnten, bzw. vermeinte die BF2 dazu befragt, dass es in XXXX keine "gemischten" Bezirke gäbe. Dies stand nicht nur in Widerspruch zur notorischen Situation in XXXX , wo es innerhalb des Stadtgebietes jeweils Bezirke mit unterschiedlich gemischter Zusammensetzung gibt - dass es innerhalb XXXX gänzlich schiitische bzw. sunnitische Bezirke gäbe, wurde auch weder von den Beschwerdeführern belegt noch wäre dies dem Gericht von Amts wegen bekannt -, sondern auch zur Darstellung des BF1 selbst vor dem BVwG, der diese Umstände dort einräumen mußte, ebenso wie er bestätigte, dass neben der Mehrzahl an Schiiten auch ein gewisser Anteil an Sunniten in seinem früheren Wohngebiet lebte, der sich mangels Bedrohung auch nicht zum Verlassen des Bezirks veranlasst gesehen habe.

Die Beschwerdeführer trugen im Übrigen diesbezüglich auch jeweils unterschiedliche Szenarien vor, so vermeinte der BF1 stets, nur er selbst hätte seinen Bezirk verlassen müssen, weil er Sunnit sei, seine Angehörigen seien als Schiiten dort aber nicht bedroht gewesen und hätten dort auch verbleiben können, zuletzt mutmaßte er vor dem BVwG, dass seine Bedrohung wohl im Unterschied zu anderen Sunniten daran gelegen habe, dass er Schulleiter gewesen sei. Die BF3 vermeinte demgegenüber vor dem BFA, die ganze Familie sei bedroht worden, weil sie sunnitisch sei, während die BF2 eingangs ihres Verfahrens auf den Umstand der gemischt-konfessionellen ehelichen Verbindung zwischen ihr und ihrem Gatten verwies.

Die Darstellung von BF1 und BF2, dass eine gemischt schiitisch-sunnitische Familie aufgrund dieser Konstellation weder in einem vorwiegend schiitischen noch in einem überwiegend sunnitischen Bezirk leben könnte, stellte sich für das BVwG daher als bloße Schutzbehauptung dar.

Ausgehend von der hypothetischen Möglichkeit eines Wohnsitzwechsels innerhalb XXXX wäre es auch naheliegend gewesen, dass sich die Familie etwaigen Gefahren in ihrem früheren Wohngebiet primär durch einen solchen zu entziehen versucht haben würde. Dies gilt sinngemäß auch, zieht man das vom BF1 dargelegte Szenario in Betracht, dass nur er selbst in seiner beruflichen Position als sunnitischer Schulleiter Drohungen von Schiiten ausgesetzt gewesen sei, denn dass er sich trotz behaupteter Weise über Jahre hinweg erfolgter Drohungen und Übergriffe um eine andere berufliche Stellung bemüht hätte um sich dem zu entziehen, war seinen Aussagen nicht zu entnehmen. Die Argumentation der Beschwerdeführer, die Familie hätte keine Alternative zu einer Ausreise aus dem Irak gehabt, war für das erkennende Gericht nicht schlüssig.

Sowohl hinsichtlich der behaupteten telefonischen Drohungen gegen die BF2 als auch der behaupteten Vorfälle zwischen 2009 und 2013 im Zusammenhang mit dem BF1 war zudem festzustellen, dass es diesen an einem zeitlichen Zusammenhang mit der tatsächlichen Ausreise mangelte. Ein kausaler Zusammenhang lag auch weder zwischen den behaupteten Drohanrufen an die BF2 und der Ausreise vor, geht man von dem behaupteten Hintergrund der Hilfstätigkeit der Tochter aus, ebenso die Beschädigung seines Autos im Jahr 2009, das erste Drohschreiben an ihn als Direktor sechs Monate vor dem Vorfall im Jahr 2013, das er vor dem BFA als bloßen Scherz eines Schülers abtat, den er nicht ernst nahm, wie auch einen gewaltsamen Übergriff eines jungen Mannes gegen ihn im Jahr 2013, der zu dessen gerichtlicher Bestrafung geführt habe, betreffend. Letztlich belasteten auch diese Aspekte die behaupteten Ausreisemotive der Beschwerdeführer mit maßgeblichen Zweifeln.

2.3.3.3. Aus der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom BF1 in Vorlage gebrachten Sterbeurkunde eines Neffen, wonach dieser - in der nordirakischen Stadt XXXX - als Polizist im Dienst getötet wurde, war für den BF1 mangels Konnexes zu seinem sonstigen Vortrag nichts zu gewinnen, nicht zuletzt gab er dazu befragt an, er wisse nicht weshalb sein Neffe getötet worden sei.

2.3.3.4. Ein spezifisches Eingehen auf länderkundliche Informationen zu behaupteten Übergriffen schiitischer Milizen auf Privatpersonen, wie sie im Rahmen der Beschwerde in den Raum gestellt wurden, war im Lichte dessen ebenso obsolet, wie ein spezifisches Eingehen auf die dort bloß abstrakt thematisierte Lage "westlich orientierter Frauen" im Irak oder die ebenso nur theoretisch angesprochene Möglichkeit von Vergewaltigungen irakischer Frauen "durch Angehörige des IS" , zumal weder die BF2 noch die BF3 selbst zu irgendeinem Zeitpunkt des gg. Verfahrens Rückkehrbefürchtungen in diesem Sinne äußerten.

2.4. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Irak stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Irak in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde von den BF1 und 2 selbst kein substantielles diesen Feststellungen entgegenstehendes Vorbringen erstattet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

2. Die von BF1 und BF2 behauptete Bedrohung durch Dritte vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat war nicht als glaubhaft anzusehen. BF3 und BF4 haben ihre Asylbegehren darüber hinaus auf kein substantiiertes individuelles Vorbringen gestützt. Folgerichtig war auch keine Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführer für den Fall der Rückkehr dorthin festzustellen.

Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung an die Beschwerdeführer gemäß §§ 3 Abs. 1 und 34 Abs. 2 AsylG waren im Lichte dessen nicht gegeben.

3. Die Beschwerde zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aktuelle Bedrohung, aktuelle Gefahr, Asylantragstellung,
asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren, begründete Furcht
vor Verfolgung, erhebliche Intensität, Familienverfahren,
Fluchtgründe, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, maßgebliche
Wahrscheinlichkeit, mündliche Verhandlung, Nachvollziehbarkeit,
Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2150135.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten